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Biggi
Geschlecht:weiblichKlammeraffe

Alter: 52
Beiträge: 782
Wohnort: BY



Beitrag19.05.2013 20:50

von Biggi
Antworten mit Zitat

seitenlinie hat Folgendes geschrieben:
@Biggi

Ich glaube, da gab es ein Missverständnis.
Beide gehen deshalb so locker miteinander um, weil sie keinerlei Absichten hegen. Er will sie nicht anbaggern.
Seine Lebenskrise zeigt er wie ein Stigma. Will man noch weiter gehen, könnte man darin fast einen Schutzschild sehen.


Gut, gehen wir davon aus: Ich unterstelle einem, der sich zu einer vor ihm stehenden Frau hinbeugt und ihr was zuraunt und danach Tipps über dies und das gibt, nichts.
Er beweist damit an sich nur, dass er ein kommunikativer Mensch ist, sowas passiert mir schon auch mal.
Es kam nur so an, als würde sie gleich den ersten nehmen wollen.
(Aber wenn ich z.B. auf einen schönen Satz von dem Typen hinter mir im Supermarkt reagiere und der Mann führt mich nicht gleich zur Kaffeetheke, um mir als nächstes die Inschriften auf der ältesten Eiche im nahegelegenen Park zu zeigen und in der Rinde die von ihm und seiner Ex-Frau, woraufhin ich ihm sage, dass ich mich - aber ich bin noch nicht ganz sicher - gerade in ihn verliebe, bin ich nicht überrascht, es liegt sozusagen im zu erwartenden Verhalten und an anderen Faktoren; es ist auch kein Tag der Offenen Tür, wo man ggf. schon in einer nostalgisch-romantischeren Stimmung ist als beim Einkaufen.)

Wenn jemand - wie Du sagst - stigmatisiert ist und eigentlich unglücklich, aus seiner Sicht am Leben gescheitert, eine Art Schutzschild braucht - und das wird mir durchaus klar - dann wäre ich davon ausgegangen, dass er das auch ausstrahlt, z.B. durch Gestik und Mimik, seine Augen, und darauf hätte ich als junge Studentin wahrscheinlich nicht so positiv reagieren können. Aber da sind nicht alle gleich.

Die Überraschung über seine - wie Du sagst - "Lockerheit" war mir am Ende Deiner Geschichte etwas zu groß und da war für mich eine Art logischer Bruch bei der Figurenzeichnung, d.h. das, was in dieser Szene passiert sein soll, passte für mich im Nachhinein nicht mehr so ganz zum Charakter, außer er hätte sich geschworen, jetzt endlich an sich zu arbeiten. Danach sahen mir aber weder der erste Satz noch die Anmerkungen über seine Vergangenheit der Frau gegenüber aus.
Muss man aber nicht so sehen, das versteht sich.

LG
Biggi
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seitenlinie
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Beiträge: 1829

Pokapro 2015


Beitrag20.05.2013 12:03

von seitenlinie
Antworten mit Zitat

@Biggi

Du meinst, er müsste viel verkrampfter sein?

Ich glaube, dass Sophie viel an Ungezwungenheit ausstrahlt. Er beobachtet sie und genießt das. Da beide Künstler sind, haben solche Begegnungen für sie auch etwas Inspirierendes. Hinzu kommt, dass es nur ein Traum war. Einerseits muss die Geschichte glaubwürdig sein, da der Leser das anfangs nicht weiß. Ausgefeilte Details und eine haarscharfe Logik würden wiederum den Traum unglaubwürdig erscheinen lassen.


@JosephinevonBluetenStaub

Vielen Dank für deinen Kommentar. Mich freut sehr, dass dir der Text gefällt (… und Studenten so etwa lesen).
Wenn ich dich richtig verstehe, hättest du gern am Ende des ersten Teils weitere Reflexionen des Ich-Erzählers.

Wir wissen nicht genau, was es für ein Traum war. Wissen nicht, ob er jetzt aus dem Schlaf erwacht oder aus einem Tagtraum. Das ist hier vielleicht unbefriedigend. Ich wollte die Stelle aber nicht aufweichen, wo sich die Prämisse des Textes zeigt:
„Ich glaube, ich habe mich grad verliebt.“ - Da wusste ich, dass es nur ein Traum war.

Zudem wirkt die Geschichte beim Protagonisten und beim Leser noch etwas nach. Das würde ich beeinflussen, sobald ich mehr über die Befindlichkeit des Protagonisten nach seiner Erkenntnis erzähle.


Gruß,
Carsten
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seitenlinie
Geschlecht:männlichReißwolf


Beiträge: 1829

Pokapro 2015


Beitrag20.05.2013 20:50

von seitenlinie
Antworten mit Zitat

.....................................................................................................................*

Meine Gedanken klaube ich langsam zusammen. Unwirklich glitzert das Weiß des Winters auf verschneiten Brunnenfiguren, in den Baumkronen, überall. Die Kälte meldet sich zurück, zuerst an Zehen und Fingern. Und aus den Blütenblättern einer Sommernacht werden Schneeflocken - was für eine Musik!
Mit dem Handschuh kratze ich eine Zahl frei und stecke ihn zurück in die Manteltasche: 1738 steht an der Brunnenbrüstung. Ich schaue auf die Uhr. Die Besucher werden den Saal jetzt verlassen, der Haupteingang befindet sich auf der anderen Seite. Hier falle ich nicht weiter auf. Die Fenster sind bereits geschlossen.
Noch spüre ich tief in mir ihre Musik. Lieder ohne Worte. Sophie hat ein Versprechen eingelöst. Eines, das sie im richtigen Leben niemals gab.
Wie verrückt das alles ist. Noch nie hat sie mich gesehen, weiß nicht, was für ein Geschenk sie mir bereitet hat. In den Saal wollte ich mich nicht setzen und blieb hier unten. Lauschte. Hörte und spürte ihre Geige, mit der sie Uhren anhält und die Zeit zurückdreht. Das Mädchen aus dem Traum. Wie lange suchte und wie oft zweifelte ich? Ihre Musik hat es mir offenbart. Nicht alles habe ich verstanden. Aber wenn das Mädchen überhaupt existiert - irgendwo auf der Welt -, dann ist es Sophie.

‚Das Glück lässt sich nicht kaufen.’ Nachdenklich wische ich etwas Schnee von der Eisfläche auf dem Brunnen. Stumpf bleib das Eis, hindurchschauen kann ich nicht. Tief unten schlummert irgendwo eine Münze von mir.  
Im Sommer sah ich beide im Park, Sophie mit diesem … Klavierspieler. Es scheint endgültig aus zu sein, sonst wäre er heute hier.
Klavierspielen werde ich in diesem Leben nicht mehr lernen. Ich hole meine Mundharmonika aus der Manteltasche und halte sie vor die Lippen. Sie beschlägt. Die winzigen Tonzungen würden in der Kälte festfrieren und ich stecke sie wieder ein. Meine Finger fühlen sich steif an, keinen Stift könnte ich jetzt locker führen. Die Zeichnung und den Trockenstrauß müsste Sophie bekommen haben. Die Studentin an der Garderobe hatte es mir versprochen. Sophie wird ihr Abbild erkennen und über den Spinner lachen, der ihr solche Engelslocken angeklebt hat.
Die Gäste sind raus, Sophie feiert bestimmt schon mit Freunden und Familie. Niemand stapft hier durch den Schnee, um einen eingeschneiten Brunnen zu besuchen. Im Sommer wäre das anders. Da treffen sich verliebte Pärchen am Brunnenrand, lachen und schmusen. Wie Sophie und ich. Nein, geschmust haben wir nicht, nur gelacht. Ich wusste ja nicht, dass ich träume.
Jetzt werde ich aufstehen und gehen. Endgültig. Mir einen Ruck geben und mich zusammenreißen. Dann also - Adieu.
Ich bahne mir einen Weg durch den Schnee.

„Hallooo! Warten Sie bitte!“
Ich schaue mich um. Sophie fliegt auf mich zu, in weißer Bluse und dunklem Rock. Und durch den Pulverschnee wirbeln garantiert keine Winterstiefel - aber so etwas trägt ein Engel ja auch nicht.
„Bitte warten Sie.“ Sophie ist völlig außer Atem. „Sie sind Grafiker, nicht wahr?“
„Ja, sicher.“  Ich versuche, mich kühl zu geben. „Falls Sie an einen größeren Auftrag denken ...“
„Nein, ich ...“ Sie hält mir ein Blatt entgegen. „Dieses Bild, das haben Sie gezeichnet?“
Einen Moment fühle ich mich versucht, den Kopf zu schütteln. „Sie werden sich erkälten.“ Ich öffne den Mantel, ziehe meinen Schal heraus und präsentiere ihn beidhändig; sie braucht nur unterschlüpfen. „Tatsächlich, das ist von mir. Gefällt es Ihnen?“
„Danke, ich friere nicht.“ Sie wehrt den Schal ab und ringt immer noch nach Atem. „Das Bild ist wunderschön. Aber wieso am Patronatsbrunnen? Und warum haben Sie mir die langen Locken verpasst?“
Ich versuche, klare Gedanken zu fassen und fühle mich wie auf dem Schulhof bei der allerersten Begegnung mit einem Mädchen. „Ach, da gibt es viel krassere Sachen von mir … Meine Fantasie, entschuldigen Sie bitte.“
„Ihre Fantasie oder Ihre Träume?“
Ein kurzer Stromschlag betäubt meine Sinne. „Das verstehen Sie nicht, Sophie. Genießen Sie diesen Tag mit Familie und Freunden. Ihre Musik war wunderbar. Nein, das verstehen Sie nicht.“
Ich ziehe den Schal um meinen Hals und stopfe ihn hastig in den Mantel. „Bitte! Es war reizvoll Sie zu treffen, wirklich.“
Sie steht da wie versteinert, fassungslos.  
Das ist hart. Ich drehe mich um und gehe mit schnellen Schritten zum Parkplatz, halte mit verkrampften Fingern Schal und Mantel zusammen. Wie kommt sie überhaupt auf die Idee, nach meinen Träumen zu fragen?
Mann, was für ein Augenblick! Und so verdammt dicht dran. Ich bin ein Idiot, zweifellos. Aber ihr stehen alle Türen offen. Habe ich ein Recht, mich einzumischen in ihr Leben, wie ein Störfaktor auf ihrem Weg?
Ich gehe jetzt, werde grübeln und zweifeln. Werde darüber rätseln, was mir ihre Geige sagen wollte. Und nie wieder zurückkehren.
Schließlich war alles nur ein alberner, törichter Traum.



.....................................................................................................................*



Sophie lehnt sich an die Wand. Den Berg von Blumen und Karten will sie nicht sehen. Sie ist den Tränen nah. Er war nur ein Phantom, die ganze Zeit. Dichter Flockenwirbel verdunkelt den Saal und sie geht ans Fenster. Und das war nie ein Märchenbrunnen. Sie setzt ihre Geige an und schließt die Augen. Und jene Tage werden lebendig, als sie ihre erste Geige im Arm hielt. Eine versunkene Geschichte taucht aus der Erinnerung auf, blass und schemenhaft. Sophie beginnt zu spielen und ihre Lippen formen stille Wörter.

Come my love, I'll tell you a tale
of a boy and girl  ...


Sie kneift die Augen fester zusammen und der Bogen zittert ein wenig.

Now this did happen once upon a time ...


Sophie hört eine zweite Stimme. Ganz weit weg. Und die Farben kehren in das vergessene Märchen zurück.

My love is like a storybook story.
But it's as real as the feelings I feel.


Immer näher kommt die Chorusstimme ihrem Ohr, dann wird sie leiser. Eine Mundharmonika.
Sophie lässt Geige und Bogen sinken. Arme umgreifen sie, kalte Hände berühren ihre Haut und eine ungewohnte Wärme durchströmt ihren Körper. Lippen nähern sich ihrem Hals und sie hört eine Stimme: „Das Glück lässt sich nicht kaufen.“
Sophie hält die Augen geschlossen. „Zwei fremde Menschen können nicht den gleichen Traum träumen.“ Sie neigt ihren Kopf nach hinten und flüstert: „Oder?“
„Wie verrückt müssten die beiden denn sein? Wer weiß, Sophie. Aber vielleicht können sie ihn gemeinsam ... zum Leben erwecken.“


...................................................................................................................* * *





An der Stelle konnte ich kein Audiozitat einfügen. Wer in den Song reinhören möchte, kann das hier tun:

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