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Invasion 1944


 
 
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Ralphie
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Beitrag22.07.2008 21:11
Invasion 1944
von Ralphie
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Der Jeep trug einen großen, weißen Stern auf der Kühlerhaube und bremste so scharf, daß eine Staubwolke aus dem Splitbelag des Parkplatzes aufstieg.

Eine Frau in der Uniform des Weiblichen Hilfskorps der United States Army zwängte sich an der Beifahrerseite aus dem Wageninnern. Sie beugte sich leicht vor und verabschiedete sich von dem Fahrer mit einer saloppen Ehrenbezeugung, während sie mit der freien Hand ihren vom Sitzen zerknitterten Rock glattstrich. Kurz darauf mühte sie sich mit einem Koffer, der mindestens fünfzehn Kilogramm zu schwer für sie war, die Freitreppe des Hotels hinauf.

Fünfunddreißig, allerhöchstens vierzig, schätzte Bill. Aber sie ist noch nicht lange in der Armee, sonst hätte sie wohl kaum ihren gesamten Hausstand mit nach England gebracht. Sie ist hübsch, dachte er. Sehr hübsch sogar, fügte er in Gedanken hinzu. Das Hotel hieß »Envoy«. Es lag etwas außerhalb der alten Eisenbahnstadt Eastleigh in der englischen Grafschaft Hampshire und war ihm und seinem Stab für die Dauer der Operation Overlord als Hauptquartier zugeteilt worden.

Die Frau trug Nylons mit schwarzen Nähten auf der Rückseite. Bill sah ihre köstlichen Waden und fand, daß der jungen Dame unter die Arme gegriffen werden müsse. Vom Äußerlichen entsprach er dem althergebrachten Bild eines amerikanischen Armeeoffiziers. Er war mehr als einen Meter neunzig groß, schlank, aber nicht mager, athletisch, mit breiten Schultern und Muskeln bepackt wie ein Profispieler der National Baseball League. In seinem hyperkurzen Bürstenhaarschnitt zeigten sich die ersten Spuren von Grau.

»Guten Morgen, Lieutenant«, sagte er und grüßte die Frau, indem er mit einem Finger lässig gegen sein olivgrünes Uniformschiffchen tippte. »Ich bin Colonel William Llewellyn Armstrong vom IX. US Troop Carrier Command. Lieutenant Margaret S. Denniston, nehme ich an. Ich dürfte für die nächsten Wochen und Monate Ihr Vorgesetzter sein. Gestatten Sie, daß ich Ihnen behilflich bin?«

Margaret wuchtete den Koffer mit beiden Händen noch eine einzelne Stufe hinauf und stellte ihn dann ab. »Ich habe dieses verflixte Ding von Hackensack, New Jersey, bis hierher alleine geschleppt, also schaffe ich es auch noch die paar läppischen Stufen!«

»Aber nein, das ist keine Aufgabe für eine zarte Dame wie Sie. Ich helfe Ihnen gern. Sie sind die neue Dolmetscherin, nicht wahr? Ich habe Sie angefordert. Ihr Büro ist schon eingerichtet. Sie können sofort anfangen, sobald Sie den Jetlag überwunden haben. Das ›Envoy‹ ist keine Luxuskaschemme, aber es ist auch keine Absteige wie die Hotels, in denen sie die anderen Stäbe untergebracht haben.«

»Was ist aus Ihrer alten Dolmetscherin geworden?« wollte Margaret wissen. Sie schwitze. Unter ihren Achselhöhlen hatten sich dunkle Ränder in ihrer Uniformbluse gebildet.

Bill grinste jungenhaft. »Sie hieß Joan«, antwortete er. »Joan meinte, die britisch-amerikanische Freundschaft über das von Mr. Roosevelt empfohlene Maß hinaus vertiefen zu müssen. Sie kriegt ein Kind.«

»Von einem Engländer?«

»Von einem Schotten.«

»Wie schön!«

»Ihr Mann in Oklahoma fand es weniger lustig. Er hat die Scheidung eingereicht.« Bill hievte den schweren Überseekoffer auf die Schulter und trug ihn, unter dem Gewicht leicht schwankend, neben Margaret her in die große, abgedunkelte Hotellobby, in der es an diesem Freitagvormittag in der ersten Juniwoche des Jahres 1944 vor Offizieren in olivfarbenen amerikanischen Armeeuniformen nur so wimmelte. Es war ein Kommen und Gehen. Mindestens fünfzig Leute, schätzte Margaret, möglicherweise mehr. An der Rezeption führte ein Lieutenant mit den Abzeichen der 101. Luftlandedivision ein hitziges Wortgefecht mit dem dunkelhäutigen Empfangschef, der sein Anliegen entweder nicht verstand oder auf dem besten Wege war, es nicht verstehen zu wollen. Am Klappenschrank leuchteten mehrere rote und gelbe Lichtsignale.

Bill stellte den Koffer vor einer hinter mannshohen Zimmerpalmen verborgenen Sitzgruppe aus geflochtenen Rattanmöbeln ab und bat seine hübsche Begleiterin, sich einen Platz auszusuchen. Margaret entschied sich für einen Stuhl mit Blick auf den Park und die Telegrafenmasten der Eisenbahnstrecke von Southampton nach London.

»Was möchten Sie trinken?« fragte er.

»Etwas Alkoholfreies«, antwortete sie.

»Einen Tee?«

»Ein Mineralwasser, möglichst kalt.«

Der Colonel bestellte bei einer jungen Kellnerin in Rüschenhaube und schwarzem Dienstbotenkleid, wie sie aus dem Bild der großen amerikanischen Hotels längst verschwunden waren, zwei eisgekühlte Mineralwässer und setzte sich Margaret gegenüber auf einen freien Stuhl. Margaret entblößte ihre großen, perlweißen Elfenbeinzähne zu einem geheimnisvollen halben Lächeln. Ihr Teint war sehr hell, sehr weiß. Der knallrote, leicht ölig schillernde Lippenstift bildete einen scharfen Kontrast zu dieser hellen Haut.

»Llewellyn …«, sagte Margaret nachdenklich, »ist das walisisch?«

»Irisch«, korrigierte er. »Es ist der Mädchenname meiner Mutter. Ich komme aus Texas, wenn Sie das wissen wollen. Aus Salt Flat im Hudspeth County, um genau zu sein.«

»Interessant!« sagte Margaret.

»Aber reden wir von Ihnen. Was treibt eine schöne Frau wie Sie in die Arme von Onkel Sam?« Bill klappte ein silbernes Zigarettenetui auf und bot Margaret schlanke Chesterfields an, aber sie lehnte dankend ab.

»Langeweile?« antwortete sie schulterzuckend. »Mein Sohn dient in der Army, und ich kam mir in meinem großen Haus in Hackensack ein wenig unnütz vor, um es mal so zu sagen. Natürlich war meine patriotische Begeisterung zu groß, um sie nicht gegen irgend jemanden unter Beweis stellen zu müssen. Ich stand vor der Wahl, Sir, entweder Spenden für den Hilfsfond zu sammeln oder mich als Dolmetscherin in der Army nützlich zu machen. Ich habe mich für die Uniform entschieden. Sie steht mir sehr gut, oder finden Sie nicht?«

Ungewollt lenkte Bill seinen Blick auf die waagerechte Falte, die sich straff wie ein Stahlseil zwischen ihren üppigen Brüsten in ihre Uniformbluse spannte. Er schluckte trocken und merkte, daß seine Handflächen zu schwitzen anfingen. »Die Uniform steht Ihnen phantastisch, Margaret!« pflichtete er ihr bei. »Welche Sprachen beherrschen Sie?«

»Französisch, Italienisch, Deutsch.«

»Sie sind perfekt, Margaret.«

»Ich weiß, Sir.«

»Bill.«

Margaret hielt irritiert inne. »Wie bitte?!«

»Wenn ich das Recht habe, Sie Margaret zu nennen, gestehe ich Ihnen zu, Bill zu mir zu sagen.«

»Sie sind mein Vorgesetzter.«

»Trotzdem.«

»Okay, Bill!«

»In welcher Einheit dient Ihr Sohn?«

»Bei der Infanterie, Bill. Er war bei der Eroberung von Sizilien dabei und hat bei Agrigento und Porto Empedocle gegen die Deutschen gekämpft. Unter General Patton. Das war im Sommer vorigen Jahres. Seitdem ist der Krieg praktisch für ihn vorbei. Sie haben ihm den Bronze Star verliehen. Sein Regiment ist zur Bereitstellung nach Réggio di Calabria verlegt worden. Das liegt ganz unten, in der Spitze des italienischen Stiefels.«  

»Er ist natürlich Offizier«, behauptete Armstrong aus einer Wolke blauen Zigarettenqualms heraus.

»Aber nein, wo denken Sie hin«, erwiderte Margaret. »Jim ist ein stinknormaler kleiner G. I., der vor jedem trunksüchtigen Corporal strammstehen muß. Er wollte Anwalt werden, wie sein verstorbener Vater, aber der Krieg ist ihm zuvorgekommen. Die Army hat ihn praktisch aus der High School weg einberufen. Er war gerade achtzehn geworden.«

»So ist es in Amerika vielen ergangen«, meinte Bill. »Mehr oder weniger sind nach Pearl Harbor alle jungen Männer eingezogen worden. Ich habe nur eine Tochter. Sie ist sechzehn und möchte Krankenschwester werden, aber zum Glück ist sie zu jung, um sich freiwillig zum Dienst in der Army zu melden. Ich möchte nicht, daß ihr etwas zustößt.«

»Sind Sie verheiratet?«

»Meine Frau ist im Kindbett gestorben.«

»Oh, das tut mir leid.«

»Schon gut. Ich habe Maureens Tod verwunden, obwohl es manchmal noch weh tut, wenn ich an sie denke.« Er machte einen letzten Zug an seiner Zigarette und erstickte sie dann in einem Aschenbecher aus rotem Onyxmarmor.

»Sie haben sich niemals die Mühe gemacht, eine neue Frau zu finden?«

»Nein. Ich habe Janet. Das ist meine Tochter. Janet würde eine andere Frau an meiner Seite niemals akzeptieren. Und ich möglicherweise auch nicht. Es ist für eine verheiratete Frau nicht leicht, wenn ihr Mann sie ständig mit ihrer Vorgängerin vergleicht. Aber reden wir von Ihnen, Margaret. Was macht eine schöne Frau wie Sie allein in Hackensack, New Jersey?«

»Ich habe einen Job.«

»Ach so.«

»Ich bin Journalistin, das heißt, ich schreibe eine syndikatisierte Kolumne über die Probleme von Frauen in der moderne amerikanischen Gesellschaft, die in vielen Zeitungen abgedruckt wird.«

»Müßte ich Ihren Namen kennen?«

»Die Kolumne erscheint nur an der Ostküste. Das Honorar, das mir das Syndikat zahlt, ist nicht überwältigend, aber ich kann davon leben. Der größte Vorteil ist wohl, daß ich zu Hause arbeite und sehr viel Zeit habe, um mich um meinen Jungen zu kümmern. Er wirkt in vielen Dingen noch so unbeholfen. Fast wie ein kleines Kind.«

»Was ist mit Ihrem Mann?«

»Ich habe keinen.«

»Oh!«

Margaret lachte. »Sie können mich ruhig nach dem Grund fragen, Bill. Es stört mich nicht, daß ich unverheiratet bin. Ich war achtzehn und Cheerleader. In der Mannschaft spielte damals ein bullig aussehender Quarterback, auf den alle Mädchen in der High School verrückt waren. Er hieß Marion. Darunter litt er verständlicherweise, und er mußte ständig beweisen, daß er trotz seines Mädchennamens ein richtiger Mann war. Dabei ist es passiert.«

Bill verstand. Margaret war ein Opfer ihrer Zeit. Trotz ihrer unbestreitbaren Schönheit war sie ein gebranntes Kind, wie man hier in Europa sagte. Kein amerikanischer Mann, der etwas auf sich hielt, nahm sich eine ledige Mutter zur Frau. Ein uneheliches Kind war ein schlimmerer Makel als ein entstelltes Gesicht oder eine Amputation.

Er warf einen hastigen Blick auf seine Armbanduhr. »Wie wär’s, wenn ich Sie in vier Stunden abhole? Wir könnten tanzen gehen, und Sie hätten Gelegenheit, Ihre Kameradinnen kennenzulernen.«

»Einverstanden«, sagte Margaret.

»Ich kenne ein kleines Lokal, ganz in der Nähe. Ich hole Sie um acht ab. Keine Bange, Eastleigh liegt außerhalb der Reichweite der deutschen Bomber – oder besser: die Krauts trauen sich nicht mehr hierher, seitdem die Alliierten die Luftherrschaft über Südengland zurückgewonnen haben.«

»Ich freue mich«, sagte Margaret.

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Kleka
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Beitrag22.07.2008 21:30

von Kleka
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Zitat:
Kurz darauf mühte sie sich mit einem Koffer, der mindestens fünfzehn Kilogramm zu schwer für sie war, die Freitreppe des Hotels hinauf.

Freitreppe? Was ist das? Ist das eine riesen Bildungslücke meinerseits?

Zitat:
In seinem hyperkurzen Bürstenhaarschnitt zeigten sich die ersten Spuren von Grau.
Reicht nicht auch ein kurzer Haarschnitt?

Zitat:
»Was möchten Sie trinken?« fragte er.

»Etwas Alkoholfreies«, antwortete sie.

»Einen Tee?«

»Ein Mineralwasser, möglichst kalt.«

Warum sagt sie nicht gleich "ein Wasser bitte?"


Zitat:
die Krauts trauen sich nicht mehr hierher, seitdem die Alliierten die Luftherrschaft über Südengland zurückgewonnen haben.«

Seitdem wir die Luftherrschaft zurückgewonnen haben?
evtl?

Gut geschrieben, gern gelesen smile


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Valeska
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Beitrag22.07.2008 23:41

von Valeska
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Abend Ralphie

was soll ich sagen ...

Ralphie hat Folgendes geschrieben:
»Sie hieß Joan«, antwortete er.

huch ... heißt sie jetzt nicht mehr so?!

ansonsten flüssig runtergelesen!

Gruß,
Valeska


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Kleka
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Beitrag22.07.2008 23:50

von Kleka
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Aber es ist doch seine ex oder?

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Valeska
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Beitrag23.07.2008 00:01

von Valeska
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seine ehemalige Dolmetscherin ... sie hat von nem Schotten ein Kind gekriegt oder hab ich das falsch verstanden? Also dann müsste sie doch noch leben.

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Ralphie
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Beitrag23.07.2008 00:40

von Ralphie
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Der Colonel erzählt von Joan in der Vergangenheit.

@Valeska, Ersetze mal in dem Satz "hieß" durch "heißt". Oder schreibe mal: Ich kannte mal eine Frau. Sie heißt Joan.

 Wink
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Ralphie
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Beitrag23.07.2008 11:25

von Ralphie
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Hier das zweite Kapitel.

Im Juni des Jahres 1944 warteten in den Sperrgebieten an der englischen Küste fast drei Millionen Soldaten, um den Sprung über den Kanal zu wagen – Amerikaner, Briten, Kanadier, aber auch französische, belgische, polnische, tschechische, norwegische und holländische Kampfverbände.

Selbstverständlich war es ein unmögliches Unterfangen, eine solche Konzentration von Truppen auf Dauer vor den Deutschen geheimzuhalten, zumal die Landung an der französischen Küste ja mehr oder weniger öffentlich angekündigt worden war. General Eisenhower hatte die Invasion aus verschiedenen Gründen mehrfach verschoben, aber jetzt wurde von den alten Obergefreiten beim Essenfassen, beim Pokern oder in der Putzstunde ein Gerücht mit Vehemenz verfochten, daß der endgültige Termin für die Landung in der Normandie auf den 6. Juni festgesetzt worden sei.

Die amerikanischen Obergefreiten waren bekannt dafür, daß sie das Gras wachsen hörten und alle Geheimnisse der Schreibstube kannten. Doch dieses Mal traute Margaret ihren Aussagen nicht. Das Wetter war viel zu schlecht, um eine Invasion zu riskieren. Es regnete schon seit vierzehn Tagen wie aus großen Kübeln, der Sturm peitschte den Ärmelkanal, und das neue Tief hatte den niedrigsten Luftdruck erzeugt, der in diesem Jahrhundert auf den britischen Inseln gemessen worden war.

Als Margaret ihr Hotelzimmer betrat, merkte sie sofort, daß sie nicht alleine war. Das Zimmer war fast schon spartanisch eingerichtet – zwei Messingbetten, ein Schminktisch, ein gemeinsamer Allzweckschrank und eine Stehlampe mit einem Schirm in Form einer schlanken Röhre. Hinter der spanischen Wand entdeckte sie die blonden Locken einer zweiten Frau, die sich offenbar mit ihrer Uniform beschäftigte.

»Hallo«, grüßte Margaret.

»Hallo, Schätzchen. Du bist sicher Margaret, die neue Dolmetscherin. Ich heiße Kay. Kay Ogden. Aus Chicago, Illinois. Wir werden in den nächsten Tagen und Wochen Zimmernachbarinnen sein. Du kannst dir das linke Bett nehmen. Ich schlafe in dem anderen. Schnarchst du?«

»Nein«, sagte Margaret.

»Das ist gut. Deine Vorgängerin hat geschnarcht wie ein Sägewerk.« Als sie den Raum hinter dem Wandschirm verließ, verhüllte eine Fülle von seidig glänzenden blonden Locken ihr Gesicht. Sie war allerhöchstens zweiundzwanzig und trug lediglich einen isabellfarbenen Prinzeßunterrock mit zarten Spaghettiträgern und einem tief hinunterreichenden, V-förmigen Ausschnitt, aus dem ihre großen, alabasterfarbenen Brüste quollen. Obwohl Margaret alles andere als eine Lesbe war, merkte sie, daß sich beim Anblick der jungen Frau ein leichtes Ziehen in ihrer Vagina anbahnte.

Kay ging an den Schrank, holte ein kleines, weißes Heftchen heraus, das ganz offensichtlich Kokain enthielt, und setzt sich an den Schminktisch. »Wir dürfen die Stadt übrigens nicht verlassen. Ike hat das ganze Sperrgebiet vom übrigen Land hermetisch abriegeln lassen.« Ungeniert streute sie zwei Linien aus mehligem, schneeweißem Pulver auf eine Rasierklinge und zog sie mit einem gerollten 20-Dollar-Schein in beide Nasenlöcher.

»Wie alt bist du?« fragte Margaret.

»Zwanzig«, antwortete Kay.

»Wenn du jetzt meine Tochter wärst, würde ich dir das Gesicht auf die andere Seite schlagen.«

»Warum? Ohne den Schnee wäre dieser Job kaum zu ertragen. Die Männer hier sind wie Kraken – ganz besonders die alten, notgeilen Sergeants. Sie müssen ständig an dir herumfummeln. Wenn du Glück hast, fassen sie dir nur an den Hintern.«

»Ich werde mich zu wehren wissen.«

»Das dachte ich anfangs auch, aber du kennst diese Männer nicht. Sie sind hartnäckig und störrisch wie ein alter Maulesel. Und sie sitzen am längeren Hebel. Was sie von uns nicht freiwillig kriegen, holen sie sich mit Gewalt oder Erpressung. Sie wissen natürlich alle miteinander, daß wir Mädels heimlich schnüffeln, und drohen, es Colonel Maugham zu sagen, wenn wir sie nicht an die Unterwäsche lassen.«

Colonel Patricia Maugham war die Kommandantin des United States Women’s Army Corps, eine Frau mit Haaren auf den Zähnen. Margaret hatte sie bei ihrer Ankunft auf dem Flughafen von Heathrow kennengelernt und sofort im richtigen Ordner abgelegt. Patricia Maugham war eine Frau, gegen die niemand ankam und die von ihren Untergebenen nichts anderes erwartete als bedingungslose Unterwürfigkeit. Alle fürchteten sich vor ihr, auch die Männer. Selbst die Offiziere standen vor ihr stramm. Margaret erinnerte sich, daß sie froh gewesen war, als die Kommandantin das Flughafengebäude nach einer halben Stunde verlassen hatte.

Inzwischen zeige der Kokainkonsum bei Kay seine erste Wirkung. Ihre Nase schien nach innen geschwollen zu sein und schleimte stark. Sie begann zu schniefen. Ihr Blick hatte etwas Irrationales, Entrücktes angenommen, so, als wäre ihr Geist in einer anderer Welt versunken.

Betroffen sagte Margaret: »Das ist Selbstmord in Raten, was du da machst, Kindchen«, aber Kay hörte ihr nicht zu. Sie schien in den allerschönsten Farben zu schwelgen und grinste Margaret mit einem glasigen Schimmer in den Augen an. Wie benommen stand sie auf, schob den Stuhl unter den Schminktisch und kehrte auf wackeligen Beinen hinter den Paravent aus geflochtenem Rattan zurück.

»Natürlich gibt es auch den ein oder anderen Jungen, von dem du dir gerne die Luft aus dem Bauch pumpen läßt«, sagte sie, während sie sich im Schutze des Wandschirms in ihren engsitzenden Röhrenrock zwängte. »Das läßt sich bei einer solchen Ansammlung von Soldaten kaum vermeiden. Du tust dir übrigens selbst einen Gefallen, wenn du dich den anderen Mädchen und jungen Frauen anpaßt. Wir mögen hier keine Querulantinnen und solche von der Sorte, die nur für die höheren Offiziere die Zehen auseinander macht.«

»Das werde ich ganz bestimmt nicht tun!« entfuhr es Margaret entrüstet.

»Damit wäre das ja geklärt«, sagte Kay. »Sobald ich angezogen bin, zeige ich dir unsere Feldküche. Sie liegt etwas außerhalb von Eastleigh in einem Wäldchen – gut getarnt natürlich, damit uns die Nazis keine Sprengladung in den Suppentopf schmeißen. Frühstück gibt es von sechs bis halb acht. Die Mittagsmahlzeiten werden von zwölf bis halb eins eingenommen. Um sieben kommt das Abendbrot auf den Tisch. Das Mittagessen schmeckt wie aufgerollte Zehennägel, aber es heißt: Je besser die Armee, desto schlechter ist das Essen. Und die US Army ist eine verdammt gute Armee!«

»Ich werd’ schon nicht daran sterben«, meinte Margaret selbstbewußt.

Kay trat aus dem Raum hinter dem Wandschirm und ließ Margarets Kinnlade augenblicklich nach unten fallen. Sie sah hinreißend aus. Ihre Schlankheit war makellos und erinnerte mit ihren langen Armen und Beinen an die Mannequins aus den Katalogen von Sears, Roebock & Co.

»Gefalle ich dir?« fragte sie Margaret kokett.

»Du bist wunderschön!« behauptete Margaret und sah ihre Zimmernachbarin ein weiteres Mal an.

Kays Rock saß so knapp, daß er aus den Nähten zu platzen drohte und unten so gerade die Knie bedeckte. Ein milder Lichtstrahl fiel durch das doppeltverglaste Fenster genau auf ihre ineinander verschränkten Finger, an denen weder Brillantringe noch Nagellack von der zarten, weißen Haut ablenkten.

»Sitzen meine Nähte richtig?«

Kay fuhr herum und zeigte Margaret die Rückseite ihrer köstlichen Schenkel. Sie trug Nylonstrümpfe mit schwarz verschnörkelten Jacquardspitzen in Rosenform. Die Nähte waren schnurgerade. Der Anblick ihrer langen Beine verhalf Margaret zu einem weiteren Ziehen in ihrer engen Scheide, aber sie versuchte es zu ignorieren.

»Perfekt!« konstatierte sie.

»Dann komm«, sagte Kay und streckte ihre Hand nach Margaret aus, spielte mit den Fingern in der Luft Klavier. »Sie warten mit dem Essen nicht auf uns. Wenn wir uns nicht beeilen, haben sie uns alles weggegessen.«
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j.j
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J


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J
Beitrag23.07.2008 12:48

von j.j
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Sehr nett geschrieben.

Ich würde aber die "köstlichen Schenkel" (zweimal) und das "alabastafarben" streichen bzw. ersetzen.

Ebenso dieses "Ziehen in der (engen?) Vagina" Geht meiner Meinung nach ein 'bißchen' an der Realität vorbei. Wink
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Rennschnitzel
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Sir Winterblast
Beitrag23.07.2008 14:33

von Rennschnitzel
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Hey Ralphie! Nenn mich spitzfindig, aber mir fällt hier etwas auf:

Zitat:
Sie ist hübsch, dachte er. Sehr hübsch sogar, fügte er in Gedanken hinzu.


Er denkt bereits im ersten Satz. Warum dann das "fügte er in Gedanken hinzu"?


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Ralphie
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Beitrag23.07.2008 15:59

von Ralphie
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Gut gesehen, Schnitzel. Danke. Smile
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Merlinor
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Beitrag23.07.2008 17:35

von Merlinor
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Hallo Ralphie

Der Text ist sehr sauber und flüssig geschrieben und führt schnörkellos zum Ziel.
Da gibt es nichts zu meckern.  

Ein paar flüchtige Kleinigkeiten wurden ja schon angemerkt.
Dem hab ich nicht viel hinzuzufügen.
( Ähem ... Bei den „köstlichen Schenkeln“ dachte ich an den Hunger, der mich gerade plagt ...  rotwerd )

Zitat:
Margaret entblößte ihre großen, perlweißen Elfenbeinzähne zu einem geheimnisvollen halben Lächeln.

Ich glaube, das geht so nicht: Elfenbein ist nicht weiß. Also ich stolpere darüber ...

Zitat:
Sie können sofort anfangen, sobald Sie den Jetlag überwunden haben.
  
Hmm... „Jetlag?“ 1944? Ich glaube der Begriff passt noch nicht in die Zeit.

Zitat:
Sie sind hartnäckig und störrisch wie ein alter Maulesel.

Singular? Besser wohl Plural: „... störrisch wie alte Maulesel.“ Deine Protag spricht hier ja von den Soldaten im Allgemeinen.

Gerne gelesen, wie immer ...

Herzlich  Very Happy  Very Happy  Very Happy

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Kleka
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Beitrag23.07.2008 17:55

von Kleka
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Zitat:
Zitat:
Margaret entblößte ihre großen, perlweißen Elfenbeinzähne zu einem geheimnisvollen halben Lächeln.

Ich glaube, das geht so nicht: Elfenbein ist nicht weiß. Also ich stolpere darüber ...

Doch ist es


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Beitrag23.07.2008 18:14

von Ralphie
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Danke mit dem Hinweis. Der Jetlag kann nicht stimmen.  Very Happy
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MosesBob
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Beitrag24.07.2008 04:58
Re: Invasion 1944
von MosesBob
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Moin Ralphie, altes Flusspferd!

Ich hoffe, dass ich hier nichts wiederhole. „Sie ist hübsch, dachte er. Sehr hübsch sogar, fügte er in Gedanken hinzu.“ – Das hat Schnitzel ja schon herausgepickt. Wie das um den Jetlag steht, kann ich nicht genau sagen. Seltsam fremd klingt das Wort für diese Zeit tatsächlich, aber ich habe keine Ahnung, woher das Wort kommt bzw. aus welcher Zeit es stammt. Ob Margarets Vorgängerin nun Joan hieß oder heißt – jede Telefonistin kriegt in ihrer Ausbildung wohl eingeprügelt, einen Kunden nicht zu fragen „Wie war Ihr Name?“ sondern „Wie ist ihr Name?“. Der Kunde lebt ja noch. Allerdings hat sich dieser kleine Irrtum im allgemeinen Sprachgebrauch bekanntlich durchgesetzt, von daher sehe ich das in einer wörtlichen Rede nicht so eng.

Ansonsten habe ich nur Kleinkram.

Ralphie hat Folgendes geschrieben:
Fünfunddreißig, allerhöchstens vierzig, schätzte Bill. Aber sie ist noch nicht lange in der Armee, sonst hätte sie wohl kaum ihren gesamten Hausstand mit nach England gebracht. Sie ist hübsch, dachte er. Sehr hübsch sogar, fügte er in Gedanken hinzu. Das Hotel hieß »Envoy«. Es lag etwas außerhalb der alten Eisenbahnstadt Eastleigh in der englischen Grafschaft Hampshire und war ihm und seinem Stab für die Dauer der Operation Overlord als Hauptquartier zugeteilt worden.

Gefühlsmäßig würde ich hier einen Absatz einfügen, der der Bills Gedanken von der Beschreibung des Hotels trennt.

Ralphie hat Folgendes geschrieben:
Die Frau trug Nylons mit schwarzen Nähten auf der Rückseite. Bill sah ihre köstlichen Waden und fand, daß der jungen Dame unter die Arme gegriffen werden müsse. Vom Äußerlichen entsprach er dem althergebrachten Bild eines amerikanischen Armeeoffiziers. Er war mehr als einen Meter neunzig groß, schlank, aber nicht mager, athletisch, mit breiten Schultern und Muskeln bepackt wie ein Profispieler der National Baseball League. In seinem hyperkurzen Bürstenhaarschnitt zeigten sich die ersten Spuren von Grau.

Vom Gedanken, der Dame unter die Arme und an die Brüste zu fassen, rüber zu Bills Äußerem, habe ich beim Lesen den Eindruck, dass etwas fehlt. Klar könnte man auch hier einen Absatz einfügen, allerdings würde auch er die Lücke nicht füllen. Ich würde, wenn es an die Personenbeschreibung geht, nicht das Personalpronomen „er“ verwenden, sondern den Namen „Bill“. Damit wird dann auch deutlicher, dass Bills Gedanke zuende ist, schließlich würde er von sich selbst nicht in der dritten Person sprechen.

Ralphie hat Folgendes geschrieben:
Bill grinste jungenhaft. »Sie hieß Joan«, antwortete er. »Joan meinte, die britisch-amerikanische Freundschaft über das von Mr. Roosevelt empfohlene Maß hinaus vertiefen zu müssen. Sie kriegt ein Kind.«

»Von einem Engländer?«

»Von einem Schotten.«

»Wie schön!«

»Ihr Mann in Oklahoma fand es weniger lustig. Er hat die Scheidung eingereicht.«

Ich würde Bill so antworten lassen: »Ihr Mann in Oklahoma fand es nicht so schön. Er hat die Scheidung eingereicht.« – Durch das „nicht so schön“ bezieht er sich direkt auf Margarets „Wie schön!“ – direkt lustig hat sie es ja auch nicht gefunden. So finde ich es schlagfertiger und unmittelbarer. Schöner Dialog ansonsten. Laughing

Ralphie hat Folgendes geschrieben:
»Aber nein, wo denken Sie hin«, erwiderte Margaret. »Jim ist ein stinknormaler kleiner G. I., der vor jedem trunksüchtigen Corporal strammstehen muß. Er wollte Anwalt werden, wie sein verstorbener Vater, aber der Krieg ist ihm zuvorgekommen. Die Army hat ihn praktisch aus der High School weg einberufen. Er war gerade achtzehn geworden.«

»So ist es in Amerika vielen ergangen«, meinte Bill. »Mehr oder weniger sind nach Pearl Harbor alle jungen Männer eingezogen worden. Ich habe nur eine Tochter. Sie ist sechzehn und möchte Krankenschwester werden, aber zum Glück ist sie zu jung, um sich freiwillig zum Dienst in der Army zu melden. Ich möchte nicht, daß ihr etwas zustößt.«

»Sind Sie verheiratet?«

»Meine Frau ist im Kindbett gestorben.«

»Oh, das tut mir leid.«

»Schon gut. Ich habe Maureens Tod verwunden, obwohl es manchmal noch weh tut, wenn ich an sie denke.« Er machte einen letzten Zug an seiner Zigarette und erstickte sie dann in einem Aschenbecher aus rotem Onyxmarmor.

»Sie haben sich niemals die Mühe gemacht, eine neue Frau zu finden?«

»Nein. Ich habe Janet. Das ist meine Tochter. Janet würde eine andere Frau an meiner Seite niemals akzeptieren. Und ich möglicherweise auch nicht. Es ist für eine verheiratete Frau nicht leicht, wenn ihr Mann sie ständig mit ihrer Vorgängerin vergleicht. Aber reden wir von Ihnen, Margaret. Was macht eine schöne Frau wie Sie allein in Hackensack, New Jersey?«

»Ich habe einen Job.«

»Ach so.«

»Ich bin Journalistin, das heißt, ich schreibe eine syndikatisierte Kolumne über die Probleme von Frauen in der moderne amerikanischen Gesellschaft, die in vielen Zeitungen abgedruckt wird.«

»Müßte ich Ihren Namen kennen?«

»Die Kolumne erscheint nur an der Ostküste. Das Honorar, das mir das Syndikat zahlt, ist nicht überwältigend, aber ich kann davon leben. Der größte Vorteil ist wohl, daß ich zu Hause arbeite und sehr viel Zeit habe, um mich um meinen Jungen zu kümmern. Er wirkt in vielen Dingen noch so unbeholfen. Fast wie ein kleines Kind.«

»Was ist mit Ihrem Mann?«

»Ich habe keinen.«

»Oh!«

Ich habe überlegt, ob ich das überhaupt erwähne. Natürlich kann Bill, nachdem Margaret bereits verraten hat, dass ihr Mann/Jims Vater gestorben ist, annehmen, dass sie (wieder) geheiratet hat. Allerdings schleicht sich mir beim Verlauf des Gesprächs und Bills überraschtem Ausruf der Verdacht ein, dass er Margaret zuvor entweder nicht richtig zugehört hat oder dir hier tatsächlich eine kleine Unaufmerksamkeit unterlaufen ist. Die Frage „Was ist mit Ihrem Mann“ kann ja indirekt noch bedeuten: „Wie und wann ist Ihr Mann denn gestorben?“ Weil Bill aber mit einem überraschten „Oh“ auf ihre Antwort reagiert, keinen Mann zu haben, kommt mir das alles etwas suspekt vor. Ist es wirklich so überraschend, dass sie keinen Mann hat, nachdem der Vater ihres Sohnes gestorben ist?

Ralphie hat Folgendes geschrieben:
Es regnete schon seit vierzehn Tagen wie aus großen Kübeln, der Sturm peitschte den Ärmelkanal, und das neue Tief hatte den niedrigsten Luftdruck erzeugt, der in diesem Jahrhundert auf den britischen Inseln gemessen worden war.

„… werden sollte.“ Das Jahrhundert ist ja noch nicht abgelaufen, auch erzählerisch nicht.



Insgesamt: Gerne gelesen. Smells nach Schweinkram. Very Happy

Beste Grüße,

Martin


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Ralphie
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Beitrag24.07.2008 05:23

von Ralphie
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Vielen Dank für die hilfreiche Kritik, ich habe einiges schon geändert. Der Begriff Jetlag ist womöglich ein Anachronismus, weil es damals noch keine Jets im heutigen Sinne gab. Die Elfenbeinzähne werde ich nicht ändern.  Wink

Was ich etwas befremdlich finde, ist die Kritik an meinen Dialogen, Ich versuche Dialoge so zu schreiben, wie Menschen aus Fleisch und Blut reden. Wenn wir grammatisch korrekte Dialoge schreiben, können wir uns zwar damit brüsten, dass wir die Regeln des Dudens beherrschen, aber unsere Figuren klingen dann wie die Leute im Bundestag.

Trotzdem bin ich euch allen unendlich dankbar.

Liebe Grüße
Wilfried Very Happy
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Beitrag24.07.2008 05:28

von MosesBob
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Ralphie hat Folgendes geschrieben:
Was ich etwas befremdlich finde, ist die Kritik an meinen Dialogen, Ich versuche Dialoge so zu schreiben, wie Menschen aus Fleisch und Blut reden. Wenn wir grammatisch korrekte Dialoge schreiben, können wir uns zwar damit brüsten, dass wir die Regeln des Dudens beherrschen, aber unsere Figuren klingen dann wie die Leute im Bundestag.

Ja, so sehe ich das auch. Daher würde ich "heißt" und "hieß" hier auch nicht ändern. Kann man natürlich machen, muss man aber nicht.

Was ist mit dem Dialog über den verstorbenen Ehemann? Wie siehst du das?


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Beitrag24.07.2008 05:32

von Ralphie
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Ist über den verstorbenen Ehemann ein Dialog geführt worden? Moment, muss ich mal nachschauen. Du weißt, der rieselnde Kalk und so ...  Very Happy
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MosesBob
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Beitrag24.07.2008 05:33

von MosesBob
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Ich meine das fette Zitat da oben. Stichwort: "Oh!" smile

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Beitrag24.07.2008 05:35

von Ralphie
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Jetzt habe ich es gesehen. Das ist ein Fehler von mir, wird sofort geändert. Moses, ich danke dir ganz besonders, auch wenn du mich nicht in deine Freundeliste aufgenommen hast.



*snif*
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Beitrag24.07.2008 05:40

von MosesBob
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Kopf hoch, ich hab keine Freundesliste. Doch selbst wenn ich eine hätte, würde ich dich darin nicht aufnehmen, [Schleimmodus]weil du doch wie ein Vater für mich bist[/Schleimmodus]. love

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Beitrag24.07.2008 05:41

von Ralphie
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Du hast keine Freunde. Unternimm was gegen deinen Mundgeruch.
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MosesBob
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Beitrag24.07.2008 05:43

von MosesBob
Antworten mit Zitat

Ralphie hat Folgendes geschrieben:
Unternimm was gegen deinen Mundgeruch.

Ich versuch´s ja, aber ich kann es einfach nicht lassen!  Laughing


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