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Jungsternblüte


 
 
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Gast







Beitrag21.01.2018 14:03
Jungsternblüte
von Gast
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Hallo Leute,

nach langer Zeit wieder einmal ein Beitrag von mir. Es ist das erste Kapitel eines Romans, über einen Jungen, der im Wald aufwächst, versorgt von Mutter Natur, und später die Kälte der Zivilisation spüren muss.

Freue mich über Rückmeldungen!

JUNGSTERNBLÜTE

die eigene Perspektive, wie eine wilde Wiese
mit Blumen und Gräsern, vielleicht einem Bach
man kann auf ihr spielen, lachen und fliegen
nur eins kann man nicht, sie selbst besiegen

Alles fügt sich zu einem Traum, wenn sich die Blätter des Waldes im Wind wiegen und in diesem Moment, der Körper, der Säugling, der Held dieser Geschichte - ich, mir meiner eigenen Fähigkeiten bewusst werde, aufwache, handele und lebe. Erinnerung ist nichts anderes das Gefühl der Geborgenheit des Moos, dass mich umhüllt, und die Zitzen der Bache, die mich versorgen. Rings um mich herum nur die Stiele des Grases und der Huflattich-Blätter, die der Waldhauch von einer Seite zur anderen bläst. Das Rauschen, das entlegenen Baches und das Vogelgezwitscher, spenden mir Lebensenergie und Lebenslust. Ich balle meine Hände zu Fäusten – ein erster Ausdruck meines eigenen Willens.
Nebel hängt in der Atmosphäre und ein Tropfen Tauwasser bildet sich auf einem Blatt über meinem Kopf, bis die Schwerkraft ihn auf meiner Stirn in dutzend kleine Tropfen zerspringen lässt. Diese Abkühlung macht mich, vom Säugling, zum Held dieser Geschichte, zumindest spürte ich kurz, dass ich zum Held werden könnte, wenn ich es zulassen würde. Meine Ambitionen erwachen, der Wunsch mich vom Rücken, auf den Bauch zu drehen, mich zu bewegen, meine Perspektive zu ändern, wird stärker und stärker, doch ich stoße mit jedem Anlauf, mich zu drehen, an meine Grenzen. Meine Mutter, das weibliche Wildschwein, kann mich nicht länger leiden sehen, nimmt ein paar Schritte Anlauf und gibt mir mit der Schnauze den entscheidenden Impuls, meine Drehbewegung zu vollenden. Ich lache ins Moos. Meine Perspektive ist verzaubert und der Geruch feuchter Erde steigt mir in die Nase.
Ich will auf allen Vieren krabbeln. Der Erste Anlauf ist ein Versuch und ich freue mich über den missglückten Ausgang, denn die Blätter, die ich dabei berühre, belohnen mich mit einer erfrischenden Dusche. Immer und immer wieder versuche ich meinen Bauch aus dem Moos zu heben, versuche den Gang der Bache und ihrer Frischlinge nach zu ahmen und immer wieder lande ich auf dem Bauch. Niemand hilft mir und jeder Anlauf ist ein Misserfolg. Ich träume, von einem alten Mann, der tagtäglich einen Felsbrocken auf einen steilen Hügel rollt. Der jeden Abend, von diesem Felsbrocken überrollt wird und am nächsten Tag wieder von Vorne beginnen muss. Mich belohnt jeder Misserfolg mit neuen Sinneseindrücken und so frage ich mich, ob nie endende Qual, nicht einfach die Freude der Wiederholung sein könnte. Ober ist es viel mehr so, dass die wahre Freude in dem Moment entsteht, in dem die Qual zur Routine wird? Ein Eichhörnchen springt über meinen Rücken.
Ich beobachte die Frischlinge und freunde mich mit ihnen an. Es sind meine Geschwister, sie laufen herum, tanzen ihr Spiel, nähren sich an meiner Mutter und der Neid frisst mich auf, dass ich immer darauf angewiesen bin, dass sie auf mich zu kommen. Ich kann nicht krabbeln. Meine Familie kann mir nicht helfen, mich aufzurichten. Immerhin, kann ich mich jetzt schon alleine vom Bauch auf den Rücken drehen und umgekehrt. Die Tänze der Blätter, zeichnen, immer neue Variationen der selben Bewegung - ein Spiegel der Veränderung bei gleichzeitigem Stillstand.
Ich habe ein Bewusstsein der tiefsten Unmittelbarkeit, das Reflexion nicht kennt. Irgend etwas überkommt mich. Es ist noch nicht einmal ein vages Gefühl, ich glaube mich von meiner Umgebung zu unterscheiden, doch formuliert sich dieses Gefühl nicht als Frage. Nicht in Worten. Doch ich bekomme eine Antwort von meiner Mutter. Die Bache bringt mir eine Ledertasche und ich finde darin einen Walkman und eine Kassette. „Jetzt geht’s ab“ von den Fantastischen Vier. Nach Stunden schaffe ich es den Walkman einzuschalten. Die Spatzen pfeifen, der Löwenzahn und die Gänseblümchen wippen im Beat, der ganze Wald grooved mit mir, und mir fällt auf, dass ich eine ganz andere Sprache spreche, als alle um mich herum. Der Wald quieckt, schnattert, pfeift, grunzt und faucht, doch die Fantastischen Vier richten ihre Sprache direkt an mich. Verwirrung komplett, doch Sissipus lässt mich nicht los und mein Lebensmut steigt. Ich lerne krabbeln und finde zwischen Erde und Blättern Bucheckern, lerne sie zu öffnen, lerne sie zu genießen.
Schnee. Die Spuren des Rotfuchs zeigen mir den Weg in eine neue Welt, und ich verabschiede mich von der Bache, mache mich auf die Suche nach neuer Wärme. Im Fuchsbau angekommen, kuschelt sich das freundliche Raubtier um mich und der Fuchs erzählt mir, er hätte sich vor Jahren mit der Bache zerstritten und das sie sich seitdem das Sorge-recht teilen. Jetzt werde ich mit kräftigenden Speisen versorgt und genieße die neue Freiheit, so lange aus zu bleiben, wie ich will. Ich genieße diese Freiheit, bis ich eine Lichtung entdeckte. Schneemänner tanzen herum, drei Bunte und ein Weißer. Der Weiße Schneemann ist ständig von den anderen umzingelt und bekommt eine Karotte und Kohlestücke ins Gesicht gesteckt. Ich solidarisiere mich sofort mit ihm, weil er ja offensichtlich von den anderen verarscht wird, ein Außenseiter ist. Doch sie lachen nur und machen Schneeengel. Mir wird klar, sie sind wie ich, nur moderner bekleidet. Wieder Neid und wieder der Gedanke an Sissiphus, denn mir wir wird klar, dass ich das alles auch können würde, wenn ich es nur stark genug wollen würde. Die Kinder laufen im Kreis. Aufrecht, wie mir auffällt.
„Hey Sandy.“, ruft Jessika.
„Was ist Lulu?“, ruft Sandy.
„Ich bin nicht Jessika.“, ruft Lulu.
„Nennen wir ihn Kuno!“, sagt Jessika.
Der Schneemann ist gemeint und ich spüre Schmerzen in meinen Händen und Füßen, der Frost bohrt sich bis zu meinen Knochen. Ich verziehe mich in den Fuchsbau, schlafe und höre Hiphop, bis ich die ersten Worte sprechen kann und die Bäume wieder Blätter tragen.
Das Eichhörnchen läuft, steht, springt, steht und nagt an einer Haselnuss. Es neckt mich, krabbelt über meinen Rücken, fordert mich auf aufrecht vor ihm zu stehen. Ich nehme die Herausforderung an, doch es will und will nicht klappen, dass mich meine Beine tragen. Das Eichhörnchen huscht auf eine Buche. Ich folge ihm und schaffe es, mich am Baumstamm aufzurichten. Rinde unter meinen Fingernägeln.
Ein paar Tage später mache ich meine ersten Schritte auf zwei Beinen. Ein Schritt nach dem anderen und vor mir steht die Bache. Ich sehe auf sie herab und setze die Kopfhörer auf. Sie gibt mir zu verstehen ihr zu folgen, ich verliere sie immer wieder aus den Augen, sie wartet und ich nehme Fährte wieder auf, bis das Plätschern des Baches in das Rauschen eines Wasserfalles übergeht. Die Freude überkommt mich und meine Beine laufen schneller, bis ich rutsche und sanft im Becken unter dem Wasserfall lande. Forellen umkreisen mich.
Ich tauche und erforsche die Unterwassersteinwelt, bis die Luft engt wird und ich die Überlegenheit der Forellen in ihrer Disziplin anerkennen muss. Ich stehe auf. Lange verharre ich in der Beobachtungsposition und analysiere das Verhalten der Forellen. Es ist vertrackt. Sobald ich mit der Hand die Wasseroberfläche berühre, wechseln die Fische blitzartig ihre Position. Wieder und wieder versuche ich die Forellen in Sicherheit zu wiegen um im richtigen Moment einen Angriff zu wagen, doch Versuch um Versuch schlägt fehl. Irgendwann fällt mir auf, dass sich meine Fingerspitzen im Wasser spiegeln. Das ist Neu. Es ist mir, als würde ich, mit der Fingerspitze meines Zeigefingers, einen anderen  Zeigefinger berühren - und doch ist dieser nicht wirklich da. Dann strecke ich meine fünf Finger aus und gebe mir selbst high five. Ich muss lachen. Doch gleich mache ich eine noch größere Entdeckung. Mein eigenes Gesicht schaut mir, von leichten Wellen verzerrt aus dem Wasser entgegen. Doch ich erkenne mich nicht gleich. Ich erinnere mich an die im Schnee spielenden Kinder. Bin ich so einer? Gehöre ich da dazu? Aber sind die nicht anders? Wer ist der, der mir aus dem Wasser entgegen blickt? Ich bewege meinen Oberkörper nach links und nach rechts und beobachte dabei die Spiegelung. Dann erkenne ich mein Spiegelbild und lache mir selbst ins Gesicht.
Ich hebe meinen Blick, starre in das Gesicht einer jungen Köchin, mit einem Korb voller Erdbeeren und erkenne in ihr meine leibliche Mutter. Das Wasser in meinen Augen zwingt mich mein Gesicht mit den Fäusten zu reiben und noch bevor ich meine Begierde nach den Erdbeeren ausdrücken kann, ist die Köchin wieder verschwunden.
Nackt vor mir selbst und frei, sehe ich eine Forelle in meiner Nähe, die sich unbeobachtet fühlt. Vollkommen geistesgegenwärtig greife ich zu und fange den Fisch mit der freien Hand, steige aus dem Becken, erschlage die Forelle mit einem Stein und grabe meine Hände zwischen die Gräten, filetiere mein Frühstück ungekocht. Zufrieden kippe ich weg und vor dem Nichts meiner geschlossenen Augen entfaltet sich ein Lagerfeuer.

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RememberDecember59
Geschlecht:weiblichKlammeraffe


Beiträge: 507
Wohnort: Franken


Beitrag22.01.2018 23:15

von RememberDecember59
Antworten mit Zitat

Hallo weitereStimme! smile
Als ich gelesen habe, worum es gehen würde, war meine Neugier geweckt. Die Idee finde ich gut.
Die Umsetzung ist allerdings überhaupt nicht mein Fall. Die ganze Geschichte ist schon ziemlich schräg und ich war mir nicht immer sicher, ob das beabsichtigt ist. Sprachlich ist es mir am Anfang zu schwärmerisch und kitschig (bei den "Blättern des Waldes im Wind" und den "Zitzen der Bache" wäre ich schon fast ausgestiegen Laughing), zwischendrin dann aber plötzlich ein Bruch und die Verwendung derber Wörter wie „verarschen“, das passte für mich nicht so recht. Auch inhaltlich finde ich das Ganze eher befremdlich – der Säugling und die Bache, dann der Walkman, dann Schneemann und andere Kinder. Der Säugling kann nicht laufen, versteht aber die Sprachen ohne Mühe, kennt sogar die Namen der Kinder, obwohl ihr Anblick ja neu für sie ist. Ich habe wirklich Schwierigkeiten, mir das alles vorzustellen. Falls das gewollt schräg und wunderlich ist, ist es mir nicht konsequent genug umgesetzt.

Soweit mal mein erster Eindruck dazu, ich hoffe, du nimmst es nicht persönlich. smile


_________________
Bartimäus: "...-was ist das?"
Kobold: "Hätte mich das jemand anders gefragt, o Herr, der ihr Schrecklich und Unübertrefflich seid, hätte ich ihn einen Dummkopf genannt, bei Euch jedoch ist diese Frage ein Zeichen jener entwaffnenden Schlichtheit, welche der Born aller Tugend ist. ..."

Bartimäus I (Jonathan Stroud)
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