18 Jahre Schriftstellerforum!
 
Suchen
Suchabfrage:
erweiterte Suche

Login

Jetzt erhältlich! Eine Anthologie von und mit unseren Usern. Jetzt bestellen! Die erste, offizielle DSFo-Anthologie! Lyrikwerkstatt Das DSFo.de DSFopedia


Deutsches Schriftstellerforum Foren-Übersicht -> Antiquariat -> Belletristik
[KGe] Die alte Frau und das Telefon

 
 
Neues Thema eröffnen   Neue Antwort erstellen
 Vorheriges Thema anzeigen :: Nächstes Thema anzeigen  « | »  
Autor Nachricht
Hagen
Gast






Beitrag30.04.2007 15:36
[KGe] Die alte Frau und das Telefon
von Hagen
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Die Heizung lief auf vollen Touren und trotzdem war es kalt in der Wohnung. Anna Lee nahm den Geruch des Heizöls nicht mehr wahr und saß wartend vor dem Telefon. Es waren Tage vergangen ohne dass sich jemand auf ihre Kontaktanzeige meldete. Schaukelnd saß sie in ihrem Stuhl und starrte in die Zeitung. Wieder und wieder las sie die Annonce um einen Grund für das Schweigen des Telefons zu finden. Alles schien perfekt. „Reife Frau, jung geblieben, sucht starken Mann (mit Manneskraft) zum Anlehnen und glücklich sein. Bitte melden unter...“. Auch die Telefonnummer stimmte. Sie war nicht mehr sicher, ob die Anzeige nicht doch wie ein verzweifelter Hilfeschrei verstanden werden konnte. Sie wollte nicht den Eindruck erwecken, eine dieser zurück gewiesene Frau zu sein. Zu oft hatte sie schon die Männer vertrieben. Drei Scheidungen und mehr als doppelt so viele Enttäuschungen ließen ihr Gesicht zur Kummerfalte werden. Als sie ihr dritter Mann wegen einer anderen verließ, begann sie ihre Schritte ins neue Leben.

Der Stuhl knarrte leise auf dem Holzboden. Draußen auf dem Spielplatz tobten die Kinder und ihr Lachen drang durch das Fenster. Es wurde ihr zur Gewohnheit die Jalousien auch am Tag geschlossen zu halten. Dann machte sich  die Verantwortung des Tages nicht bemerkbar. Hätte sie Enkelkinder, würde sie jetzt Strümpfe stricken oder ihnen draußen im Hof den Sand aus den Gesichtern wischen. Doch es gab nur sie, die Wohnung und das Telefon. Obwohl sie so gut wie keine Anrufe tätigte, liebte sie ihr altes Telefon mit der Wahlscheibe. Standhaft hatte sie sich geweigert eines von den modernen Tastentelefonen zu bekommen. Der Postbeamte war froh, schnell wieder aus der Wohnung zu kommen, denn nicht nur die Verantwortung wurde durch die geschlossenen Fenster draußen gehalten.

Anna Lee merkte nicht wie sie sich langsam veränderte. Früher war sie täglich in den Geschäften unterwegs. Jeder kannte und schätzte sie. Doch allmählich wurden ihre Einkaufstaschen bei den wöchentlicher Einkäufen immer leichter. Sie schämte sich schon damals Toilettenpapier zu kaufen. Obwohl ihr klar war, dass jeder Mensch ohne diese wertvollen Blätter nicht auszukommen vermag, begann sie, die großen Packungen bei ihrem Einkauf weg zu lassen. Auch die Tageszeitung tat ihre Wirkung und wurde täglich vor die Haustüre geliefert. An das Kratzen gewöhnte sie sich bald.  

Sie sah ein, dass sie an ihrer Anzeige nichts mehr ändern  konnte und legte die Zeitung zu den anderen. Beherzt lutschte sich an den Fingern um die Druckerschwärze zu entfernen. Das Lokalblatt wurde noch mit alter Schwärze gedruckt. Wieder ein Blick zum Telefon. Seit dem letzten Blick auf die Uhr, die an der gegenüberliegenden Wand hing, sind keine fünf Minuten vergangen. Anna fragte sich, ob die alte Wanduhr noch richtig funktionierte. Sie wusste, dass sie das tat.  

Jedes Dorf hat seine Sonderlinge und Anna Lee wurde über die Jahre hinweg bekannt im Ort. Die Verwandlung von der schönen Dame zur Einsiedlerin, ging schleichend vor sich. Um die Einkaufstasche noch leichter zu halten und den Einkauf schneller zu gestalten, wurden auch Hygieneartikel weggelassen. Zuerst traf es Körpercreme und Make-up und bald war auch das Haarshampoo an der Reihe. Ein schwarzer Hut, den sie zu tragen pflegte, ersetzte die Morgentoilette. Obwohl sie keine hatte, wurde sie oft nach dem Wohlbefinden ihrer Katze gefragt. Den ersten denen Eigenbrötler auffallen, sind Kinder und überall gibt es die Sorten von Bälgern, denen im Elternhaus nicht der Respekt gegenüber eigentümlichen Menschen vorgelebt wurde. Bald erkannten sie, wie lustig es ist, ihre dummen Späße mit ihr zu treiben.

Anna Lee hielt sich immer fern, wenn ihre Schulkollegen Steine nach dem alten Seppel warfen. Groß war die Angst, selbst eines Tages Opfer solcher Streiche zu werden. Ihre Eltern trichterten ihr ein, dass auch sie eines Tages Opfer werden würde, wenn sie es nur einmal wagte über den Dorfdeppen lustig zu machen. Vielleicht tat sie es mit zu wenig Überzeugung. Sie quälte sich nun am Vormittag , wenn die Schule die Meute unter Kontrolle hielt, in die Geschäfte um die notwendigen Einkäufe zu erledigen. Schwierig wurde es in den Sommermonaten. Zwei Monate Spießrutenlauf.

Die Uhr tickte an der Wand. Noch immer kein Anruf. Dafür versammelten sich draußen wieder die Kinder vor ihrem Fenster. Wie jeden Abend, war es wieder an der Zeit, ihren Spaß mit Anna Lee zu treiben. Derjenige, der seinen Apfel am stärksten an ihrem Fenster zermatschte, war der Sieger. Damit war es auch für die Mütter im Hof wieder an der Zeit wegzusehen und sich intensiver um ihre Kinder zu kümmern. Die Kleinen in der Sandkiste wussten nun, dass es Zeit für die Badewanne wurde und daher wurden die letzten Sandkuchen mit besonderer Liebe und Fürsorge gebacken und die Soldaten noch ein letztes Mal in den Sand geschossen.

Seit Tagen hatte sie ihre Tabletten nicht mehr genommen hatte und daher erschien ihr der Lärm der Apfelgeschoße heute besonders Furcht einflößend und bedrohlich. Seit der letzten Tablette wanderten ihre Augen vom einen Gegenstand zum anderen. Nervös streiften sie vom Fenster zur Uhr, von der Uhr zur Zeitung und von der Zeitung zurück zum Fenster. Ihr Gesicht schien ständig in Bewegung zu sein. Plötzlich versagte die Kraft der Lippen versagten und zogen sich schlaff nach unten. Als sie zu Boden sank und dort wie ein Embryo liegen blieb, pfiff Luft aus ihrem Mundwinkeln, die jetzt nach oben und unten zuckten und den Anschein erweckten als ob sie sich nicht entscheiden konnte, zu lachen oder zu weinen. „Die Steine, ich hab die Steine nie geworfen“, hörte die Nachbarin sie wimmern, als sie ihre Kinder von der Sandkiste in die Badewanne brachte.

Nach oben
Libera
Geschlecht:weiblichLeseratte
L

Alter: 38
Beiträge: 191
Wohnort: France


L
Beitrag30.04.2007 16:00
Re: [KuGe] Die alte Frau und das Telefon
von Libera
Antworten mit Zitat

Hallo!

Hab zu ein paar Sätze aus dem ersten Teil deiner Geschichte en paar Korrekturen gemacht:

Zitat:
Es waren Tage vergangen ohne dass sich jemand auf ihre Kontaktanzeige gemeldet hatte.


Zitat:
Sie wollte nicht den Eindruck erwecken, eine dieser zurück gewiesenen Frauen zu sein.


Zitat:
Anna Lee merkte nicht, wie sie sich langsam veränderte. Früher war sie täglich in den Geschäften unterwegs gewesen.


Zitat:
Sie schämte sich schon damals Toilettenpapier zu kaufen.

Worauf beziehst Du Dich mit "damals"? Auf früher? Finde ich nicht sehr gut ausgedrückt.

Zitat:

Seit dem letzten Blick auf die Uhr, die an der gegenüberliegenden Wand hing, waren keine fünf Minuten vergangen.

Zitat:

Die ersten, denen Eigenbrötler auffallen, sind Kinder und überall gibt es die Sorte von Bälgern, denen im Elternhaus nicht der Respekt gegenüber eigentümlichen Menschen vorgelebt wurde.

Zitat:

Anna Lee hatte sich immer fern gehalten, wenn ihre Schulkollegen Steine nach dem alten Seppel geworfen hatten.


Ich finde das Thema Deiner Geschichte gut, aber der Text muss noch stark überarbeitet werden. Lies am besten noch mal alles gut durch, und korrigiere Fehler, und verschönere deine Sätze. Würde mich freuen, wenn du den Text dann noch mal posten würdest! Very Happy

Viel Mut und mach tapfer weiter,

Libera


_________________
Kann man die Welt nicht verändern, dann schafft man sich eine Neue!
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden AIM-Name Yahoo Messenger MSN Messenger
Hagen
Gast






Beitrag30.04.2007 16:04

von Hagen
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Hallo Libera,

vielen Dank für deine Tipps. Mir fällt es noch sehr schwer, die richtige Distanz zu meinen Texten zu finden. Darum bin ich immer sehr dankbar für Ratschläge und Denkanstösse...

LG

HvT
Nach oben
Eireena
Geschlecht:weiblichEselsohr


Beiträge: 360



Beitrag30.04.2007 20:17
Re: [KuGe] Die alte Frau und das Telefon
von Eireena
Antworten mit Zitat

Hallo,

das Thema gefällt mir, finde es immer spannend über Leute zu lesen, die anders sind.

Inhaltlich kommt jedoch die Motivation der alten Frau nicht plausibel rüber (für mich zumindest nicht  )

1. Verstehe ich nicht, wenn Sie sowieso einkaufen muss, warum sie dann keine Hygieneartikel mehr mitnimmt. Wenn sie nun ganz die Einkäufe aufgeben würde und sich das Essen liefern lassen würde, O.K... aber so...

2. Wenn sie sich so derart gehen lässt, ihre Wohnung abschottet, keine frische Luft zum Atmen reinlässt, verstehe ich nicht, warum sie überhaupt Interesse an einem Mann hat. Die Anzeige würde meiner Meinung Sinn machen, wenn da eine angestaubte alte Jungfer sitzt, die sich nun auf lächerliche Art und Weise noch mal herausputzt und es wissen will. Aber im zusammenhang mit ihrem äußeren Verfall finde ich die Aktion nicht besonders stimmig.

Dann nur noch eine Kleinigkeit, mag ebenfalls subjektives Emfpnden sein, aber ich finde das Bild nicht so gelungen:
HagenVonTronje hat Folgendes geschrieben:
Drei Scheidungen und mehr als doppelt so viele Enttäuschungen ließen ihr Gesicht zur Kummerfalte werden.


Kann ein Gesicht wie eine einzige Kummefalte aussehen?


Wie gesagt, Stil und Thema gefallen mir, würde gerne eine überarbeitete Version dazu sehen  Smile

LG
Eireena


_________________
Wer A sagt, beherrscht noch lange nicht das ganze Alphabet. © Andreas Marti
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Hagen
Gast






Beitrag01.05.2007 12:48
Re: [KuGe] Die alte Frau und das Telefon
von Hagen
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Eireena hat Folgendes geschrieben:


1. Verstehe ich nicht, wenn Sie sowieso einkaufen muss, warum sie dann keine Hygieneartikel mehr mitnimmt. Wenn sie nun ganz die Einkäufe aufgeben würde und sich das Essen liefern lassen würde, O.K... aber so...

2. Wenn sie sich so derart gehen lässt, ihre Wohnung abschottet, keine frische Luft zum Atmen reinlässt, verstehe ich nicht, warum sie überhaupt Interesse an einem Mann hat. Die Anzeige würde meiner Meinung Sinn machen, wenn da eine angestaubte alte Jungfer sitzt, die sich nun auf lächerliche Art und Weise noch mal herausputzt und es wissen will. Aber im zusammenhang mit ihrem äußeren Verfall finde ich die Aktion nicht besonders stimmig.




Danke, dass du mich darauf aufmerksam machst. Ich muß gestehen, dass ich ähnliche Gedanken beim Durchlesen gehabt habe. Dachte mir, dass es nicht so auffallen wird...*schande*.

Stelle in den nächsten Tagen/Wochen eine Überarbeitung rein und freue mich schon auf eure Meinung.

In der Zwischenzeit, nehme ich aber gerne weitere Gedanken zu meiner Geschichte entgegen  Wink

LG

HvT
Nach oben
Ralphie
Geschlecht:männlichForenonkel

Alter: 71
Beiträge: 6417
Wohnort: 50189 Elsdorf
DSFo-Sponsor


Beitrag03.05.2007 14:28

von Ralphie
Antworten mit Zitat

Okay, warte ich eben, bis die überarbeitete Version vorliegt. Nur so viel, Hagen: Du musst ein Komma setzen, wenn dem Hauptsatz ein angehängter Nebensatz mit "zu" folgt, und einige deiner Sätze gehören ins Plusquamperfekt gesetzt.  Wink
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Hagen
Gast






Beitrag03.05.2007 15:10

von Hagen
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Danke Ralphie! Beeil mich mit der neuen Version.

LG

HvT
Nach oben
Hagen
Gast






Beitrag17.05.2007 20:28

von Hagen
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Auf Grund von zwei wichtigen Prüfungen, die ich noch meistern musste, hat sich die Verbesserung meines Textes etwas verzögert. Aber hier bitte, die neue Version. Freu mich auf eure Kritik:

Die alte Frau und das Telefon

Die Heizung lief auf vollen Touren und trotzdem war es kalt in der Wohnung. Anna Lee nahm den Geruch des Heizöls nicht mehr wahr und saß wartend vor dem Telefon. Es waren Tage vergangen, seit sich die sektiererischen Weiber aus der Weltuntergangssekte das letzte Mal bei ihr gemeldet hatten. Viel versprechend hatten sie ihr spannende Lektüre dagelassen, die ihr dabei helfen sollte, bis zum nächsten Treffen etwas Klarheit in ihrem Leben zu finden. Schaukelnd saß sie in ihrem Stuhl und starrte auf das Traktat, das neben der Zeitung lag. Sie entschied sich wieder für die Tageszeitung und ließ die Abhandlung auf den großen Stapel Altpapier, neben dem Sofa, fallen. Das Telefon blieb stumm.

Der Stuhl knarrte leise auf dem Holzboden. Draußen auf dem Spielplatz tobten die Kinder und ihr Lachen drang durch das Fenster. Es wurde ihr zur Gewohnheit, die Jalousien auch am Tag geschlossen zu halten. Dann machten sich  die Verantwortung des Tages nicht bemerkbar. Hätte sie Enkelkinder, würde sie jetzt Strümpfe stricken oder ihnen draußen im Hof den Sand aus den Gesichtern wischen. Doch es gab nur sie, die Wohnung und das Telefon. Obwohl sie so gut wie keine Anrufe tätigte, liebte sie ihr altes Telefon mit der Wahlscheibe. Standhaft hatte sie sich geweigert eines von den modernen Tastentelefonen zu bekommen. Der Postbeamte war froh, schnell wieder aus der Wohnung zu kommen, denn nicht nur die Verantwortung wurde durch die geschlossenen Fenster draußen gehalten.

Anna Lee merkte nicht, wie sie sich langsam von der geschätzten Geschäftsfrau zur Einsiedlerin wandelte. Doch allmählich drückte die Last des Alltags zu sehr auf ihre Schultern und beugten auch ihr geistiges Wohlbefinden in immer niedrigere Bahnen. Sie wurde nachlässig und vergesslich und fragte sich für wen sich  sie noch abmühen sollte. Das Leben war zum Großteil verlebt und gesellschaftliche Zwänge machten vieles schwerer für die schwache Frau. Nicht nur die geistige Last wollte sie von der Seele haben. Auch die Einkaufstaschen, die sonst immer prall mit Schönmachern gefüllt waren, wurden  bei den wöchentlichen Einkäufen immer leichter. Es war ihr schon immer peinlich Toilettenpapier zu kaufen. Obwohl ihr klar war, dass jeder Mensch ohne diese wertvollen Blätter nicht auszukommen vermag, begann sie, die großen Packungen bei ihrem Einkauf weg zu lassen. Auch die Tageszeitung tat ihre Wirkung und wurde täglich vor die Haustüre geliefert. An das Kratzen gewöhnte sie sich bald.  

Die Zeitung war  kein abwechslungsreicher Geselle mehr. Sie folgte dem Traktat auf den Papierstapel. Selbstvergessen lutschte sie sich an den Fingern, um die Druckerschwärze zu entfernen. Das Lokalblatt wurde noch mit der alten Farbe gedruckt. Wieder ein Blick zum Telefon. Seit dem letzten Blick auf die Uhr, die an der gegenüberliegenden Wand als Zeuge der Langeweile fungierte, sind keine fünf Minuten vergangen. Anna fragte sich, ob die alte Wanduhr noch richtig funktionierte. Sie wusste, das tat sie.  

Jedes Dorf hat seine Sonderlinge und Anna Lee wurde über die Jahre hinweg bekannt im Ort. Die Verwandlung von der schönen Dame zur Einsiedlerin, ging schleichend von statten. Um die Einkaufstasche noch leichter zu halten und den Einkauf schneller zu gestalten, wurden auch Hygieneartikel weggelassen. Zuerst traf es Körpercreme und Make-up, und bald war auch das Haarshampoo an der Reihe. Ein schwarzer Hut, den sie zu tragen pflegte, ersetzte die Morgentoilette. Obwohl sie keine hatte, wurde sie oft nach dem Wohlbefinden ihrer Katze gefragt. Die ersten denen Eigenbrötler auffallen, sind Kinder und überall gibt es die Sorten von Bälgern, denen im Elternhaus nicht der Respekt gegenüber eigentümlichen Menschen vorgelebt wurde. Bald erkannten sie, wie lustig es ist, ihre dummen Späße mit ihr zu treiben.

Anna Lee hatte sich immer ferngehalten, als ihre Schulkollegen Steine nach dem alten Seppel geworfen hatten. Groß war die Angst, selbst eines Tages Opfer solcher Streiche zu werden. Ihre Eltern trichterten ihr ein, dass auch sie eines Tages Opfer werden würde, wenn sie es nur einmal wagte, über den Dorfdeppen lustig zu machen. Vielleicht tat sie es mit zu wenig Überzeugung. Sie quälte sich nun am Vormittag, wenn die Schule die Meute unter Kontrolle hielt, in die Geschäfte um die notwendigen Einkäufe zu erledigen. Schwierig wurde es in den Sommermonaten. Zwei Monate Spießrutenlauf.

Die Uhr tickte an der Wand. Noch immer kein Anruf. Dafür versammelten sich draußen wieder die Kinder vor ihrem Fenster. Wie jeden Abend, war es wieder an der Zeit, ihren Spaß mit Anna Lee zu treiben. Derjenige, der seinen Apfel am stärksten an ihrem Fenster zermatschte, war der Sieger. Damit war es auch für die Mütter im Hof wieder an der Zeit wegzusehen und sich intensiver um ihre Kinder zu kümmern. Die Kleinen in der Sandkiste wussten nun, dass es Zeit für die Badewanne wurde und daher wurden die letzten Sandkuchen mit besonderer Liebe und Fürsorge gebacken und die Soldaten noch ein letztes Mal in den Sand geschossen.

Seit Tagen sollte sie ihre Tabletten nehmen und daher erschien ihr der Lärm der Apfelgeschoße besonders Furcht einflößend und bedrohlich. Seit der letzten Kapsel, wanderten ihre Augen von einem Gegenstand zum anderen. Nervös streiften sie vom Fenster zur Uhr, von der Uhr zur Zeitung und von der Zeitung zurück zum Fenster. Ihr Gesicht war ständig in Bewegung. Die Augen zuckten und die Brauen bildeten mit ihren Schwingungen eine Welle. Plötzlich versagte die Kraft der Lippen. Luft pfiff aus ihrem Mundwinkel, als sie zu Boden sank und dort ihre Beine umarmte. „Die Steine, ich hab die Steine nie geworfen“, wimmerte sie. Die Nachbarin brachte gerade ihre Kinder von der Sandkiste in die Badewanne, hielt beim Stiegengeländer inne und fragte sich, warum die klagende Frau nicht zum (edit: "rufenden" gestrichen) Telefon ging.
Nach oben
Libera
Geschlecht:weiblichLeseratte
L

Alter: 38
Beiträge: 191
Wohnort: France


L
Beitrag17.05.2007 20:45

von Libera
Antworten mit Zitat

Hallo HagenVonTronje!

Danke für die überarbeitete Version! Ich finde die Geschichte jetzt erheblich logischer, und sie liest sich auch viel besser, weil Du die Zeiten der Verben korrigiert hast.

Freue mich auf mehr Geschichten von Dir  Smile

Libera


_________________
Kann man die Welt nicht verändern, dann schafft man sich eine Neue!
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden AIM-Name Yahoo Messenger MSN Messenger
Kino Vollbart
Eselsohr


Beiträge: 236



Beitrag17.05.2007 21:03

von Kino Vollbart
Antworten mit Zitat

Hi.
Ich muss sagen, die erste Version, von syntaktischen - aber bereits hinreichend geklärten - Fehlern abgesehen, fand ich besser. Ich denke nicht, dass die Geschichte dadurch gewinnt, sie in Kontakt mit einer Weltuntergangssekte zu bringen, eher im Gegenteil.

Was ich an der ersten Fassung sehr gut fand, war die alltägliche Prämisse einer einsamen Frau. Mich interessierte die Frage, woher kommt die Verwahrlosung solcher Frauen - oder Menschen im allgemeinen -, deren Vorleben so tadellos war. Leider gelingt es Dir in der Überarbeitung eher weniger diese Frage zu erläutern.

Meine Vorrednerin mag recht haben, wenn sie scheinbar sachlich Unlogisches aufdeckt. Aber sind es nicht die Brüche mit dem Vorhersehbaren, das heißt mit dem Gewöhlichen, was das Leben und die Literatur interessant machen? Zudem glaubt ich, dass man diesem logischen Problem sehr leicht abhelfen kann: Die Gründe für das Nicht-Kaufen von Hygieneartikeln müssen nicht sachlich, sondern charakterlich hergeleitet werden. Wir nehmen also als Faktum an, dass die Frau keine solchen Artikel kauft. Die Frage lautet: Wieso tut sie das?

Ich finde weiterhin, dass Dein Text noch einmal zulegen könnte, wenn er sich tiefer mit der Psyche dieser Frau auseinandersetzte, das bedeutet zunächst: Mehr Text.

Es besteht kein Zweifel, dass dieser Ansatz ein interessanter ist, und ich finde ihn auch sprachlich gut umgesetzt. Obwohl ich selbst eher ein Feind der immer stärker vereinfachten Sprache bin, ist der Stil hier inhaltlich adäquat eingesetzt und tut das seine, den Leser emotional an diese Frau heranzuführen.

Eines noch: Die Frau darf am Schluss nicht sterben. Dieser Schluss ist nicht text- oder charakterrelevant schlüssig. Allein die Tatsache, dass sie die ominösen Tabletten nicht einnimmt, was zu ihrem Tod führt, reicht nicht aus, sie als Autor sterben zu lassen. Die Frage ist, warum nimmt sie die Tabletten nicht, wenn sie weiß, dass sie daran stirbt, das heißt: Warum begeht sie Selbstmord. Der Hobbyschriftsteller vergisst leider allzu leicht, dass der Selbstmord mehr als Vereinsamung oder Verzweiflung bedarf. So oft finden wir den Selbstmord fiktiv in unserer Popkultur wieder, dass uns scheinbar nicht mehr klar ist, was für ein ungeheurer und ungeheuerlicher Schritt das ist.
Ebenso solltest du in diesem Zusammenhang bedenken, dass die Frau sterben zu lassen in diesem Fall eine Art Happy End bedeutet (die Frau findet Erlösung), zu dem ich dir nicht raten würde.

Ergo: Der Text hat mir gut gefallen, weil er sich mit einem interessanten Sachverhalt beschäftigt und ihm die Synthese von Inhalt und Form gelingt. Mein Vorschlag: Gehe noch näher auf die Person, die Umstände, die Motivationen der Frau ein.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Eireena
Geschlecht:weiblichEselsohr


Beiträge: 360



Beitrag17.05.2007 22:26

von Eireena
Antworten mit Zitat

Hallo,

Deine überarbeitete Version gefällt mir sprachlich und inhaltlich auf jeden Fall besser als die erste!

Dass Du die Kontaktanzeige nun weglässt und Anna Lee anstatt dessen Nähe und einen neuen Lebenssinn in irgendeiner kirchlichen Organisation oder einer Sekte sucht, finde ich nachvollziehbar - auch wenn diese Weltuntergangsorganisation gewöhnungsbedürftig klingt Wink Gibt's die wirklich?

Das Ende finde ich auch viel gelungener; gefällt mir, dass zum Schluss das Telefon klingelt. Unlogisch finde ich jedoch, dass sie bewusst die Tabletten seit einigen Tagen nicht mehr nimmt, schließlich hat sie gerade einen Strohhalm gefunden, an den sie sich bis zu diesem Moment geklammert hat und das heißt, sie will doch noch irgendwas von ihrem Leben.

Dass sie am Ende zusammenbricht und höchstwahrscheinlich stirbt, finde ich nicht störend - meine, es passt zu der Geschichte und ist gerade mit dem Telefonklingeln, das ein paar Sekunden zu spät kommt, gut.

Vielleicht wäre es eine Möglichkeit, dass sie versäumt hat, sich neue Tabletten zu besorgen oder ihre Ängste, sich der Welt draußen zu stellen, sich in den letzten Tagen so verstärkt haben, dass sie es nicht bis zum Arzt geschafft hat, der ihr ein neues Rezept ausstellen muss?... Nur so eine Idee, weil ansonsten der Zwiespalt nicht genügend ausgearbeitet ist, dass sie sterben will, und sie es davon abhängig macht, ob sich diese Organisation bei ihr meldet und ihr einen neuen Sinn gibt.



HagenVonTronje hat Folgendes geschrieben:

Doch allmählich drückte die Last des Alltags zu sehr auf ihre Schultern und beugten auch ihr geistiges Wohlbefinden in immer niedrigere Bahnen. Sie wurde nachlässig und vergesslich und fragte sich für wen sich  sie noch abmühen sollte. Das Leben war zum Großteil verlebt und gesellschaftliche Zwänge machten vieles schwerer für die schwache Frau. Nicht nur die geistige Last wollte sie von der Seele haben.


Auch, wenn die Wortwiederholung nicht unmittelbar aufeinander folgt, finde ich sie unschön und vermeidbar.


Zitat:
Auch die Einkaufstaschen, die sonst immer prall mit Schönmachern gefüllt waren, wurden  bei den wöchentlichen Einkäufen immer leichter.

Da sie nicht schon von klein auf sonderlich gewesen ist, sondern eine Geschäftsfrau war und Wert auf ihr Äußeres gegeben hat, wäre es vielleicht gut, wenn Du irgendein Ereignis in der Vergangenheit mit einbringst, das erklärt, warum dieser Wandel sich vollzogen hat, warum sie vereinsamt ist.


Zitat:
Wieder ein Blick zum Telefon. Seit dem letzten Blick auf die Uhr, die an der gegenüberliegenden Wand als Zeuge der Langeweile fungierte,

fungierte empfinde ich als überflüssliges Fremdwort, das vom sprachlichen Niveau in irgendwelche trockenen Abhandlungen passt - wenn überhaupt.  Wink


 
Zitat:
Die Verwandlung von der schönen Dame zur Einsiedlerin, ging schleichend von statten.

Wie weiter oben schon gesagt, ein paar Sätze zu den Ursachen würden jeden Leser interessieren.


Zitat:
Seit Tagen sollte sie ihre Tabletten nehmen und daher erschien ihr der Lärm der Apfelgeschoße besonders Furcht einflößend und bedrohlich. Seit der letzten Kapsel, wanderten ihre Augen von einem Gegenstand zum anderen. Nervös streiften sie vom Fenster zur Uhr, von der Uhr zur Zeitung und von der Zeitung zurück zum Fenster. Ihr Gesicht war ständig in Bewegung. Die Augen zuckten und die Brauen bildeten mit ihren Schwingungen eine Welle.

Finde ich neben vielen anderen Beschreibungen in dem Text sehr schön!

Du siehst, jeder Kommentator hat so seine eigene Meinung dazu... Bleibt nun an Dir, die zu Deinem Stil passenden Anregungen zu übernehmen  Smile

Alles in allem eine sehr schöne Geschichte - und wenn noch ein paar offene Fragen geklärt werden, wäre sie für mich eine runde Sache. Sprachlich ist sie das jetzt schon.

LG
Eireena


_________________
Wer A sagt, beherrscht noch lange nicht das ganze Alphabet. © Andreas Marti
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Hagen
Gast






Beitrag21.05.2007 15:03

von Hagen
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Vielen Dank für eure Anmerkungen und Tipps. Hilft mir wirklich sehr weiter. Aber je mehr ich mich mit der "Technik" beschäftige, desto mehr erkenne ich, was ich noch zu lernen habe  Sad
Nach oben
Ralphie
Geschlecht:männlichForenonkel

Alter: 71
Beiträge: 6417
Wohnort: 50189 Elsdorf
DSFo-Sponsor


Beitrag21.05.2007 15:47

von Ralphie
Antworten mit Zitat

Lernen müssen wir alle. Ein Tip von mir: Halte dich bei den Kommas an die alte Rechtschreibung und setze vor ein "und" ein Komma, wenn ein grammatisch eigenständiger Satz folgt. Das ist einfach übersichtlicher und klarer gegliedert.  Wink
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Hagen
Gast






Beitrag21.05.2007 17:30

von Hagen
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Ralphie hat Folgendes geschrieben:
Lernen müssen wir alle. Ein Tip von mir: Halte dich bei den Kommas an die alte Rechtschreibung und setze vor ein "und" ein Komma, wenn ein grammatisch eigenständiger Satz folgt. Das ist einfach übersichtlicher und klarer gegliedert.  Wink


Vielen Dank für den Ratschlag. Darf ich dich noch fragen, was du generell von meiner Geschichte hältst?
Nach oben
Ralphie
Geschlecht:männlichForenonkel

Alter: 71
Beiträge: 6417
Wohnort: 50189 Elsdorf
DSFo-Sponsor


Beitrag21.05.2007 19:47

von Ralphie
Antworten mit Zitat

Überarbeite den Text noch einmal und zeig uns, wie die Kinder die alte Dame quälen. Das erzeugt Emotionen. Einen Roman schreiben heißt, die Figuren leiden zu lassen. Versetze dich in deine Heldin, geh unter die Oberfläche und laß dich an ihrer Stelle von den Kindern quälen. Aus der Story ist viel herauszuholen. Very Happy
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Hagen
Gast






Beitrag27.05.2007 15:54

von Hagen
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Buuuh, leichter gesagt als getan...  Wink
Nach oben
Ralphie
Geschlecht:männlichForenonkel

Alter: 71
Beiträge: 6417
Wohnort: 50189 Elsdorf
DSFo-Sponsor


Beitrag28.05.2007 15:29

von Ralphie
Antworten mit Zitat

Aber nein! Bist du niemals gequält oder gehänselt worden, in der Schule oder so? Übertrage deine Empfindungen von damals auf deine Helden - und geh so tief, bis es unerträglich wird. Dann ist dein Text gut.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Beiträge der letzten Zeit anzeigen:   
Neues Thema eröffnen   Neue Antwort erstellen
Seite 1 von 1

Deutsches Schriftstellerforum Foren-Übersicht -> Antiquariat -> Belletristik
Du kannst keine Beiträge in dieses Forum schreiben.
Du kannst auf Beiträge in diesem Forum nicht antworten.
Du kannst Deine Beiträge in diesem Forum nicht bearbeiten.
Du kannst Deine Beiträge in diesem Forum nicht löschen.
Du kannst an Umfragen in diesem Forum nicht teilnehmen.
In diesem Forum darfst Du keine Ereignisse posten
Du kannst Dateien in diesem Forum nicht posten
Du kannst Dateien in diesem Forum nicht herunterladen
 Foren-Übersicht Gehe zu:  


Ähnliche Beiträge
Thema Autor Forum Antworten Verfasst am
Keine neuen Beiträge Formsache und Manuskript / Software und Hilfsmittel
Satzzeichen vor und nach kursivem Wor...
von Golovin
Golovin Formsache und Manuskript / Software und Hilfsmittel 14 27.04.2024 13:45 Letzten Beitrag anzeigen
Keine neuen Beiträge Roter Teppich & Check-In
Hallo Welt! sagte die schreibende Tig...
von Tigerlilie
Tigerlilie Roter Teppich & Check-In 8 26.04.2024 16:33 Letzten Beitrag anzeigen
Keine neuen Beiträge Dies und Das
Was bedeutet das Wort dialogal?
von PatDeburgh
PatDeburgh Dies und Das 5 26.04.2024 13:57 Letzten Beitrag anzeigen
Keine neuen Beiträge Agenten, Verlage und Verleger
Nur mal in die Runde gefragt
von Alfred Wallon
Alfred Wallon Agenten, Verlage und Verleger 8 26.04.2024 13:01 Letzten Beitrag anzeigen
Keine neuen Beiträge Rechtschreibung, Grammatik & Co
Semikolon und Apostroph
von Golovin
Golovin Rechtschreibung, Grammatik & Co 13 25.04.2024 22:56 Letzten Beitrag anzeigen

EmpfehlungEmpfehlungBuchBuchBuchEmpfehlungEmpfehlungBuchEmpfehlungEmpfehlung

von EdgarAllanPoe

von MosesBob

von fancy

von Ralphie

von jon

von sleepless_lives

von BirgitJ

von zwima

von Rike

von Fao

Impressum Datenschutz Marketing AGBs Links
Du hast noch keinen Account? Klicke hier um Dich jetzt kostenlos zu registrieren!