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UtherPendragon
Eselsohr
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Beiträge: 402



U
Beitrag23.12.2022 17:36

von UtherPendragon
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Vorsicht Kinder: In diesem fünften Kapitel erlebt Plötze einen nicht ganz durchschnittlichen Trip.

5

Pass auf Dich auf.
Langsam lichten sich die Nebel. Das ist der Mond, der sich mit einer silbernen Corona aus Wolken umgibt. Das sind der Stadtrand, Hundebellen, Spielotheken. Das sind der verpasste Zug und Plötzes müde Beine. Das sind die Gier nach dem Besonderen und ein schwacher Moment. Das ist die kleine Tüte in ihrer Hand, der haptisch markante Verschluss unter ihren abgekauten Nägeln.
Sie ist der Bahnlinie schon über zwei Stationen nachgelaufen und dabei standhaft geblieben. Sie hat auch kein Taxi gerufen, denn für diese Art von Kontakt fühlt sie sich weiterhin zu unwohl in der eigenen Haut. Sie ist immer noch high und hat nichts weiter vor als zu grübeln und im Morgengrauen endlich zuhause anzukommen.
Wären da nur nicht ihre Gedanken, unentwirrbare Schleifen des Schwachsinns und der Selbstdenunziation. Ist denn diese ihre Nachtwanderung nicht Grund genug, sich ungenügend zu fühlen, hart am Rand zu etwas… anderem? Weil der Stadtrand in der Woche nachts trostlos und verlassen ist, steigt die Versuchung. Dabei wiegt sie die Tabletten auf ihrer Hand, die optisch nichts Besonderes an sich haben.
Kurz darauf kommt Plötze auf einen Stromkasten gestützt wieder zu sich. Sie nimmt auf der symbolisch niedrigen Mauer eines Gebrauchtwarenhändlers dahinter Platz und platziert das Ecstacy vor sich auf Kinnhöhe. Anschließend kramt sie nach ihrer Geldbörse, kriegt ihre EC-Karte zu fassen und setzt damit zum Zerteilen an.
Zuerst rutscht sie ab. Plötze muss also fluchend dem zur Seite gesprungenen Teil nachspringen und wundert sich etwas über ihre Ungeduld. Zwar weicht langsam der gewichtige Griff des Marihuana von ihrem Hirn, doch haben ihre Finger das anscheinend noch nicht mitbekommen. Letztlich verzichtet sie auf die Karte und zerreißt das eher nachlässig gepresste Ding einfach mit ihren Nägeln, um sich anschließend eine – für Wochentage – entschieden zu hohe Dosis zuzuführen, fast eine halbe Tablette.
Das ist Stille. Fast am meisten genießt Plötze die fünfundvierzig Minuten Ruhe, bevor es in ihrem Magen so richtig warm wird. Sie gewinnt ihre Konstitution zurück: Vor einem schlecht ausgeleuchteten Stadtteilzentrum wird sie von zwei besoffenen Typen angebrüllt, aber sie muss nur laufen und immer weiter laufen, denn Energie ist jetzt im Übermaß vorhanden.
Auch ihr Kopf klärt sich. Verschwunden sind die schwere Süße, das lahme Kreisen. An ihrer Stelle gefriert das grau-rosarote Fleisch in ihrem Kopf zu einem nach vorne strebenden Block. Später wird die Ekstase exponentiell anwachsen und der Block schmelzen, dann folgt die Sabberphase.
Doch der Peak dieses Trips ist noch fern, mindestens eine Stunde und die wird Plötze zu nutzen wissen. Selbstverständlich wird sie ihr Leben grundlegend ändern: nicht in einem Sinne von Karriere, sondern aus ihrem inneren Wesen heraus. Die Liebe für Freunde und Fremde läuft über aus ihr wie aus einem Gefäß, nichts weiter ist sie. Die Natur ist auch etwas Gutes, oder so. Und in weniger als einer Stunde schließlich fährt der Zug aus dem dritten Bahnhof, den sie erst links liegen lässt, misstrauisch umkreist und zuletzt selbstbewusst durchmarschiert. Ihre Schlussfolgerungen werden von Atemzug zu Atemzug banaler und erscheinen doch immer bedeutungsvoller. Ich bin ich.
Ihre Schritte halten mit dem klopfenden Herzen mit. Die Zeit rafft sich. Und trotz der Höhe der Dosis nickt sie in der Bahn weg, gerät in eine Wolke, alle Klarheit des Trips kondensiert dort und regnet hinab in unendliche Tiefe.
Plötze erwacht in einem Bett, das nicht ihres ist.

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Christof Lais Sperl
Geschlecht:männlichKlammeraffe

Alter: 62
Beiträge: 944
Wohnort: Hangover
Der silberne Roboter


Beitrag24.12.2022 07:48
Zufall
von Christof Lais Sperl
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Beim Stöbern diesen Text entdeckt. Chapeau. Was soll man da noch sagen? Ganz hervorragend. Nur die Finger, die etwas nicht „mitbekommen“ haben, das ist vielleicht ist wenig zu flapsig formuliert. Toller Text!
Grüße von Christof


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Lais
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UtherPendragon
Eselsohr
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Beiträge: 402



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Beitrag25.12.2022 00:59

von UtherPendragon
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Christof, hör doch (nicht) auf, Du lässt mich erröten.

Gemütliche freie Tage!

PS: Für die Finger denke ich mir etwas anderes aus.


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Lila X
Geschlecht:weiblichLeseratte
L

Alter: 54
Beiträge: 150



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Beitrag28.12.2022 15:44

von Lila X
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Ich finde die neue Version der Kapitel 1-4 sehr gelungen. Ich mag deinen besonderen Schreibstil sehr und interessiere mich, wie es weitergeht.

Beim Kapitel 5 geht es hauptsächlich um ihren Marihuana Trip und anschließend den Ecstasy Trip. Ein bisschen habe ich mich während des Lesens gefragt, wo jetzt wieder die Handlung hin ist. Es wirkte auf mich wie ein um sich selber kreisen von Plötze und vermittelte mir den Eindruck, dass du dem Spaß frönst, ihren Zustand zu beschreiben. Man kann die Frage stellen, ob der Leser nicht ein Quentchen zu lang auf die Folter gespannt wird. Das Ende ist dafür ein spannender Cliffhänger und meine Aufmerksamkeit wie mit einem Gongschlag geweckt.


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Lila X
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Günter Wendt
Geschlecht:männlichExposéadler


Beiträge: 2865



Beitrag28.12.2022 16:45

von Günter Wendt
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Kurze Frage:
Was sind Stadtgehschichten? Sind das Stadtgeh-Schichten, Stadt-Geh-Schichten oder  ist das ein einfacher Verschreiber?
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UtherPendragon
Eselsohr
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Beiträge: 402



U
Beitrag05.01.2023 17:19

von UtherPendragon
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Hallo Lila X,

Danke für deine Anmerkungen inkl. Lob, die ich sehr gern zur Kenntnis nehme. Was deine Kritik an der Schilderung der/des Trips angeht, werde ich das im Hinterkopf behalten, denn wahrscheinlich hängt für mich ganz stark vom Fortgang der Geschichte ab, ob diese "Länge" einen hoffentlch existenten Spannungsbogen zusehr in Mitleidenschaft nimmt.

Hallo Günter!
Der Titel geht auf einen - übersetzten - Cartoon vom britischen Cartoonisten Norman Thelwell zurück, "Bettgehschichten", worin Eltern gegen ihre nicht müde werdenden Kinder in die Schlacht ziehen.
Das ist aber letztlich völlig irrelevant und war nur ein Arbeitstitel für mich; aufgrund von mangelnder Kreativität und weil er irgendwie schön bescheuert ist m.E. ist er dann einfach geblieben. Mir fällt nichts Besseres ein. Und wenn es jemand für einen Typo hält, ist es mir auch recht.

Beste Grüße,
UP


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UtherPendragon
Eselsohr
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Beiträge: 402



U
Beitrag24.03.2023 01:54

von UtherPendragon
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Ich komme endlich wieder zum Schreiben. Ich hoffe, dass ich ab jetzt ein bisschen Fahrt aufnehmen kann mit der Story.

6

Sie erwacht dehydriert mit Kopfschmerzen, das Hirn wie eine Zitrone entsaftet.
Um sie herum materialisiert sich eine Wohnung mit wehenden Seidenvorhängen an den bodenlangen Fenstern. Und da ist mehr: Das ist klare, wohltuend kühle Luft. Staub in der Sonne. Das sind Liliths perfekter Schlafrhythmus und Kaffeegeruch. Das ist Plötzes Freude darüber, irgendwo in Sicherheit angekommen zu sein. Und der Spitzname Mama Lilith kommt nicht von nichts.
„Wasser“, wimmert Plötze und wälzt sich auf den Rücken. Ich mache die Lotosblüte, faselt eine Stimme in ihrem Kopf, wahrscheinlich weil Lilith ihr Herz für die Welt des Yoga einen Spalt weit geöffnet hat. Plötze hat ihr früher schon dabei zugesehen, wie sie auf vierzigjährigen Typen mit Wursthaaren herumturnt. Trotzdem können sie Freundinnen sein über diesen zivilisatorischen Graben hinweg.
„Ich habe jetzt eine Job“, erzählt ihre von der Küche ins Schlafzimmer rauschende Erscheinung, ganz so, als unterhielten sie sich schon eine Weile. Plötze verdammt ihr Kurzzeitgedächtnis. Ihr Körper samt Rückenmark und Sprachzentrum müssen schon länger wach sein als der Rest.
„Im Stadttheater?“, hakt sie in das bislang über sie hinweg geführte Gespräch ein.
„Auf gar keinen Fall.“ Lilith setzt sich zu ihr auf die Matratze und hält ihr ein Glas hin. Das Wasser inhaliert Plötze gierig, das ist Heilung vom Vorabend.
„Mit denen bin ich fertig.“ Lilith lacht. „Der Intendant wollte, dass ich mit ihm schlafe. Denen hat allen das Kokain die Birne zerfressen, ich sage es Dir. Ich bin dermaßen fertig mit denen. Kennst Du noch Adrian?“
Plötze stöhnt. Jeder unnütze Gedanke strapaziert ihre Nerven.
„Wir arbeiten zusammen in einer Autowerkstatt. Ich übernehme die Buchhaltung und sowas. Für den Übergang bis zu meinem Engagement in Tiflis.“
„Hatten wir Sex?“, will Plötze wissen und sieht Lilith die Augen verdrehen:
„Dafür warst Du nicht zu gebrauchen, Liebes.“
„Shit. Sorry, falls ich irgendwie daneben war.“
„Gar nicht. Aber ich muss jetzt los. Wäre schön, Dich öfter zu sehen. Manchmal denke ich, dass Du vor irgendetwas wegläufst. Wie lange geht das schon so?“
Plötze schweigt, aber sie beobachtet die ersten zehn Meter von Liliths Arbeitsweg ganz genau, ihre fließenden Bewegungen, den schlanken Körper. Nichts deutet auf ihren hinter Seriosität und Empathie verborgenen, gut organisierten Wahnsinn. Es gehen in Liliths Kopf ein paar geheimnisvoll verdrehte Dinge vor, die sie weitaus älter erscheinen lassen, als sie ist. Sie hat etwas von einer Elfe, findet Plötze. Dann klingelt es, bevor Lilith hinausschlüpfen kann. Plötze sieht, dass sie die Tür einen Spalt weit öffnet und Worte hinausreicht, kann aber nichts verstehen. Aufstehen schon gar nicht.  
Stattdessen sammelt sie die kleinen Sprossen der Raufasertapete an der Decke mit den Augen auf, zählt immer so weit, bis ihr Gedächtnis versagt, trainiert, um am Nachmittag wieder klar denken zu können. Später würden ein paar logopädische Übungen folgen, mehrsilbige Wörter und verschachtelte Sätze immerzu wiederholend, bis sie sich davon überzeugt hat, nicht endgültig zu verblöden.
Die Lotosblume muss wirklich lange so dort gelegen haben, bis sie erschrocken feststellt, dass sie Lilith gar nicht hat kommen hören. Die sonst seit Kindertagen souveräne Diva des Schultheaters blickt ihren Gast misstrauisch an und Plötze ist schon in Erklärungsnot, bevor sie überhaupt weiß, worum es geht.
„Das war die Polizei“, meint Lilith zerstreut.
„Ups“, rutscht Plötze raus, „Ärger für Dich?“
„Eher für Dich. Ich habe sie weg geschickt.“
„Achso.. Gut.“
„Wirklich?“
Plötze überlegt angestrengt. „Was wollten die?“, fragt sie verunsichert. Und plötzlich fließt ein dräuendes Angstgefühl wie Softeis durch ihre Adern. Sie reibt sich mit zitternden Fingern das Nachtharz aus den Augen. Erinnert sich an den kleinen Einbruch.
„Mit Dir sprechen. Mehr haben sie nicht gesagt.“ Pause. „Du kannst noch etwas bleiben, wenn Du willst.“
„Du hast ihnen aber nicht meine Nummer gegeben, oder?“
„Für wen hältst Du mich?“
„Ich muss jetzt gehen.“

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J.-E. Biedermann
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Beitrag28.03.2023 11:46

von J.-E. Biedermann
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Hallo UtherPendragon,

wie einige hier bin auch ich beim Stöbern auf deine Stadtgehschichten gestolpert. Erst dachte ich an einen Schreibfehler, aber es soll wohl so heißen smile.
Es liest sich sehr fließend und es fällt mir auch nicht wirklich schwer, mich in Plötze hineinzuversetzen (erschreckend, ich weiß wink ).
Ich finde deinen Stil interessant und freue mich schon auf mehr, auch wenn es nicht mein Genre ist smile.

Liebe Grüße,
Mandy


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UtherPendragon
Eselsohr
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Beitrag17.04.2023 18:57

von UtherPendragon
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Hallo J.-E. Biedermann!

ich bedanke mich herzlich für dein Feedback. Erschreckend würde deine Identifikation mit Plötze, über die ich mich persönlich freue, wohl erst, wenn Du sie über den restlichen Text durchieltest wink

ich habe endlich die Gerichtsakten von jenem realen Justizirrtum erhalten, auf dem die Story aufbauen soll und kann daher bald hoffentlich Plötzes vermeintliche Verstrickung in nebulöse illegale(?) Aktivitäten ausführen. Dann wird es gruselig.

Es grüßt herzlich
UP


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UtherPendragon
Eselsohr
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Beiträge: 402



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Beitrag16.06.2023 19:41

von UtherPendragon
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Weiter geht es. Arme arme Plötze.

7

Plötze streift ihre Klamotten über, vertilgt zwei Toast, wirft sich eine von Liliths Jacken über die Schulter und verschwindet. Nicht ohne allerdings zuvor aus allen Fenstern die Straße abgesucht zu haben. ‚Mama‘ Liliths Wohnung liegt im zweiten Stock über einer der von Lärm und Dieselmotoren geplagten innenstädtischen Hauptverkehrsadern, wo zwei Straßen von Norden auf eine Ost-West-Achse treffen: Das sind abwechselnd Gründerzeit- und Glasfassaden, schmale Bürgersteige und schmutzige Parks. Das ist Plötzes Misstrauen vor Sonnentagen, wenn man den Schmutz in der Luft schmecken kann.
Sie trägt nun eine Bomberjacke und die Kapuze ihres Pullovers tief ins Gesicht gezogen, will nicht erkannt werden, nicht in dieser Gegend. Ein paar hundert Meter Richtung Innenstadt wähnt sie die Anwaltskanzlei ihrer… Eltern, Mutter, irgendwie so ein Wort sollte sie wohl denken, aber das richtige, ein passendes, verhängt störrisch in ihren grauen Zellen. In der Gegenrichtung liegen mehrere Technoclubs unter den S-Bahn-Brücken, zwei Halbwelten, wie sie unterschiedlicher kaum sein könnten. Plötze ist mit beiden fertig.
Das sind die vierundzwanzig bis sechsunddreißig Stunden Pause bis zum Midweek-Blues, nach denen das Amphetamin sich als Entzug zurück melden wird. Das ist wieder dieses Gefühl, dass jedes Fortgehen eine Lüge ist. Dass man einfach nicht vom Fleck kommt, nicht Plötze.
Nachdem sie die Ringstraße Richtung Bahnhof gekreuzt hat, folgt sie einer plötzlichen Eingebung: Plötze sieht sich erneut um, ob sie beobachtet wird. Dann holt sie mit zitternden Fingern ihr Handy aus der Tasche: Siebzehn verpasste Anrufe.
Anstatt dem nachzugehen, entfernt sie eilig den Akku und zertritt das Gehäuse auf dem Pflaster. Die Reste wirft sie in einen Gully. Onkelchens Worte geistern ihr durch ihren Kopf: Pass auf Dich auf!
Dann atmet sie tief durch und setzt einen Fuß vor den anderen. Gleichzeitig kommt ein leichter Windstoß auf und treibt Müll um ihre Beine, und zwei leere Getränkedosen kreuzen beachtenswert synchron ihren Weg. Plötze hebt den Blick nur langsam, denn noch immer brennen ihre Augen vor Helligkeit. Was sie sieht, erschrickt sie: Am Eingang eines verrammelten Backwarengeschäfts steht ein mittelalter Mann an die Wand gelehnt, und starrt sie an. Nun ist es nicht der durch zahllose verlebte Nächte gegerbte Blick, der sie aufschreckt. Es ist die Tatsache, dass sie den Typen zu erkennen glaubt, der ihr gestern in der S-Bahn ihren Schokoriegel aufgelesen hatte; dieselben verschmierten Hände und derselbe aus der Zeit gefallene Mantel. Ein fertiger Typ, der reich und eben exzentrisch oder arm und abgehalftert sein könnte, niemand kann das sagen. Aber Plötze kann sich auf nichts mehr verlassen, weder auf ihre Erinnerung, noch ihren Körper. Ihr Sichtfeld verschwimmt mit einem Mal, gerade als sie ihren Weg fortsetzen will. Die Erde schwankt und mit ihr die Glas- und Gründerzeitfassaden. Sie reut es, außer den beiden Toasts seit über anderthalb Tagen nichts zu sich genommen zu haben, als ihr längst schwarz vor Augen ist.
Sie hört noch eine Person aufschreien. Mit einer Hand an der Ampel festgeklammert ist sie zu Boden gesunken.

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