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Du sitzt und willst doch gehen


 
 
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Maurer
Geschlecht:männlichErklärbär
M

Alter: 61
Beiträge: 2
Wohnort: Bremen


M
Beitrag11.03.2013 11:18
Du sitzt und willst doch gehen
von Maurer
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Du sitzt und willst doch gehen
stehst und willst doch tanzen

Über Dir hängt die bleierne Wolke
und nicht die warme Frühlingssonne

Du versteckst dich im Keller beim Wein
und könntest auf der grünen Wiese sein

Tiefe Gräben hast du ausgehoben
und sehnst dich doch nach Brücken

Du redest Weise und Schlau
doch ohne Gesang ist alles grau

Das Licht das in Dir glüht
ist sehr bemüht

Wohin willst Du forschen
wenn die Sehnsucht fast erloschen?

Lass dich fallen, vergiss den Mut
reite eine kleine Welle der Wut

Leben heißt verzeihen

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Aranka
Geschlecht:weiblichBücherwurm
A


Beiträge: 3106
Wohnort: Umkreis Mönchengladbach
Lezepo 2017 Pokapro und Lezepo 2014



A
Beitrag12.03.2013 15:00

von Aranka
Antworten mit Zitat

Hallo Maurer,

es ist dein erstes Werk, das du hier einstellst und ich denke, dir geht es wie den Meisten, besonders beim ersten Text ist man gespannt auf eine Leserresonanz. Aber bevor ich zum Text komme, zuerst ein herzliches Willkommen hier im Forum und viel Spaß beim Lesen, Kommentieren und Schreiben.

Du hast den Text in die Werkstatt gestellt und ich gehe daher davon aus, dass du selbst vielleicht noch Fragen hast und über den Text diskutieren willst. Ich mache es jetzt einmal so, dass ich einfach laut nachdenke, meine Gedanken zwischen deine Zeilen anordne und du dann selbst entscheidest, auf welche meiner Überlegungen du eingehen möchtest. Los geht’s.

Zitat:
Du sitzt und willst doch gehen


Das ist der Titel. Aha! Einer, der in einem Zwiespalt steckt, den er zu spüren scheint. Ein LI, das sich selbst in einem Du begegnet? oder ein LD, das angesprochen wird? Oder wird der Leser angesprochen? Jedenfalls ein reizvoller Titel. Diesem DU zu begegnen stelle ich mir interessant vor. Mal so meine ersten Gedanken.

Zitat:
Du sitzt und willst doch gehen
stehst und willst doch tanzen


Ich finde meine Gedanken hier bestätigt, der Titel wird wiederholt und durch eine weitere Bewegung ergänzt. Das DU wird hier als „antriebsmüde“ gekennzeichnet, als ein „Verharrendes“. Ich spüre das Hin- und Hergerissen-sein. Eine gute spannende Eingangsstrophe. Gute Gegensätze, das Starre „sitzen/stehen“ gegen die Bewegung „gehen“ und die Fröhlichkeit „tanzen“. Diese Strophe spricht mich an, bewegt etwas in meinem Kopf.
(zu überlegen generell wäre die Wiederholung des Titels, die ich selbst meist als weniger elegant empfinde) Vielleicht ein anderer Titel oder die erste Zeile „kursiv“ als Titel geltend.

Zitat:
Über Dir hängt die bleierne Wolke
und nicht die warme Frühlingssonne


Jetzt ein Blick an den Himmel. Auch hier zwei Gegenspieler: Bleierne Wolke / warme Frühlingssonne.
(Hier würde ich auf jeden Fall auf das Attribut „warme“ verzichten, es ist unnötig, eine Frühlingssonne ist warm. Das Attribut schwächt hier das Nomen, statt es  sinnvoll zu erweitern. Bei „bleiern“ ist das etwas anderes, dies Attribut erweitert das Bild der Wolke und fügt ihr eine nicht erwartete Eigenschaft hinzu.)
Überhaupt könnte man über eine Verdichtung der Zeilen nachdenken und die Zeilen etwas aus dem prosanahen Satzbau herausholen.

Auch diese Strophe erreicht mich, es entsteht ein Bild, ein eher düsteres.

Zitat:
Du versteckst dich im Keller beim Wein
und könntest auf der grünen Wiese sein


Nun wird der Blick auf den Ort, an dem sich das DU befindet gelenkt und auch hier das Prinzip de Gegenüberstellung: Keller/Wein und „grüne“ Wiese. Du ahnst was ich sagen werde: das „grüne“ ist schwächend. Warum traust du dem Wort „Wiese“ nicht die eigene Bildkraft zu? Vielleicht: „du könntest bei der Amsel auf der Wiese sein“. (Schaffe ein munteres Bild: wähle eine andere Beifügung, eine die vielleicht überrascht) Der Reim „Wein /sein“ ist hier nicht hilfreich, man fällt recht „platt“ hinein.

Noch bin ich dicht beim DU, die Aussagen leuchten mir dieses DU nach und nach aus. Ich weiß noch nicht, wo der Text hin will, aber noch hält er mich bei der Stange.

Zitat:
Tiefe Gräben hast du ausgehoben
und sehnst dich doch nach Brücken


Hier beginnt mein Interesse zu bröckeln. Diese Aussage ist eine so allgemeine, fast nichtssagende: „Gräben auswerfen/ Brücken bauen“, Bilder die ich seit Religionsunterrichtszeiten kenne und die ein wenig seltsam schmecken. Vielleicht liegt es an mir, ganz bestimmt. Dennoch täte ein originelleres Bild dem Text hier gut.

Zitat:
Du redest Weise und Schlau
doch ohne Gesang ist alles grau


(denke mal „weise und schlau“ sollten klein geschrieben sein.)

Hier fällst du in einen nicht gerade unauffälligen Endreim. Ob das geschickt ist? Generell ist es nicht so einfach in einem überwiegend reimlosen Text einige Verse mit einem Reim zu versehen. Das sollte dann auch eine Begründung haben und es muss gekonnt gemacht sein. Ich gebe noch etwas zu bedenken: so eine Aussage: „ohne Gesang ist alles grau“ ist mir in einem Gedicht fast ein wenig zu banal, zu alltäglich, zu festgeschrieben, "grau" eben.
Die Idee, dass die „schlauen Reden“ des LD ohne Gesang sind, und ihnen damit etwas Entscheidendes fehlt, die finde ich gut. Vielleicht ist es ja auch nur der Reim, der die Aussage dann ein wenig „grau“ rüber kommen lässt. Ich würde mich hier vom Reim lösen und frei formulieren.

Zitat:
Das Licht das in Dir glüht
ist sehr bemüht

Wohin willst Du forschen
wenn die Sehnsucht fast erloschen?


Hier erstarrt der Text in allzu üblichen Formulierungen: „Licht glüht / Sehnsucht erloschen“ und so Aufforderungen: „las dich fallen“. Das kannst du bestimmt wesentlich individueller formulieren, was du hier aussagen willst.

Zitat:
Lass dich fallen, vergiss den Mut
reite eine kleine Welle der Wut


„Mut / Wut“ für mich so ein Reim, der nur selten einem Zeilenpaar Spannung verleiht. Ich sehe hier auch deutlich einen Zeigefinger. Auch inhaltlich habe ich hier Fragen: Kostet es nicht gerade Mut, sich fallen zu lassen? Auch überlege ich, wie die Aufforderung „eine kleine Welle Wut“ zu reiten zu der Schlusszeile passt.

Zitat:
Leben heißt verzeihen


Du spannst in deinem Text inhaltlich einen weiten Bogen. Von einem DU, das zwischen jeweils zwei Positionen angesiedelt gezeigt wird, das sein Leben reflektiert und nun zu einer recht allgemeinen Aussage findet: „Leben heißt verzeihen“. Für mich fällt der Text in dieser letzten Zeile endgültig in sich zusammen. Dieser Textbogen müsste woanders enden.

Die Zeilenpaare neigen immer wieder dazu, in eine allgemeine Aussage zu münden, was ich schade finde.

Der so verheißungsvolle Titel: „Du sitzt und willst doch gehen“ und auch dein Gedankengang dahinter, dass da ein Du immer zwischen zwei Optionen wohl die falsche gewählt hat, ist ja durchaus eine Idee, die sich lyrisch aufarbeiten ließe. Suche ihr ein paar weniger verbrauchte Bilder und Worte und vermeide vielleicht so Festschreibungen und Fingerzeige.

Die ersten Zeilenpaare sind dir in meinen Augen besser gelungen, als die letzten.

Es gilt hier wie immer in meinen Kommentaren: (sage es nur noch mal, da es mein erster Kommentar für dich ist) es ist meine Meinung, meine Überlegung und mein Verstehen dieses Textes. Nimm dir aus meinen Gedanken die, die dir hilfreich erscheinen. Siehst du den Text ganz anders und auch die Umsetzung, kein Problem: In den Papierkorb mit dem Kommentar! Du bist der Autor und das ist das Wichtigste. Es kostet immer viel Mut, seine Texte zu präsentieren, ich kenne das. Man steckt so tief in jeder Formulierung, in jedem Reim drin, dass die Gedanken der anderen erst einmal Fremdkörper sind.

Wenn du Fragen hast, stelle sie. Wenn ich etwas falsch gelesen habe, lass es mich wissen.

Liebe Grüße Aranka


_________________
"Wie dahingelangen, Alltägliches zu schreiben, so unauffällig, dass es gereiht aussieht und doch als Ganzes leuchtet?" (Peter Handke)

„Erst als ihm die Welt geheimnisvoll wurde, öffnete sie sich und konnte zurückerobert werden.“ (Peter Handke)
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Maurer
Geschlecht:männlichErklärbär
M

Alter: 61
Beiträge: 2
Wohnort: Bremen


M
Beitrag12.03.2013 16:27

von Maurer
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Viele Dank erst einmal Aranka,
für das Willkommen und die ausfürliche Antwort.
Mit Gedichten muß ich mich wohl noch etwas mehr auseinandersetzen!
Danke für die vielen Anregungen.
Das Gedicht werde ich noch mal neu schreiben.

Liebe Grüße Jörg
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