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silesio Eselsohr
Alter: 89 Beiträge: 237 Wohnort: Dubai
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23.02.2015 14:38 Ich interpretiere - also bin ich von silesio
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Interpretation ist ja nicht nur ein Grundpfeiler dieses Forums. Ich selbst verbringe unermesslich viel Zeit damit, nicht nur wenn ich Horaz, Hölderlin, Herta Müller lese. Sondern beim Rasieren, beim Spazierengehen, in der Tunnelbahn. Was meinte mein Freund eigentlich, als er sagte.....? Was bedeutet es, dass ein unsichtbarer Vogel so kreischt? Was will mir dieses Reklameschild sagen?
Einzelne Worte, erst recht etwa Romane, Gedichte, Bibelverse sind vieldeutig. Sie sind ja tatsächlich von verschiedenen Individuen, womöglich noch in verschiedenen Zeiten und Kulturen verschieden gedeutet worden. Als geistig regsamer Mensch komme ich gar nicht darum herum, mir im Tohuwabohu der Meinungen meine eigene zu bilden.
Daraus ergeben sich für mich Fragen, die ich bewusst einmal zuspitze: Kann ich einen Schriftsteller, Sprecher, Maler, Musiker je „richtig“ interpretieren? Lese ich nicht mehr hinein als heraus? Welches ist die richtige, angemessene, sach- und personengerechte Interpretation? Wann ist eine Interpretation eindeutig falsch? Liegt der Reiz eines Kunstwerkes nicht gerade darin, dass es viele Deutungen zulässt? Und was ist dann der Sinn, der Nutzen einer subjektiven Interpretation?
silesio
PS Hin und wieder tue ich auch noch etwas anderes als interpretieren.
_________________ Ein ernster Mensch, der gerne lacht. |
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pna Grauzonenjunkie
Alter: 59 Beiträge: 1603 Wohnort: Wien, Ottakring
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23.02.2015 15:30
von pna
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Ein schönes Thema!
Die innere Bereitschaft, zu interpretieren, beinhaltet Fallstricke, denn auf sie bauen Viele auf, die genau diese Suche nach der richtigen Interpretation für sich benutzen um sich in Szene zu setzen.
Das fängt bei kryptischen Gedichten an, zieht sich über verschlüsselte Prosa und endet in Wahnsinnsgemälden oder der Behauptung, der durchorganisierte Mißklang sei in Wirklichkeit hochkomplexe 12-Ton Musik.
Die richtige Interpretation, die es meiner Meinung nach nie und nimmer geben kann, ist auch stets der Versuch, sich gefällig mit einem Werk, einer Aussage oder Begebenheit auseinanderzusetzen. Und eben diese spürbare Hinwendung zu einem künstlerischen Werk ermöglicht Schindluder.
Du wirst nicht glauben, wie oft ich hier in diesem Forum Gedichte und Kurzprosa las, deren Besprechungen jedesmal, wie in einem automatisierten Prozess, zu einer Schnitzeljagd nach der besten Interpretation wurden, bei der der Verfasser des ursprünglichen Textes sich gönnerhaft über den Tisch lehnte, die Interpreten haarestrubbelte und milde lächelnd sagte: "Naja, das wars ja schon fasst. das war schon ganz gut. Aber es ist halt noch nicht ganz ... Interessante Sicht, aber leider daneben ..." So als wären die User, die ein Werk besprechen, auf dem Prüfstand und nicht umgekehrt
Vielleicht muss man manche Dinge einfach zulassen, manche Texte und Kompositionen mit dem Bauch aufnehmen und erst, wenn sie etwas auslösen, mit einer Interpretation beginnen.
Fallstricke bei Interpretationen sind natürlich auch Erwartungen und unerfüllte Erwartungen, die durch Titel, Habitus des Verfassers, den Raum, in dem die Präsentation stattfindet, die Ankündigungsmethoden, etc ... ausgelöst werden. Interpretation führt per se zu Bewertung. Und wie grundfalsch diese aus unerfüllten Erwartungen tropfenden Wertungen sind, kann man oft und oft bei Amazon lesen, wo Interpretationen zu rein geschmäcklerischen Urteilen verkommen.
Des weiteren frage ich mich nie, was mir ein Autor mit seinem Text sagen will, sondern einfach nur, ob mir der Text etwas sagt. Das muss er aus sich selbst heraus zustande bringen, so dass ich als Leser das Bedürfnis habe, der Spur der Zeilen zu folgen. Schafft ein Autor es nicht, seinem Text diese Magie einzuhauchen, interessieren mich seine Beweggründe dann auch nicht mehr. Da halte ich es mit Stephen King: Nur der Text zählt. Der Verfasser ist unwichtig!
Meine Zeit ist zu knapp bemessen, sie mit schlechten Texten zu vertun. Und mit Interpretationen wirklich schlechter Texte
Liebe Grüße,
Peter
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silesio Eselsohr
Alter: 89 Beiträge: 237 Wohnort: Dubai
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23.02.2015 16:36
von silesio
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Hallo Peter, ich weiss nicht, was mich mehr beeindruckt: Dein Lebensstil oder die Vielzahl deiner Werke (die ja nicht so hoch sein könnte, wenn es nicht Leser dafür gäbe). Weiterhin Spass an der Freude.
Eine Formulierung von dir hat mir besonders eingeleuchtet (ich rede jetzt in der Ichform). Es kommt nicht darauf an, was wollte der Autor an und für sich sagen, und wie ist ihm das gelungen? Sondern was hat mich angesprochen, und aus welchen Gründen? Nun ist das eine deutliche Verengung von Interpretation. Aber ich will und muss ja auch keine Rezension für FAZ oder Zeit schreiben.
Freundliche Grüsse über die Landesgrenzen
silesio
_________________ Ein ernster Mensch, der gerne lacht. |
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Babella Klammeraffe
Alter: 61 Beiträge: 890
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23.02.2015 16:39
von Babella
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pna hat Folgendes geschrieben: | Des weiteren frage ich mich nie, was mir ein Autor mit seinem Text sagen will, sondern einfach nur, ob mir der Text etwas sagt. Das muss er aus sich selbst heraus zustande bringen, so dass ich als Leser das Bedürfnis habe, der Spur der Zeilen zu folgen. Schafft ein Autor es nicht, seinem Text diese Magie einzuhauchen, interessieren mich seine Beweggründe dann auch nicht mehr. Da halte ich es mit Stephen King: Nur der Text zählt. Der Verfasser ist unwichtig!
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Schön gesagt. Deshalb sind auch die "Autorenausreden" von wegen: "So war es aber wirklich! Ich wollte sagen, dass ... Ich meinte aber ... Ich wollte gar nicht ..." recht uninteressant. Es ist halt Text. Der Verfasser ist in aller Regel nicht dabei und alles, was er rüberbringen will, muss der Text transportieren. Vielleicht aber wird auch etwas ganz anderes daraus, weil ich beim Lesen doch immer nur meine eigene Gedankenwelt vor mir habe und die Texte da einpflege, wo sie passen. Eine Interpretation ist kein Ratespiel, sondern hängt am Leser. Wobei es sehr interessant und sinnvoll ist, Interpretationen anderer zu lesen, sie schließen einen Text oft erst auf. "Richtig" und "falsch" sind keine geeigneten Kategorien für Interpretationen. Das weiß doch der Autor selbst oft gar nicht so genau. Das Schöne bei Büchern ist ja, dass sich jeder daheim in seinem Zimmerchen dabei denken kann, was er will, und niemanden stört's. Ich kann mich auch an einem einzelnen Absatz erfreuen, der völlig aus dem Zusammenhang gerissen ist und den ich für meine Zwecke nutze, wie es gerade passt.
Bei gesprochenem Text ist es aber anders. Da muss man sehr wohl darauf achten, was gesagt und was gemeint ist, und da kann man sehr wohl falsch und richtig liegen - besonders wenn Leute Fragen stellen, haben sie oft Hintergedanken, die, wenn man sie nicht kennt, zu Missverständnissen führen. Die Fähigkeit, im Gesprochenen auch den Subtext zu erkennen, nennt man wahlweise Taktgefühl oder Menschenkenntnis.
Und was ein Vogelschrei bedeutet, kann einem sicher ein Vogelkundler erklären. Wenn das Baby weint, kann es aber schon mal schwer werden mit der Interpretation.
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silesio Eselsohr
Alter: 89 Beiträge: 237 Wohnort: Dubai
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23.02.2015 16:55
von silesio
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Hallo Babella,
wo, wann und wie auch immer - ich interpretiere. Ich muss es. Ich kann es auch anders ausdrücken: Ich wähle aus zwischen zwei oder unendlich vielen Deutungsmöglichkeiten. Bei einem Baby erleben es die Eltern ständig. Bei einem Suizidgefährdeten kann die Interpretation über leben und Tod entscheiden.
Aber es gibt heutzutage noch ein Beispiel, bei dem es um Krieg und Frieden, um Unterdrückung, Terror und unmenschliche Grausamkeit geht: Die Interpreatation des Korans. Was bedeutet Dschihad? Und selbst wenn Mohammend eine bestimmte Auffassung gehabt hat, müssen wir sie teilen, oder noch weitergehend: Müssen sich dei Gläubigen den Anweisungen fügen?
silesio
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Willebroer Show-don't-Tellefant
Beiträge: 5444 Wohnort: OWL
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23.02.2015 18:23
von Willebroer
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Wenn ich an meine Schulbildung denke, könnte man es so sagen: Gute Texte werden gelobt, schlechte Texte werden kritisiert, langweilige Texte werden interpretiert.
Interpretieren kann aber auch bedeuten: sich eingehender mit dem Text befassen als nur Lesen. Dann kommt bei mir die Frage - wenn es ein guter Text ist: Wie macht er das?
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silesio Eselsohr
Alter: 89 Beiträge: 237 Wohnort: Dubai
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24.02.2015 21:46
von silesio
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Die Schierigkeit, die mich am meisten bekümmert, wenn es darum geht, Texte zu besprechen, rezensieren, kritisieren, interpretieren, mit andern Worten, irgendwie ein Urteil darüber zu fällen, dass dann häufig der
Geschmack
ein Rolle spielt, und Geschmäcker sind bekanntlich verschieden, wie man an den Verkaufszahlen von Büchern sehen kann.
Ist es überhaupt möglich, in der Literatur oder beim Essen oder in der Mode, verbindliche und gültige Massstäbe zu finden? Und weil das unmöglich scheint, führt das nicht zwangsmässig zu dem Eingeständnis: Alles ist berechtigt und erlaubt? Sobald sich nur ein einziger Befürworter findet, kann die Sache ja nicht völlig verhunzt sein ???
Ich spitze es noch einmal zu: Gibt es guten Geschmack? Gibt es schlechten Geschmack? Und wer spielt den Schiedsrichter?
_________________ Ein ernster Mensch, der gerne lacht. |
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Gast
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24.02.2015 23:20
von Gast
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Zitat: | Ist es überhaupt möglich, in der Literatur oder beim Essen oder in der Mode, verbindliche und gültige Massstäbe zu finden? Und weil das unmöglich scheint, führt das nicht zwangsmässig zu dem Eingeständnis: Alles ist berechtigt und erlaubt? Sobald sich nur ein einziger Befürworter findet, kann die Sache ja nicht völlig verhunzt sein? |
Warum tust du so, als würdest du Fragen stellen, wenn du doch immerzu nur Behauptungen aufstellst? Warum nicht:
Es ist nicht möglich, in der Literatur verbindliche Maßstäbe zu finden. Daher ist alles berechtigt und erlaubt. Ein einzelner Befürworter genügt, um eine Sache als gelungen gelten lassen zu müssen.
Bitte: Viel klarer, viel verständlicher. Und keiner käme auf den Gedanken, du wolltest vielleicht wirklich etwas erfragen ...
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silesio Eselsohr
Alter: 89 Beiträge: 237 Wohnort: Dubai
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25.02.2015 09:32
von silesio
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Ach Ferdi, wozu so eine persönliche Unterstellung? Wenn du wirklich meinst, ich spielte mit falschen Karten, dann setz mich doch auf die Liste derer, mit denen du nichts mehr zu tun haben willst.
Ich habe eine Scheu, Behauptungen aufzustellen, auf welchem Gebiet auch immer. Das scheint bei einigen Literaturpäpsten in diesem Forum anders zu sein. Die haben die Weisheit und Wahrheit anscheinend nicht nur mit Löffeln gefressen, sondern verkünden sie auch gern ex cathedra. Und diese Art, Thesen in die Welt zu setzen, ist nicht meine.
Mein Vorschlag: Trennen wir uns, ehe Schlimmeres passiert!
silesio
_________________ Ein ernster Mensch, der gerne lacht. |
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Gast
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25.02.2015 10:55
von Gast
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Du stellst Behauptungen auf wie alle anderen auch; du machst es deinen Lesern nur schwerer, sie als solche zu erkennen. Wozu das dienen soll in einem Gedankenaustausch, verschließt sich mir ...
Und das ist keine "persönliche Unterstellung", sondern der Eindruck, den Fragen - "Ist es überhaupt möglich, in der Literatur oder beim Essen oder in der Mode, verbindliche und gültige Massstäbe zu finden?" - auf mich machen, die der Fragensteller gleich selbst verneint - "Und weil das unmöglich scheint," - um im Anschluss eine zweite Frage zu stellen - "führt das nicht zwangsmässig zu dem Eingeständnis: ...?" - in der er den Leser sehr stark in die Richtung der erwünschten Antwort drängt: "nicht zwangsmäßig", "Eingeständnis". Was daran besser sein soll als eine klare Aussage?! Wobei ich mir bei deiner Nebelkerze dann auch noch Gedanken machen muss, ob und inwieweit das "scheint" welchen Teil des Satzes relativiert ...
Nimms als Beispiel für Textarbeit da, wo sie Sinn macht: am wirklichen Wort und Satz. "Zugespitzte" Fragen wie "Gibt es guten Geschmack?" dagegen sind, äh: sinnfrei.
Aber mach du mal. Ich halte mich da wunschgemäß heraus, auch, weil ich den zu erwartenden Ertrag nicht als allzu groß ansehe.
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Babella Klammeraffe
Alter: 61 Beiträge: 890
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25.02.2015 15:33
von Babella
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Natürlich gibt es Maßstäbe. Wer ein 4-Sterne-Restaurant allerdings nicht von einer Pommesbude unterscheiden kann, möchte sich darauf vielleicht nicht einlassen und behauptet, alles sei irgendwie beliebig und subjektiv.
Und natürlich gibt es Kriterien, an denen man gute und schlechte Texte erkennen kann. Ein vorhersehbarer Verlauf, flache Figuren, einfallslose Sprache - oder mehrere Ebenen, Deutungsmöglichkeiten, Erkenntnisse, gehaltvolle Sprache, bedeutsame Botschaft.
Aber auch das muss man erkennen können. Dabei kann wiederum entsprechende Literatur helfen. Wenn man es denn wissen will.
Mit "Geschmack haben" meint man wohl, dass jemand Gutes auch als solches erkennen kann. Natürlich gibt es keinen Schiedsrichter für Kunst, aber man durchaus benennen, warum ein Text besser ist als ein anderer. Manchmal weiß man nicht, warum einem etwas gefällt - so wie man vielleicht auf das Kindchenschema reagiert, ohne zu wissen, woran es liegt, dass man so reagiert (Entzücken, Beschützenwollen). Aber es lässt sich ganz einfach beschreiben, es gibt einen Wikipedia-Eintrag dazu und dann weiß man plötzlich, warum man einen Babyelefanten als "süßer" wahrnimmt als ein ausgewachsenes Kaninchen.
Ein Experte kann einem auch erklären, warum einen ein Bild, eine Werbung, eine Verpackung anspricht.
Ähnlich beim Lesen. "Die Kunst des Erzählens" von James Wood hat mir da die Augen geöffnet.
Nur weil man irgendwie gefühlsmäßig zu urteilen scheint, heißt das nicht, dass diese Urteile nicht zu erklären sind.
Manchmal ist das ernüchternd. Da denke ich, ich hätte ein Stück Musik für mich entdeckt. Aber dann merke ich, das geht so vielen anderen ebenso ... dann finde ich mich im Mainstream wieder.
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silesio Eselsohr
Alter: 89 Beiträge: 237 Wohnort: Dubai
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25.02.2015 23:12
von silesio
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Liebe , zunächst einmal Dank für deinen entspannten Ton, worin ich ein Bemühen erkenne, das versucht, mir und meinem Beitrag gerecht zu werden und nicht ... aber lassen wir das.
Keine Gesellschaft, kein Volk, keine Familie kommt ohne Massstäbe aus, und jeder saugt sie zunächst einmal mit der Muttermilch auf, wobei es immer schon Ausbrecher, Aussteiger gegeben hat.
Nach 1945 sind viele von diesen lange selbstverständlichen Masstäben und Werten in Frage gestellt worden oder einfach so zerschlissen. Es hat sich auch auf allen Gebieten der Kunst eingebürgert, dass sich Modetrends gebildet und mehr oder weniger lange angehalten haben. Nur noch Insider wussten und wissen, wass gerade in ist. Da wird es objektiv schwer zu wissen, an welchen Massstäbe man sich zu halten hat.
Kein Zweifel: Manche Unterschiede sind leicht zu erkennen und wohl auch von allen anerkannt, etwa der Unterschied zwischen Hänschen klein und einem Rilkegedicht. Wichtig auch, was du im 2. Absatz schreibst.
Ein Extrem ist: Ein Literaturpapst entscheidet, was gilt, und das andere:
Leut, fresst Scheisse, 100 Millionen Fliegen können nicht irren
silesio
_________________ Ein ernster Mensch, der gerne lacht. |
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G.T. Klammeraffe
G Alter: 38 Beiträge: 674
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G 25.02.2015 23:27
von G.T.
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Na na na, nicht so schnell!
Wo liegt denn der weithin "anerkannte" Unterschied zwischen Hänschen klein und "einem" Rilkegedicht (was ja schon die Unterstellung impliziert, dass im gesamten Ouevre Rilkes völlig "gleichwertige" Lyrik zu finden ist)?
Gründe bitte.
Im Übrigen gab es schon immer Moden. Schon im 18. Jahrhundert beschwerten sich ältere Dichter über die kaum nachvollziehbaren Kapriolen der Jüngeren (Stichwort Sturm und Drang o. ä.) und der Dichterstreit ist so alt wie die Menschheit. In der Dichtung gab es zumindest sei den Anfängen der Neuzeit keine klaren Maßstäbe mehr (was davor war will ich mal nicht bewerten, davon hab ich zu wenig Ahnung).
Umberto Eco hat übrigens einen sehr schönen Aufsatz zu dem Thema geschrieben: "Zwischen Autor und Text", in dem er unter anderem über die Interpretationen seiner eigenen Werke redet und darüber, wie weit sie von seiner Intention teils abweichen. Er kommt zu dem Schluss:
"Das Geschriebene hat sich von mir abgelöst und führt ein Eigenleben."
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Kris Eselsohr
Beiträge: 453
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26.02.2015 10:00
von Kris
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Ich persönlich finde ja, man darf die eigenen Gedanken ruhig als Fragen
formulieren, wenn man ihnen selbst bewusst keine finale Allgemeingültigkeit
anhaften und lieber zum gemeinsamen Denken einladen möchte.
Folgt man übrigens den Konstruktivisten, interpretieren wir stets und alles.
Unser Sein, die Welt in der wir uns bewegen und eben auch die Texte,
auf die wir stoßen.
Diesen Gedanken von pna finde ich sehr bedenkenswert:
"Des weiteren frage ich mich nie, was mir ein Autor mit seinem Text sagen will,
sondern einfach nur, ob mir der Text etwas sagt."
Eine Haltung, die als Leser sicher natürlich ist, aber als Verfasser sehr
schwer fällt. Wobei das letztlich auch von der Art der Texte abhängt.
Ein unterhaltsamer Krimi will wahrscheinlich weniger interpretiert werden,
als ein Gedicht.
Vielleicht liegt darin auch der gefühlte Qualitätsunterschied von Texten.
In dem Sinne, dass schwer zu dechiffrierenden Texten eher ein Gehalt
und damit ein Wert zugesprochen wird, als einem "Hänschenklein", das
jeder sofort zu verstehen glaubt.
Obwohl: Sowohl Rilke als auch "Hänschenklein" sind bei uns Allgemeingut,
für mich auch ein Zeichen, dass diese Texte eine Qualität besitzen, die über
Generationen erhalten bleibt.
Wer weiß, wie viele Kinderlieder unsere Vorfahren gesungen
haben, die heute keiner mehr kennt, weil sie nicht gut genug waren,
zu überleben?
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silesio Eselsohr
Alter: 89 Beiträge: 237 Wohnort: Dubai
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03.03.2015 09:57
von silesio
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Hallo Kris, was bei uns Allgemeingut ist und vor allem bleibt, darüber bin ich mir nicht so sicher. Beruflich bin ich in viele Wohnungen gekommen. Aber die 5 oder 10 Bücher bestanden aus Readers digest, einem Kochbuch, einem Krimi und einem Wegatlas. Und das wird ja immer noch weniger 1) wegen der engen Wohnungen und 2) weil das Digitale überhand nimmt.
PS Dui hast mitgekriegt, dass ich immer und überall interpretieren muss. Dieses Bedürfnis, dieser Zwang hat mich auch bei deinem Namen "Kris" gepackt. Ist das die Abkürzung von Christoph oder von Krise?
_________________ Ein ernster Mensch, der gerne lacht. |
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rieka Sucher und Seiteneinsteiger
Beiträge: 816
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03.03.2015 13:57
von rieka
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Neben der kunstvollen Formulierung kommt es meiner Meinung nach auch darauf an, wie tief man (der Leser) in einen Text (in Worte – auch simple Worte) hineinschaut.
Ich nehme mal das Beispiel von Kris.
Zitat: | Kris schreibt:
damit ein Wert zugesprochen wird, als einem "Hänschenklein", das jeder sofort zu verstehen glaubt. |
Hänschen klein - keine hohe Lyrik. Aber – auch keine Aussage?
- Ein rührendes kleines Liedchen über die Verbindung von Mama und Sohn?
- Oder die Darstellung einer misslungenen Loslösung und Verselbständigung ins erwachsen-sein?
- Oder vielleicht die Darstellung eines Lebenslaufes mit Loslösung und Neuintegration?
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Kris Eselsohr
Beiträge: 453
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03.03.2015 14:26
von Kris
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@ rieka
Ich sag ja gar nicht, dass "Hänschenklein" keine Aussage hat.
Nur, dass es sich den Menschen mehrheitlich schneller erschließen
dürfte als Rilke oder meinetwegen die Ursonate Schwitters.
Und dass es immer noch zum allgemeinen Wissensgut gehört,
weckt bei mir persönlich den Eindruck, dass es eben eine Qualität hat.
Sonst wäre es wie so viele One-Hit-Wonder in der Musikgeschichte
einfach wieder in der Versenkung verschwunden.
@ sileso
Ich glaube, das Sammelsurium all dessen, was uns kulturell wichtig ist,
ändert sich nur sehr langsam. Und die Inhalte hängen auch nur bedingt
von dem Medium ab, in dem ich sie rezipierte.
Ein Kafka bleibt ein Kafka, ob gedruckt und in Schweinsleder gebunden oder
auf dem eReader gelesen.
Sicher ändern sich die Rezeptionsgewohnheiten mit unserer Welt, also
zum Beispiel die Bereitschaft und Fähigkeit, Zeit und Hirn in einen Text zu stecken. Da ist ReadersDigest oft schon zu weitschweifig und zu komplex.
Mein Name ist übrigens weder noch, sondern einfach ein Name für das Web.
Aber eine Ableitung von Krise... schöne Idee.
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