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Weihnachten, das Fest der Familie und des Familienstreits

 
 
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Piratin
Geschlecht:weiblichExposéadler

Alter: 58
Beiträge: 2186
Wohnort: Mallorca
Ei 2


Beitrag30.12.2013 14:26
Weihnachten, das Fest der Familie und des Familienstreits
von Piratin
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Weihnachten, das Fest der Familie
und
des Familienstreits

Es war wie immer. Schon im Sommer bahnte sich der Gedanke an Weihnachten seinen Weg, und Julia kroch die Magensäure brennend die Speiseröhre hoch. Jedes Jahr gab es das gleiche Drama.
Als sie noch ein Kind war, fand sie es total spannend, wie die Weihnachtstage verplant wurden. Die Familie traf sich erst zu Hause und an den anderen Tagen bei den Großeltern. Doch damals wie heute stand in ihrer Familie Weihnachten unter dem Motto: Nur keinen Streit vermeiden - Alles muss rausgebrüllt werden, und das besonders am Fest der Liebe.
Wochen vorher ging es schon los. Wo trifft man sich am ersten Weihnachtsfeiertag und wo am Tag darauf? Die Großeltern, bei denen man sich am zweiten Feiertag traf, fühlten sich zurückgesetzt, was dann zu heftigen Diskussionen führte. Diese wurden begleitet von den Planungen, die das Essen betrafen. Keiner wollte dreimal hintereinander Gans auf dem Teller haben, und überhaupt ... drei Tage Völlerei konnte niemals dazu beitragen, dass man sich entspannte.
Die Eskalation fand ihren ersten Höhepunkt, wenn der Baum gebracht wurde, der im Übrigen nie die richtige Größe hatte und außerdem schon beim Aufstellen nadelte. Julias Mutter suchte hektisch den Baumschmuck und entdeckte ihn schließlich dort, wo er immer war. Nur die Anzahl der Teile verringerte sich jedes Jahr. Die Kugeln und anderen glitzernden Kleinigkeiten schienen in einem Paralleluniversum verschwunden zu sein. Das Baumschmücken verlief nicht ohne leichten Bruch und sofort ging das familiäre Gebrüll seinem vorläufigen Höhepunkt entgegen.
Die Emotionen beruhigten sich langsam, wenn die Lichter am Baum endlich brannten. Zuvor weigerte sich die Lichterkette, zu leuchten, woraufhin eine Stunde Suchen nach dem defekten Birnchen folgte und anschließend eine weitere nach dem Ersatzbirnchen. Schuldzuweisungen wurden dabei selbstverständlich nicht vermieden.
Ein ganz spezielles Thema: Die Gans. Sie war entweder zu klein oder zu groß. Sie war im Übrigen nie zum geplanten Zeitpunkt fertig; auch das gehörte zum Familienfest wie der vorwurfsvolle Blick ihrer Mutter auf die Soße, die entweder zu dünn oder zu dick geraten war.

Genau daran dachte Julia, die mittlerweile am Krankenhaus arbeitete, an einem Augusttag in ihrer Mittagspause. Sie wollte gerne Weihnachten mit ihrem Freund Robert verbringen, doch auch er hatte eine Familie, für die der Heilige Abend im Kreise der Lieben ein unumstößlicher Fixpunkt im Jahr war.
So oder so, eine der beiden Familien würde am Heiligenabend auf einen Familienteil verzichten müssen. Julia malte sich die Diskussionen mit ihren Eltern aus und noch schlimmer ... mit ihren Großeltern. Es bedeutete den absoluten Ausnahmezustand begleitet von Vorwürfen. Julia wollte das auf alle Fälle irgendwie vermeiden, und begann, eine Strategie zu entwickeln.

Am nächsten Tag besprach sie sich mit ihrer Chefin und bat um den Feiertagsdienst an Weihnachten. Die Arbeitszeiten waren zwar auf halbe Tage reduziert, aber keiner der Kollegen arbeitete gerne an den Feiertagen.
Entweder deren Familien haben eine geheimnisvolle Streitvermeidungsstrategie, sprechen nicht mehr miteinander oder sie lieben alle das Streitpotential, dachte sich Julia.
Schnell war es beschlossene Sache, dass sie an Weihnachten arbeiten würde.
An einem der nächsten Wochenenden erzählte sie mit betrübter Miene ihren Eltern von ihrem Weihnachtsdienst.
Ihrer Mutter stand das blanke Entsetzen im Gesicht: »Wie soll das denn dann werden? Kann das nicht ein anderer machen? Wie sollen wir das Oma sagen?«
Innerlich grinste Julia, schaute aber betroffen und traurig. »Ich fahre am Vierundzwanzigsten nach dem Dienst zu Robert, das ist dann am nächsten Morgen auch näher zum Krankenhaus. Ihr seid übrigens auch bei seinen Eltern zum Abendessen eingeladen. Und an den beiden anderen Feiertagen ...« Julia seufzte. »Ich werde mal schauen, ob ich länger machen muss, und wie müde ich anschließend bin.« Selten hatte Julia ihre Eltern sprachlos gesehen.
»Wie? Keine Gans bei uns?«, stammelte ihre Mutter.
»Na, dann kann auch die Soße nicht danebengehen«, stichelte ihr Vater.
Bei ihren Großeltern überwog das Mitgefühl für das arme Enkelkind, das Feiertagsdienst hatte. Sie überließen es ihr, ob und wann sie vorbeikommen würde.
Das war doch mal eine Ansage, freute sich Julia.

So kam es zum ersten, fast friedfertigen Weihnachten in Julias Familie.
Lediglich das Baumschmücken war wohl wie immer nach dem Motto: "Alles muss raus, nur keinen Streit vermeiden", verlaufen, wie Julias Vater ihr am Weihnachtsabend bei Roberts Eltern erzählte.

Am Fünfundzwanzigsten bekochten ihre Eltern die Großeltern, und so hatten sie das erste Mal den zweiten Weihnachtsfeiertag für sich, was ihre Mutter dazu brachte Julia zu fragen: »Meinst du, du kannst nächstes Jahr wieder Weihnachtsdienst machen?«



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ricochet
Geschlecht:männlichEselsohr

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Wohnort: Graz


Beitrag30.12.2013 16:02

von ricochet
Antworten mit Zitat

Hallo Piratin,


nette Pointe. Du erzählst die Geschichte konzise und mit Schwung. Daumen hoch  Allerdings, man arbeitet nicht am Krankenhaus sondern im (es sei denn, man saniert den Verputz z. B.) und "bekochte" ist ein potthäßlicher Modeausdruck, so einer von der Art, die ich eigentlich nicht lesen möchte.

LG


rico


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Piratin
Geschlecht:weiblichExposéadler

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Beiträge: 2186
Wohnort: Mallorca
Ei 2


Beitrag02.01.2014 13:41

von Piratin
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Hallo ricochet,

freut mich, dass es Dir gefallen hat und mit dem "am" Krankenhaus hast Du mir einen echten Lacher bereitet (nachdem ich mich einen Moment geschämt habe). Das "bekochen" wird bei uns im Familienumfeld relativ häufig verwendet und kam mir deshalb auch nicht seltsam vor.
Diese Geschichte war im Adventskalender 2012 vertreten.
Vielen Dank für Deinen Kommentar,
und ein gutes neues und kreatives Jahr
Piratin


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