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Deutsches Schriftstellerforum Foren-Übersicht -> Antiquariat -> Zehntausend 05/2021
Flut aus Rauch und Feuer

 
 
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nicolailevin
Geschlecht:männlichEselsohr


Beiträge: 260
Wohnort: Süddeutschland


Beitrag21.05.2021 11:44

von nicolailevin
Antworten mit Zitat

Eine Frau zündet gemeinsam mit einer Zufallsbekanntschaft die Scheune ihres Exfreunds an, in der dieser sie einst vergewaltigt hat. Auf dem Rückweg sieht sie Facebookposts, die auf die bevorstehende Hochzeit des Exfreundes weisen; ausgerechnet vor besagter Scheune hat er seiner Künftigen den Antrag gemacht. Am Ende postet sie ihm das Foto der brennenden Scheune.

Runde Story. Im Ganzen solide geschrieben und professionell Infos und Geheimnisse zurückgehalten, dass man mitdenken muss und der Anspruch gegeben ist. Da war ein Routinier (so - wie gendert man jetzt Routinier: Routini_ère?) am Werk. Die Fenster? Sie schreien immer wieder im Text, dass sie da sind und ich sie nicht vergessen soll, so richtig überzeugt mich das zwar nicht, aber sie sind deutlicher drin als in anderen Texten dieses Wettbewerbs.

Mir stoßen ein paar Dinge auf, bei denen ich nicht weiß, ob ich sie als konzeptionelle Schwächen auslegen soll oder ob sie bewusst der Vielschichtigkeit dienen sollen:

Etwa die Rolle des Mittäters – wofür braucht es den? Um im Sommer eine Scheune in Brand zu setzen, genügen ein paar Flaschen Grillanzünder und ein Feuerzeug. Wieso das Risiko eingehen, erwischt, erpresst, hineingeritten zu werden von jemandem, den man kaum kennt?

Dann das Motiv? Anfangs leidet die Erzählerin aus tiefster Seele, im Laufe der Geschichte scheint sie eher getrieben, es dem Typen heimzuzahlen. Natürlich kann beides zutreffen, natürlich kann sie einfach zerrissen sein – ich denke aber, wenn man die Geschichte nicht aus der Ichperspektive erzählt hätte, wäre da mehr drin gewesen, das plausibler rauszuarbeiten …

Womit ich auch Probleme habe, ist die Frage, warum sie mit dem Mann, der „ihr Leben zerstört hat“ noch auf Facebook befreundet ist und ihm hinterherschnüffelt? Auch hier: Wenn das vordergründig Irrationale, Unlogische beabsichtigt war, dieses Stockholmsyndrommäßige Nichtloskommen vom Peiniger, dann hätte man ein wenig stärker drauf hinweisen können – jedenfalls für Leser mit meinem begrenzten Empathielevel Wink

Sprachlich ist mir der Anfang viel zu lyrisch und adjektivitisch. Das legt sich gottlob schnell, aber diese prätentiösen ersten Sätze gehören für mein Empfinden gestutzt! Und die Namensverwechslung ist mir zu dick aufgetragen – dass Markus für sie nur Mittel zum Brand ist, habe sogar ich auch vorher schon begriffen.

In den Punkten.
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holg
Geschlecht:männlichExposéadler

Moderator

Beiträge: 2396
Wohnort: knapp rechts von links
Bronzenes Licht Der bronzene Roboter


Beitrag21.05.2021 19:19

von holg
Antworten mit Zitat

Vergewaltigungsopfer brennt mit Hilfe einer Saufbekanntschaft den Ort der Tat nieder. Der Vergewaltiger bereitet seine Hochzeit vor. Opfer postet Bild des brennenden Tatorts, an dem der Täter um die Hand seiner Braut angehalten hat.
Fenster, an denen vorbei gegangen wird, kommen nicht wörtlich vor. Dafür werden Social Media als Bild bemüht. Damit das nicht zu schwer zu entdecken ist, steht die Anleitung im Text:
Zitat:
während ich durch das Leben der Menschen wischte, die mit mir verbunden waren. Breit aufgefächert lag es vor mir, als hätten sie alle Vorhänge aufgezogen und die Fenster zu ihrem Privatleben weit geöffnet, damit alle Welt sehen konnte,


Das ist mMn ein guter Ansatz, leider bietet der Text hier nicht mehr Auseinandersetzung oder Spiel mit dem Thema. Stattdessen konzentriert er sich auf seine okaye Story. Die wird gut erzählt, aber im 10.000 erhoffe ich ausgefallenes, gewagtes, neues oder sprachlich außergewöhnliches. Da hätte sich der Text etwas mehr zutrauen können.

Das reicht leider nicht für Punkte.


_________________
Why so testerical?
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anderswolf
Geschlecht:männlichReißwolf


Beiträge: 1069



Beitrag23.05.2021 16:01

von anderswolf
Antworten mit Zitat

Biedermann und Brandstifter. Oder: Wisch und weg.  

LI fackelt mit einer unwichtigen Nebenfigur die Scheune ab, in der sie von einem uns unbekannt bleibenden Mann vor geraumer Zeit vergewaltigt wurde, und stellt ein Foto des Brandes bei Facebook ein, um dem Vergewaltiger eins reinzuwürgen.

Vielleicht können Facebook-Menschen diesem Text mehr abgewinnen, ich hingegen denke zu viel über die Mechanik hinter dem asozialen Netzwerk nach und wie das wohl funktioniert mit dem Durchwischen von geteilten Emotionen. Nicht dass ich es mir nicht grundsätzlich irgendwie vorstellen könnte, aber die Gedanken darüber lenken mich ab von einem Text, der grundsätzlich größeres Potential hätte. Denke ich. Aber ich bin ja, wie gesagt: abgelenkt.

Dabei ist das Erzählte eigentlich ziemlich tragisch: Dass hinter der Fassade des frisch (oder demnächst) vermählten Biedermanns eigentlich ein ziemlicher Unsympath und Gewalttäter steckt, der - und da überziehe ich die textinterne Metapher mal ganz fix (oder wie vorgesehen, wer weiß) - auch als Brandstifter taugt: als Verbrenner nämlich des Seelenheils der Erzählerin. Die Vergewaltigung damals nämlich hat ziemlich starke Narben bei ihr hinterlassen (wenig verwunderlich), nur sieht sie halt niemand und darum ist die Beschreibung des Brandes zu Beginn des Textes eigentlich auch so stark: "Eine dunkle Woge waberte gen Himmel, zerriss an schleiergleichen Rändern, verwischte und ertrank im tiefen Blau des sommerlichen Himmels." Das Gewaltverbrechen an ihr hat die Unbekümmertheit der Erzählerin befleckt, ver- und zerstört. Und auch wenn das schmierig-schwarze Gewoge der Brandwolken irgendwann im Blau des Sommerhimmels ertrinkt, auf einer Nano-Ebene wird der Ruß immer nachzuweisen sein: Feinstaub eines Verbrechens.

Hier hätte es sich vielleicht eher gelohnt zu investieren statt in das Gepränge und Gewische bei Facebook, das nicht nur mich über ganz andere Dinge nachdenken lässt, sondern auch die Unerhörtheit der Gewalttat relativiert. Denn plötzlich ist nicht mehr die rohe Verletzung der Erzählerin durch den Biedermann relevant, sondern verschiebt sich zusehends in die narzisstische Zurückweisung eines Menschen, der nicht darüber hinwegkommt, plötzlich nicht mehr gesehen zu werden. Warum, scheint der Text zu fragen, bin ich plötzlich, wo du mich doch mit Gewalt als dein Eigentum markiert hast, plötzlich kein Teil deines Lebens mehr? Was hat sie, was ich nicht habe?
Das relativiert die Gewalt und irritiert mich, denn ich weiß plötzlich nicht mehr, worum es hier eigentlich gehen soll. Soll ich Mitleid mit dem Opfer der Vergewaltigung spüren, Zorn auf den passiv-aggressiv über Statusmeldungen angegangenen Biedermann oder es eher schade finden, dass Markus, der angeblich einzige Brandstifter der Geschichte und vielleicht sogar eine Möglichkeit hin zu einem weniger destruktiven Leben, dass also eben dieser Martin mit seinem naiven Herz einfach so abgestreift wird wie eine unpassende Jacke.

Der Text kann es dann leider nicht vermeiden, über ein paar Klischees zu stolpern, bevor er in plattem Pathos ersäuft. Schade eigentlich. Knapp Keine Punkte.
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Raven1303
Geschlecht:weiblichKlammeraffe

Alter: 41
Beiträge: 549
Wohnort: NRW


Beitrag23.05.2021 23:41

von Raven1303
Antworten mit Zitat

Wow, ich bin platt für die vielen Punkte, die ihr mir dagelassen habt und für die Mühe der teilweise sehr detaillierten Kommentare. Euer Feedback bedeutet mir viel mehr, als die tatsächlichen Punkte und ich honoriere die Mühe, die sich besonders Selanna gemacht hat! Ich bin überwältigt. Ganz toll, vielen Dank! Ich freue mich sehr über meinen siebten Platz!

Einen kleinen Irrtum möchte ich bei einigen Lesern gerne schnell ausräumen: Meine Prota ist nicht vergewaltigt worden! Tatsächlich wollte ich dies am Anfang suggerieren, aber später hatte ich gehofft, es löst sich klar auf. Der Mann, den sie da stalkt, ist ihr Exverlobter. Aus der Opferrolle wollte ich sie in die Täterrolle verschieben, der einfach nur Neid, Zorn und Verletzung des Egos zugrunde liegt und die große Angst unsichtbar und langweilig zu sein.

@Stefanie: Vielen Dank 😊

@Hobbes, Nebenfluss, Katinka, holg und d.frank: Danke für eure ehrlichen Kommentare.

@RAc: Wow, ich fühle mich sehr geehrt. Dank dir 😊

@Nihil: Geschmäcker sind verschieden. Trotz viel Rauch und Feuer kein Funkenflug zu dir. Das ist okay. Danke dass du mir trotzdem so viel Kommentar dagelassen hast 😊

@MauerseglerIn: (schöner Nick!) Lieben Dank 😊

@Kojote: Danke für deinen Kommentar. Facebook mag ich gar nicht. Vermutlich hat man mir das angemerkt. Beim Ende gebe ich dir recht. So richtig gefällt mir das auch nicht und ich habe lange überlegt und hinterher einfach zu wenig Zeichen übriggehabt. Ich dachte, vielleicht wirft sie ihr Smartphone in den nächsten Müll oder lässt es in Flammen aufgehen. Vielleicht wäre das noch eine Idee für eine spätere Überarbeitung.

@Constantine: Ich bin Fan deiner ungeschminkten Kommentare! Besonders freut es mich, dass ich es in deine Top 10 geschafft habe. Danke, dass du dich mit meinem Text beschäftigt hast.
Zu deinem Hinweis Wald vs. Feierabendverkehr. Nun sie sind am Waldrand und sie ist eine ganze Weile auf Facebook unterwegs. Aber du hast recht, wenn ich das so lese, ist die Spanne vermutlich zu kurz erzählt.
Was das Ausschweifende angeht. Da wüsste ich nicht, wie ich es ändern sollte, ohne dass es zu vollgestopft wird oder ich zu viel an anderen Stellen wegkürzen müsste. Ich denke, das würde den Text eher verschlimmbessern.

@V.K.B.: Sorry für die Verwirrung „Lebenslange Haft“. Sagt ihr Männer das nicht gerne zur Ehe? 😊. Danke für deinen Kommentare und die fantastischen 6 Punkte. Deine Wertung ehrt mich trotz der Mängel, die du gefunden hast und ich vermutlich auch nach dem zwanzigsten Male bei mir überlese (schäm…)

@Ribanna und Silke-K-Weiler: Dank euch, eure Meinung freut mich sehr 😊

@Mol: Danke für deinen Kommentar. Stimmt, das Präsens hätte hier sicher gut funktioniert.
Hm, nun traumatisiert ist sie nicht, da es keine Vergewaltigung gab. Bei ihr war es vielmehr die Lust endlich auch mal etwas Gewagtes zu tun. Nicht mehr so vermeintlich langweilig zu sein. Außerdem sind sie schon recht lange zusammen unterwegs. Der Alkohol also auf viele Stunden verteilt und Markus (oder Martin?) ist ein recht netter Kerl 😉
Dass du meinst, es könnte zwei verschiedene Personen an dem Text geschrieben hast, finde ich interessant.

@marinaheartsync: lieben Dank!

@DLurie: Wow, danke 😊

@Jenni: auch dir lieben Dank!

@Kiara: 12 Punkte hauen mich um. Vielen Dank!

@Globo: Finde ich toll, wie du deine Bewertungen aufgebaut und überall konsequent durchgezogen hast! Dass dir meine Geschichte gefallen hat, das freut mich sehr, auch wenn sich meine große Befürchtung bestätigt hat: der gefundene Holzhammer war tatsächlich meiner. Sorry dafür. Du hast vollkommen recht damit.

@Selanna: Dein Kommentar haut mich um und lässt mich an einigen Stellen sogar erröten vor so viel Lob. Wahnsinn, wieviel Mühe du dir gemacht hast. Deine Anmerkungen werde ich gerne nutzen, um hie und da noch etwas zu verbessern. Mich freut auch, dass du an der richtigen Stelle gelacht hast 😊

@Nicolailevin: Danke für deinen lieben Kommentar. Der freut mich auch außerordentlich.
Warum es den Mittäter braucht? Um sie näher beschreiben und charakterisieren zu können. Jemanden küssen und ein Selfie posten, den man eigentlich gar nicht mag, nur um des Scheins für Facebook willen, z.B.
Ja sie ist zerrissen und tief gekränkt. Frau reicht das 😉
Oh, ich kenne viele, die ihren Ex auf FB behalten und regelmäßig verfolgen, ob er schneller über die Trennung hinwegkommt, vermeintlich glücklicher ist usw. Fluch unserer Zeit vielleicht.

@anderswolf: Danke für die Mühe so einen langen Kommentar zu schreiben, auch wenn dich mein Text nicht überzeugen konnte. Siehst du ihn mit anderen Augen, jetzt da du weißt, dass sie gar nicht vergewaltig worden ist, oder macht es die Sache nur noch schlimmer/schlechter? LG

Nochmal herzlichen Dank für eure Kommentare 😊


_________________
Ich lebe mein Leben in wachsenden Ringen, die sich über die Dinge ziehn.
Ich werde den Nächsten vielleicht nicht vollbringen, aber versuchen will ich ihn.
Ich kreise um Gott, um den uralten Turm und ich kreise Jahrtausende lang.
Und ich weiß noch nicht: bin ich ein Falke, ein Sturm? Oder ein großer Gesang... (R.M. Rilke)
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