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Rapunzel Leseratte
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Beiträge: 102
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R 30.10.2023 15:19 Wie viel Fiktion im historischen Roman? + Rückblenden von Rapunzel
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Hallo, ich interessiere mich seit Jahren für die Person Julias, die Tochter Augustus.
Allerdings sind natürlich nicht viele Quellen vorhanden. Wie viel Fiktion würdet ihr in einen solchen historischen Roman einbauen, der ja einer realen Person folgt? Würdet ihr hier zum Beispiel auch eine Liebesgeschichte einbauen, die rein gar keine historische Quellen als Grundlage besitzt (Julia wurde später immer vorgeworfen, zu freizügig gewesen zu sein, aber die Quellen aus der römischen Zeit geben keine Multiperspektivität wieder und wurden wie so vieles in der Geschichtsschreibung natürlich von den Gewinnern verfasst).
Zudem würde ich vor dem Problem stehen, dass ich gerne wesentlich weit “hinten” beginnen würde und dadurch beinahe ständig mit Rückblenden arbeiten müsste.
Ein weiteres Problem, das ich sehe, ist, dass sie am Schluss verhungert. Ich würde meinen Roman eher enden lassen, aber ein Happy End kann es dennoch nicht geben. Und ich denke nicht, dass dann ein Verlag daran interessiert ist? Alle historischen Romane, die ich kenne, enden meist mit einem Happy End.
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MacWrite Eselsohr
Beiträge: 459 Wohnort: Taunus
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30.10.2023 15:29
von MacWrite
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Hm, du könntest mit ihrer Verbannung auf die Insel Pandataria enden und von dort aus zurückblicken in die Jahre davor. Dann ersparst du deinen Lesern ihr tatsächliches, hartes Ende. Natürlich solltest du die bekannten Fakten einarbeiten und die Lücken mit Fiktion füllen. Die gute Julia war ja durchaus ein frivoles Wesen bei aller Bildung, Attraktivität und Freude an Kunst und Wissenschaft. Potenzial sehe ich da schon …
LG aus dem Taunus
Roland aka MacWrite (aka @rm.eisrausch)
_________________ Man brauche gewöhnliche Worte und sage ungewöhnliche Dinge.
Schopenhauer, "Über Schriftstellerei und Stil" |
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Ralphie Forenonkel
Alter: 71 Beiträge: 6422 Wohnort: 50189 Elsdorf
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30.10.2023 15:47
von Ralphie
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Wie hieß denn die Julia mit vollständigem Namen?
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Rapunzel Leseratte
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Beiträge: 102
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R Rüesch Wortedrechsler
Alter: 61 Beiträge: 79 Wohnort: San Rafael, CA, USA
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30.10.2023 17:06
von R Rüesch
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Der Wikipedia Eintrag liest sich wie ein Krimi.
Erinnert mich etwas an Claus von Bülow und da gab es auch kein Happy End.
Dein Roman muss ja nicht in der letzten Minute ihres Leben enden.
Wie wäre es, wenn sie ihre Geschichte uns erzählt und wir einige Zeit später erfahren, dass sie starb. Ausserdem ist diese Art der Erzählung ja nicht immer sehr akkurat, da wir nicht immer die ganze Wahrheit sagen. Damit ist Fiktion und Wahrheit kein Problem.
_________________ Roland |
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Epiker Eselsohr
Alter: 29 Beiträge: 289 Wohnort: Österreich
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30.10.2023 22:23
von Epiker
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Die paar Dinge, die wir aus dem Leben von antiken Personen der zweiten Reihe (also eher deine Iulia oder auch Marcus Aemilius Scaurus der Ältere) wissen, ist auf die ganze Spanne eines Menschenlebens derart wenig, dass du sorgenlos dazwischen jede Menge Fiktion packen kannst. Es ist wie die Mengeni halte einer Tablette (mehr Füll- als Wirkstoff) oder ein aufgespannter Regenschirm (die historischen Fakten die Rippen und der Stoff dazwischen die Fiktion), je nachdem welches Sinnbild man bevorzugt.
Der hier schon von anderen vorgeschlagene Ansatz hat schon etwas für sich, dass man die Geschichte in der Art von 1001-Nacht angehen könnte, also dass eine übergeordnete Rahmenhandlung die ganzen kleineren Rückschauen in sich enthält und alles zusammen so eine organische Erzählung ergeben anstatt eine Rückschauunterbrechung nach der anderen.
Oder wenn das auch etwas für dich ist, könntest du auch die Form des Briefromans wählen, dass jede Geschichte ein eigener kleiner Papyrus oder ein Wachstäfelchen ist, die Iulia selbst hinterlassen hat, so wärst du sogar noch freier im Fiktionsgrad, da du dich dann nicht sklavisch an die Realität halten müsstest, sondern sich Iulia ja vielleicht dazu entschieden haben kann absichtlich Dinge falsch oder nur anders aufzuschreiben oder zu interpretieren, als sie wirklich geschehen sind, oder vielleicht verdrängt sie traumatische Dinge sogar und spart sie deshalb aus oder denkt sich eine Ersatzgeschichte statt der echten aus. Man könnte innerhalb der Geschichte dann auch vielleicht damit spielen, dass manche Briefe von der Wahrheit erzählen, während die anderen von Iulia erfunden worden sind.
_________________ Aber der Mensch entwirft, und Zeus vollendet es anders!
-Homer-
(Dieses Zitat dürfte so manchem Schriftsteller mehr als einmal passiert sein ) |
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Pickman Plottdrossel
Beiträge: 2302 Wohnort: Zwischen Prodesse und Delectare
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30.10.2023 23:48
von Pickman
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Ohne Fiktion geht es gar nicht. Das hat Epiker schon festgestellt.
Je weniger gesichertes Wissen ich über eine historische Person habe, desto weniger würde ich davon abweichen.
Was natürlich auch geht: eine vollkommen fiktive Person mit den historischen Personen interagieren lassen.
_________________ Tempus fugit. |
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BerndHH Klammeraffe
Alter: 60 Beiträge: 971 Wohnort: HH
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31.10.2023 05:48
von BerndHH
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Guten Morgen,
ja, ich hab es z.B. getan und die Figur der Kaisertochter Iulia in meinem aktuellen Manuskript verhackstückt.
Dabei habe ich mich dankenswerterweise strikt an die Vorlage von Robert Graves gehalten. Hier wird der Charakter der Iulia hervorragend ausgearbeitet.
https://www.youtube.com/watch?v=uGkCjhq5Ixk I, Claudius Waiting in the Wings
Vor allem die plakative Szene, in der sie von ihrem Vater verstoßen wird ist bemerkenswert.
Die böse Stiefmutter Livia Drusilla, die einen ihrer vermeintlichen Liebhaber Aulus Plautius dazu bringt, eine lange Liste mit den schamlosen Kerlen zu erstellen, mit denen Iulia ihr Bett geteilt haben soll, um diese dann gegen ihre Stieftochter zu verwenden.
Aus Sicht der Kaisergemahlin muss Iulia aus dem Wege geräumt werden.
Auch die Reaktion des Göttlichen ist köstlich, als er die lange lange Reihe der Liebhaber zum Rapport bestellt: "Gibt des denn einen Mann in Rom, der nicht mit meiner Tochter geschlafen hat?"
Iulia, die Hure Roms? Immerhin war sie Anlaß, dass Augustus das Gesetz Lex Iulia de Adulteriis Coërcendis erließ.
Ehebruch versus Sittenstrenge. Vor allem mit Zitaten, die der Iulia zugeschrieben werden, „Ich nehme einen Gast nur dann auf, wenn das Schiff beladen ist!“
Die angeblichen Intrigen und die Giftmorde des JULISCH-CLAUDISCHEN KAISERHOFES waren schon immer Stoff für ein hochdramatisches Familienepos. Doch da geht es meist zentral um die Figur der Livia Drusilla, die Ehefrau des Göttlichen.
Die Kaisertochter als Nebenfigur ja aber Hauptfigur? Die Lebensspanne der Iulia gibt meiner Ansicht nach nicht die Tiefe für eine ganz große Geschichte her, ich laß mich da aber gerne eines Besseren belehren.
Ja, sie kann natürlich auf einem Felsen von Pandateria sitzen, sich von einer Zofe die Haare kämmen lassen und ihr Leben reflektieren.
Ihre Affären, ihre vermeintliche Nymphomanie, ihre Sittenlosigkeit, vielleicht üble Nachrede, Diffamierung ... um ihren Ruf zu schädigen, da sie ja ihrer Zeit weiter voraus war als andere Frauen.
Die einzige Kaisertochter, die sich gegen das Patriarchat auflehnt, die die Gesetze des PATER FAMILIAS über Leben und Tod von Familienmitgliedern, wäre ja vielleicht Stoff, der gut verarbeitet werden kann.
Verstörend finde ich aber die Absicht, daraus unbedingt ein "Happy End" machen zu müssen, um einem Verlag zu gefallen?!? Wem denn? Dem Robert-Habeck-Kinderbuchverlag?
Ich verstehe es nicht und würde so ein Buch dann ganz bestimmt nicht lesen.
Die Julisch-Claudische Dynastie und die vielen teils blutigen Vorkommnisse im Palatin bieten den Boden für ein klassisches Schauergemälde erster Güte.
Obwohl sich die Historiker heute natürlich darüber streiten, ob es sich dort wirklich so abgespielt haben könnte oder einfach nur übliche Nachrede von ~ "Antimonarchisten" /Republikanern ~ war und das heutige Geschichtsbild möglicherweise vollkommen verfälscht haben.
Entweder eine Aneinanderreihung von Blut und Sex. Wüste Orgien, Liebhaber, die sich durch die Gänge schleichen, um zum Schlafgemach der Iulia zu gelangen ... der Vater verstößt die Tochter "Ich habe keine Tochter mehr", der im Palastgarten herumtollende Claudius - und dann wird natürlich auch noch Weltpolitik gemacht.
Neben den Orgien und den opulenten Familienmählern kommen dann die Botschaften vom Pannonischen Aufstand oder der Clades Variana, etc.
Was möchtest Du denn daraus machen?
Also ich persönlich würde lieber die abgrundtief bösartige Erzählung lesen aber wahrscheinlich bin ich aus der Art geschlagen.
Viele Grüße und einen erholsamen Feiertag!
_________________ Michel Teló – Ai se eu te pego
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Sábado na balada
A galera começou a dançar
E passou a menina mais linda
Tomei coragem e comecei a falar |
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Beka Exposéadler
Beiträge: 2374
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31.10.2023 10:47 Re: Wie viel Fiktion im historischen Roman? + Rückblenden von Beka
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Rapunzel hat Folgendes geschrieben: | Hallo, ich interessiere mich seit Jahren für die Person Julias, die Tochter Augustus.
Allerdings sind natürlich nicht viele Quellen vorhanden. Wie viel Fiktion würdet ihr in einen solchen historischen Roman einbauen, der ja einer realen Person folgt? Würdet ihr hier zum Beispiel auch eine Liebesgeschichte einbauen, die rein gar keine historische Quellen als Grundlage besitzt |
Eine spannende Figur hast du dir da ausgesucht.
Zu deiner ersten Frage: Du kannst das "Gerippe" aus historischen Fakten und Personen mit allem aufpolstern, solange es in die Zeit passt und plausibel ist. Also auch Ereignisse und Personen dazu erfinden, solange sie die belegte Geschichte nicht verändern. Wobei viele Autoren von historischen Romanen auch das tun: Geschichtliche Ereignisse verschieben, wenn es besser zum Plot passt, oder Personen aufeinanderstoßen lassen, die sich im wirklichen Leben die begegnet sind.
Zitat: | Zudem würde ich vor dem Problem stehen, dass ich gerne wesentlich weit “hinten” beginnen würde und dadurch beinahe ständig mit Rückblenden arbeiten müsste. |
Wie schon vorgeschlagen, könntest du das durch eine Rahmenhandlung lösen. Rolands Vorschlag gefällt mir azu gut.
Zitat: | Ein weiteres Problem, das ich sehe, ist, dass sie am Schluss verhungert. Ich würde meinen Roman eher enden lassen, aber ein Happy End kann es dennoch nicht geben. Und ich denke nicht, dass dann ein Verlag daran interessiert ist? Alle historischen Romane, die ich kenne, enden meist mit einem Happy End. |
Das Problem hatte ich bei meinem Roman über Anita Garibaldi. Sie ist ja nur 29 Jahre alt geworden und während der Verfolgung von drei Armeen quer durch Italien an Malaria ( wahrscheinlich) und Erschöpfung gestorben.
Ich habe im Exposé damals beide Möglichkeiten angeboten. Einmal ein "Happy End" nach Ausrufung der Römischen Republik, als Anita und Giuseppe sich am Ziel ihrer Wünsche glaubten - und das Ende der Geschichte dann im Nachwort zu erzählen.
oder die Geschichte bis zum bitteren Ende zu schreiben.
Sowohl Tinte & Feder, bei denen es zuerst erschienen ist, als auch Aufbau, die es dieses Jahr neu aufgelegt haben, wollte die erste Version.
_________________ *Die Sehnsucht der Albatrosse*
*Das Geheimnis des Nordsterns*
*Die Tochter der Toskana*
*Das Gutshaus in der Toskana*
*Sterne über der Toskana*
*Der Himmel über Amerika - Rebekkas Weg*
*Der Himmel über Amerika - Esthers Entscheidung*
*Der Himmel über Amerika - Leahs Traum*
*Anita Garibaldi - Ein Leben für die Freiheit*
*Bergleuchten* |
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Arminius Reißwolf
Alter: 65 Beiträge: 1244 Wohnort: An der Elbe
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06.12.2023 18:48 Re: Wie viel Fiktion im historischen Roman? + Rückblenden von Arminius
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Rapunzel hat Folgendes geschrieben: | Allerdings sind natürlich nicht viele Quellen vorhanden. |
Die antiken Quellen sind in der Regel voreingenommen und tendenziell nicht sehr objektiv. Manche Personen werden regelrecht verzerrt dargestellt. Die römischen "Historiker" waren in erster Linie Schriftsteller, die ihr Publikum unterhalten wollten. Da durften Skandale und Klatsch- und Tratschgeschichten nicht fehlen. Propaganda für oder gegen bestimmte Personen der Elite finden sich z.B. auch bei Velleius und Tacitus.
Wenn Du kein wissenschaftliches Buch schreibst, würde ich mir keine allzu großen Gedanken machen.
_________________ A mind is like a parachute. It doesn´t work if it is not open (Frank Zappa)
There is more stupidity than hydrogen in the universe, and it has a longer shelf life (Frank Zappa)
Information is not knowledge. Knowledge is not wisdom. Wisdom is not truth. Truth is not beauty. Beauty is not love. Love is not music. Music is the best (Frank Zappa) |
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nothingisreal Bücherwurm
Beiträge: 3994 Wohnort: unter einer Brücke
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07.12.2023 12:48
von nothingisreal
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Und was wäre, wenn deine Figur mitbekommt, wie Lügen über sie verbreitet werden, etwa, dass sie freizügig sein soll, und versucht, sich dagegen zu wehren, jedoch keine Chance hat? Wir als Leser wissen es jedoch besser.
_________________ "Es gibt drei Regeln, wie man einen Roman schreibt. Unglücklicherweise weiß niemand, wie sie lauten." - William Somerset Maugham |
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