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Bawali Klammeraffe
Alter: 80 Beiträge: 538 Wohnort: Wettingen, Schweiz
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03.07.2013 12:35
von Bawali
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Hallo seitenlinie,
Wir haben da offensichtlich etwas unterschiedliche Sichtweisen (ist ja Gott sei dank nicht verboten).
Zu meinem vergleich Film: Ich hatte eigentlich an einen gut gemachten Film gedacht, nicht an die (leider) immer häufiger werdenden Machwerke, bei denen der fehlende Inhalt durch pseudoactionreiche Bildgestaltung ersetzt wird.
Zum Reportstil:
seitenlinie hat Folgendes geschrieben: | Bawali hat Folgendes geschrieben: |
Zitat: | Unangenehm können längere Passagen mit einem Ich-Erzähler im Präsens sein. Sie wirken wie eine andauernde, unnatürliche
Selbstbespiegelung. Niemand analysiert und protokolliert ständig jeden Handgriff und Gedanken. |
Diese Aussage ist nicht auf Ich-Erzähler und Präsens beschränkt.
Seitenlange Gedankenspiele und Detailbeschreibungen sind auch im Präteritum grotten langweilig.
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Ich meine den Live-Reporter-Effekt gegenüber der Erzählsituation im Präteritum.
Den gesamten Tagesablauf, Gefühle und Gedanken wie ein Fußballspiel zu kommentieren, wirkt schon etwas eigenartig. |
Das hatte ich falsch ausgedrückt. Ich meine nicht Reporterstil sondern Reportstil. Ich gebe Dir recht, dass eine Geschichte in der Art eines auf Teufelkommraus plappernden Reporters absolut grässlich wäre. Ich verstehe hier aber die direkte Wiedergabe der für Handlung und Verständnis notwendigen Geschehnisse ohne die bedeutungslosen Alltagsgedanken und Mechanismen. Leider gibt es tatsächlich verblüffend viele öde Veröffentlichungen die Seitenweise mit belanglosem Schwachsinn gefüllt sind. Die sind auch nicht mein Ding.
lg Bawali
_________________ Ein Freund ist ein Mensch der dich mag, auch wenn er dich kennt. (frei nach Elbert G. Hubbard) |
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Mardii Stiefmütterle
Alter: 64 Beiträge: 1774
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03.07.2013 14:52
von Mardii
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Nora_sa hat Folgendes geschrieben: | Wenn der Protagonist um Neun an einer Konferenz teilnimmt und um halb zehn eine SMS erhält, in Folge dessen er die Konferenz verlassen muss, dann lässt sich das im rückblickenden Präteritum ganz wunderbar zusammenfassen, denn beides hat ja bereits stattgefunden.
Zitat:
Kaum hatte das Meeting begonnen, da vibrierte Svens Handy. "Ich brauch dich sofort. Kannst du runter kommen?" Er bat Brian ihn für fünf Minuten zu vertreten, stand auf und verließ den Raum.
Möchte man diesen Abschnitt ins Präsenz setzen, bekommt man Probleme mit der Zeit. Denn der Protagonist ist ständig in der Gegenwart. Immer! Jetzt und jetzt und jetzt. Der Erzähler weiß niemals und zu keiner Zeit was in der nächsten Sekunde passiert.
Zitat:
Kaum begann das Meeting vibrierte Svens Handy. "Ich brauch dich sofort. Kannst du runter kommen?" Er bittet seinen Kollegen ihn für fünf Minuten zu vertreten, steht auf und verlässt den Raum.
Mmmh, das passt zeitlich vorn und hinten nicht mehr. 1:1 kann man also nicht "mal eben so" die Zeitform korrigieren. *GrübelDenkRadier* Okay, dann schreiben wir: |
Dem möchte ich widersprechen. Die Entsprechung zum Plusquamperfekt bei der Verwendung des Präteritums ist beim Präsens das Präsens Perfekt oder 2. Vergangenheit. Das zweite Beispiel lautet dann folgendermaßen:
Kaum hat das Meeting begonnen, vibriert Svens Handy. "Ich ... kommen?" Er bittet seinen Kollegen ihn für fünf Minuten zu vertreten, ...
Man kann Texte im Präteritum eins zu eins ins Präsens umschreiben, es gibt immer die passende Zeitform.
Bawali hat Folgendes geschrieben: | Text im Präteritum lässt sich nicht einfach durch das Ersetzen der Verben in Präsens umbauen. |
Einfach ist das nicht, darum sagen viele, Deutsch sei eine schwere Sprache. Das fällt unter die Regel der Grammatischen Kongruenz. Im Falle dieses Problems der Übersetzung ins Präsens bedeutet das, dass man für jedes Satzglied die gleiche Zeitform anwendet. Darum ist Noras zweites Beispiel falsch. Man kann nicht einfach das Präteritum im Präsens für das Plusquamperfekt im Präteritum einsetzen. Das verstößt gegen die Regel der Kongruenz.
_________________ `bin ein herzen´s gutes stück blech was halt gerne ein edelmetall wäre´
Ridickully |
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Sabine A. Eselsohr
Beiträge: 385
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03.07.2013 15:55
von Sabine A.
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adelbo hat Folgendes geschrieben: | Ich finde es im Präsens geschrieben wesentlich lebendiger, direkter, habe das Gefühl ich bin eher mitten in der Geschichte drin.
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Hallo Adelbo,
da muss ich dir zustimmen. Noch vor einem Jahr hätte ich nie darüber nachgedacht, im Präsens zu schreiben, aber mir gefällt es immer besser, Geschichten in dieser Zeitform zu lesen. Selbst historische Erzählungen bekommen ihren ganz besonderen Reiz, wenn sie in die Gegenwart transportiert werden.
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seitenlinie Reißwolf
Beiträge: 1829
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03.07.2013 16:27
von seitenlinie
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Mardii hat Folgendes geschrieben: |
Kaum hat das Meeting begonnen, vibriert Svens Handy. "Ich ... kommen?" Er bittet seinen Kollegen ihn für fünf Minuten zu vertreten, ...
Man kann Texte im Präteritum eins zu eins ins Präsens umschreiben, es gibt immer die passende Zeitform.
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Theoretisch schon. Nicht immer ist es dann noch logisch oder konsequent.
Bei dem Beispiel hätten wir einen kleinen Zeitsprung - hinein in das Meeting.
In so einem Fall würde ich gern mal den ganzen Zusammenhang sehen.
So etwas findet man häufiger in der mündlichen Sprache. Wir erzählen eine Begebenheit im Präsens, damit es spannender wirkt:
"Stellt euch vor, kaum hat das Meeting begonnen, schon vibriert mein Handy. Und was meint ihr, wer dran ist?
Die olle Zicke, die mich gestern schief angemacht hat!"
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adelbo Reißwolf
Beiträge: 1830 Wohnort: Im heiligen Hafen
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03.07.2013 18:15
von adelbo
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Hallo Mardii
Ich glaube nicht, dass es bei mir etwas damit zutun hat, dass es moderner ist, ich fühle mich einfach besser dabei.
Ich habe die Geschichte vor etwa zwei Jahren in einem Rutsch heruntergeschrieben und es war irgendwie selbstverständlich im Präteritum zu schreiben. Jetzt wollte ich ein Kapitel hinzufügen und habe mich dabei ertappt, dass ich im Präsens begonnen habe.
Es kann sein, dass ich mich in den letzten zwei Jahren durch die Texte und Geschichten, die ich geschrieben habe, hinischtlich meiner literarischen Fähigkeiten geändert habe. Nicht, dass jemand denkt, ich denke ich hätte mich verbessert. Das liegt mir selbstverständlich fern. Aber ich habe andere Vorlieben.
Und ich merke jetzt während des Überarbeitens, dass es der Geschichte gut tut im Präsens geschrieben zu sein. Es ist meiner Meinung sehr stark abhängig vom Inhalt des Textes, was besser ankommt
Hallo Nora_Sa
Was du anführst, empfinde ich teilweise im Moment, während ich Kapitel für Kapitel durchgehe. Aber es ist für mich kein Stress, eher das Gegenteil.
Ich muss sowieso gründlich überarbeiten, das heißt streichen, hinzufügen und da zwei Jahre vergangen sind auch ändern. Und durch die andere Zeitform kommt es mir vor, wird es ein klein wenig auch eine andere Geschichte. Auf jeden Fall bin ich wieder hoch motiviert und habe mir fest vorgenommen, die Geschichte durchzuziehen. Und zwar im Präsens.
Danke dir für deinen ausführlichen Hinweise, die mir sicherlich helfen werden.
Hallo Carsten
Das Präsens zeigt eine Momentaufnahme nach der anderen. Das kann stressig werden.
Wie bereits geschrieben, es hängt m.M.n. sehr von der Geschichte ab, ob das Präsens passt oder nicht. Und ich denke auch ein wenig vom Schreibstil. Vielleicht passt zu meinem Schreibstil (ich wage einmal davon zu schreiben ) besser das Präsens. Auf jeden Fall fühle ich mich viel wohler damit. Die Geschichte bekommt mehr Schwung.
nangenehm können längere Passagen mit einem Ich-Erzähler im Präsens sein. Sie wirken wie eine andauernde, unnatürliche
Selbstbespiegelung. Niemand analysiert und protokolliert ständig jeden Handgriff und Gedanken.
Das sehe ich genauso.
_________________ „Das ist der ganze Jammer: Die Dummen sind so sicher und die Gescheiten so voller Zweifel.“
Bertrand Russell |
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Mardii Stiefmütterle
Alter: 64 Beiträge: 1774
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03.07.2013 22:46
von Mardii
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Hallo adelbo,
stimmt, Präsens ist nichts Ultramodernes nur weil die Amis gerade drauf gekommen sind. Mir ist wieder eingefallen, woher ich beeinflusst worden bin. In den neunziger Jahren, voriges Jahrtausend, schrieben auch einige Autoren im Präsens. Hier mal ein Auszug aus einer Erzählung von Bianca Döring:
"Der Morgen ist eine Sandviper und wartet in der Wüste. Die Wirklichkeit ist eine bissige Hündin.
Sie wartet schon sehr lange. Mehrmals am Tag schaut sie in den Spiegel, um einen Beweis zu haben, dass es sie gibt. Die Beweise sammelt sie und bewahrt sie an verschiedenen Orten auf, damit nicht alle gleichzeitig verschwinden oder gestohlen werden können. Sie telefoniert mit allerlei Personen, die bestimmte Dinge behaupten, ja und nein und auf Wiederhören sagen. Die Dinge, die behauptet werden, scheinen zum Alltag zu gehören und dürfen ausgetauscht, betrachtet und übergangen werden. Es gibt verschiedene Vokabeln, an denen Charlotte klammert. Sie deklamiert Sätze und Beschreibungen, um sich in Erinnerung zu halten. Sie ist galant und nur ihre Hände sind kühl und feucht."
aus: Ein Flamingo, eine Wüste. Bianca Döring, Frankfurt 1990
Ich würde sagen, dass dies schon ausgefeilte Präsensprosa ist. Es gibt ja den modernen Ausdruck Lyrische Prosa oder umgekehrt, aber das führt nur zu Haarspaltereien und Verschiebungen.
adelbo hat Folgendes geschrieben: |
Nicht, dass jemand denkt, ich denke ich hätte mich verbessert. Das liegt mir selbstverständlich fern. Laughing |
Das aus dem Zusammenhang zu reissen ist schon gemein von mir. Aber denk´an BlueNote.
Hallo Carsten,
klar, in wörtlicher Rede darf man alle Sprachsünden verwursten. Aber dein Beispiel ist doch reinstes Perfekt. Und kongruent.
""Wenn das Meeting endlich losgefangen hatte, rappelte schon wieder mein Telefon und stell dir vor, es war das dumme Luder, es ebend, das als die doofen Sprüche kloppt.""
LG Mardii
_________________ `bin ein herzen´s gutes stück blech was halt gerne ein edelmetall wäre´
Ridickully |
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seitenlinie Reißwolf
Beiträge: 1829
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