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ELsa Reißwolf
Alter: 74 Beiträge: 1398
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03.09.2010 09:38 [die Einen] - Leander bereitet sich vor von ELsa
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Danke Nihil, für diese interessanten Prosaübungen! Respekt!
Ich versuch mal eine meiner Figuren im SDT vorzustellen. Weiß nicht, ob das so richtig ist?
Leander plant einen Urlaub in einem abgeschiedenen Schloss. Das ganze wird als Abenteuerurlaub angeboten. Eine Gruppe Interessierter, die einander nicht kennen, müssen in dem Schloss alle möglichen Challenges meistern. Geplant ist dieses Projekt als Gemeinschaftsroman, in dem jede/r AutorIn eine Figur. übernimmt. Leider ist bisher noch nix draus geworden.
Leander
Leander zählt die Hemden durch, vierzehn Stück müssen reichen. Er überprüft das feine Leinen erneut auf das Blütenweiß. Da! Ein millimetergroßer bräunlicher Schatten! Entweder von einem nächtlichen Schokoladefressanfall, oder – wie er lieber hätte – ein Kaffeefleck aus irgendeiner faden Probepause im Schauspielhaus, weil einer der idiotischen Kollegen seinen Text nicht drauf hatte, oder noch schlimmer, ahnungslos war, welche Figur er eigentlich verkörpern sollte.
Leander sortiert das beschmutzte Hemd aus, lässt sich auf das rote Ikeasofa fallen.
„Also“, sein Blick streicht über die akkuraten Stapel der Dinge, die er auf die Reise mitzunehmen gedenkt, „das krieg ich niemals in einen Rucksack!“ Er springt auf, rauft das blonde Haar in die Stirn. Nachdem er es schulterlang trägt, verschwindet das Gesicht darunter, Leander schiebt ein paar Strähnen beiseite und wirft dem mannsgroßen Spiegel einen Blick zu. Mörderisch. „Keiner von euch wird diese Linie überqueren“, er zieht mit der Schuhspitze seiner schlangenledernden Stiefelette eine unsichtbare Demarkationslinie auf dem Parkett, starrt sich wieder an, „Barbaren, die ihr seid. Ich appelliere an eure Herzen“, Leanders Stimme verdunkelt sich zu Samt, „wir sind nichts ohne einander!“, brüllt er auf. „Was für ein unsägliches Stück“, sagt er leise. Dann wischt er das Haar aus dem Gesicht, verschmäht den Rucksack und greift zum Trolley. Packt ein.
Seine Eltern lachen vom Himmel herab oder von der Hölle herauf. Besser: sie lachen ihn aus. Das konnten sie immer gut.
„Du kleiner Spießer“, sagten sie, als er 1972 aufgeregt fragte, ob er auch eine Schultüte bekommen würde. Er stand mit den anderen Erstklässlern vorm Tor, wagte keinen von ihnen anzusehen – ihre bunten Schultüten waren bald größer als sie selbst – und an seinem Handgelenk brannte sich das geflochtene Lederband in die Haut, dass er zum Einstand von den Eltern erhalten hatte.
Leander zippt den Koffer zu. Öffnet das Schatzkästchen auf der Kommode. Es ist eine Blechdose aus den Dreißigerjahren, ein Geschenk seines Großvaters. Hier bewahrt er die Kindheit auf. Das Lederarmband ist alles, was ihm von den Eltern geblieben ist.
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Nihil { }
Moderator Alter: 34 Beiträge: 6039
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03.09.2010 11:54
von Nihil
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Hallo ELsa!
Vielen Dank, dass du den ersten Schritt wagst. :) Noch ist wie gesagt nicht alles fertig eingerichtet, aber tümmeln darf man sich hier natürlich schon vorher.
ELsa hat Folgendes geschrieben: | Ich versuch mal eine meiner Figuren im SDT vorzustellen. Weiß nicht, ob das so richtig ist? |
Ich weiß zwar nicht, was das SDT ist, aber es gibt hier weder richtig noch falsch. Wir sind ja nicht in der Schule. Alles, was hier geschrieben wird, ist gut. :) Wenn jemand die Aufgaben ungewöhnlich interpretiert, dann ist das eben so. Das kann anderen ja als Inspiration dienen. Bei Texten, die in anderen Boards besser aufgehoben werden, behalte ich mir ein Verschieben aber vor. :)
Nun zu deinem Text:
Ich sehe einen großen qualitativen Unterschied zwischen dem ersten und dem zweiten Absatz. Denn erst im zweiten Absatz bietest du das eigentlich Interessante: Die Familiengeschichte Leanders, die Hintergründe für seinen Charakter, die Probleme, die er in der Vergangenheit bewältigen musste.
Zitat: | Seine Eltern lachen vom Himmel herab oder von der Hölle herauf. |
Das ist für mich der beste Satz deiner Szene. Denn entweder lachen die Eltern vom Himmel herab, erniedrigen ihr Kind also gewissermaßen oder sie werden als so böse beschrieben, dass sie gar in der Hölle gelandet sind.
Auch bei der folgenden Beschreibung der Einschulung kann man sich die Schmerzen des Protagonisten gut vorstellen, dem sowohl die Unterstützung aus der Familie fehlt (die Schultüte) und der gleichzeitig von den anderen Kindern gegen seinen Willen abgegrenzt wird. Das Lederarmband, das es ersatzweise gab, brennt sich sogar in seine Haut – all das finde ich sehr eindringlich beschrieben.
Im Kontext finde ich diese Szene allerdings zu zusammenhanglos. Warum fällt Leander beim Einpacken seine schwierige Kindheit ein? Wenn er zuerst die Blechdose eingepackt hätte, wäre der Übergang flüssig(er) gewesen. Davon ist aber leider nicht die Rede. Auch von der Sprache her finde ich den ersten Absatz nicht so gut gelungen. Zum einen beschreibst du die Pedanterie ein bisschen übertrieben für meinen Geschmack:
Elsa hat Folgendes geschrieben: | Er überprüft das feine Leinen erneut auf das Blütenweiß. Da! Ein millimetergroßer bräunlicher Schatten! |
Nicht nur schaut er wirklich alle vierzehn Hemden durch, der Fleck ist nur millimetergroß und nicht mehr als ein Schatten. Weniger wäre meiner Meinung nach mehr gewesen, kann aber auch mein Geschmack sein. :)
Zitat: | Entweder von einem nächtlichen Schokoladefressanfall, oder – wie er lieber hätte – ein Kaffeefleck aus irgendeiner faden Probepause im Schauspielhaus, weil einer der idiotischen Kollegen seinen Text nicht drauf hatte, oder noch schlimmer, ahnungslos war, welche Figur er eigentlich verkörpern sollte. |
Hier verstehe ich den Zusammenhang zwischen dem Fleck und der Verkörperung der Figur nicht. Und warum will er lieber, dass der Fleck vom Kaffee herrührt als von Schokolade? Geht das einfacher raus oder will er auf seine Linie achten?
Leander einmal kurz Theaterspielen zu lassen, also dem Leser seine Profession näher zu bringen, finde ich von der Idee her gut. Allerdings kommt mir die Rezitation ein bisschen zu plötzlich. Würde er bei seinem ordentlichen Charakter nicht zuerst dafür sorgen, dass sein Koffer gepackt wird?
Zuletzt muss ich noch sagen, dass du sehr oft auf Leanders Haare eingehst, aber seine Statur, sein Gesicht usw. kaum erwähnst. Gleich dreimal wischt er sich die Strähnen aus der Stirn. (Schieben finde ich in diesem Zusammenhang nicht so schön.)
Aber diese möglichen Kritikpunkte wurden dann vom guten zweiten Absatz beiseite gewischt. :) Verzeih die viele Kritik. Ich hoffe, du konntest was damit anfangen..
Danke für die Beteiligung und einen schönen Tag noch!
Nihil
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ELsa Reißwolf
Alter: 74 Beiträge: 1398
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03.09.2010 12:19
von ELsa
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Lieber Nihil,
vielen Dank für dein genaues Feedback!
Ich werde damit arbeiten, denn Leander liegt mir am Herzen.
SDT = Show don't tell
Liebe Grüße zurück,
ELsa
_________________ --
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Frau Ella Klammeraffe
F
Beiträge: 507
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F 11.10.2010 10:42
von Frau Ella
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Hallo Elsa,
mir gefällt Dein Leander ganz gut. Es ging mir ähnlich wie Nihil, im ersten Teil fand ich einiges unausgegoren und nicht so gut geschrieben (und ich weiß ja jetzt, dass Du es kannst!). Da ist im Grunde schon alles gesagt.
Ich fand die Szene vor dem Spiegel ist ganz witzig, wie er unvermittelt seine Rolle übt. Kommt überraschend und es dauert einen Moment, bis man versteht, was in ihn gefahren ist. Sowas mag ich. Es zeigt auch sehr schön, was für ein komischer Kauz Leander ist.
Der zweite Abschnitt ist wunderbar. Flüssig, berührend, ich sehe den kleinen Jungen klar vor mir und fühle mit ihm. Dass seine Eltern ihn einen "kleinen Spießer nennen" ist aufschlussreich, sagt viel über sie aus. Ich könnte mir vorstellen, dass diese Eltern dem kleinen Leander eine interessante Macke verpasst haben.
Ich kann verstehen, dass er Dir am Herzen liegt, Elsa, ich mag ihn auch.
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ELsa Reißwolf
Alter: 74 Beiträge: 1398
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11.10.2010 14:56
von ELsa
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Liebe Frau Ella,
danke!
Ja, ich gebe dir und Nihil recht, der Anfang sollte besser werden.
Liebe Grüße
ELsa
_________________ --
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