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Silencloud


 
 
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Exzess
Geschlecht:männlichGänsefüßchen

Alter: 32
Beiträge: 21



Beitrag05.08.2010 15:57
Silencloud
von Exzess
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Hey, ihr alle! Das was ihr gleich lesen werdet, war eine Idee zu einer breiteren Geschichte, die ich aber nach wenigen Seiten wieder verworfen hatte. Ihr könnt euch das mal anschauen, und wenn ihr wollt auch weiterschreiben. Haut rein und viel Spaß damit!


„Ben, kannst du mich hören? Hörst du mich?“
Ich versuchte mit aller Kraft, welche mir zur Verfügung stand, meine Augen, so verschlafen sie auch schienen, zu öffnen. Im ersten Moment war alles verschwommen. Konturen, Umrisse und Silhouetten vereinten sich zu einem Farbbrei, der eine beruhigende Wirkung auf mich hatte. Langsam wurde alles klarer. Ich erkannte ein Gesicht mit grünen, tief grünen Augen, die mich hoffnungsvoll anstarrten, als wäre mit mir gerade ein Wunder geschehen. Mir kam dieses Gesicht so vertraut vor, aber mir gelang es nicht, dieses einzuordnen. Das Zimmer war komplett in weiß gehalten und neben diesem Smaragd lungerten weitere Personen, die mir allesamt einen skeptischen Blick zuwarfen. Anscheinend befand ich mich in einem Krankenhaus oder zumindest in einer Notfallambulanz. Draußen hörte man das hektische Heranfahren von Einsatzfahrzeugen, die Stimmen aufgelöster Menschen, welche versuchten, durch plötzliche Bekehrungen zu einer höheren Macht ihren Verlust zu lindern. Nicht viel mehr Wert als der Dreck unter meinen Fingernägeln, halb abgekaut, sodass die Stummel kleinen Fetzen aus Papier glichen. Doch wem gehörten nun diese eindrucksvollen Augen?
„Hier, sieh doch! John, er wacht auf. Er wacht auf! Oh mein Liebling, ich habe dich so vermisst. Was hast du bloß getan? Was hast du bloß getan?"
Ich erinnerte mich. Es war meine Mutter, die mich mit ihren Armen umschloss und mir ihre heißen Tränen vor Erleichterung und Trauer reichte. Ich erinnerte mich. Ich weiß wieder, wieso ich hier bin. Allein der Gedanke daran gibt mir das Gefühl, neu geboren zu sein.


Part One

Es war viertel nach elf und der Englischunterricht von Mr. Evens war kurz davor seinen Höhepunkt zu finden, indem er wieder einmal einen seiner Schüler malträtierte. Offenbar gab es im Hause Evens wieder Auseinandersetzungen, was das harmonische Familienleben anging. Einfach jeder wusste über die bevorstehende Scheidung Bescheid, angefangen bei der Schulleitung, den Kollegen bis hin zu der gesamten Schülerschaft der East Silencloud Highschool. Sie war wirklich unschön. Nachdem Mrs. Evens ihren Gatten dabei erwischt hatte, wie er in einem schwachen Moment das Internet nach Bildern durchforstete, auf der Suche nach muskulösen Männern, mit durchtrainierten Armen und extra Länge, setzte sie ihn augenblicklich vor die Tür. Dort verharrte er die ersten Stunden wie ein Hund, der zur Strafe in den Garten gesperrt wurde und weckte mit seinem höchst unangenehmen Schluchzen die halbe Nachbarschaft. Es war ein Anblick, wie es ihn wahrscheinlich nie wieder geben würde. Deshalb schnappten sich ein paar Jungs aus meiner Klasse schnell die nächste Kamera, die sie finden konnten, und hielten es sorgfältig für die Nachwelt fest. Jedoch beließen sie es nicht dabei. Wenige Tage später, nachdem die Aufnahmen über das moderne Netzwerk des einundzwanzigsten Jahrhunderts publik gemacht worden waren, traf es den warmen Deutschlehrer wie ein Schlag, wie ein Schlag von spätpubertären Jugendlichen, die erfolgreich das Leben eines einfachen Mannes ruinierten. Und da waren wir nun, hier im Klassenraum, die Augen permanent auf die Uhrzeit gerichtet, um diesem grausamen Schicksal, dem Jack zum Opfer fiel, ein Ende zu bereiten.

„Jack, stehen Sie bitte auf.“
Langsam, aber nur widerwillig erhob sich die knochige Gestalt, die allgemein hin als Jack Johnson bekannt war. Er war nicht geschaffen für solch eine Art Konfrontation. Jack stöberte lieber in seinen Skizzenbüchern und bewies erstaunliches Talent, wenn es darum ging, komplexe Formen detailliert abzubilden und neu zu interpretieren. In dieserlei Hinsicht war er ein Genie. Doch musste er sich nie vor seinen Skizzen behaupten.
„Könnten Sie mir und dem Auditorium bitte erläutern, worum es sich bei dem pyramidalen Aufbau eines klassischen Dramas handelt? Ich meine, das müsste schließlich längst bekannt sein.“
Ihm war der die Ungewissheit bereits auf die Stirn geschrieben, als er vergeblich versuchte, Mr. Evens mit vor sich hin murmelnder Stimme abzufertigen. Doch heute ist Evens bereits durch die Hölle gegangen, als er die Scheidungspapiere in seinem Briefkasten vorfinden musste, und war sich nun gewiss, dass er nicht allein das Fegefeuer bestreiten würde.
„Entschuldigen Sie, Mr. Johnson. Wenn Sie mir keine klare Antwort darüber geben können, was lediglich als Allgemeinwissen zu verstehen gilt, dann sind Sie in diesem Kurs anscheinend überflüssig. Sie langweilen nicht nur ihre Mitschüler, sondern können sich auch auf satte Einbußen in ihrer Bewertung gefasst machen.“
Ich dachte, es wäre soweit. Jack würde erschüttert in seinen Stuhl niedersinken und anfangen zu weinen. Der letzte Akt, die Katastrophe, schien sich allmählich anzubahnen, als Jacks Augen begannen in der frühen Mittagssonne glasig zu werden und dem Druck nicht mehr standhielten. Jedoch wurde ihm diese Erniedrigung erspart, in jenem Moment, in welchem die Schulklingel wie die Stimme eines Engels erklang. Er riss sich zusammen, packte zügig seine Sachen und stürmte behutsam aus dem Raum.
„Na dann, vergessen Sie nicht, das nächste Kapitel zu lesen, in welchem Macbeth den Gipfel seiner Macht erreicht und die erste Prophezeiung sich erfüllt.“

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Exzess
Geschlecht:männlichGänsefüßchen

Alter: 32
Beiträge: 21



Beitrag05.08.2010 15:58

von Exzess
pdf-Datei Antworten mit Zitat

In den größeren Pausen zwischen den Unterrichtsstunden genoss ich es, draußen im Park, welcher den halben Schultrakt umgab, mich unter der großen Eiche niederzulassen, um kleine Geschichten oder malerische Gedanken festzuhalten. Meine Gedanken hielten nie still. Ständig befanden sie sich in Bewegung, um neue Gedanken oder Einfälle zu produzieren. Am besten ließ es sich mit einem Sturm vergleichen, der alles um sich fasste, es wirbelte, es zerpflückte, es neu ordnete, um letztendlich ein neues Bild zu hinterlassen, ein neues Bild der Realität, wie sie uns umgibt. Doch sind Stürme energiereiche, mächtige Naturerscheinungen, die nicht über die Folgen abwiegen, sondern planlos alles mit sich reißen. Ich vervollständigte den letzten Satz und wunderte mich gleichzeitig darüber, wo Sam und Amy geblieben waren. Es trug den Titel "Blüte":

Meine Blüte, du meine Einzige, die sich sinnlich um meinen Leib schließt
und deren Duft unaufhaltsam die Geister der Männer verführt.
Honig und Mandeln zieren deinen Geruch
und die Schönheit, die du uns gewährst,
ist gleich einer Göttin.
Geschenke verderben in deinen Händen,
deinen lieblichen Fingern, geschmeidig und graziös.
Ihr Wert und Gedanke halten nicht deiner Reinheit stand,
sie zerbersten wie trockenes Holz auf kaltem Granit.
Seide allein bedeckt dein Haupt  und deine Bewegung,
um nach Wein zu dürsten, bleibt beispiellos.
Erlaube mir meine Göttin,  den Eintritt in euer Leben,
in ein Leben voller Sanftmut und Harmonie.


“Erwischt! Mal wieder nicht in dieser Welt, nicht wahr?” , grinste Sam mit seinen großen weißen Zähnen, die aussahen, als hätte ihn die Zahnfee persönlich in Behandlung.
“Amy verspätet sich mal wieder. Was für ein Wunder. Typisch Weiber. Und was stellen wir heute an, Kumpel?”
Sam war ein aufgewecktes Kerlchen, dessen Euphorie und Witz jeden in seinen Bann zog, wer auch nur eine kurze Zeit mit ihm verbrachte. Seinen Eltern gehörte beinahe die ganze Stadt, nachdem sie in früheren Jahren als erfolgreiches Immobilienpärchen heruntergekommene Viertel wieder herrichteten und an wohlhabende Familien weiter verkauften. Damals sanken die Grundstückspreise ins Bodenlose, als Silencloud eine bis dato nie vergleichbare Einwanderungswelle erlebte. Ein neuer Industriepark kurz außerhalb der Stadt benötigte dringlich billige Arbeitskräfte. Die Bildung von Slums waren die Folge und die Kriminalitätsrate war dabei, größeren Städten wie Chicago und Maryland Konkurrenz zu machen. Als jedoch die Industrien wegen mangelnder Nachfrage und des Platzens von diversen Spekulationsblasen keinen Gewinn mehr abwarfen, wurden sie kurzerhand geschlossen. Unsere neuen Einwohner ergriffen daraufhin die Flucht in Richtung Heimat.
Dies war die Gelegenheit für “Cordon’s Immobilien” den Markt neu zu beleben. So wurde aus den einst versifften Vierteln der Stadt ein Familienparadies, inklusive weitläufigem Park und Badesee, und somit auch mein Zuhause.
“Ich glaube Amy hat wieder ihr Lunchgeld auf dem Klo liegen gelassen” , witzelte ich mit Sam, während aus der Ferne das Highschool Football-Team, die Blue Lions, ihre Runden drehten.
“Wenn diese Affen nicht aufpassen, setzen sie in der Evolution einen Schritt rückwärts. Der amerikanische Traum: groß, fett und ausgestattet mit einem IQ, durch welchen sie zur Familie der Toastbrote zählen würden” , lachte Sam und lehnte sich neben mir an die Eiche. Die Sonne fiel durch die Blätter direkt auf uns herab und bildete ein fleckiges Muster auf unserer Haut und Kleidung. Es war so, wie man sich einen perfekten Tag im späten Mai vorstellte. Doch ließ ein Gedanke in mir keine Ruhe aufkommen. Vielmehr verstörte er mich. Ich musste eine Antwort finden, so schnell wie nur möglich.
“Sag mal, Sam, wieso gab’s letztens diesen Streit zwischen meinen und deinen Eltern? Ich werde aus der Sache nicht schlau. Schließlich sind sie so lange befreundet.”
“Ich kann’s dir echt nicht sagen. Ich habe meine Eltern gefragt, aber die halten mich für zu jung und unschuldig, als dass sie mich mit dieser Angelegenheit belasten möchten.”
“Was für ein Schwachsinn!” Die scheinen dich ja bestens zu kennen. Hast du es bekommen?”
“Es war schwer, aber wer kann meinem Charme schon widerstehen?”
Da hatte er Recht. So unscheinbar und liebenswert Sam auch aussah, schlummerte in ihm ein wahrer Meister, der es verstand, andere Menschen so zu manipulieren, dass sie alles für ihn taten. Manchmal hatte ich ihn dabei beobachtet, und es war erschreckend, wie simpel es ihm von der Hand ging. Er zückte seine türkis, blaue Sporttasche, kramte für einen kurzen Moment planlos in ihr herum, bis er eine in Zeitungspapier vermummte Flasche vorhielt.
“Eine Flasche Bourbon, der werte Herr, auf Empfehlung der lokalen Tankstelle.”
“Du bist einzigartig!” , quietschte ich vor Begeisterung und versetzte Sam einen freundlichen Schlag auf die Schulter.
“Die wievielte Flasche ist das eigentlich diesen Monat?”
“Das müsste ungefähr die siebte sein.”
Wie ein kleines Kind in der Weihnachtszeit riss ich neugierig und erwartungsvoll das Siegel auf, schraubte hastig den Verschluss ab und ließ genüsslich die bernsteinfarbene Flüssigkeit meine Kehle hinunterwandern.

Ich hatte auch noch Part II angefangen. Wer ihn lesen möchte oder wem das hier schon reicht, kann mir Bescheid geben.


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