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DerGeschichtenerzaehler Gänsefüßchen
Beiträge: 16
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29.11.2013 22:44 (Ambivalenter Charakter) Die Kunst, schneller zu sein als der Kontrolleur von DerGeschichtenerzaehler
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"Fahrausweise bitte!"
Er zuckte zusammen. Am einen Ende war der wohl schnellere Kontrolleur schon mit 4 Fahrgästen fertig, am anderen Ende wartete der Kollege auf eine alte Dame, die noch in ihrer Handtasche nach ihrem Fahrschein suchte. Verdammt, das letzte Mal war schon wieder zu lange her. Er war jetzt 2 Monate am Stück schwarz gefahren, ohne Kontrollen. Irgendwann war es immer wieder soweit. Wie lange noch bis zum nächsten Bahnhof? Zwei Minuten? Er stellte sich nah an die Kabinentür. Sobald sie auf ging konnte er rennen. Der flinke Kontrolleur war schon ganz in seiner Nähe, oh wie er diese flinken kleinen Wiesel hasste! Ganz pflichtbewusst, immer schön links und rechts schauen, und nicht das Datum vergessen! Vielleicht hat ja jemand einen abgelaufenen Schein! Oh, ein Ermäßigungstarif! Ist der Fahrgast denn auch berechtigt diesen zu nutzen?
Am Liebsten würde er jetzt den Kopf des Kontrolleurs packen, und ihn mit all seiner Kraft gegen die bruchsicheren Scheiben rammen! Denkt der Typ denn, dass es Spaß macht schwarz zu fahren? Immer mit diesem mulmigen Gefühl in die Bahn einzusteigen? Wer würde sich denn nicht gerne gemütlich hinsetzen, die Augen schliessen, vielleicht ein Buch lesen? 40 Euro für eine Monatskarte war mehr, als er sich leisten konnte. Natürlich wäre es möglich eine Karte zu kaufen. Dafür könnte man andere Ausgaben streichen. Aber welche? Was hatte er denn als alleinerziehender Vater für Möglichkeiten? Den Kleinen vielleicht ohne etwas zu Essen in die Schule schicken? Zu Weihnachten vielleicht Selbstgebasteltes aus Kastanien schenken?
Nein, lieber würde er sein Leben lang rennen müssen, ehe der Kleine noch mehr verzich-
"Ihre Fahrkarte, bitte!"
Der Wiesel blickte ihm voller Vorfreude in die Augen.
"Oh, Moment bitte."
Langsam nahm er seine Geldbörse in die Hand, öffnete die einzelnen Fächer. Wo war denn bloß der Fahrschein? Vielleicht ja in der Jackentasche? Ganz entspannt, denn er wusste ja wie man noch Zeit rausschlagen konnte, griff er sich erst an die linke Brusttasche, dann an die Rechte. Vielleicht doch in der Hosentasche?
*Ding*
Hinter ihm fuhren die automatischen Türen mit einem leisen Zischen auseinander. Normalerweise begnügte er sich damit abrupt loszurennen, aber dieses Mal schnellte seine Faust reflexartig nach vorne und traf den Wiesel mitten in die Kehle. Ein Röcheln war noch zu vernehmen, ein dumpfer Aufprall. Doch bevor überhaupt jemand registrieren konnte was grade geschah, war der Täter längst im Gewirr der Menschenmenge verschwunden.
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Nayeli Irkalla Reißwolf
Alter: 41 Beiträge: 1083 Wohnort: Ruhrgebiet
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30.11.2013 02:35 Re: (Ambivalenter Charakter) Die Kunst, schneller zu sein als der Kontrolleur von Nayeli Irkalla
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Dein Text gefällt mir sehr gut . Auch, wenn ich mich frage, in welcher Stadt man bereits für 40 Euro eine Monatskarte bekommt. Bei uns kostet sie mehr.
Zwei kleine Verbesserungsideen hätte ich: Das mit dem alleinerziehenden Vater kommt ein bisschen zu plakativ. Evt. könnte man da noch subtiler rangehen oder den Alleinerziehenden einfach weglassen. Gedanken darüber, dass man alleinerziehender Vater ist, passen nicht unbedingt zu dem, was jemand in so einem Moment denken würde, finde ich - es sei denn, er sieht sich total in einer Opferhaltung, in der der böse Staat alleinerziehenden Vätern nicht genug Geld lässt? Aber dafür wirkt er auf mich zu abgebrüht.
Vielleicht würde es reichen, wenn er einfach darüber nachdenkt, wo er das Geld einsparen soll - den Kleinen ohne Brot in die Schule usw.? Darin liegt immer noch genug Ambivalenz, die den 'anderen' und nicht sich selbst die Verantwortung für seine finanzielle Knappheit zuschiebt und dass er lieber den Jungen hungern lassen würde als für sich z.B. die Zigaretten einzusparen.
So hast du nicht den Nebenschauplatz mit "alleinerziehender Vater, finanziell knapp", der für sich genommen mindestens so spannend wie die Schwarzfahrbeschreibung ist und die eine ausführlichere Beschreibung an anderer Stelle verdienen würde, wenn es sich hier um eine Romanfigur von dir handeln würde. In der Form, wie du es hier machst, ist es ein bisschen zu viel Info auf einmal.
Außerdem zwei Formulierungsdetails:
DerGeschichtenerzaehler hat Folgendes geschrieben: | Doch bevor überhaupt jemand registrieren konnte, was grade geschah, war der Täter Mann längst im Gewirr der Menschenmenge verschwunden. |
Täter ist wertend, während der Rest neutral erzählt wird, besser durch einen neutralen Begriff ersetzen. Und die drei Füllwörter im letzten Satz lassen sich ohne Verlust und mit Gewinn ersatzlos streichen.
Freue mich auf weitere Texte von dir .
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