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Eine alte Rechnung

 
 
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Schatten
Geschlecht:männlichEselsohr

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Wohnort: Dort wo der Vogel Phoenix sich zum sterben niederlegt


Lebenslinien - Ein Kurzgeschichtenband
Beitrag12.02.2010 19:58
Eine alte Rechnung
von Schatten
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    Jack Frost lehnte an einer halb erloschenen Straßenlaterne, zog an seiner Zigarette und wartete. Er hatte Zeit. Viel Zeit. Und er hatte ein Ziel. Dafür, und nur dafür stand er nun seit einer geschlagenen Stunde an ein und dem selben Fleck, gegenüber einem hübschen Einfamilienhaus. Nicht das größte in der Straße, aber von außen wirkte es wohnlich und sauber, wenn man dem gepflegten Garten nach ging. Es war das Haus der Familie Lynes. Viel wusste Jack nicht über sie, nur über den Mann des Hauses. Ein gewisser Leo Lynes, vierundvierzig Jahre alt, schwarzes streng zurück gekämmtes Haar, einhundertdreiundachtzig Zentimeter Lebensgröße, hatte viele Jugendsünden begangen. Eine davon verlief tödlich. Und auf diesen Mann hatte es Jack Frost abgesehen und hatte ihn nun nach Jahren der intensiven Recherchen aufgespürt. Eine Zeitaufwendige und teils zermürbende Tätigkeit, die ihm viel Zeit und Kraft abverlangt hatte. Doch jetzt stand er direkt vor seinem Haus, keine zwölf Schritte von dessen Grund und Boden entfernt und rauchte in aller Seelenruhe im Halbdunkel eine Zigarette. Jack wartete. Er wartete und hoffte, dass seine Berechnungen richtig waren, und Leo jede Minute von der Arbeit als Anwalt für Bürgerrechte zurück kam. Laut seinen Informationen verrichtete Leo Lynes sein tägliches Werk in einer herunter gekommenen Kanzlei, die einst ein Einkaufsladen gewesen und vor etwa drei Jahren umgebaut worden war. Er betreute mittellose und verzweifelte Mandanten, aber auch solche die sich gegen diverse Gesetze zur Wehr setzen wollten, die ihnen diverse Möglichkeiten nahmen, sich und ihre Pläne zu entfalten. Jack hatte nahezu alles relevante über Leo heraus gefunden, was es zu wissen gab und interessierte. Den Saubermann Leo Lynes hatte er gründlich recherchiert, doch auch ebenso den dreckigen Abschaum, der er einst war. Viel gab es über ihn und seine Vergangenheit nicht zu wissen. Es traten nur die üblichen Stigmata auf: Einbruch, leichte bis schwere Körperverletzung, Diebstahl, Drogen, etc. Und Mord.
    Kurz bevor Jack an seinem Zeitgefühl zweifelte, fuhr ein grauer Dodge die Straße entlang, wurde langsamer und fuhr im Schritttempo auf die Einfahrt des Hauses Lynes. Es war Leo. Jack schnippte den letzten Rest seiner Zigarette auf den Weg und ging hinter der Laterne in Deckung. Viel Mühe musste er sich nicht machen, denn Leo hatte den Kopf ganz woanders und schaute weder rechts noch links. Jack beobachtete ihn genau. Sah zu wie Leo aus seinem Auto stieg, herum ging und geradewegs auf die Haustür zusteuerte, sie öffnete und schließlich im Haus verschwand.
    Das war das Zeichen für Jack, sich in Bewegung zu setzen. Er schlenderte geradezu auf die andere Straßenseite, direkt auf Leos Auto zu. Streichelte den Lack und raunte: “Du hast es zu was gebracht, du miese Drecksau! Alle Achtung.” Um ihn herum war es still. Sämtliche Häuser lagen im Dunkel. Die meisten schliefen wohl schon, dachte Jack bei sich. Um die Uhrzeit nicht verwunderlich. Immerhin war es fast Mitternacht. Doch das kümmerte ihn wenig. Er hätte auch einen Riesen Lärm veranstalten können. Indem er beispielsweise vor Wut Leos Auto zerstört hätte, oder zumindest die Fensterscheiben einschlug. Seine Pläne hätte das nur marginal ins Wanken gebracht. Nichts konnte ihn jetzt noch aufhalten. Er ging langsam auf die Eingangstür zu, dabei wog er jeden Schritt genau ab. Wie eine einstudierte Reihenfolge von abzuhakenden Einzelschritten, bis hin zu seinem selbst gesteckten Ziel.
    Vor der Haustür kam er schließlich zum stehen. Jack überlegte. Zögerte. Schließlich klingelte er.
    Die ersten dreißig Sekunden verstrichen. Er klingelte ein zweites Mal. Wieder dauerte es mindestens eine halbe Minute, bevor er jemanden kommen hörte. “Ich gehe schon. Wer kann das so spät noch sein?” hörte Jack eine männliche Stimme sagen, bevor sich die Tür öffnete. Es war Leo, der nun vor ihm stand. In voller Lebensgröße. Die Primärangaben stimmten. Jedoch hatte Leo in letzter Zeit wohl etwas zu tief in den Kochtopf seiner Frau geschaut. Ein ausgeprägter Bauchansatz war unübersehbar. “Ja? Kann ich etwas für sie tun?” Keine Antwort. “Wer sind sie? Was wollen sie von mir?”
    Nervosität machte sich in Jack breit. Er überschlug seine Vorgehensweise und kam zu der lähmenden Erkenntnis, dass er sich verkalkuliert hatte. Obgleich er genau diese Szene dutzende Male durchgespielt hatte. Immer wieder hatte er in seinem Kopf diese Szene ablaufen lassen. Er glaubte, alle Eventualitäten bedacht zu haben. Die Blickwinkel und möglichen Abläufe zu kennen. Die verschiedensten Situationen war er durchgegangen, immer und immer wieder. Er hatte in den letzten dreizehn Jahren alles geplant. Und doch stand Jack nun wie angewurzelt da und brachte keinen Ton heraus. Doch das gnädige Schicksal hatte ein Einsehen mit ihm. Leos Frau kam herbei und zwängte sich an ihrem Mann vorbei. “Ist etwas, Schatz? Gibt es ein Problem?”, fragte sie ihren Ehemann besorgt, während ein kurzer Blick in Richtung Jack wanderte. Jack hingegen war sprachlos. Ein so hübsches Wesen wie sie hatte er noch nicht gesehen. Trotz ihres, doch recht fortschreitenden Alters, war sie eine Schönheit. Jack hatte schon einmal davon gehört, dass es so etwas geben musste. Dieses Gefühl, dass man jemanden zum ersten mal sah und sich bereits in diesem Augenblick von dieser Person angezogen fühlte. Eine unmittelbar einsetzende Sympathie, die alles noch verstärkte. Das empfand Jack für sie.



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Schatten
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Lebenslinien - Ein Kurzgeschichtenband
Beitrag12.02.2010 20:02

von Schatten
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    “Wie kann ein mieses Drecksschwein wie Du nur eine so wunderbare Frau haben?”, fragte er voller neu entflammter Wut.
    Mit einem Mal wurde ihm wieder klar, warum er all die Jahre nur auf diesen einen Moment hingearbeitet hatte. Warum er dreizehn Jahre seiner Jugend damit verbracht hatte, Leo Lynes hinterher zu spionieren, während all seine Freunde und Kommilitonen damit beschäftigt gewesen waren, ihr Leben zu genießen. Mit einem Mal wusste er es wieder. Und es machte ihn rasend vor Zorn.
    Jack griff in die rechte Tasche seiner Jeansjacke - eine extra tiefe Tasche, die er selbst umgenäht hatte - und förderte eine normale Handfeuerwaffe zutage. Eine von jenen unscheinbaren Waffen, die man in jedem Waffenladen für wenige Dollar bekam. Mattschwarz, leicht glänzend und lag gut in der Hand. Er hielt sie dem Mann vor die Nase, der sein Leben zerstört hatte. Jener Leo Lynes, der nun mit weit aufgerissenen Augen in den Lauf der Kanone starrte, während seine Frau vor Schreck keinen Ton mehr von sich gab. “Wie währe es, wenn du mich herein bittest,… Leo?”, grinste Jack boshaft. Es war offensichtlich, er hatte seine Fassung wieder.
    Langsam kam Jack näher, während Leo mit erhobenen Händen immer weiter zurück wich. Seine Frau hingegen versuchte an das Telefon im Wohnzimmer zu kommen, was Jack gar nicht passte. Mit einer bestimmenden Geste und scharfen Befehlen holte er sie zurück. Alle drei waren sie nun im Wohnzimmer angekommen. Sehr nett eingerichtet, dachte Jack voller Bewunderung. Ein großer flauschiger Teppich auf dem Boden, auf dem der ausladende Wohnzimmertisch stand. Ein Gemütlichkeit ausstrahlendes großes Sofa. Der obligatorische Großbildfernseher durfte da nicht fehlen. Es sah alles so normal aus. Genauso wie bei jedem anderen normalen Bürger, dachte Jack grimmig. “Machen sie jetzt keinen Fehler, man. Ich bin nicht reich, auch wenn es so aussehen mag.“, flehte Leo. Jacks knapp gehaltener Kommentar, der ihn anwies den Mund zu halten, störte Leo offenbar nicht. Denn er versuchte sogar noch zu verhandeln: “Nehmen sie was sie wollen, nur bitte, lassen sie uns leben.“ Jack jedoch wurde es zuviel. So hatte er es ganz und gar nicht geplant. Mit einem Wink mit der Pistole bedeutete er seinen beiden Opfern, dass sie sich auf das Sofa setzen sollten. Sie taten es.
    Da hörten sie aus einer Ecke des Raumes eine verschlafene Stimme, die sich über den unüblichen Lärm beschwerte. Es war Jake, der zehnjährige Sohn. Schlaftrunken rieb sich der Junge die Augen und stolperte vorwärts um zu sehen wer ihn geweckt hatte. Sally Lynes war voller Panik. Ihr einziges Kind war in Gefahr, was sie ihr eigenes Schicksal kurz vergessen lies. Aufgehetzt lief sie, ohne auf Jack zu achten, zu ihrem Jungen und bat ihn, sich ruhig zu verhalten, schnell wieder in das Zimmer zu rennen und die Tür von innen abzuschließen. Doch daraus wurde nichts. Jack hatte andere Pläne. Zwar sahen sie Kindsmord nicht vor, aber aus den Augen lassen konnte er ihn jetzt auch nicht mehr. “Bleibt wo ihr seid. Rührt euch nicht vom Fleck, sonst passiert was!”, blaffte Jack gereizt. Er hatte mit allem gerechnet, mit den übereifrigen Bullen, mit Scharfschützen, einem Vorgesetzten der Polizeieinheit, der verhandeln und Zeit schinden würde und sogar mit Rauchgasbomben. Aber nicht mit einem zehnjährigen Jungen, der zu allem Überfluss erschreckende Ähnlichkeit mit ihm selbst aufwies. Langsam musste er handeln. Es schien ihm alles über den Kopf zu wachsen und je länger er zögerte, desto unwahrscheinlicher wurde es, dass sein eigentlicher Plan noch reibungslos verlaufen würde.
    “Bring das verdammte Balg zum schweigen”, fauchte Jack und drohte mit der Pistole. Der Junge hatte Angst und schluchzte vor sich hin, während seine Mutter verzweifelt versuchte, ihm einzureden, dass alles in Ordnung sei und er keine Angst haben müsse. Dann drehte er sich zu Leo, der ängstlich auf seine kleine Familie starrte. Dass er Angst um sie hatte, dass wusste Jack. Doch das macht ihn nur noch wütender. “Du kannst dich vermutlich nicht mehr an mich erinnern. Oder vielleicht doch?”
    “Ich… Ich kenne sie nicht, wer sind sie, verdammt?” Die Angst in seiner Stimme war unüberhörbar. Sie lies seine Stimme sogar fast kippen. “Warum sollte ich mich an einen Verbrecher erinnern?”
    Das war es, was das Fass zum überlaufen brachte. Verbrecher? Jack sollte hier der Verbrecher sein? Wie konnte er es wagen, ihn einen Verbrecher zu nennen?…
    “Was heißt hier, Ich bin ein Verbrecher?”, schrie Jack außer sich vor Wut. “Wie kannst du verdammter Mistkerl behaupten, ich sei ein Verbrecher? Ich soll ein Verbrecher sein?” Jacks Zorn kannte nunmehr keine Grenzen. Seine rechte Hand zitterte vor Erregung und sein Gesicht war rot angelaufen. Er musste sich schwer beherrschen, um Leo nicht sofort über den Haufen zu schießen. Überhaupt achtete er nur noch auf ihn, während er seine Frau Sally und Sohnemann Jake, die immer noch ängstlich in einer Ecke standen, völlig außen vor lies. Er schien sie fast gar nicht mehr wahr zu nehmen.
    “Der einzige Verbrecher hier in diesem Raum bist du!”, presste Jack mühsam hervor, “Ich habe nicht wie du einen Doppelmord begangen.”
    Plötzlich wurde es still. Es war keine normale Stille, wie man sie kennt, wenn die Anwesenden nichts mehr sagen und auch sonst kein Geräusch verursachen. Es war eine innere Stille, eine von der Sorte die nur dann auftrat, wenn etwas furchtbares passiert war. In diese Stille hinein, konnte Jack den Schock förmlich am Leib spüren, den seine Worte in Leo Lynes und auch bei dessen Frau verursacht hatte. Es dauerte gut eineinhalb Minuten, bis Sally die Stille mit nur einem Wort durchbrach: “Was?…” In ihren Worten schwang eine leichte Panik mit, die sich mit ungläubigem Staunen mischte.


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Lebenslinien - Ein Kurzgeschichtenband
Beitrag12.02.2010 20:04

von Schatten
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    Leo hingegen hatte den Blick gesengt. Er wagte es nicht, weder seiner Frau noch Jack weiterhin in die Augen zu sehen.
    Er sah betreten zu Boden. Es schien vor seinen Augen alles noch einmal abzulaufen.
    “Du weißt es noch, habe ich recht?” Jacks Stimme war ruhiger, fast schon freundschaftlich “Du weißt was du damals getan hast, als du bei uns eingebrochen warst, nicht wahr?” Leo nickt stumm.
    “Was hast du getan, Leo?”, fragte Sally, die ihre Tränen nicht mehr zurück halten konnte. Sie umklammerte ihren Sohn, der zwar zitterte, jedoch alles still mit anhörte. Auch er klammerte sich an sie. Und es dauerte eine Weile, bevor Leo aus seinem Zustand erwachte und seine Frau mitleidig ansah. “Ich habe dir nie davon erzählt”, fing er an zu sprechen, “Weil ich nicht wollte dass du glaubst, ich sei ein Monster. Ich habe in meiner Jugend etwas getan, auf dass ich nicht stolz bin. Damals, mit einundzwanzig, war ich ein herunter gekommener junger Mann, der sich von falschen Freunden zum falschen Zeitpunkt für eine Sache einspannen lies, für die es keine Entschuldigung gibt. Wir waren jung, dumm und wollten Spaß. Ich wusste nicht, dass…”
    “… dass du damit zwei unschuldige Menschen in den Tod reißt”, beendete Jack den Satz. “Du hast im Grunde nur einen Fehler gemacht: Mich am Leben zu lassen!”
    Sally, die immer noch nicht glauben konnte was sie da hörte, sah ihren Sohn an, der inzwischen aufgehört hatte zu zittern und merkwürdig still geworden war. Leo sah ebenfalls seinen Sohn an.
    “Es war ein großer Fehler”, presste Leo mühsam hervor, “Ich hätte mich niemals darauf einlassen sollen, den Einbruch mit meinen Freunden durchzuziehen. Wir wollten doch nur ein paar wertvolle Gegenstände stehlen, um sie dann irgendwo zu verkaufen. Wenn ich doch nur gewusst hätte, dass -”
    “Dass meine Eltern von dem Lärm wach wurden und versuchten, dich auf eigene Faust zu stellen”, brach es aus Jack heraus “Dann währen sie vielleicht noch am Leben.”
    Leo sah Jack betreten an. Er hatte Tränen in den Augen, die er verzweifelt zurück hielt.
    “Währe ich nicht gegen diese dummen brennenden Kerzen gestolpert, und hätte dein Vater nicht versucht mich aufzuhalten,… dann … dann hätten die Flammen nie die Teppiche und den Wandschmuck erreicht. Deine Mutter währe nie ohnmächtig geworden. Und als dein Vater dann die Tür zur Küche aufriss, kann ich mich nur noch an einen großen Knall erinnern, der mich aus dem Fenster schleuderte.” Leo war am Ende seiner Kraft. Er weinte hemmungslos.
    Und Jack erzählte den Rest der traurigen Geschichte: “Ich hatte großes Glück,… oder auch Pech, wie man es nimmt. Ich war in meiner Panik auf den Dachboden gelaufen und hatte dort das einzige Fenster geöffnet. Als der Knall kam, viel ich hinten über, direkt in die große Hecke hinter dem Haus. Später hörte ich die Feuerwehrmänner nur noch sagen, dass eine defekte Gasleitung dafür verantwortlich war, bevor ich in einem Pflegeheim unterkam.”
    Jack streckte den rechten Arm aus und zielte mit der Waffe auf die Körpermitte von Leo Lynes. Direkt auf die Leber. Er sollte langsam und qualvoll sterben, dass hatte er sich vorgenommen. “Du wirst bezahlen für das, was du meinen Eltern angetan hast.” raunte er und zog den Abzug zurück.
    Da riss sich Jake plötzlich aus der Umklammerung seiner Mutter los und stolperte auf Jack zu.
    “Jake, oh mein Gott, nicht!” rief Sally entsetzt. Jack, der von der Tat des Jungen überrumpelt wurde, schleuderte die Waffe herum und zielte nun auf Sally, die daraufhin ihre Vorwärtsbewegung abrupt abbrach. “Oh nein, bitte. Tun sie das nicht.” flehte sie.
    Der kleine Jake, der keinen halben Meter vor Jack zum stehen kam, blickte zu dem einen Meter fünfundachtzig großen, bewaffneten Mann hinauf. Der Mut des Jungen imponierte ihm.
    “Bitte, tun sie meinem Daddy nicht weh, Mister. Was er getan hat war schlimm. Aber bitte, töten sie ihn nicht. Ich will ich nicht verlieren.” Jake weinte bitterlich.
    Mit einem Mal wich der ganze Zorn, den er eben noch für den Vater des Jungen empfand. Er sah nur noch den Jungen und für einen kurzen Augenblick glaubte er, sich selbst in ihm zu sehen. Langsam senkte Jack den Revolver, so dass der Lauf der Waffe für kurze Zeit auf Jake gerichtet war. Er dachte nach. Nach all den Jahren der Verbitterung, der lange und beschwerliche Weg zum Erwachsen werden, die ganze lange Zeit die er diesem Mann wie ein Schatten auflauerte. Der ganze Hass, der sich in ihm manifestiert hatte, war mit einem Male weg. Langsam wechselte er die Waffe von der rechten in die linke Hand, mit der er Leo weiter ein Schach hielt und kam mit der rechten Hand dem Kopf des Jungen näher. Sally hatte vor Schreck die Hände vor den Mund genommen, um nicht vor Angst um den Jungen lauthals los zu schreien. Es war eine angespannte Situation, in der jede fallende Stecknadel die Stimmung in das Gegenteil hätte verkehren können.
    Jack aber streichelte den Jungen über den, mit kastanienbraunen Haaren besetzen Kopf und lächelte sogar. “Keine Sorge mein Großer”, war das einzige was er zu Jake sagte, bevor er sich mit finsterer Miene an dessen Vater wandte. “Was dich angeht, wirst du leiden. Du hast mir mein Leben zerstört, und so will ich nun dein Leben zerstören. Du bekommst die Strafe, die für Verbrecher deines Ranges angemessen ist. Du wirst sterben. Immer und immer wieder.”
    Mit diesen Worten zielte Jack erneut und schoss ohne weitere Vorwarnung auf Leo Lynes.


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Lebenslinien - Ein Kurzgeschichtenband
Beitrag12.02.2010 20:23

von Schatten
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    Im großen Zentralkrankenhaus mit dem wohlklingenden Namen Heaven’s Hospital ging es hoch her. Oberschwestern sowie Stationsschwestern und deren Helferinnen und Helfer, und auch hier und da mal ein Arzt, huschten geschäftig und leicht gehetzt die großen Flure entlang. Es war viel zu tun, im >Zentralfriedhof für gesetzlich Versicherte<, wie das Krankenhaus humorvoll auch genannt wurde. Nicht ganz so witzig war die Tatsache, dass in letzter Zeit viele Opfer von Einbrüchen, Schießereien und Mordanschlägen in den letzten Tagen herein gebracht wurden. Darunter auch ein gewisser Leo Lynes, der, laut Krankenblatt, dem Tod gerade noch so von der Schippe gesprungen war.
    Leo saß, oder vielmehr lag, in seinem Bett. Um ihn herum seine Frau, sein fröhlich grinsender Sohn Jake - er hatte von einer der Oberschwestern einen großen Lolli geschenkt bekommen - und ein fremder, hektisch gestikulierender Mann.
    “Glauben sie allen ernstes, dass ich ihnen das abkaufe? Sie wollen also nichts gesehen haben, ja?” Der Mann wirkte mehr gehetzt als wütend, so als ob jemand hinter ihm stand und ständig Anweisungen gab, die Leo Lynes zum reden zwingen würden.
    “Ich habe es ihnen doch lang und breit erklärt, Inspektor”, stöhnte Leo sichtlich erschöpft, “Es war dunkel, die Lampen im Haus waren alle ausgefallen. Der Kerl kam rein, fuchtelte wild mit seiner Pistole und traf mich, ohne dass ich auch nur den Hauch einer Chance hatte, ihn nach seinem Lebenslauf zu fragen.”
    “Sie müssen nicht sarkastisch werden, mein Bester”, gab Inspektor Gardner kühl zurück. “Es währe hilfreich, wenn sie mir etwas entgegen kommen würden. Dann könnten wir diesen Schwerverbrecher auch fangen und dingfest machen.”
    “Sie sehen doch”, mischte sich nun Sally wütend ein, “dass mein Mann sehr erschöpft ist. Er braucht Ruhe um wieder gesund zu werden. Immerhin wurde er letzte Nacht angeschossen!”
    Gerade als Inspektor Gardner protestieren und weiterbohren wollte, kam ein schlanker recht gut aussehender Mann zum Krankenzimmer herein, fröhlich pfeifend und bester Laune. Doch das legte sich schlagartig, als er den Inspektor erblickte. “Guten Tag die Herrschaften”, sagte er mit einer Stimme die gute Laune vermuten lies, was seinen Gesichtsausdruck Lügen strafte. “Kurz und knapp, vier Leute in einem Zimmer sind einer zuviel.” Mit einem raschen Blickwechsel schaute er nun den Inspektor an. “Es tut mir leid, mein Herr, aber ich muss sie bitten meinem Patienten etwas Ruhe zukommen zu lassen.”
    “Hören sie, sie wissen nicht mit wem sie es zu tun haben. Ich bin Inspektor Gardner vom sechzehnten Revier. Ich jage derzeit einen Schwerverbrecher und muss Sie bitten, mir nicht in meine Arbeit zu pfuschen. Das ist Behinderung eines Beamten im Dienst.”
    “Und Sie, Inspektor, wissen nicht mit wem Sie die Ehre haben. Ich bin Assistenzarzt Waren Sealand, mein Vorgesetzter ist Oberarzt Professor Dr. med. Sygate, seines Zeichens promovierter Humanmediziner und Leiter der medizinischen Fakultät. Und wenn ich mich bei meinem Chef beschwere, dass ich in Ausübung Meiner Pflicht behindert wurde, wird er mit ihrem Chef ein ernstes Wörtchen reden. Und dann sind sie ihren Job los.” Belustigt zwinkerte Assistenzarzt Waren Jake zu, der immer noch vergnügt an seinem Lolli lutschte, und fuhr sich durch sein kurz geschnittenes welliges braunes Haar.
    Mürrisch drehte sich Inspektor Gardner ein letztes Mal zu Leo um und brummte: “Ich habe noch einige weitere Fragen an sie, Mister Lynes. Bleiben sie möglichst in der Nähe ihres Hauses.” Und ohne ein weiteres Wort des Abschieds zu verlieren, verlies er das Zimmer.
    “Dem haben wir’s aber gezeigt, nicht wahr?” meinte Waren quietsch vergnügt und streichelte Jake durch sein Haar, der immer noch ein großes Stück seines Lutschers bearbeitete. Und während er sich zum Krankenblatt umdrehte und es kurz überflog, meinte er fast beiläufig: “Sie hatten Glück, Mister Lynes. Wer immer es auch war, er hatte entweder Ahnung von Medizin oder war ein lausiger Schütze. Wie sie ja selbst merken, hat sie diese Person an der Schulter erwischt. Knapp an den Muskeln und Sehnen vorbei. Ein glatter Durchschuss. Wenn sie ihre linke Schulter schonen, werde ich sie in etwa eineinhalb Wochen entlassen können. Danach wird sich ein Therapeut um sie kümmern, der ihnen hilft, wieder Gefühl in der Schulter zu entwickeln.”
    Leo nickte und dankte dem netten Assistenzarzt für seine Hilfe. Daraufhin verschwand auch dieser.
    “Ein Schwerverbrecher …”, wiederholte Sally die Worte des Inspektors leise. “Er war kein Schwerverbrecher, Leo. Dieser Mann war nur ein weiteres Opfer dieser verhunzten Gesellschaft.”
    Insgeheim gab Leo seiner Frau recht, zog es jedoch vor zu schweigen. Er griff mit der rechten Hand nach der Hand seiner Frau und drückte sie liebevoll. Während draußen eine schemenhafte Gestalt sich langsamen Schrittes vom Krankenhausgelände entfernte, in ein Auto stieg und in Richtung Stadtgrenze fuhr.


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