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Unter Staub und Müll


 
 
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vLeX
Geschlecht:männlichGänsefüßchen
V


Beiträge: 26



V
Beitrag30.03.2008 22:33
Unter Staub und Müll
von vLeX
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Unter Staub und Müll

Mein dunkelblaues T-Shirt klebte durch den Schweiß an meinem Körper, meine Hände hingegen waren trocken und rau. Die Hosen, die durchgesessen und abgenutzt an mir hingen dienten ihrem Zweck. Ich nahm einen großen Schluck aus der Wasserflasche und stelle sie auf den mit Staub bedeckten Boden.
„So, jetzt noch den Dachboden entrümpeln“, sagte ich mir. Zugegeben, als meine Frau und ich die Immobilie besichtigten, die wir jetzt ironischerweise nur "die Bruchbude" nannten, hatten wie die Arbeit bei weitem unterschätzt die wir noch aufbringen mussten bis wir uns heimisch fühlen konnten.
Aber ein denkmalgeschütztes Haus zu erwerben war einfach ein zu verführerisches Angebot, um es abzuschlagen. Außerdem verliebte sich meine Frau sofort in die hohen mit Ornamenten verzierten Decken, die großen hellen Räume und das "Landhausflair" wie sie es nannte.

Also verstaute ich ein staubiges, mit Spinnenweben benetztes Relikt nach dem anderen in Kartons. Darunter alte morsche Bilderrahmen, kaputte Nähmaschinen, zersplitterte Spiegel, Körbe und diverse Holzbretter die wohl beim Zuschnitt von irgendwelchen Möbeln übrig geblieben sind.
Dann plötzlich viel mir ein kleines, in rotes Leder, gefasstes Buch auf. Ich schlug es auf. Die Schrift war sehr aufgehellt. Es musste mit einem Füller geschrieben worden sein, vor etlichen Jahren. Als ich die Seiten durch meine Finger laufen lies, sah ich alte Fotografien, so alt das manche bis zur Unkenntlichkeit verblasst waren. Ohne großartig zu überlegen, steckte ich das Buch in die Gesäßtasche und ging meiner Arbeit weiter nach. Warum ich das Buch nicht einfach in einen Karton geworfen habe, kann ich jetzt im Nachhinein auch nicht sagen, vielleicht war es Intuition.

Zwei Tage später saß ich auf der Couch und blätterte durch die Tageszeitung als mich meine Frau fragte, ob ich denn das Buch noch bräuchte, das Sie in meinen Jeans gefunden hatte. Ich antwortete: "Nein...ach warte… gib’s mal her." Sie kam vom Waschraum hoch mit einem fast leeren Korb, nur das kleine Büchlein lag darin. "Bitte der Herr, ihre Bettlektüre!" sagte Sie spöttisch, da sie mein Leseverhalten kannte.
Ich schlug das Buch auf und las die Innenseite des Covers, "Tagebuch von Maria Grünbaum, 1923 - 1944"
Natürlich wusste ich, dass Tagebücher etwas Persönliches sind, aber ich war viel zu neugierig auf meinen Fund, als dass ich es einfach wegschließen konnte. Ich begann zu lesen. Anscheinend begann die Aufzeichnung des 17-jähringen Mädchens (wie ich aus den ersten Seiten des Buchs erfahren hatte) mit Einzug in dieses Haus. Sie erzählte über Ihre Eltern, das Verhältnis zu ihrem 2 Jahre jüngerem Bruder, und obgleich es so banale Dinge waren, begann ich eine unheimliche Neugier zu fühlen. Diese Geschichte war weder von jemand geschrieben der auf Profit aus war, noch von jemand der etwas Bestimmtes zu erzählen hatte, es war ein Stück Leben eines Menschen, und das machte es so interessant. Sie erzählte wie sie Dinge gehört hatte, die nicht für Ihre Ohren bestimmt waren. Über Hausarrest und Liebeskummer, es war alles unheimlich authentisch und ehrlich.
"Schatz, beweg doch mal deinen Knack-Popo hier runter und hilf mir die Wäsche aufzuhängen." rief mich meine Frau mitten auf der 14. Seite.

Ich begann jeden Abend darin zu lesen. Meine Frau erkannte mich, zu Ihrem erfreuen, fast nicht wieder. Ich wusste mittlerweile sehr viel über Maria und begann mir vorzustellen wie sie aussah. War sie hübsch oder hässlich, groß oder klein, intelligent war sie in jedem Fall Ihre Rechtschreibung und Federführung war tadellos. Sie schrieb selten über Freunde, also ging ich davon aus, dass sie Ihr Tagebuch als Freundin nutzte und ihm alles erzählt, was ihr auf der Seele liegt.
 
Eines Abends, als mir beim Lesen fast schon die Augen zufielen, blätterte ich zu meiner vorsätzlich letzten Seite für diesen Abend. Ich las:

"Alle reden über diesen Adolf Hitler. Ich weiß nicht was ich von diesem Menschen halten soll. Er kandidiert als Kanzler und hat einige Ideen, die ich nicht verstehe, aber Vater sehr aufregen."

Auf einmal schlug mein Herz wie wild. Keine Spur mehr von Müdigkeit. "Grünbaum, natürlich!" zischte es durch meinen Geist,"1923 bis 1943" Ich schrie schon fast: "Schatz!" doch als ich auf die Uhr schaute und 1:24 las, dachte ich es wäre wohl doch kluger, wenn ich ihr erst morgen erzähle, was ich hier in Händen halte.

Die nächsten Seiten waren sehr unregelmäßig geschrieben. Mal waren Tage, Wochen oder zum Teil Monate dazwischen. Doch was ich las, kann ich kaum in Worte fassen. Angst, Hoffnung, Erleichterung und wieder Angst schlugen mir in Wogen aus dem kleinen roten Buch entgegen. Ich zitterte, mir wurde kalt und warm. Wut und Enttäuschung empfand ich um 4:47 Uhr als ich auf der letzten Seite angekommen war. Und las:

"Ich hoffe Sie finden dich nicht, mein Tagebuch. Ich werde wohl gleich abgeholt. Die LKWs rollen schon in den Vorgarten und machen Mamas Rosen kaputt. Obwohl sie uns versprechen, dass alles gut wird, habe ich fürchterliche Angst. Ich habe Angst, dass sie mir wehtun."

Plötzlich tropfte etwas auf das vor alter gelbliche Papier, ich begann zu weinen. Zum ersten Mal seit Jahren, musste ich weinen. Meine Frau wachte auf und war entsetzt. Sie umarmte mich.

"Was ist denn los?"
"Wir müssen schreiben. Wir alle müssen schreiben!"
"Warum denn Schatz, was ist passiert."
"Damit die Menschen verstehen was war, und was nie wieder sein darf!"

Von diesem Tag an schrieb auch ich ein Tagebuch.



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princess of night
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Beitrag03.04.2008 08:55

von princess of night
Antworten mit Zitat

hallo vLex..du hast einen fesselnden text geschrieben..dein erzählstil ist flüssig und auch unterhaltsam..ich hab nur ein paar kleine anmerkungen dazu:

Zitat:
Sie schrieb selten über Freunde, also ging ich davon aus, dass sie Ihr Tagebuch als Freundin nutzte und ihm alles erzählt, was ihr auf der Seele liegt.

da bist du in der zeit durcheinander gekommen..
 Sie schrieb selten über Freunde, also ging ich davon aus, dass sie Ihr Tagebuch als Freundin nutzte und ihm alles erzählte, was ihr auf der Seele lag.



Zitat:
Dann plötzlich viel mir ein kleines, in rotes Leder, gefasstes Buch auf.


Dann plötzlich fiel mir ein kleines, in rotes Leder, gefasstes Buch auf.

Zitat:
Auf einmal schlug mein Herz wie wild. Keine Spur mehr von Müdigkeit. "Grünbaum, natürlich!" zischte es durch meinen Geist,"1923 bis 1943" Ich schrie schon fast: "Schatz!" doch als ich auf die Uhr schaute und 1:24 las, dachte ich es wäre wohl doch kluger, wenn ich ihr erst morgen erzähle, was ich hier in Händen halte.


Auf einmal schlug mein Herz wie wild. Keine Spur mehr von Müdigkeit. "Grünbaum, natürlich!" zischte es durch meinen Geist,"1923 bis 1943" Ich schrie schon fast: "Schatz!" doch als ich auf die Uhr schaute und 1:24 las, dachte ich es wäre wohl doch klüger, wenn ich ihr erst am anderen Tag erzähle was ich in Händen hielt.



Zitat:
Plötzlich tropfte etwas auf das vor alter gelbliche Papier, ich begann zu weinen. Zum ersten Mal seit Jahren, musste ich weinen. Meine Frau wachte auf und war entsetzt. Sie umarmte mich.

"Was ist denn los?"
"Wir müssen schreiben. Wir alle müssen schreiben!"
"Warum denn Schatz, was ist passiert."
"Damit die Menschen verstehen was war, und was nie wieder sein darf!"

Von diesem Tag an schrieb auch ich ein Tagebuch.



das ende ist mir zu knapp..man ist im lesefluss und plötzlich-als hättest du keine lust mehr gehabt- ist die story zu ende..vielleicht hätte man es etwas sanfter zu ende bringen können...aber das ist nur mein empfinden..wie gesagt: deinen erzählstil und die idee der story finde ich gut..

LG
princess of night


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princess of night
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Wohnort: Planet Erde


Beitrag03.04.2008 08:58

von princess of night
Antworten mit Zitat

hab gerade gesehen du hast den text ja auch in schreibübungen stehen..naja..doppelt gemoppelte rezensionen..grins..wird der text denn dann auch überarbeitet oder bleibt er so stehen?

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vLeX
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Beiträge: 26



V
Beitrag10.04.2008 23:35

von vLeX
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Hi Princess,

ich überarbeite den selbstverständlich. Einige Tipps werde ich annehmen, andere vielleicht weniger Wink

Vielen Dank das du dir die Zeit genommen hast den Text zu lesen. Und danke für die Rezession.


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