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Biest. Meine erste Kurzgeschichte - danke für jedes Feedback


 
 
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Nuage
Erklärbär
N


Beiträge: 2



N
Beitrag11.11.2012 20:29
Biest. Meine erste Kurzgeschichte - danke für jedes Feedback
von Nuage
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Danke für jedes Feedback.
MfG, Nuage




Biest

Sie klopfen nicht an ihre Tür. Sie rennen sie ein. Sie zerren sie aus dem Haus, sie schleifen sie durch die Straßen an ihren Armen, an ihrem Kleid, an ihren Haaren; ihren wunderschönen Haaren. Sie schreit. Hört auf, ruft sie. Ich habe nichts getan. Die Menschen lachen. Sie lachen sie aus. Lasst mich in Ruhe, schreit sie. Sie lachen sie aus.

Die blonde Frau freut sich. Schon wieder eine gefunden, denkt sie, als sie das Geschrei hört. Sie nimmt ihre Kinder bei der Hand, ein Junge und ein Mädchen, die beiden sollen sich auch ein wenig vergnügen können nach der Arbeit im Wirtshaus. Sie laufen hinaus auf die Straße. Die Frau sieht ihre Freundin dort laufen. Luder, ruft diese. Die Frau lacht. Mit ihren Kindern läuft sie der Menge hinterher. Die beiden jauchzen. Biest, schreit die blonde Frau und jubelt.


Manche kennt sie. Der Mann dort ist der Bäcker, sie kauft dreimal in der Woche Brot bei ihm. Die Frau des Webers ist da, und drei Näherinnen. Der Mann ihrer besten Freundin spuckt ihr ins Gesicht. Der Speichel vermischt sich mit ihren Tränen. Da vorn ist ihre Tochter. Die hat sie gleich als erstes bemerkt. Ihre braunen Locken wehen im Wind und sie weint. Sie weint, aber sie läuft mit. Ihr Mann steht an einem Hauseingang. Er schüttelt den Kopf. Ungläubig. Und doch glaubt er es. Die regengrauen Augen sind unverbindlich auf sie gerichtet. Es ist nicht wahr, ruft sie ihm zu. Aber ihr Kopf wird zurückgerissen und sie schreit auf vor Schmerzen.
Der Bäcker schlägt sie. Zwei andere halten sie fest. Eins, zwei, drei. Das Blut in ihrer Kehle schmeckt nach Rost und nach Niederlage. Es läuft ihr aus den Mundwinkeln. Die Männer grölen. Die Frauen jubeln. Die Kinder lachen. Sie juchzen und tanzen um sie herum. Eine blonde Frau schreit ‚Biest‘ und sieht ihr in die Augen.


Es ist richtig, sagt sich die blonde Frau, es ist richtig. Jeder kennt die Voraussetzungen, jeder kennt die Regeln. Es ist richtig. Eine Magd geht vorüber. Sie folgt den anderen. Sie jubelt. Da erinnert die Frau sich. Sie hat die Magd mehrmals mit der Verurteilten zusammen gesehen. Sie waren Freundinnen. Sie bleibt stehen. Die Magd trägt ein gelbes Kleid. Ihre Kinder kommen auf sie zu. Komm, sagen sie, komm weiter, gleich sind wir da. Die blonde Frau setzt sich in Bewegung. Schlange, ruft sie halbherzig. Nein, denkt sie dann und fühlt neue Bestimmtheit in sich aufsteigen. Es ist richtig. Jeder kennt die Voraussetzungen, jeder kennt die Regeln. Es ist richtig.

Wer hätte gedacht, dass Feuer so heiß ist, wenn es dir den Atem nimmt. Wer hätte gedacht, dass es so sticht, wenn es dir deine Haut raubt. Sie windet sich unter den Flammen, doch sie ist festgebunden, und die Stricke halten. Sie werden erst durchgekokelt sein, wenn ich es auch bin, denkt sie.

Ihre Augen strahlen so blau, denkt die blonde Frau. So ehrlich. Wie kann das sein? Aber es ist richtig, das weiß sie.

Sie fühlt das Flammenmeer um sich greifen. Sie wird umarmt, ihr Körper geliebkost. Sie sieht die Gesichter, voll grausamer Schaulust, erfüllt von lüsterner Abscheulichkeit. Ihr Schmerz wird verjagt von einer willkommenen Welle der Erlösung. Die Dunkelheit nimmt sie in sich auf. Die Schreie hört sie schon nicht mehr. Alles verstummt um sie herum. Ich bin unschuldig, denkt sie, unschuldig. Und der Rest ist Schweigen.

Die Menschen um sie herum fühlen einen angenehmen Ekel in sich aufsteigen, als es vollbracht ist. Die blonde Frau ist wie erstarrt. Sie hat ihr in die Augen gesehen, in die wasserblauen Augen, und sie hat ihr Herz gesehen. Aber es war richtig, sagt sie sich, sie hatte doch diese roten Haare. Sie nimmt ihre Kinder bei der Hand. Nächstes Mal will ich wieder mit, sagt der Junge. Das Mädchen nickt. Es hat Spaß gemacht, sagt sie. Es graust die Frau. Sie will das Gefühl abschütteln. Ja, sagt sie zu ihren Kindern. Nächstes Mal gehen wir wieder mit.
Es ist richtig, besinnt sie sich. Sie hatte doch diese roten Haare, erinnert sich die blonde Frau; sie hatte doch diese roten Haare –



_________________
Wir brauchen aber die Bücher, die auf uns wirken wie ein
Unglück, das uns sehr schmerzt, wie der Tod eines, den wir lieber hatten als uns, wie wenn wir
in Wälder verstoßen würden, von allen Menschen weg, wie ein Selbstmord, ein Buch muß die
Axt sein für das gefrorene Meer in uns. Das glaube ich.

Franz Kafka
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nebenfluss
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Beiträge: 5982
Wohnort: mittendrin, ganz weit draußen
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Beitrag13.11.2012 18:36

von nebenfluss
Antworten mit Zitat

Zitat:
Sie klopfen nicht an ihre Tür. Sie rennen sie ein. Sie zerren sie aus dem Haus, sie schleifen sie durch die Straßen an ihren Armen, an ihrem Kleid, an ihren Haaren; ihren wunderschönen Haaren. Sie schreit. Hört auf, ruft sie. Ich habe nichts getan. Die Menschen lachen. Sie lachen sie aus. Lasst mich in Ruhe, schreit sie. Sie lachen sie aus.


Sehr intensiver Anfang. Ein kleines bisschen zu thrillig vielleicht sogar, aber für mich funktioniert es. Ich will wissen, wer "sie" sind, warum "sie" das tun, was mit ihr passieren wird, ob sie tatsächlich unschuldig ist. Kurz gesagt: Sofortige Spannung bis zum Abwinken.

Zitat:
Die blonde Frau freut sich. Schon wieder eine gefunden, denkt sie, als sie das Geschrei hört. Sie nimmt ihre Kinder bei der Hand, ein Junge und ein Mädchen, die beiden sollen sich auch ein wenig vergnügen können nach der Arbeit im Wirtshaus. Sie laufen hinaus auf die Straße.


OK, eingedenk des Titels haben wir es hier wohl mit dem Biest zu tun. Sauböse natürlich, sich über das Unglück anderer zu freuen.

So wie ich das verstehe, werden hier zwei unterschiedliche Perspektiven mit zwei unterschiedlichen Farben gekennzeichnet. So wie bei der "unendlichen Geschichte" von Michael Ende, wenn auch mit anderer Absicht.

Ist natürlich in Hinblick auf eine Print-Veröffentlichung schwierig, weil kostenintensiv. Es lenkt dich offensichtlich auch davon ab, eindeutig zu schreiben:

Zitat:
Die Frau sieht ihre Freundin dort laufen. Luder, ruft diese. Die Frau lacht.


Hier wurde ich erstmals stutzig: "Die Frau" ist offenbar die Blonde mit den Kindern. Ist die Freundin die erste, in roter Schrift beschriebene?
Wenn nein:
Wer sonst und was hat sie dort auf der Straße (und in dieser Geschichte) zu suchen?
Wenn ja:
Woher soll ich zu diesem Zeitpunkt wissen, dass die beiden Freundinnen sind? Oder waren, denn kann man Frauen als Freundinnen bezeichnen, wenn die eine lacht, wenn die andere durch die Straße gezerrt wird? Kann ja alles nicht sein, denn sie wird jetzt nicht mehr gezerrt, sondern läuft von allein.

Das verstehe ich nicht. Es würde helfen, den einzelnen Frauen Namen zu geben.

Zitat:
Mit ihren Kindern läuft sie der Menge hinterher. Die beiden jauchzen. Biest, schreit die blonde Frau und jubelt.


Ach so. Ich dachte, die blonde Frau ist das Biest, sie selbst aber behauptet, das Biest sei die andere. Ich nehme an, das ist Absicht. Dann ist es in Ordnung so.

Ich gehe nicht weiter durch den gesamten Text, sondern kommentiere nur Einzelnes:

Zitat:
Der Mann ihrer besten Freundin spuckt ihr ins Gesicht.


Ist das jetzt der Mann der blonden Frau?

Zitat:
Eine blonde Frau schreit ‚Biest‘ und sieht ihr in die Augen.


Jetzt raff ich sie gar nicht mehr, die Beziehung zwischen diesen beiden Frauen. "Eine blonde Frau" kann doch aus ihrer Sicht nur eine unbekannte Frau sein, die eben, nun... einfach blond ist. Aber ich denke, die beiden sind (oder waren) Freundinnen?

Zitat:
Da erinnert die Frau sich. Sie hat die Magd mehrmals mit der Verurteilten zusammen gesehen. Sie waren Freundinnen.


Wer war hier mit wem befreundet? Die Magd mit der Verurteilten? Aber doch auch die blonde Frau mit der Verurteilten? Oder am Ende die blonde Frau mit der Magd?

Sorry, ich lese/kommentiere nicht weiter. Für mich ist klar, was du tun müsstest:

Schmeiß diese farbliche Trennung raus, versuch stattdessen im Text(!) klar zu stellen, wer wann spricht/denkt/handelt, gib den Frauen Namen.
Mach deutlicher, wer mit wem befreundet war oder ist, vielleicht könntest du dir auch etwas speziellere Beziehungen ausdenken.

Damit wird das Ganze deutlich an Verständlichkeit gewinnen. Potenzial für einen spannenden Text sehe ich schon.

Grüße
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buki
Geschlecht:männlichGänsefüßchen

Alter: 72
Beiträge: 39



Beitrag13.11.2012 20:01

von buki
Antworten mit Zitat

hallo,
gut geschrieben. Es scheint sich um Hexenverbrennung zu handeln. Mir fehlen Hinweise auf die mittelalterliche (?) oder eine andere exotische Kulisse oder Sprechweise.
Bei einer Kurzgeschichte hoffe ich auf eine Pointe oder überraschende Wendung am Schluß.
Hier endet alles nur traurig.
Darum sind auch Stoffe wie Titanic nichts für mich.

buki
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