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Die andere Frau


 
 
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Zauberzunge
Gänsefüßchen
Z


Beiträge: 32
Wohnort: Europa


Z
Beitrag28.07.2016 15:07
Die andere Frau
von Zauberzunge
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Die Andere

Das Probeessen für die Hochzeit ihres Cousins hätte perfekt werden können. Doch noch während alle in die Speisekarten schauten betrat Raoul an der Seite einer dunkelhaarigen Schönheit das Restaurant. Mit einem charmanten Lächeln hielt er ihr die Tür auf, nahm ihr den Mantel ab und hängte ihn auf einen Bügel.
Midja spähte durch das halboffene Regal, das den Eingangsbereich von ihrem Tisch trennte und seinen Anblick vor den Augen ihrer Verwandten verbarg, beobachtete, wie sie sich bei ihm unterhakte und sie beide auf einen kleinen Tisch unweit von ihrem zusteuerten. Es war zu spät. Gleich würde ihre ganze Familie ihn sehen. Und dann würden sich alle fragen, was Midjas Freund hier machte und warum er eine andere Frau zu einem Zweiertisch führte… Was für eine Demütigung…
Raoul sah sie. Starrte Midja einfach nur an als hätte er sie nie zuvor gesehen. Als hätte er nicht erst vor zwei Wochen bei ihr zu Hause neben ihr auf dem Sofa gesessen und minutenlang ihre Hand gestreichelt, während er geduldig ihrer Mutter zuhörte, die ihm erzählte, wie sie als kleines Mädchen aus dem Ballettunterricht geflogen war… Midja starrte zurück. Und er fasste sich wieder, drehte sich um und zog seine Begleiterin mit sich. Midja bekam gerade noch mit, wie sich die Restauranttür schloss und dann war er verschwunden. Erleichtert atmete Midja durch.
Seine Begleiterin war jetzt allein. Einen Moment verharrte sie, doch dann ging sie doch auf den Tisch zu, den die beiden eben angesteuert hatten und setzte sich. Midja drehte unauffällig den Kopf nach ihr, doch die Andere fing ihren Blick auf und erwiderte ihn. Midja erstarrte und hastig drehte sie sich wieder um. Ihre Verwandten hatten nichts von alldem bemerkt. Doch Midja konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen. Geistesabwesend faltete sie die Hände, nur um sie im nächsten Moment wieder zu lösen, neben den Teller zu legen und dann sinken zu lassen, ihr Fuß stieß ans Stuhlbein, ihre Schultern spannten sich. Fast schien es, als könnte sie die Andere in ihrem Rücken spüren…
„Hey, was… jetzt nicht dein Ernst… so ausgemacht… deine Sache!“
War das ihre Stimme? Midja hörte kaum mehr als ein gedämpftes Murmeln. Telefonierte sie mit Raoul? War sie wirklich…? Ich brauche Gewissheit. Eine Bestätigung. Irgendetwas. Sonst platze ich.
Sacht legte Midja ihrer Großtante eine Hand auf die Schulter. „Die da drüben – Ich glaube, die kenne ich. Ich schau mal kurz zu ihr rüber, in Ordnung?“
„Natürlich. Lass sie da nicht alleine sitzen. Wir Mädchen sollten zusammenhalten.“, raunte sie Midja verschwörerisch zu. Midja grinste zurück. Dann nahm sie allen Mut zusammen, erhob sich und ging auf die Fremde zu. Mittlerweile hatte diese das Telefonat beendet und sah zu ihr hoch, als sie Midja bemerkte.
„Hat er dich sitzen lassen?“, fragte sie.
„Was? Wie kommst du…“ Midja sagte nichts, zog nur vielsagend die Augenbraue hoch. Die Andere verstand. „Er verspätet sich.“, gab sie zu. „Seine Arbeit.“
„So ein Idiot. Vergiss ihn am besten einfach.“ Die Fremde schien sich zu entspannen und ihr Gesicht wurde weicher. Oh ja, bitte, vergiss ihn, vergiss ihn einfach ganz, ganz schnell!
„Da hat wohl eine Erfahrung, was?“
„Geht so.“
„So schlimm?“
„Ach“ Midja winkte ab. „Es gibt wichtigere Dinge.“ Sie schwieg einen Moment. „Hi, ich bin Midja.“, sagte sie und streckte der Anderen die Hand hin. Darüber lachten sie beide.
„Mariann.“, antwortete sie. „Willst du dich vielleicht zu mir setzen?“

Mariann

Etwa eine Stunde und zwei Tassen Kaffee später saßen sie immer noch beieinander und unterhielten sich.
„Tja.“, sagte Mariann. „Und seitdem wollte ich eigentlich irgendwann mal wieder hin. Aber bis heute hat es nicht geklappt.“ Ihre Hand strich über Midjas. Nur ganz kurz. Aber schon zum dritten Mal. Konnte das wirklich… Unsinn. Das bildest du dir nur ein! Mariann mochte sie, ganz bestimmt, aber…
Marianns Handy klingelte dezent. „‘Tschuldigung.“, sagte sie bevor sie dranging. Midja sah zur Seite, um zumindest nicht auszusehen, als ob sie lauschte und ließ ihren Blick durch das Restaurant schweifen. Bis eben hatte sie fast vergessen, wo sie war, dass ihre Familie an dem langen Tisch gleich hinter ihr saß, dass Raoul hier gewesen war…
„Gut, dann bis gleich.“ Mariann verabschiedete sich und legte auf. „Mein Onkel.“, erklärte sie. „Meine Tante und mein Onkel sind auf dem Weg hierher. Und sie bringen meinen Freund mit. Sie haben ihn zufällig an der U-Bahn Station getroffen. Komisch, oder?“
Mein Freund. Die Worte versetzen Midja einen Stich. Ach, tu jetzt nicht so als ob du’s nicht die ganze Zeit gewusst hättest! „Das… ist aber nicht der, der dich hier sitzen gelassen hat, oder? Der noch bei der Arbeit war?“, fragte Midja.
„Einen anderen hab ich ja nicht.“, meinte Mariann schulterzu¬ckend. „Ich wollte ihn heute meinen Eltern vorstellen und ihn vorher noch treffen. Das hat er dann nicht mehr geschafft, aber Hauptsache er kommt zum Abendessen. Naja. Ist ja eigentlich nicht so schlimm. Immerhin bin ich hier ja in guter Gesellschaft.“ Dabei lächelte sie wieder. Es war ein warmes Lächeln. Freundlich. Vertrauensvoll. Und vielleicht… Schluss mit diesem Rumgerede! Midja blieb nichts anderes mehr übrig.
„Ich muss dir was sagen.“ Es war heraus, bevor Midja sich noch zurückhalten konnte.
„Ok?“ Das erste Mal klang Mariann skeptisch.
Midja zog ihr Handy aus der Tasche, tippte auf das Fotoprogramm und suchte ein Bild von Raoul und sich heraus, auf dem er den Arm um ihre Schultern gelegt hatte. Fast so, wie er vor einer Stunde mit Mariann hier hereinspaziert war. Wortlos streckte Midja ihr das Handy hin. Mariann schwieg. Das Stimmgewirr der Gäste und das Besteckklappern waren auf einmal schrecklich laut.
„Du… Du wusstest, dass er es ist.“, stellte Mariann nach einer Pause fest.
„Er ist nicht mein Freund.“, erklärte Midja.
„Ja, natürlich nicht.“ Mariann verschränkte die Arme vor der Brust.
„Wirklich nicht. Wenn du ihn liebst, wenn du wirklich mit ihm zusammen bist…“
„Ja, genau, nur für den Fall, dass ich dir wirklich den Freund ausgespannt habe.“, entgegnete Mariann leise.
„Er arbeitet bei einer Begleitagentur.“, sagte Midja schlicht. Mariann verstummte. Und… sie hat es nicht gewusst, dachte Midja.
„Mein Cousin heiratet bald. Und ich wollte einfach nicht allein dort hingehen und mir den ganzen Abend anhören, dass ich den Richtigen schon noch finden werde. Mein Cousin ist genauso alt wie ich, aber er heiratet.“, sprudelte es aus Midja heraus. „Er wünscht sich Kinder. Er ist so erwachsen und verantwortungsbe¬wusst und … bindungsfähig und reif und ich… lassen wir das.“ Jetzt wo sie es aussprach kam ihr die ganze Sache noch zehnmal erbärmlicher vor. Sie wird dich jetzt nicht trösten. Immerhin geht es hier um ihren Freund.
„Ich hab ihn meiner Familie vorgestellt und die waren hin und weg von ihm.“
Wieder schwiegen sie eine Weile.
„Du warst das also“, überlegte Mariann laut. „Er ist wegen dir gegangen. Aber… warum bist du zu mir gekommen? Wolltest du wissen ob ich ihn auch engagiert habe?“
„Hast du?“ Midja sah sie an. Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals, während sie auf eine Antwort wartete. Mariann schwieg.
„Und was würde das ändern?“, erwiderte sie schließlich.
„Nur…“, begann Midja. „Ich weiß nicht. Aber… Wenn er gleich kommt…“ Midja wollte das nicht. Aber es gab keinen anderen Weg. „Meine Familie wird ihn erkennen.“, erklärte sie. „Und ich kann ihnen das nicht sagen, verstehst du? Das ist wirklich wichtig.“ Midja versuchte, weiter zu reden. Es ihr zu erklären. Aber sie konnte nicht. Es war eine Sache, hier mit Mariann zu sitzen und zu reden, und sich ganz selbstverständlich für das nächste Eishockeyspiel zu verabreden. Aber das hier… Was hab ich mir da nur eingebrockt? Was mache ich hier? Sie wollte es Mariann erklären, was sie dachte, was sie wollte, unbedingt sogar, die ganze Zeit. Aber nicht so, nicht jetzt und nicht hier, wo ihre ganze Familie direkt am Tisch hinter ihr saß und wahrscheinlich jedes Wort hören könnte… „Ich muss… ich muss… Sonst verliere ich das Gesicht, ich kann doch nicht…“
„Das heißt dann wohl, wir müssen…“ Wir… Midjas Gedanken rasten. Mariann spähte an Midja vorbei in Richtung Tür und seufzte. „Zu spät. Da kommen sie.“ Sie, dachte Midja, sie und wir…
Midja sah sich um. Tatsächlich. Ein gut gekleidetes Ehepaar in den späten Fünfzigern betrat das Restaurant und hinter ihnen, ganz klein und versteckt… kam Raoul. Als er Midja und Mariann am selben Tisch sitzen sah riss er erschrocken die Augen auf.
„Bitte“, flehte Midja. „Wenn du wirklich mit ihm zusammen bist, kannst du deiner Tante und deinem Onkel hinterher erzählen, dass ich verrückt bin, unter Verfolgungswahn leide, was auch immer. Wenn ihr zusammen seid, dann…“
Das Ehepaar hatte Mariann mittlerweile entdeckt, die Tante winkte und die drei kamen auf ihren Tisch zu. Hastig spähte Midja zu ihrer eigenen Familie. Tatsächlich. Ihre Mutter hatte Raoul bemerkt, ihr Onkel und ihr Großonkel starrten zu ihm hinüber und Midjas Großonkel legte eine Hand auf die Schulter ihres Vaters… Sie wandte das Gesicht ab.
„Ok. Und was ist wenn nicht?“ Das war Mariann. War das ernst gemeint, war das…? Das muss gar nichts heißen, gar nichts…! Aber es könnte. Es könnte gut… „Danke“, flüsterte Midja, für mehr reichte die Zeit nicht, bis die Tante an ihren Tisch getreten war und ihre Nichte umarmte. Der Onkel schien etwas zu Midja sagen zu wollen, doch sie sah nur zu Raoul, der vor Mariann stand und aussah, als wäre er überall auf der Welt lieber als ausge¬rechnet hier.
„Hallo, Raoul, schön dass du da bist. Ich glaube ich hab dich gar nicht mehr gesehen seit du mich betrügst, oder?“ Midja hatte absichtlich laut gesprochen und tatsächlich, schneller als sie gedacht hätte war es still und die Gäste sahen zu ihr hinüber. „Also wie ist das jetzt? Heute gehst du mit ihr und ihrer Familie zusammen essen und morgen kommst du zu mir und sülzt mir vor, wie sehr du mich liebst?“
„Midja, es ist wirklich nicht…“, begann Raoul kleinlaut.
„Ach, scher dich doch zum Teufel, du mieser kleiner Scheißkerl!“, fuhr Midja ihn an. „Du bist so ein erbärmlicher verdammter Lügner, Raoul. Das ist so was von widerlich!“ Raoul wich zurück als fürchtete er, Midja würde ihn schlagen. Also furienhaft ge¬nug, entschied sie.
„Midja, es tut mir leid, ich…“, stammelte er. „Bitte beruhig dich doch.“ Midja schnaubte. Beruhigen? Das kannst du doch besser. „Sie ist…“ Eigentlich tat er Midja leid, wie sein Blick zu Mariann huschte und wieder zurück, wie er eine Ausrede zusammenstammelte und selbst dabei wirklich so klang, als wäre er ihr Freund.
Midja spürte eine Berührung an der Hand. Nur ganz leicht, ganz kurz. Mariann. Unauffällig drehte sie sich zur Seite. „Und was wenn ich nicht mit ihm zusammen bin?“, wiederholte Mariann ebenso leise wie eindringlich.
„Dann ruf mich an.“, flüsterte Midja zurück, so leise, dass sie hoffte, dass es nicht einmal die Tante oder der Onkel hören würden. „Bitte.“
Dass Midja ihm nicht einmal zuhörte, sondern stattdessen mit Mariann flüsterte brachte Raoul noch mehr aus dem Konzept.
„Hältst du mich wirklich für so verdammt dämlich, dass ich nochmal auf dich reinfalle?“, unterbrach Midja das Gestammel. „Das ist echt das Allerletzte! Ich bin so was von fertig mit dir!“ Ohne Mariann oder Raoul noch einmal anzusehen stolzierte Midja zum Tisch ihrer Familie zurück und setzte sich. Die anderen Gäste starrten sie immer noch an.
„Ich habe den Lachs für dich bestellt. Den magst du doch, oder?“, raunte ihre Großtante Midja leise zu, während die anderen Leute endlich ihre Gespräche fortsetzten und weiteraßen. Sie konnte nicht anders als zu lächeln. „Ja, danke. Das ist prima von dir.“ Ihre Großtante nickte, klopfte ihr kurz auf die Schulter und wandte sich dann wieder ihrer Schwägerin zu, die zu ihrer Rechten saß. Midja konnte kaum ruhig sitzen. Nicht weil ihre Schwester, ihre Cousine und ihr anderer Cousin sie so komisch ansahen. Und auch nicht wegen Raoul. Midja konnte an nichts anderes denken als daran, ob Mariann sich bei ihr melden würde.

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Seraiya
Geschlecht:weiblichMondsüchtig


Beiträge: 924



Beitrag28.07.2016 16:40

von Seraiya
Antworten mit Zitat

Hi Zauberzunge,


Zitat:
    Die Andere

Das Probeessen für die Hochzeit ihres Cousins hätte perfekt werden können. Doch noch während alle in die Speisekarten schauten Komma betrat Raoul <- hier denke ich zunächst, dass es sich um den Cousin handelt. an der Seite einer dunkelhaarigen Schönheit das Restaurant. Mit einem charmanten Lächeln hielt er ihr <- "seiner Begleitung" klingt besser die Tür auf, nahm ihr den Mantel ab und hängte ihn auf einen Bügel. <- ihn in der Hand zu behalten wäre angesichts dessen, dass er gleich flüchtet natürlich unpraktisch, trotzdem stört mich dieses dritte Detail.
Midja spähte durch das halboffene Regal, das den Eingangsbereich von ihrem Tisch trennte und seinen<- hier beziehst du dich auf den Eingangsbereich. Ich weiß, dass du Raoul meinst, aber so ist es unsauber. Anblick vor den Augen ihrer Verwandten verbarg, beobachtete, wie sie sich bei ihm unterhakte und sie beide auf einen kleinen Tisch unweit von ihrem <- auch unsauber, auf Bezüge achten zusteuerten. Es war zu spät. Gleich würde ihre ganze Familie ihn sehen. Und dann würden sich alle fragen, was Midjas Freund hier machte und warum er eine andere Frau zu einem Zweiertisch führte… <- das geht einfacher "Warum Midjas Freund eine andere Frau hierher ausführte" zum Beispiel Was für eine Demütigung…
Raoul sah <- schwaches, langweiliges Verb. "entdeckte" klingt besser. sie. Starrte Midja einfach <- kann raus nur an als hätte er sie nie zuvor gesehen. Als hätte <- solch unschöne Dopplungen lassen sich vermeiden. Man könnte den Satz auch zusammennehmen. er nicht erst vor zwei Wochen bei ihr zu Hause neben ihr auf dem Sofa gesessen und minutenlang ihre Hand gestreichelt, während er geduldig ihrer Mutter zuhörte, die ihm erzählte, wie sie <- wer jetzt? Midja oder die Mutter? als kleines Mädchen aus dem Ballettunterricht geflogen war… Midja starrte zurück. Und er fasste sich wieder, drehte sich um und zog seine Begleiterin mit sich. Midja bekam gerade noch mit, wie sich die Restauranttür schloss und dann war er verschwunden. <- hier vermittelst du, dass die Begleitung auch weg ist, weil er sie mit sich gezogen hat. Erleichtert atmete Midja durch.
Seine Begleiterin war jetzt allein. Einen Moment verharrte sie, doch <- kann raus dann ging sie doch auf den Tisch zu, den die beiden eben angesteuert hatten und setzte sich. Midja drehte unauffällig den Kopf nach ihr, <- das passt nicht, weil Midja sie doch ohnehin die ganze Zeit über beobachtet.  doch die Andere fing ihren Blick auf und erwiderte ihn. Midja erstarrte und hastig drehte sie sich wieder um. Ihre Verwandten hatten nichts von alldem bemerkt. Doch Midja konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen. Geistesabwesend faltete sie die Hände, nur um sie im nächsten Moment wieder zu lösen, neben den Teller zu legen und dann sinken zu lassen, ihr Fuß stieß ans Stuhlbein, ihre Schultern spannten sich. Fast schien es, als könnte sie die Andere in ihrem Rücken spüren…
„Hey, was… jetzt nicht dein Ernst… so ausgemacht… deine Sache!“
War das ihre Stimme? Midja hörte kaum mehr als ein gedämpftes Murmeln. Telefonierte sie mit Raoul? War sie wirklich…? Ich brauche Gewissheit. Eine Bestätigung. Irgendetwas. Sonst platze ich. <- Perspektivwechsel
Sacht legte Midja ihrer Großtante eine Hand auf die Schulter. „Die da drüben – Ich glaube, die kenne ich. Ich schau mal kurz zu ihr rüber, in Ordnung?“
„Natürlich. Lass sie da nicht alleine sitzen. Wir Mädchen sollten zusammenhalten. <- hier gehört kein Punkt in die wörtliche Rede, raunte sie Midja verschwörerisch zu. Midja grinste zurück. Dann nahm sie allen Mut zusammen, <- hm, sie hat sich doch schon entschieden und bescheid gesagt, wie sähe das denn jetzt aus, wenn sie dann doch nicht aufsteht?  erhob sich und ging auf die Fremde zu. Mittlerweile hatte diese das Telefonat beendet und sah zu ihr hoch, als sie Midja bemerkte. <- irritierend. Könnte schließlich auch ne Viertelstunde dauern, bis Midja von ihr bemerkt wird. Nicht in Details verzetteln.
„Hat er dich sitzen lassen?“, fragte sie. <- wer fragt hier? ich weiß es, aber es ist mal wieder bezugslos.
„Was? Wie kommst du…“ Absatz!  Midja sagte nichts, zog nur vielsagend die Augenbraue hoch. Die Andere verstand. „Er verspätet sich.“, gab sie zu. „Seine Arbeit.“
„So ein Idiot. Vergiss ihn am besten einfach. <- gewagt, wenn man bedenkt, dass die einander nicht kennenAbsatz! Die Fremde schien sich zu entspannen und ihr Gesicht wurde weicher. <- lass das Gesicht für sich sprechen, das mit dem "entspannen" kann raus Oh ja, bitte, vergiss ihn, vergiss ihn einfach ganz, ganz schnell!
„Da hat wohl eine Erfahrung, was?“
„Geht so.“
„So schlimm?“
„Ach“ Midja winkte ab. „Es gibt wichtigere Dinge.“ Sie schwieg einen Moment. „Hi, ich bin Midja.“, <- Punkt weg  sagte sie und streckte der Anderen die Hand hin. Darüber lachten sie beide.
„Mariann.“, antwortete sie. „Willst du dich vielleicht zu mir setzen?“
<- den Beginn der Unterhaltung empfinde ich als unrealistisch, aber naja. Zunächst mal, dass die zwei einander direkt dutzen, ich weiß aber natürlich auch nicht, wie alt sie sind. Davon abgesehen würden die meistens Frauen wohl auf die erste Frage antworten: " Wer bist du denn? Geht dich das was an?"


Mariann

Etwa <- könnte raus eine Stunde und zwei Tassen Kaffee später saßen sie immer noch beieinander und unterhielten sich.
„Tja.“, sagte Mariann. „Und seitdem wollte ich eigentlich irgendwann mal wieder hin. Aber bis heute hat es nicht geklappt.“ Ihre Hand strich über Midjas. Nur ganz kurz. Aber schon zum dritten Mal. <- warum sind das drei einzelne Sätze? Konnte das wirklich… Unsinn. Das bildest du dir nur ein! <- Perspektivwechsel Mariann mochte sie, ganz bestimmt, aber…
Marianns Handy klingelte dezent <- es könnte auch einfach klingeln. „‘Tschuldigung.“, sagte sie bevor sie dranging. Midja sah zur Seite, um zumindest nicht auszusehen, als ob sie lauschte und könnte alles raus, man muss auch nicht jedes Detail erklären, das tötet die Vorstellungskraft ließ ihren Blick durch das Restaurant schweifen. Bis eben hatte sie fast vergessen, wo sie war, dass ihre Familie an dem langen Tisch gleich hinter ihr saß, dass Raoul hier gewesen war
„Gut, dann bis gleich.“ Mariann verabschiedete sich <- ja, hab ich gehört, kann raus und legte auf. „Mein Onkel.“, erklärte sie. „Meine Tante und mein Onkel sind auf dem Weg hierher. Und sie bringen meinen Freund mit. Sie haben ihn zufällig an der U-Bahn Station getroffen. Komisch, oder?“
Mein Freund. Die Worte versetzen Midja einen Stich. Ach, tu jetzt nicht so als ob du’s nicht die ganze Zeit gewusst hättest! „Das… ist aber nicht der, der dich hier sitzen gelassen hat, oder? Der noch bei der Arbeit war?“, fragte Midja.
„Einen anderen hab ich ja nicht.“, meinte Mariann schulterzu¬ckend. „Ich wollte ihn heute meinen Eltern <- also nach dem Essen mit Tante und Onkel noch die Eltern und wurde hier geschlampt? vorstellen und ihn vorher noch treffen. Das hat er dann nicht mehr geschafft, aber Hauptsache er kommt zum Abendessen. Naja. Ist ja eigentlich nicht so schlimm. Immerhin bin ich hier ja in guter Gesellschaft.“ Dabei lächelte sie wieder. Es war ein warmes Lächeln. Freundlich. Vertrauensvoll. Und vielleicht… Schluss mit diesem Rumgerede! Midja blieb nichts anderes mehr übrig.
„Ich muss dir was sagen.“ Es war heraus, bevor Midja sich noch zurückhalten konnte.
„Ok?“ Das erste Mal klang Mariann skeptisch.
Midja zog ihr Handy aus der Tasche, tippte auf das Fotoprogramm und suchte ein Bild von Raoul und sich heraus, auf dem er den Arm um ihre Schultern gelegt hatte. Fast so, wie er vor einer Stunde mit Mariann hier hereinspaziert war. Wortlos streckte Midja ihr das Handy hin. Mariann schwieg. Das Stimmgewirr der Gäste und das Besteckklappern waren auf einmal schrecklich laut.
„Du… Du wusstest, dass er es ist.“, stellte Mariann nach einer Pause fest.
„Er ist nicht mein Freund.“, erklärte Midja.
„Ja, natürlich nicht.“ Mariann verschränkte die Arme vor der Brust.
„Wirklich nicht. Wenn du ihn liebst, wenn du wirklich mit ihm zusammen bist…“
„Ja, genau, nur für den Fall, dass ich dir wirklich den Freund ausgespannt habe.“, entgegnete Mariann leise.
„Er arbeitet bei einer Begleitagentur.“, sagte Midja schlicht. Absatz Mariann verstummte. Und… sie hat es nicht gewusst, dachte Midja.
„Mein Cousin heiratet bald. Und ich wollte einfach nicht allein dort hingehen und mir den ganzen Abend anhören, dass ich den Richtigen schon noch finden werde. Mein Cousin ist genauso alt wie ich, aber er heiratet[color=red].“, sprudelte es aus Midja heraus. „Er wünscht sich Kinder. Er ist so erwachsen und verantwortungsbe¬wusst und … bindungsfähig und reif und ich… lassen wir das.“[/color] <- Ja, lassen wir das Jetzt wo sie es aussprach Komma? kam ihr die ganze Sache noch zehnmal erbärmlicher vor. Sie wird dich jetzt nicht trösten. Immerhin geht es hier um ihren Freund.
„Ich hab ihn meiner Familie vorgestellt und die waren hin und weg von ihm.“
Wieder schwiegen sie eine Weile.
„Du warst das also“, überlegte Mariann laut. „Er ist wegen dir gegangen. Aber… warum bist du zu mir gekommen? Wolltest du wissen ob ich ihn auch engagiert habe?“
„Hast du?“ Midja sah <- kreativ ist das nicht, vor allem, weil du es immer wieder benutzt.  sie an. Ihr <- "das". Ich weiß, wem das Herz gehört und so vermeidest du die Dopplung  Herz schlug ihr bis zum Hals, während sie auf eine Antwort wartete. Mariann schwieg.
„Und was würde das ändern?“, erwiderte sie schließlich.
„Nur…“, begann Midja. „Ich weiß nicht. Aber… Wenn er gleich kommt…“ Midja wollte das nicht. Aber es gab keinen anderen Weg. „Meine Familie wird ihn erkennen.“, erklärte sie. „Und ich kann ihnen das nicht sagen, verstehst du? Das ist wirklich wichtig.“ Midja versuchte, weiter zu reden. Es ihr zu erklären. Aber sie konnte nicht. Es war eine Sache, hier mit Mariann zu sitzen und zu reden, und sich ganz selbstverständlich für das nächste Eishockeyspiel zu verabreden. Aber das hier… Was hab ich mir da nur eingebrockt? Was mache ich hier? Sie wollte es Mariann erklären, was sie dachte, was sie wollte, unbedingt sogar, die ganze Zeit. Aber nicht so, nicht jetzt und nicht hier, wo ihre ganze Familie direkt am Tisch hinter ihr saß und wahrscheinlich jedes Wort hören könnte… „Ich muss… ich muss… Sonst verliere ich das Gesicht, ich kann doch nicht…“ <- würde ich kürzen
„Das heißt dann wohl, wir müssen…“ Wir… Midjas Gedanken rasten. Mariann spähte an Midja vorbei in Richtung Tür und seufzte. „Zu spät. Da kommen sie.“ Sie, dachte Midja, sie und wir…
Midja sah sich um. Tatsächlich. Ein gut gekleidetes Ehepaar in den späten Fünfzigern betrat das Restaurant und hinter ihnen, ganz klein und versteckt… kam Raoul. Als er Midja und Mariann am selben Tisch sitzen sah Komma riss er erschrocken die Augen auf.
„Bitte“, flehte Midja. „Wenn du wirklich mit ihm zusammen bist, kannst du deiner Tante und deinem Onkel hinterher erzählen, dass ich verrückt bin, unter Verfolgungswahn leide, was auch immer. Wenn ihr zusammen seid, dann…“
Das Ehepaar hatte Mariann mittlerweile entdeckt, die Tante winkte und die drei kamen auf ihren Tisch zu. Hastig spähte Midja zu ihrer eigenen Familie. Tatsächlich. <- unnötig Ihre Mutter hatte Raoul bemerkt, ihr Onkel und ihr Großonkel starrten zu ihm hinüber und Midjas Großonkel legte eine Hand auf die Schulter ihres Vaters… Sie wandte das Gesicht ab.
„Ok. Und was ist wenn nicht?“ Das war Mariann. War das ernst gemeint, war das…? Das muss gar nichts heißen, gar nichts…! Aber es könnte. Es könnte gut… „Danke“, flüsterte Midja, für mehr reichte die Zeit nicht, bis die Tante an ihren Tisch getreten war und ihre Nichte umarmte. Der Onkel schien etwas zu Midja sagen zu wollen, doch sie sah nur zu Raoul, der vor Mariann stand und aussah, als wäre er überall auf der Welt lieber als ausge¬rechnet hier.
Ich höre hier auf, muss weg, habe aber bis zum Ende gelesen.

 


Das Ende gefällt mir, ist mal etwas anderes. Ansonsten gibt es mMn zu viele Wortwiederholungen, keine Abwechslung. Das geht mit etwas Mühe, ein paar Synonymen und einigen Satzumstellungen sehr viel besser und würde sich dadurch angenehmer lesen lassen.
Insgesamt ist weniger auch manchmal mehr, was die Beschreibungen angeht. Meine Anmerkungen dazu stehen oben.
Die Perspektivwechsel haben mich manchmal irritiert und manchmal nicht.
Das Thema von dem Mädel, dass scheinbar ihre Vorliebe für Frauen vor der Familie verheimlicht und sich deswegen nen Typen engagiert, ist jetzt nicht so meins. Und dass sie dann einer anderen Frau begegnet, die scheinbar genau dasselbe macht, ist dann doch konstruiert, aber irgendwie auch witzig.


Vielleicht ist etwas Hiflreiches dabei.

Gerne gelesen.


LG,
Seraiya


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"Some people leave footprints on our hearts. Others make us want to leave footprints on their faces."
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Sikander
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Beitrag28.07.2016 16:40
Re: Die andere Frau
von Sikander
Antworten mit Zitat

Das Verhalten Raouls ist ein wenig merkwürdig. Nachdem er Midja zufällig gesehen hatte, entschuldigte er sich bei seiner Freundin mit seiner Arbeit, von der Mariann noch überhaupt nicht wusste, woraus diese bestand. Hätte er nicht wenigstens ein Telefonat vortäuschen können? War sie nicht misstrauisch? Denn normalerweise bringt man seine Freunding nicht in ein Restaurant und haut dann, einfach so, für eine Stunde ab und lässt sie ganz allein. Und was hatte er an der U-Bahn-Station gemacht? Wollte er fliehen?

Auch fand ich komisch, wie Mariann seelenruhig neben Midja stand, während sie Raoul des Fremdgehens beschuldigte. Hätte sie ihn nicht verteidigen müssen oder ihn ebenfalls beschimpfen sollen? So wirkte das nur noch merkwürdiger.

Ebenfalls tat mir Raoul leid. Vielleicht bin ich auch etwas voreingenommen und stehe zu meinem Geschlechtsgenossen.

Abgesehen davon gut geschrieben, nur bedenke bitte, dass die Auslassungspunkte nur dann direkt an das Wort angefügt werden,  wenn Teile des Wortes verschluckt werden. Sonst ist immer ein Leerzeichen dazwischen.
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Zauberzunge
Gänsefüßchen
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Z
Beitrag28.07.2016 22:13

von Zauberzunge
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Hallo

Erstmal vielen herzlichen Dank für die Kommentare und die ausführliche Analyse, das hilft mir sehr. So schnell hätte ich gar nicht mit Antworten gerechnet.

Seraiya
Wow, das ging ja wirklich ins Detail. Einiges fällt einem selbst ja wirklich nicht auf. Das meiste, denke ich, habe ich übernommen (und noch mal alle Punkte am Ende wörtlicher Reden entfernt - ich hoffe, ich habe keinen übersehen), nur an ein, zwei Stellen hatte ich Gründe dagegen.
Ja, es ist etwas konstruiert, vielleicht liegt das aber auch am Thema. Ich möchte den Text für einen Wettbewerb zum Thema "zur falschen Zeit am falschen Ort" einschicken. Ein bisschen Konstruktion ließ sich da schwerlich vermeiden... Wahrscheinlich muss ich damit leben. Trotzdem danke für den Hinweis

Sikander
Ja, stimmt, Raoul kommt nicht besonders gut weg. Aber er ist hier eher als Nebenfigur angelegt, er dient eher als Katalysator für die eigentliche Handlung.
Die Unstimmigkeiten in Raouls Verhalten hatte ich durch den Schluss auszulösen versucht. Den Teil mit der U-Bahn habe ich (ähnlich wie Tante und Onkel, die Seraiya anscheinend für die Eltern gehalten hat) rausgenommen, über den Rest grüble ich noch nach.

Die neue Version mit euren Überarbeitungsvorschlägen hänge ich an. Vielen Dank, Lg, Zauberzunge Very Happy
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Zauberzunge
Gänsefüßchen
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Beiträge: 32
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Beitrag28.07.2016 22:13

von Zauberzunge
pdf-Datei Antworten mit Zitat

(2. Version)


Die Andere

Das Probeessen für die Hochzeit ihres Cousins hätte perfekt werden können. Doch noch während alle in die Speisekarten schauten betrat Raoul an der Seite einer dunkelhaarigen Schönheit das Restaurant. Mit einem charmanten Lächeln hielt er ihr die Tür auf und nahm ihr den Mantel ab.
Midja spähte durch das halboffene Regal, das den Eingangsbereich von ihrem Tisch trennte und Raouls Anblick vor den Augen ihrer Verwandten verbarg, beobachtete, wie sie sich bei ihm unterhakte und sie beide auf einen kleinen Tisch ganz in der Nähe zusteuerten. Es war zu spät. Gleich könnte ihre ganze Familie ihn sehen. Und dann würden sich alle fragen, warum Midjas Freund eine andere Frau in ein so feines Restaurant ausführte. Was für eine Demütigung
Jetzt hatte Raoul sie entdeckt. Starrte Midja einfach nur an als hätte er sie nie zuvor gesehen. Als hätte er nicht erst vor zwei Wochen bei ihr zu Hause neben ihr auf dem Sofa gesessen und minutenlang ihre Hand gestreichelt, während er geduldig ihrer Mutter zuhörte, die ihm erzählte, wie Midja als kleines Mädchen aus dem Ballettunterricht geflogen war… Ungerührt starrte sie zurück. Und er fasste sich wieder, drehte sich um und zog seine Begleiterin mit sich, doch diese schüttelte ihn ab. Midja bekam gerade noch mit, wie sich die Restauranttür schloss und dann war er verschwunden. Erleichtert atmete Midja durch.
Seine Begleiterin war jetzt allein. Einen Moment verharrte sie, dann ging sie doch auf den Tisch zu, den die beiden eben angesteuert hatten und setzte sich. Midja linste unauffällig zu ihr hinüber, doch die Andere fing ihren Blick auf und erwiderte ihn. Midja erstarrte und hastig drehte sie sich wieder um. Nicht dass sie noch dachte, Midja würde sie verspotten. In so einem Restaurant sitzt man nur allein, wenn man sitzen gelassen wurde. Von wem auch immer.
Ihre Verwandten hatten nichts von alldem bemerkt. Doch Midja konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen. Geistesabwesend faltete sie die Hände, nur um sie im nächsten Moment wieder zu lösen, neben den Teller zu legen und dann sinken zu lassen, ihr Fuß stieß ans Stuhlbein, ihre Schultern spannten sich. Fast schien es, als könnte sie die Andere in ihrem Rücken spüren…
„Hey, was … jetzt nicht dein Ernst … so ausgemacht … deine Sache!“
War das ihre Stimme? Midja hörte kaum mehr als ein gedämpftes Murmeln. Telefonierte sie mit Raoul? War sie wirklich …? Ich brauche Gewissheit. Eine Bestätigung. Irgendetwas. Sonst platze ich.
Sacht legte Midja ihrer Großtante eine Hand auf die Schulter. „Die da drüben – Ich glaube, die kenne ich. Ich schau mal kurz zu ihr rüber, in Ordnung?“
„Natürlich. Lass sie da nicht alleine sitzen. Wir Mädchen sollten zusammenhalten“, raunte sie Midja verschwörerisch zu. Midja grinste zurück. Dann nahm sie allen Mut zusammen, erhob sich und ging auf die Fremde zu. Mittlerweile hatte diese das Telefonat beendet und blickte zu ihr hoch.
„Hat er dich sitzen lassen?“, fragte Midja.
„Ähm… Was?“
„Tut mir leid, ich hab ihn nur eben grad rausgehen sehen. Und ich dachte …“
Das Misstrauen der Anderen verschwand aus ihrem Gesicht. „Schon in Ordnung. Er verspätet sich“, gab sie zu. „Seine Arbeit
„So ein Idiot. Vergiss ihn am besten einfach“
Das Gesicht der Fremden wurde weicher. Oh ja, bitte, vergiss ihn, vergiss ihn einfach ganz, ganz schnell!
„Da hat wohl eine Erfahrung, was?“
„Geht so“
„So schlimm?“
„Ach“ Midja winkte ab. „Es gibt wichtigere Dinge“ Sie schwieg einen Moment. „Hi, ich bin Midja“, sagte sie und streckte der Anderen die Hand hin. Darüber lachten sie beide.
„Mariann“, antwortete sie. „Willst du dich vielleicht zu mir setzen?“

Mariann

Etwa eine Stunde und zwei Tassen Kaffee später saßen sie immer noch beieinander und unterhielten sich.
„Tja“, sagte Mariann. „Und seitdem wollte ich eigentlich irgendwann mal wieder hin. Aber bis heute hat es nicht geklappt.“ Ihre Hand strich über Midjas. Nur ganz kurz. Aber schon zum dritten Mal. Konnte das wirklich… Unsinn. Das bildest du dir nur ein! Mariann mochte sie, ganz bestimmt, aber…
Marianns Handy klingelte dezent. „‘Tschuldigung“, sagte sie bevor sie dranging. Midja ließ ihren Blick durch das Restaurant schweifen. Bis eben hatte sie fast vergessen, wo sie war, dass ihre Familie an dem langen Tisch gleich hinter ihr saß, dass Raoul hier gewesen war…
„Gut, dann bis gleich.“ Mariann legte auf. „Mein Freund“, erklärte sie. „Vermutlich neigt sich sein überraschender Geschäftstermin doch langsam dem Ende zu“
Mein Freund. Die Worte versetzen Midja einen Stich. Ach, tu jetzt nicht so als ob du’s nicht die ganze Zeit gewusst hättest! „Das… ist aber nicht der, der dich hier sitzen gelassen hat, oder?“, fragte Midja.
„Einen anderen hab ich ja nicht“, meinte Mariann schulterzuckend. „Ich wollte ihn heute meinen Eltern vorstellen und ihn vorher noch treffen. Das hat er dann nicht mehr geschafft, aber Hauptsache er kommt zum Abendessen. Naja. Ist ja eigentlich nicht so schlimm. Immerhin bin ich hier ja in guter Gesellschaft“ Dabei lächelte sie wieder. Ein warmes Lächeln. Freundlich. Vertrauensvoll. Und vielleicht… Schluss mit diesem Rumgerede! Midja blieb nichts anderes mehr übrig.
„Ich muss dir was sagen“ Es war heraus, bevor Midja sich noch zurückhalten konnte.
„Ok?“ Das erste Mal klang Mariann skeptisch.
Midja zog ihr Handy aus der Tasche, tippte auf das Fotoprogramm und suchte ein Bild von Raoul und sich heraus, auf dem er den Arm um ihre Schultern gelegt hatte. Fast so, wie er vor einer Stunde mit Mariann hier hereinspaziert war. Wortlos streckte Midja ihr das Handy hin. Mariann schwieg. Das Stimmgewirr der Gäste und das Besteckklappern klangen auf einmal schrecklich laut.
„Du… Du wusstest, dass er es ist“, stellte Mariann nach einer Pause fest.
„Er ist nicht mein Freund“, erklärte Midja.
„Ja, natürlich nicht“ Mariann verschränkte die Arme vor der Brust.
„Wirklich nicht. Wenn du ihn liebst, wenn du wirklich mit ihm zusammen bist …“
„Ja, genau, nur für den Fall, dass ich dir wirklich den Freund ausgespannt habe“, entgegnete Mariann leise.
„Er arbeitet bei einer Begleitagentur“, sagte Midja schlicht.
Mariann verstummte. Und … sie hat es nicht gewusst, dachte Midja.
„Mein Cousin heiratet bald. Und ich wollte einfach nicht allein dort hingehen und mir den ganzen Abend anhören, dass ich den Richtigen schon noch finden werde. Mein Cousin ist kaum älter als ich, aber er heiratet“, sprudelte es aus Midja heraus. „Er wünscht sich Kinder. Er ist so erwachsen und verantwortungsbewusst und … bindungsfähig und reif und ich… lassen wir das“ Jetzt wo sie es aussprach, kam ihr die ganze Sache noch zehnmal erbärmlicher vor.
„Ich hab ihn meiner Familie vorgestellt und die waren hin und weg von ihm.“
Wieder schwiegen sie eine Weile.
„Du warst das also“, überlegte Mariann laut. „Er ist wegen dir gegangen. Aber… warum bist du zu mir gekommen? Wolltest du wissen ob ich ihn auch engagiert habe?“
„Hast du?“ Midja sah sie an. Das Herz schlug ihr bis zum Hals, während sie auf eine Antwort wartete. Mariann schwieg.
„Und was würde das ändern?“, erwiderte sie schließlich.
„Nur …“, begann Midja. „Ich weiß nicht. Aber … Wenn er gleich kommt …“ Midja wollte das nicht. Aber es gab keinen anderen Weg. „Meine Familie wird ihn erkennen“, erklärte sie. „Und ich kann ihnen das nicht sagen, verstehst du? Das ist wirklich wichtig“ Midja versuchte, weiter zu reden. Es ihr zu erklären. Aber sie konnte nicht. Nicht so, nicht jetzt und nicht hier, wo ihre ganze Familie direkt am Tisch hinter ihr saß und wahrscheinlich jedes Wort hören könnte … „Ich muss … ich muss … Sonst verliere ich das Gesicht, ich kann doch nicht …“
„Das heißt dann wohl, wir müssen …“ Wir … Midjas Gedanken rasten. Mariann spähte an Midja vorbei in Richtung Tür und seufzte. „Zu spät. Da kommt er“
Midja drehte sich um. Tatsächlich. Als Raoul Midja und Mariann am selben Tisch sitzen sah, riss er erschrocken die Augen auf und blieb wie angewurzelt stehen.
„Bitte“, flehte Midja. „Du weißt, dass das nichts bedeutet. Und deine Eltern sind ja auch noch nicht da, bitte!“
„Nein, noch nicht“, raunte Mariann ihr zu. „Aber wenn sie kommen, sollen sie wenigstens im Nachhinein eine gute Geschichte zu hören bekommen, findest du nicht?“ Und bevor Midja noch etwas sagen konnte, winkte Mariann Raoul zu, rief seinen Namen, sodass ihm jetzt nichts anderes übrig blieb, als zu ihnen hinüber zu kommen. Auch wenn er sich auffällig viel Zeit ließ und sich auffällig viel Mühe gab, das Gesicht nicht dem Nachbartisch zuzuwenden …
Hastig spähte Midja zu ihrer Familie hinüber. Ihre Mutter hatte Raoul bemerkt, ihr Onkel und ihr Großonkel starrten zu ihm hinüber und Midjas Großonkel legte eine Hand auf die Schulter ihres Vaters … Sie wandte das Gesicht ab.
„Ist doch eigentlich gar nicht so schlecht“, kommentierte Mariann. „Du kannst ihn jetzt in den Wind schießen und ich muss nicht das gesamte Abendessen daran denken, dass dein Bruder oder Cousin oder wer auch immer gleich rüber kommt und ihn vor meinen Eltern zur Rede stellt.“
„Warum tust du das?“, fragte Midja entsetzt. „Du hast nichts zu befürchten, wirklich. Er ist nicht mein Freund. Und wenn du wirklich mit ihm zusammen bist …“ Was redete sie da? Wollte sie es sich denn immer noch nicht eingestehen?
„Ok. Und was ist wenn nicht?“, flüsterte Mariann. War das ernst gemeint, war das …? Das muss gar nichts heißen, gar nichts…! Aber es könnte. Es könnte gut … „Danke“, flüsterte Midja, für mehr reichte die Zeit nicht, bis Raoul an ihrem Tisch angekommen war und sie beide aufstanden.
„Bitte, wir sollten gehen. Ich hab’s dir doch erklärt, es geht nicht“, flüsterte er Mariann zu. Doch diese verschränkte nur die Arme vor der Brust und schwieg. Raoul sah aus, als wäre er überall auf der Welt lieber als ausgerechnet hier.
„Es ist noch nicht zu spät“, fügte er an Midja gewandt hinzu. „Sie haben mich noch nicht gesehen und wir könnten einfach sagen …“
„Hallo, Raoul, schön dass du da bist. Ich glaube ich hab dich gar nicht mehr gesehen seit du mich betrügst, oder?“ Midja hatte absichtlich laut gesprochen und tatsächlich, schneller als sie gedacht hätte war es still und ein paar der Gäste schauten zu ihr hinüber. „Also wie ist das jetzt? Heute gehst du mit ihr und ihrer Familie zusammen essen und morgen kommst du zu mir und sülzt mir vor, wie sehr du mich liebst?“
„Midja, es ist wirklich nicht …“, begann Raoul kleinlaut.
„Ach, scher dich doch zum Teufel, du mieser kleiner Scheißkerl!“, fuhr Midja ihn an. „Du bist so ein erbärmlicher verdammter Lügner, Raoul. Das ist so was von widerlich!“ Raoul wich zurück als fürchtete er, Midja würde ihn schlagen. Also furienhaft genug, entschied sie.
„Midja, es tut mir leid, ich …“, stammelte er. „Bitte beruhig dich doch“ Midja schnaubte. Beruhigen? Das kannst du doch besser. „Sie ist …“ Eigentlich tat er Midja leid, wie sein Blick zu Mariann huschte und wieder zurück, wie er eine Ausrede zusammenstammelte und selbst dabei wirklich so klang, als wäre er ihr Freund.
Midja spürte eine Berührung an der Hand. Nur ganz leicht, ganz kurz. Mariann. Unauffällig drehte sie sich zur Seite. „Und was wenn ich nicht mit ihm zusammen bin?“, wiederholte Mariann ebenso leise wie eindringlich.
„Dann ruf mich an“, flüsterte Midja zurück, so leise, dass sie hoffte, dass es nicht einmal Raoul hören würde. „Bitte“
Dass Midja ihm nicht einmal zuhörte, sondern stattdessen mit Mariann flüsterte brachte Raoul noch mehr aus dem Konzept.
„Hältst du mich wirklich für so verdammt dämlich, dass ich nochmal auf dich reinfalle?“, unterbrach Midja das Gestammel. „Das ist echt das Allerletzte! Ich bin so was von fertig mit dir!“ Ohne Mariann oder Raoul noch einmal anzusehen stolzierte Midja zum Tisch ihrer Familie zurück und setzte sich. Die anderen Gäste starrten sie immer noch an.
„Ich habe den Lachs für dich bestellt. Den magst du doch, oder?“, raunte ihre Großtante Midja leise zu, während die anderen Leute endlich ihre Gespräche fortsetzten und weiteraßen. Sie konnte nicht anders als zu lächeln. „Ja, danke. Das ist prima von dir“ Ihre Großtante nickte, klopfte ihr kurz auf die Schulter und wandte sich dann wieder ihrer Schwägerin zu, die zu ihrer Rechten saß. Midja konnte kaum ruhig sitzen. Nicht weil ihre Schwester, ihre Cousine und ihr anderer Cousin mit geflüsterten Fragen auf sie eindrangen. Und auch nicht wegen Raoul. Midja konnte an nichts anderes denken als daran, ob Mariann sich bei ihr melden würde.
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Seraiya
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Beitrag28.07.2016 22:55

von Seraiya
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Zauberzunge hat Folgendes geschrieben:
Den Teil mit der U-Bahn habe ich (ähnlich wie Tante und Onkel, die Seraiya anscheinend für die Eltern gehalten hat)


Zauberzunge hat Folgendes geschrieben:
Meine Tante und mein Onkel sind auf dem Weg hierher. Und sie bringen meinen Freund mit. Sie haben ihn zufällig an der U-Bahn Station getroffen. Komisch, oder?“
Mein Freund. Die Worte versetzen Midja einen Stich. Ach, tu jetzt nicht so als ob du’s nicht die ganze Zeit gewusst hättest! „Das… ist aber nicht der, der dich hier sitzen gelassen hat, oder? Der noch bei der Arbeit war?“, fragte Midja.
„Einen anderen hab ich ja nicht.“, meinte Mariann schulterzu¬ckend. „Ich wollte ihn heute meinen Eltern vorstellen und ihn vorher noch treffen.


Ich war hier irritiert, ob sie sich jetzt vor der Verabredung mit den Eltern noch mit Tante und Onkel + Freund treffen will. So steht es im Text.
Deswegen habe ich gefragt, ob sie sich nach dem Restaurant noch mit den Eltern trifft.


LG,
Seraiya


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Beitrag28.07.2016 23:20

von Zauberzunge
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[quote=Seraiya]Ich war hier irritiert, ob sie sich jetzt vor der Verabredung mit den Eltern noch mit Tante und Onkel + Freund treffen will. So steht es im Text.
Deswegen habe ich gefragt, ob sie sich nach dem Restaurant noch mit den Eltern trifft. [/quote]
Doch, stimmt schon, ursprünglich waren Eltern, Tante, Onkel und Raoul eingeplant. Sie war mit allen zu Essen verabredet, nur Raoul sollte etwas früher kommen. Aber Tante und Onkel waren mir ohnehin nicht ganz so wichtig und wenn die irritieren sind sie eher fehl am Platz. Wink
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Beitrag28.07.2016 23:23

von Seraiya
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Vielleicht habe nur ich das nicht gecheckt. Confused

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Beitrag29.07.2016 18:15

von nebenfluss
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Hallo Zauberzunge,

schön, dass du überarbeitet hast!

Da du zum Gesamttext schon einiges an Rückmeldung bekommst, beschränke ich mich auf den ersten Satz, dem ja eine besondere Wichtigkeit zugesprochen wird:

Zauberzunge hat Folgendes geschrieben:
Das Probeessen für die Hochzeit ihres Cousins hätte perfekt werden können.


Dieser erste Satz macht ungefähr so viel Sinn wie:
Zauberzunge hat Folgendes geschrieben:
Die Welt könnte perfekt sein.


Im Konjunktiv einzusteigen, ist selten eine gute Idee, weil es suggeriert, der Erzähler wolle gar nicht seine Geschichte erzählen, sondern vor sich hin philosophieren.

Verbessern könnte man das, indem man gleich aktiv die Prota und ihr Bedürfnis einführt:
Zitat:
Midja hatte/hätte sich (so sehr) ein perfektes Probeessen für die Hochzeit ihres Cousins gewünscht.

oder, zur Vermeidung des Info-Dump-Eindrucks:
Zitat:
Midja hatte/hätte sich (so sehr) ein perfektes Probeessen gewünscht.

(die Info "für Hochzeit des Cousins" dann später einfließen lassen)

Da kommt gleich Emotion rüber.

Oder du teilst die ersten Sätze anders auf:
Zitat:
Als Raoul an der Seite einer dunkelhaarigen Schönheit das Restaurant betrat, ahnte Midja, dass aus dem perfekten Probeessen nichts werden würde.

Oder so ähnlich. Oder ganz anders.

Such dir aus, was am besten passt.


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Beitrag29.07.2016 21:49

von Zauberzunge
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Hallo nebenfluss,

danke auch dir für deinen Kommentar. Ich muss aber zugeben, dass ich mit deinen Vorschlägen leider nichts anfangen kann. Viellicht ist es subjektiver Geschmack. Das mit dem ein-gutes-Probeessen-wünschen ist zwar nicht falsch, geht aber doch am Thema vorbei. Klar, man würde schnell genug merken, dass es eben nicht um das Probeessen geht sondern um Midjas Angst vor Demütigung - aber warum dann mit den Wünschen für den Cousin anfangen, wenn das Probeessen doch bloß einen Rahmen bildet? Die Kombination aus dem ersten und zweiten Satz würde sogar das Problem lösen, dass man Raoul für den Cousin halten könnte - aber es zieht sich doch etwas in die Länge und der Fokus auf dem Probeesen bleibt.
Trotzdem danke, dass mit dem Konjunktiv werde ich mir merken.

Lg, Zauberzunge
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Beitrag29.07.2016 21:56

von nebenfluss
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Hallo Zauberzunge,

ich wollte dir da auch gar nichts vorschreiben.
Es ging mir hauptsächlich um den Konjunktiv, hab halt noch ein bisschen weitergesponnen.
Alles gut.


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Beitrag29.07.2016 22:24

von Zauberzunge
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(3. Version (Änderungen hauptsächlich im letzten Teil. Tragen die Änderungen zu größerer Verständlichkeit bei bzw. findet ihr den Text "verständlich", ergeben die Zusammenhänge Sinn für euch?)

Die Andere

Das Probeessen für die Hochzeit ihres Cousins hätte perfekt werden können. Doch noch während alle in die Speisekarten schauten betrat Raoul an der Seite einer dunkelhaarigen Schönheit das Restaurant. Mit einem charmanten Lächeln hielt er ihr die Tür auf und nahm ihr den Mantel ab.
Midja spähte durch das halboffene Regal, das den Eingangsbereich von ihrem Tisch trennte und Raouls Anblick vor den Augen ihrer Verwandten verbarg; beobachtete, wie sie sich bei ihm unterhakte und sie beide auf einen kleinen Tisch ganz in der Nähe zusteuerten. Es war zu spät. Gleich könnte ihre ganze Familie ihn sehen. Und dann würden sich alle fragen, warum Midjas Freund eine andere Frau in ein so feines Restaurant ausführte. Was für eine Demütigung …
Jetzt hatte Raoul sie entdeckt. Starrte Midja einfach nur an als hätte er sie nie zuvor gesehen. Als hätte er nicht erst vor zwei Wochen bei ihr zu Hause neben ihr auf dem Sofa gesessen und minutenlang ihre Hand gestreichelt, während er geduldig ihrer Mutter zuhörte, die ihm erzählte, wie Midja als kleines Mädchen aus dem Ballettunterricht geflogen war … Ungerührt erwiderte sie seinen Blick. Und er fasste sich wieder, drehte sich um und zog seine Begleiterin mit sich, doch diese schüttelte ihn ab. Midja bekam gerade noch mit, wie sich die Restauranttür schloss und dann war er verschwunden. Erleichtert atmete Midja durch.
Seine Begleiterin war jetzt allein. Einen Moment verharrte sie, dann ging sie doch auf den Tisch zu, den die beiden eben angesteuert hatten und setzte sich. Midja linste unauffällig zu ihr hinüber, doch die Andere fing ihren Blick auf und erwiderte ihn. Midja erstarrte und hastig drehte sie sich wieder um. Nicht dass sie noch dachte, Midja würde sie verspotten. In so einem Restaurant sitzt man nur allein, wenn man sitzen gelassen wurde.
Ihre Verwandten hatten nichts von alldem bemerkt. Doch Midja konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen. Geistesabwesend faltete sie die Hände, nur um sie im nächsten Moment wieder zu lösen, neben den Teller zu legen und dann sinken zu lassen, ihr Fuß stieß ans Stuhlbein, ihre Schultern spannten sich. Fast schien es, als könnte sie die Andere in ihrem Rücken spüren …
„Hey, was … jetzt nicht dein Ernst … so ausgemacht … deine Sache!“
War das ihre Stimme? Midja hörte kaum mehr als ein gedämpftes Murmeln. Telefonierte sie mit Raoul? War sie wirklich …? Ich brauche Gewissheit. Eine Bestätigung. Irgendetwas. Sonst platze ich.
Sacht legte Midja ihrer Großtante eine Hand auf die Schulter. „Die da drüben – Ich glaube, die kenne ich. Ich schau mal kurz zu ihr rüber, in Ordnung?“
„Natürlich. Lass sie da nicht alleine sitzen. Wir Mädchen sollten zusammenhalten“, raunte sie Midja verschwörerisch zu. Midja grinste zurück. Dann nahm sie allen Mut zusammen, erhob sich und ging auf die Fremde zu. Mittlerweile hatte diese das Telefonat beendet und blickte zu ihr hoch.
„Hat er dich sitzen lassen?“, fragte Midja.
„Ähm… Was?“
„Tut mir leid, ich hab ihn nur eben gerade rausgehen sehen. Und ich dachte …“
„Schon in Ordnung.“ Das Misstrauen war aus der Stimme der Fremden verschwunden. „Er verspätet sich“, gab sie zu. „Seine Arbeit“
„So ein Idiot. Vergiss ihn am besten einfach“
Das Gesicht der Fremden wurde weicher. Oh ja, bitte, vergiss ihn, vergiss ihn einfach ganz, ganz schnell!
„Da hat wohl jemand Erfahrung, was?“
„Geht so“
„So schlimm?“
„Ach“ Midja winkte ab. „Es gibt wichtigere Dinge“ Sie schwieg einen Moment. „Hi, ich bin Midja“, sagte sie und streckte der Anderen die Hand hin. Darüber lachten sie beide.
„Mariann“, antwortete sie. „Willst du dich vielleicht zu mir setzen?“

Mariann

Etwa eine Stunde und zwei Tassen Kaffee später saßen sie immer noch beieinander und unterhielten sich.
„Tja“, sagte Mariann. „Und seitdem wollte ich eigentlich irgendwann mal wieder hin. Aber bis heute hat es nicht geklappt“ Ihre Hand strich über Midjas. Nur ganz kurz. Aber schon zum dritten Mal. Konnte das wirklich… Unsinn. Das bildest du dir nur ein! Mariann mochte sie, ganz bestimmt, aber …
Marianns Handy klingelte dezent. „‘Tschuldigung“, sagte sie bevor sie dran ging. Midja ließ ihren Blick durch das Restaurant schweifen. Bis eben hatte sie fast vergessen, wo sie war, dass ihre Familie an dem langen Tisch gleich hinter ihr saß, dass Raoul hier gewesen war …
„Gut, dann bis gleich.“ Mariann legte auf. „Mein Freund“, erklärte sie. „Vermutlich neigt sich sein überraschender Geschäftstermin doch langsam dem Ende zu“
Mein Freund. Die Worte versetzen Midja einen Stich. Ach, tu jetzt nicht so als ob du’s nicht die ganze Zeit gewusst hättest! „Das… ist aber nicht der, der dich hier sitzen gelassen hat, oder?“, fragte Midja.
„Einen anderen hab ich ja nicht“, meinte Mariann schulterzuckend. „Ich wollte ihn heute meinen Eltern vorstellen und ihn vorher noch treffen. Aber dann musste er ja weg. Naja. Hauptsache er kommt zum Abendessen. Ist ja auch eigentlich nicht so schlimm. Immerhin bin ich hier ja in guter Gesellschaft“ Dabei lächelte sie wieder. Ein warmes Lächeln. Freundlich. Vertrauensvoll. Und vielleicht… Schluss mit diesem Rumgerede! Midja blieb nichts anderes mehr übrig.
„Ich muss dir was sagen“ Es war heraus, bevor Midja sich noch zurückhalten konnte.
„Ok?“ Das erste Mal klang Mariann skeptisch.
Midja zog ihr Handy aus der Tasche, tippte auf das Fotoprogramm und suchte ein Bild von Raoul und sich heraus, auf dem er den Arm um ihre Schultern gelegt hatte. Fast so, wie er vor einer Stunde mit Mariann hier hereinspaziert war. Wortlos streckte Midja ihr das Handy hin. Mariann schwieg. Das Stimmengewirr der Gäste und das Besteckklappern klangen auf einmal schrecklich laut.
„Du … Du wusstest, dass er es ist“, stellte Mariann nach einer Pause fest.
„Er ist nicht mein Freund“, erklärte Midja.
„Ja, natürlich nicht“ Mariann verschränkte die Arme vor der Brust.
„Wirklich nicht. Wenn du ihn liebst, wenn du wirklich mit ihm zusammen bist …“
„Ja, genau, nur für den Fall, dass ich dir wirklich den Freund ausgespannt habe“, entgegnete Mariann leise.
„Er arbeitet bei einer Begleitagentur“, sagte Midja schlicht.
Mariann verstummte. Und … sie hat es nicht gewusst, dachte Midja.
„Mein Cousin heiratet bald. Und ich wollte einfach nicht allein dort hingehen und mir den ganzen Abend anhören, dass ich den Richtigen schon noch finden werde. Mein Cousin ist kaum älter als ich, aber er heiratet“, sprudelte es aus Midja heraus. „Er wünscht sich Kinder. Er ist so erwachsen und verantwortungsbewusst und … bindungsfähig und reif und ich … lassen wir das“ Jetzt wo sie es aussprach, kam ihr die ganze Sache noch zehnmal erbärmlicher vor.
„Ich hab ihn meiner Familie vorgestellt und die waren hin und weg von ihm.“
Wieder schwiegen sie eine Weile.
„Du warst das also“, überlegte Mariann laut. „Er ist wegen dir gegangen. Aber … warum bist du zu mir gekommen? Wolltest du wissen ob ich ihn auch engagiert habe?“
„Hast du?“ Midja sah sie an. Das Herz schlug ihr bis zum Hals, während sie auf eine Antwort wartete. Mariann schwieg.
„Und was würde das ändern?“, erwiderte sie schließlich.
„Nur …“, begann Midja. Tausend Gedanken schossen ihr durch den Kopf. „Ich weiß nicht. Aber … Wenn er gleich kommt … Meine Familie wird ihn erkennen. Und ich kann ihnen das nicht sagen, verstehst du? Das ist wirklich wichtig“ Midja versuchte, weiter zu reden. Es ihr zu erklären. Aber sie konnte nicht. Nicht so, nicht jetzt und nicht hier, wo ihre ganze Familie direkt am Tisch hinter ihr saß und wahrscheinlich jedes Wort hören könnte … „Ich muss … ich muss … Sonst verliere ich das Gesicht, ich kann doch nicht …“
„Das heißt dann wohl, wir müssen …“ Wir … Midjas Gedanken rasten. Mariann spähte an Midja vorbei in Richtung Tür und seufzte. „Zu spät. Da kommt er“
Midja drehte sich um. Tatsächlich. Als Raoul Midja und Mariann am selben Tisch sitzen sah, riss er erschrocken die Augen auf und blieb wie angewurzelt stehen.
„Nun, dann tu was du tun musst“, kommentierte Mariann. Und bevor Midja noch etwas sagen konnte, winkte Mariann Raoul zu, rief seinen Namen, sodass ihm jetzt nichts anderes übrig blieb, als zu ihnen hinüber zu kommen. Auch wenn er sich auffällig viel Zeit ließ und sich auffällig viel Mühe gab, das Gesicht nicht dem Nachbartisch zuzuwenden …
Hastig spähte Midja zu ihrer Familie hinüber. Ihre Mutter hatte Raoul bemerkt, ihr Onkel und ihr Großonkel starrten zu ihm hinüber und Midjas Großonkel legte eine Hand auf die Schulter ihres Vaters … Sie wandte das Gesicht ab.
„Ich fürchte, dir bleibt nichts anderes übrig, als ihn abzuschießen. Tut mir Leid wegen der Hochzeit, aber dass er eine Andere trifft dürfte doch als Ausrede reichen, oder?“, raunte Mariann ihr zu ohne sie anzusehen. „Wenn er gar nicht kommt, wundern sich meine Eltern und mit etwas Pech verlangt er trotzdem sein Honorar. Aber für eine gute Geschichte zahle ich gerne“
Nicht ihr Freund, nicht ihr Freund! Midja jubilierte. Das muss gar nichts heißen, gar nichts, schalt sie sich. Es heißt nichts weiter als dass es vielleicht überhaupt möglich ist …
„Danke“, flüsterte Midja, ohne überhaupt zu wissen warum genau; doch sie kam nicht mehr dazu, darüber nachzudenken, weil Raoul an ihrem Tisch angekommen war. Sie beide standen auf. Raoul sah aus, als wäre er überall auf der Welt lieber als ausgerechnet hier.
„Hallo, Raoul, schön dass du da bist. Ich glaube ich hab dich gar nicht mehr gesehen seit du mich betrügst, oder?“ Midja hatte absichtlich laut gesprochen und tatsächlich, schneller als sie gedacht hätte war es still und ein paar der Gäste schauten zu ihr hinüber. „Also wie ist das jetzt? Heute gehst du mit ihr und ihrer Familie zusammen essen und morgen kommst du zu mir und sülzt mir vor, wie sehr du mich liebst?“
„Midja, es ist wirklich nicht …“, begann Raoul kleinlaut.
„Ach, scher dich doch zum Teufel, du mieser kleiner Scheißkerl!“, fuhr Midja ihn an. „Du bist so ein erbärmlicher verdammter Lügner, Raoul. Das ist so was von widerlich!“ Raoul wich zurück als fürchtete er, Midja würde ihn schlagen. Also furienhaft genug, entschied sie.
„Midja, es tut mir leid, ich …“, stammelte er. „Bitte beruhig dich doch“ Midja schnaubte. Beruhigen? Das kannst du doch besser. „Sie ist …“ Eigentlich tat er Midja leid, wie sein Blick zu Mariann huschte und wieder zurück, wie er eine Ausrede zusammenstammelte und dabei überraschend echt klang.
Midja spürte eine Berührung an der Hand. Nur ganz leicht, ganz kurz. Mariann. Unauffällig drehte sie sich zur Seite. „Und vielleicht haben wir ja noch mehr gemeinsam als eine gute Geschichte. Was meinst du?“
„Ruf mich an“, flüsterte Midja zurück, so leise, dass sie hoffte, dass es nicht einmal Raoul hören würde. „Bitte“
Dass Midja ihm nicht einmal zuhörte, sondern stattdessen mit Mariann flüsterte brachte Raoul noch mehr aus dem Konzept.
„Hältst du mich wirklich für so verdammt dämlich, dass ich nochmal auf dich reinfalle?“, unterbrach Midja das Gestammel. „Das ist echt das Allerletzte! Ich bin so was von fertig mit dir!“ Ohne Mariann oder Raoul noch einmal anzusehen stolzierte Midja zum Tisch ihrer Familie zurück und setzte sich. Die anderen Gäste starrten sie immer noch an.
„Ich habe den Lachs für dich bestellt. Den magst du doch, oder?“, raunte ihre Großtante Midja leise zu, während die anderen Leute endlich ihre Gespräche fortsetzten und weiter aßen. Sie konnte nicht anders als zu lächeln.
„Ja, danke. Das ist prima von dir“
Ihre Großtante nickte, klopfte ihr kurz auf die Schulter und wandte sich dann wieder ihrer Schwägerin zu, die zu ihrer Rechten saß. Midja konnte kaum ruhig sitzen. Nicht weil ihre Schwester, ihre Cousine und ihr anderer Cousin sie mit Fragen bombardierten. Und auch nicht wegen Raoul. Midja konnte an nichts anderes denken als daran, ob Mariann sich bei ihr melden würde.
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Seraiya
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Beitrag29.07.2016 22:46

von Seraiya
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Hi nochmal,

Hm, ich weiß nicht.
Es gibt für mich immer noch Unsauberkeiten, die nicht sein müssen.
 
Zitat:
„Ach“ Midja winkte ab. „Es gibt wichtigere Dinge“ Sie schwieg einen Moment.„Hi, ich bin Midja“, sagte sie <- weil sie nur einen Moment schweigt, ist deutlich, dass noch etwas kommt. und streckte der Anderen <- einfach unschön die Hand hin.


Zitat:
  Ihre Hand strich über Midjas. Nur ganz kurz. Aber schon zum dritten Mal.   

Hier frage ich mich, wieso du vieles so teilst. Stilmittel? Soll es dadurch bedeutender klingen? Tut es für mich nicht, eher so:
Ihre Hand strich über Midjas. Stop. Nur ganz kurz. Stop. Aber schon zum dritten Mal. Stop.

Zitat:
  Das Misstrauen der Anderen <- finde ich unmöglich diese Bezeichnung, es handelt sich lediglich um zwei Personen, das geht eleganter verschwand aus ihrem Gesicht.   

und hier schreibst du:
Zitat:
   Das erste Mal klang Mariann skeptisch 

Ich bin davon ausgegangen, dass „Ähm… Was?“ klingt misstrauisch.

Der Cousin und das Probeessen sind eigentlich egal, oder? Es ist zweckdienlich und das merkt man mMn. Hauptsache die Familie ist vor Ort, was ja überhaupt für den Schlamassel sorgt. Mir ist es , wie bereits angemerkt, wichtig, dass man solche absichtlichen Konstruktionen nicht bemerkt und sie zufällig wirken.

Der Text muss zuallererst dir gefallen.
Mehr als ein "ganz nett" löst er bei mir nach wie vor nicht aus, hab ihn trotzdem gerne gelesen.
Handwerklich geht da mMn noch was.

Edit:
Die dritte Version sehe ich jetzt erst. Shocked


LG,
Seraiya


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hobbes
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Beitrag29.07.2016 22:53

von hobbes
Antworten mit Zitat

Hallo Zauberzunge,

deine Fragen kann ich leider nicht beantworten, denn ich komme nicht sehr weit. Genau genommen fliege ich schon kurz nach dem zweiten Satz aus dem Text.
Wer ist Raoul, frage ich mich, und warum ist sein Auftreten ein Problem?
Grundsätzlich ist es ja gut, wenn ein Text Fragen aufwirft. Problem: Die Antwort auf diese Frage bzw. ein Hinweis auf diese Antwort, ist zu weit weg von der Frage. Das muss auch nicht unbedingt ein Problem sein, ist es aber in diesem Fall, denn du wirfst die Frage auf und lässt sie dann leider im Regen stehen. Vor allem, weil das, was folgt, doch eher uninteressant ist.
Noch dazu fehlt mindestens ein Komma und mit den Bezügen hast du es auch nicht so.
Zitat:
Midja spähte durch das halboffene Regal, das den Eingangsbereich von ihrem Tisch trennte und Raouls Anblick vor den Augen ihrer Verwandten verbarg; beobachtete, wie sie sich bei ihm unterhakte und sie beide auf einen kleinen Tisch ganz in der Nähe zusteuerten.

Midja sitzt und wird gleichzeitig von Raoul untergehakt. Klar, das meinst du nicht, aber das sind so Kleinigkeiten, die das Lesen erschweren. Tausche das erste "sie" mit "die Frau/die Schönheit/wasweißich" und schon hast du ein Problem weniger.
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Beitrag30.07.2016 20:00

von nothingisreal
Antworten mit Zitat

Zauberzunge hat Folgendes geschrieben:


Die Andere

Das Probeessen für die Hochzeit ihres Cousins hätte perfekt werden können. Doch noch während alle in die Speisekarten schauten betrat Raoul an der Seite einer dunkelhaarigen Schönheit das Restaurant. Mit einem charmanten Lächeln hielt er ihr die Tür auf und nahm ihr den Mantel ab.
Midja spähte durch das halboffene Regal, das den Eingangsbereich von ihrem Tisch trennte und Raouls Anblick vor den Augen ihrer Verwandten verbarg; beobachtete, wie sie sich bei ihm unterhakte und sie beide auf einen kleinen Tisch ganz in der Nähe zusteuerten. Es war zu spät. Gleich könnte ihre ganze Familie ihn sehen. Und dann würden sich alle fragen, warum Midjas Freund eine andere Frau in ein so feines Restaurant ausführte. Was für eine Demütigung …

Hier kommt meines Erachtens einige Sachen zu spät:
- Midjas Gefühle
- Midjas Aufenthaltsort
Den Einstieg finde ich misslungen. Gar nicht so sehr wegen dem Konjuktiv - er trägt dazu bei -, sondern vor allem durch die umständliche Satzkonstruktion "doch noch während alle in die Speisekarten schauten (komma) betrat ..."
Dann kommen Logikfehler: Betritt er jetzt mit der dunkelhaarigen Schönheit das Restaurant oder läuft sie ihm hinterher? Was ist das für ein Regal in einem Restaurant? Warum bemerkt sie ihn früher als die anderen? Wie bemerkt sie ihn? Durch die quietschende Tür? In wessen Nähe? Die von Midja oder Raouls?
Dann noch die Frage: Sind noch andere Leute im Restaurant?

Allerdings würde ich schon gerne wissen, warum Raoul mit einer anderen Frau unterwegs ist, und warum Midja das nur als Demütigung empfindet.

Zitat:

Jetzt hatte Raoul sie entdeckt. Starrte Midja einfach nur an als hätte er sie nie zuvor gesehen. Als hätte er nicht erst vor zwei Wochen bei ihr zu Hause neben ihr auf dem Sofa gesessen und minutenlang ihre Hand gestreichelt, während er geduldig ihrer Mutter zuhörte, die ihm erzählte, wie Midja als kleines Mädchen aus dem Ballettunterricht geflogen war …

Zwei Wochen? Sind sie jetzt zusammen oder nicht? Also klar, es gibt Fernbeziehungen oder Geschäftsreisen, aber ... hm. Da stimmt was nicht. Außerdem frage ich mich natürlich noch mehr: Warum ist Raoul denn nicht bei dem Probeessen mit dabei? Und auch, wusste er nicht, dass Midja da hingeht? Reden sie nicht miteinander?
Diese Fragen können einerseits Spannung aufbauen, andererseits den Leser nerven, weil ihm die Logik dahinter fehlt. Ich bin ein bisschen vom beiden.

Zitat:
Ungerührt wirklich ungerührt? oder behält sie einfach einen neutralen Gesichtsausdruck? erwiderte sie seinen Blick. Und er fasste sich wieder, drehte sich um und zog seine Begleiterin mit sich, doch diese diese finde ich immer schrecklich in der Literatur, das ist doc kein wissenschaftliches Werk schüttelte ihn ab. Midja bekam gerade noch mit, wie sich die Restauranttür schloss und dann war er verschwunden. Den Nebensatz würde ich umstellen: Er war weg. Das hat einen viel größere Effekt. Erleichtert atmete Midja durch.
Seine Begleiterin war jetzt allein. Wozu die Dopplung? Einen Moment verharrte sie, dann ging sie doch auf den Tisch zu, den die beiden eben angesteuert hatten und setzte sich. Den Satz würde ich kürzen, ich neige auch gerne dazu, jedes Detail zu beschreiben, aber das ist nicht notwendig. Verhaaren finde ich auch etwas unpassend. Eher starrt sie Raoul hinterher und kann sich dann wützend hinsetzen. Den Zwischengang musst du nicht beschreiben. Midja linste unauffällig zu ihr hinüber, doch die Andere fing ihren Blick auf und erwiderte ihn. Midja erstarrte und hastig drehte sie sich hastig wieder um. Mache mit der Sprache klar, dass das schnell ging. "und" ist der falsche Ansatz. Nicht dass sie noch dachte, Midja würde sie verspotten. In so einem Restaurant sitzt man nur allein, wenn man sitzen gelassen wurde. Wozu das Kursiv?

Hier holpert es für mich sehr stark.

Bis hierhin. Vielleicht ist etwas dabei für dich. Wenn nicht, vergiss es einfach wieder. Es ist nur meine Meinung.

LG NIR


_________________
"Es gibt drei Regeln, wie man einen Roman schreibt. Unglücklicherweise weiß niemand, wie sie lauten." - William Somerset Maugham
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Yvo
Wortedrechsler

Alter: 42
Beiträge: 64
Wohnort: Bremen


Beitrag30.07.2016 21:24

von Yvo
Antworten mit Zitat

Moin,

das ist echt mal eine süße Geschichte. Gefällt mir sehr gut. Hat ein paar interessante Wendungen.
Habe auch gar nicht viel auszusetzen. (Habe nur die dritte / letzte Version gelesen).

1. Warum die Zwischenüberschrift ("Marian")?

2. Vielleicht würde ich zu Beginn noch irgendwo eine Stelle / einen Satz einbauen, wo man merkt, dass die Familie von Midja etwas konservativer eingestellt ist.

3. "Jetzt hatte Raoul sie entdeckt. Starrte Midja einfach nur an als hätte er sie nie zuvor gesehen." - Über den Satz bin ich gestolpert. Leute, die ich noch nie zuvor gesehen habe, starre ich nicht an.

4. Warum ist Raoul jetzt eigentlich nochmal gegangen? Das ist ein reichlich unprofessioneller Begleitservice, oder?

5. Irgendwie finde ich den Namen "Raoul" schon so verbraucht... ...mag mein persönlicher Geschmack sein.

Grüße,
Yvo
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Zauberzunge
Gänsefüßchen
Z


Beiträge: 32
Wohnort: Europa


Z
Beitrag31.07.2016 20:38

von Zauberzunge
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Hallo alle,

Seraiya:
Zitat:
Sie schwieg einen Moment.„Hi, ich bin Midja“, sagte sie <- weil sie nur einen Moment schweigt, ist deutlich, dass noch etwas kommt.

Stimmt, da hast du recht. Dass sie das dann sagt ist klar. Nur fallen mir keine alternativen Formulierungen ein, die ich wirklich besser finde. Wenn ich sagte sie einfach weglasse hätte ich noch Sie streckte der Anderen die Hand hin. Damit hätte ich zwei Sätze hinereinander, die mit sie anfangen - nicht so schön. Natürlich könnte ich wieder durch den Namen ersetzen, doch der kommt im Absatz jetzt schon zwei Mal vor. Natürlich könnte ich den Handschlag auch ganz weglassen, das fände ich aber weniger "rund".

Zitat:
Hier frage ich mich, wieso du vieles so teilst. Stilmittel? Soll es dadurch bedeutender klingen? Tut es für mich nicht, eher so:
Ihre Hand strich über Midjas. Stop. Nur ganz kurz. Stop. Aber schon zum dritten Mal. Stop.

Ich hatte die Anmerkung vorher nicht übersehen, fand die Version in kurzen Sätzen aber tatsächlich besser. Nach dem Ausprobieren würde ich den ersten Punkt durch ein Komma ersetzen; alles aneinanderreihen wäre aber zu viel.

Zitat:
Das Misstrauen der Anderen <- finde ich unmöglich diese Bezeichnung, es handelt sich lediglich um zwei Personen, das geht eleganter

Über die Referenz, also, welche Bezugsformulierung, habe ich tatsächlich länger nachgedacht. Womit kann ich mich überhaupt auf die Figur beziehen? Grundsätzlich sind Pronomina wohl am naheliegendsten. Da sich das sie (ihr) aber grundsätzlich auf beide, Midja und Mariann beziehen können kann es, wie du schon angemerkt hast, Bezugsprobleme geben. Hier könnte ich wohl (sagte) sie (und) streckte ihr die Hand hin sagen - hm. An mittlerweile einer Stelle mehr habe ich die Fremde - so "kennt" sie Midja ja im Moment ((noch) nicht). Begleiterin wie zuvor passt jetzt nicht mehr.

hobbes hat Folgendes geschrieben:
Tausche das erste "sie" mit "die Frau/die Schönheit/wasweißich"

Ansonsten - was bleibt? Sowohl mit Frau als auch Schönheit tue ich mich hier schwer. Die erste Erwähnung als dunkelhaarige Schönheit fand ich anfangs passend, da sie zur Beschreibung der Situation beiträgt, Bilder hervorruft ("er betrügt sie mit einer besonders attraktiven Frau", "Midja hat eine "mächtige" Konkurrentin"), die zum beabsichtigten ersten Eindruck (Raoul als Midjas Freund) beitragen, aber im Verlauf des Textes aufgelöst werden (Mariann ist nicht Midjas Konkurrentin, Raoul ist nicht Midjas Freund). Aber später? Wenn schon erwähnt ist, dass sie schön ist - nach was für Maßstäben auch immer - wirkt eine Widerholung davon eher als eine zusätzliche Betonung, die gar nicht nötig oder sinnvoll ist. Die Assoziationen dadurch wecken ein oberflächliches Bild.
Eher denkbar wäre Frau, das überlege ich noch. Aber die Assoziation Frau ist ebenfalls, wenn nicht sogar noch mehr "aufgeladen"; die Betonung als Frau hat noch eine höhere, "tiefere" Durchschlaggkraft - ich bin am überlegen.
Andere allgemeine Möglichkeiten wären Rollen- (Begleiterin erübrigt sich, Gast im Restaurant ist eher verwirrend) oder Berufsbezeichungen (hier nicht verwendbar da unbekannt).
Die Andere ist natürlich nicht weniger aufgeladen. (Und entsprechend würde ich deuten, dass du, Seraiya, das unmöglich findest - meintest du etwas in diese Richtung?) Es erschien mir allerdings als die "passendste" Aufladung, weil sie den Schwenk von Die Andere (nur über Raoul eingeführte, definierte Begleiterin) auf Mariann (eigenständig(er)e Person in persönlicher Interaktion zu Midja) anschneidet. (Das wäre auch die Antwort auf deine erste Frage, Yvo. Diesen Schwenk wollte ich durch die beiden Überschriften verdeutlichen, da "die Andere" für den zweiten Teil eigentlich nicht mehr passend ist.)
Gibt es noch bessere Ideen? Wäre evtl. "konsequent" die Fremde geeigneter?

Seraiya hat Folgendes geschrieben:
Zitat:
   Das erste Mal klang Mariann skeptisch 

Ich bin davon ausgegangen, dass „Ähm… Was?“ klingt misstrauisch.

Aber das war ja an einer anderen Stelle im Gespräch...



hobbes (und s.o.)
Zitat:
Grundsätzlich ist es ja gut, wenn ein Text Fragen aufwirft. Problem: Die Antwort auf diese Frage bzw. ein Hinweis auf diese Antwort, ist zu weit weg von der Frage. Das muss auch nicht unbedingt ein Problem sein, ist es aber in diesem Fall, denn du wirfst die Frage auf und lässt sie dann leider im Regen stehen. Vor allem, weil das, was folgt, doch eher uninteressant ist.

Soweit ich dich verstehe triffst du den Punkt, nach dem ich fragen wollte (Verständlichkeit; könnt ihr den Zusammenhang erkennen?). Aber leider weiß ich nicht welche Frage du meinst, welche Hinweise auf welche Antworten du als zu weit weg einstufst. Zuerst fragst du nach Raoul. Wer er (zunächst) ist (bzw. "sein soll") und warum sein Auftreten ein Problem ist, wird zwar nicht im zweiten, aber immerhin im siebten (achten) Satz erklärt. Midjas Freund, der eine Andere ausführt und sie damit vor ihrer gesamten Familie bloßstellen würde. Vielleicht stehe ich da auf dem Schlauch, aber ich komme im Moment einfach nicht darauf, was ich daran deutlicher machen könnte, damit das klarer wird. Ich bin mir auch nicht ganz sicher ob ich deine Anmerkung richtig und ganz verstanden habe. Dann kommt z.B. gleich der Satz mit dem Regal. Gehört der noch zur ersten Frage oder geht es dir dabei "nur" um die Bezugsunklarheit?



nothingisreal
nothingisreal hat Folgendes geschrieben:
Den Einstieg finde ich misslungen. Gar nicht so sehr wegen dem Konjuktiv - er trägt dazu bei -, sondern vor allem durch die umständliche Satzkonstruktion "doch noch während alle in die Speisekarten schauten (komma) betrat ..."

Um die Nähe zu spezifizieren bleibt eigentlich nichts außer "kleinen Tisch ganz in der Nähe (von) (dem Tisch) von Midjas Familie". Hm... Sonst geht es eigentlich nur pronominal ("kleinen Tisch unweit von ihrem") und das wäre zu ungenau.
Trotz längerem Satz an späterer Stelle finde ich die untere Version vom Anfang dann doch besser. Der "Bezug der Nähe" zu Midjas Familie sollte dann eigentlich auch klar sein; im Zweifel würde ich aber lieber da ein Risiko eingehen als den langen Satz um noch ein Attribut zu verlängern. (In zwei Sätze teilen ginge nur, wenn ich entweder den exakt gleichen Satzanfang (Midja) habe. Sie würde sich dann auf Mariann beziehen.

Zitat:
Zwei Wochen? Sind sie jetzt zusammen oder nicht? Also klar, es gibt Fernbeziehungen oder Geschäftsreisen, aber ... hm. Da stimmt was nicht. Außerdem frage ich mich natürlich noch mehr: Warum ist Raoul denn nicht bei dem Probeessen mit dabei? Und auch, wusste er nicht, dass Midja da hingeht? Reden sie nicht miteinander?

Ich wüsste ehrlichgesagt nicht, wie ich diese Fragen auflösen könnte/sollte ohne zu viel vorweg zu nehmen, das Konzept zu unterwandern oder unrealistisch zu werden. Ob sie nun zusammen sind oder nicht soll eben erst später offen gelegt werden. Es geht darum, dass der anfängliche Eindruck des Paar-seins zuerst nahegelegt wird und später aufgelöst. Um diesen Zusammenhang, der diese Fragen auflösen sollte/müsste ging es mir. Einen "Dienstleister" weiht man vielleicht nicht so genau in andere Pläne ein wie einen Freund. Solange Midja ihn nicht für das Probeessen engagiert, warum sollte sie ihm genau erzählen, wann und wo es stattfindet. Und wenn Raoul einen anderen Termin hat, was geht das Midja an?
Das Problem liegt, scheint mir, bei eben diesem Zusammenhang, der Pointe; leider komme ich im Moment einfach nicht darauf, wie ich den/die verdeutlichen könnte. Vielleicht stehe ich im Moment einfach nur auf dem Schlauch, vielleicht brauche ich aber auch konkrete Vorschläge bzw. Erklärungen, falls ich euch nicht richtig verstanden habe.


Yvo
Die letzte ist auch die aktuellste, passt also gut.
1. s.o.
2. Dass du das so gemerkt hast ist schon mal ein gutes Zeichen. Daumen hoch
3. s.u.
4. Ja, kann man so sehen. Wink
Das Treffen mit Marianns Eltern ist eigentlich erst später, sie wollte ihn vorher noch alleine treffen (das erzählt sie sogar). Da er das Treffen davor aber für den Auftrag nicht so wichtig empfindet, verschwindet er, um Midja als (reichere) Kundin nicht zu verlieren; er hofft, dass Midjas Familie weg ist bevor Marianns Eltern kommen.

zu 2. und 4.: (??)
„Mein Cousin heiratet bald. Und ich wollte einfach nicht allein dort hingehen und mir den ganzen Abend anhören, dass ich den Richtigen schon noch finden werde. Mein Cousin ist kaum älter als ich, aber er heiratet“, sprudelte es aus Midja heraus. „Er wünscht sich Kinder. Er ist so erwachsen und verantwortungsbewusst und … bindungsfähig und reif und ich … lassen wir das“ Jetzt wo sie es aussprach, kam ihr die ganze Sache noch zehnmal erbärmlicher vor.
„Ich hab ihn meiner Familie vorgestellt und die waren hin und weg von ihm.“ Und jetzt werden sie sich umso sicherer sein, dass ich alles falsch mache. Dass ich nie einen guten Ehemann finde. Wenn ich schon dumm genug bin, genau den rauszusuchen der mich betrügt, dachte Midja bitter.
Wieder schwiegen sie eine Weile. [...]
„Danke“, flüsterte Midja, ohne überhaupt zu wissen warum genau; doch sie kam nicht mehr dazu, darüber nachzudenken, weil Raoul an ihrem Tisch angekommen war. Sie beide standen auf. Raoul sah aus, als wäre er überall auf der Welt lieber als ausgerechnet hier. Immerhin würde er jetzt mit Sicherheit mindestens eine Kundin verlieren und er konnte nichts mehr dagegen tun. Und Midja blieb nur eine Chance, damit sie nicht den Respekt ihrer Familie verlieren würde.
„Hallo, Raoul, schön dass du da bist. [...]

Ich hab gefühlt hundert Sachen durchprobiert, kann mich aber nicht so recht mit etwas anfreunden...




Hier die momentanen Änderungen im ersten Teil, auf den sich eure Kommentare beziehen. (nothinisreals Anmerkungen sind noch z.T. dabei.)

Das Probeessen für die Hochzeit ihres Cousins hätte perfekt werden können. Bis Raoul an der Seite einer dunkelhaarigen Schönheit das Restaurant betrat. Mit einem charmanten Lächeln hielt er ihr die Tür auf und nahm ihr den Mantel ab.
Midja spähte durch das halboffene Regal, das den Eingangsbereich von ihrem Tisch trennte, und Raouls Anblick vor den Augen ihrer Verwandten verbarg, die noch viel zu vertieft in ihre Speisekarten waren, um Raoul zu erkennen; beobachtete, wie sie sich bei ihm unterhakte und die beiden auf einen kleinen Tisch ganz in der Nähe zusteuerten. Es war zu spät. Sie hätte schreien wollen, doch sie ließ sich nichts anmerken. Gleich könnte ihre ganze Familie ihn sehen. Und dann würden sich alle fragen, warum Midjas Freund eine andere Frau in ein so feines Restaurant ausführte. Was für eine Demütigung …
Jetzt hatte Raoul sie entdeckt. Sah Midja an als hätte er sie nie zuvor gesehen. Als hätte er nicht erst vor zwei Wochen bei ihr zu Hause neben ihr auf dem Sofa gesessen und minutenlang ihre Hand gestreichelt, während er geduldig ihrer Mutter zuhörte, die ihm erzählte, wie Midja als kleines Mädchen aus dem Ballettunterricht geflogen war ... Ausdruckslos starrte sie zurück. Und er fasste sich wieder, drehte sich um und zog seine Begleiterin mit sich, doch die schüttelte ihn ab. Midja bekam gerade noch mit, wie sich die Restauranttür schloss und er war weg. Erleichtert atmete Midja durch.
Seine Begleiterin war jetzt allein. Wozu die Dopplung? (Soll den Fokuswechsel anzeigen.) Einen Moment verharrte sie, (an dieser Stelle seine Begleiterin - wenn ich den vorigen Satz wegließe - klänge komisch. Die Satzumstellung Seine Begleiterin verharrte einen Moment... gefällt mir nicht so gut.) ging dann aber doch auf den Tisch zu, den die beiden eben angesteuert hatten und setzte sich. Den Satz würde ich kürzen, ich neige auch gerne dazu, jedes Detail zu beschreiben, aber das ist nicht notwendig. Verhaaren finde ich auch etwas unpassend. Eher starrt sie Raoul hinterher und kann sich dann wützend hinsetzen. Den Zwischengang musst du nicht beschreiben. (Ist Hinterherstarren und sich wütend setzen weniger Detail als verharren?) Midja linste unauffällig zu ihr hinüber, doch die Andere erwiderte ihren Blick. Midja erstarrte, drehte sich hastig wieder um. Nicht dass sie noch dachte, Midja würde sie verspotten. In so einem Restaurant saß man nur allein, wenn man sitzen gelassen wurde. (Kursiv ist Präsens und Ich-Perspektive von Midja; der Rest ist 3. Person Erzählperspektive im Präteritum)


Ich hoffe, ich konnte die einzelnen Sachen einigermaßen ausbügeln. Ich fand es aber etwas schwierig, eine Überarbeitung im Gesamten zu versuchen, wenn die Kommentare sich eigentlich auf den ersten Abschnitt beschränken. Es geht ja gerade darum, langsam, über den ganzen Text die "Annahmen" zu "verwalten" und zu "steuern", sodasss sich gegen Ende herauskristallisiert, dass Midja ein ganz anderes Interesse an Mariann hatte (und umgekehrt) als das zweier Frauen, die um den gleichen Mann streiten. Mir scheint das natürlich sehr klar, aber ich kann schwer einschätzen, wie es dabei von außen wirkt, ob die Zusammenhänge verständlich, erkennbar, nachvollziehbar sind. Wenn jemand noch Tipps zum Gesamteindruck oder auch zu späteren Textstellen hätte, wäre ich sehr dankbar.
Da die Frist für den Wettbewerb schon morgen abläuft, werde ich den Text "so" einschicken müssen. Aber unabhängig vom Wettbewerb möchte ich den Text gerne "zu Ende schleifen" und ganz abrunden, deshalb ist das auch nicht "das allerletzte Wort" und wenn möglich würde ich noch weiter arbeiten.
Nochmal vielen Dank für all die Antworten; man merkt immer mehr, wie wichtig die Außenperspektive ist.

Danke, Lg Zauberzunge
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hobbes
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Beitrag05.08.2016 22:41

von hobbes
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Hallo nochmal,

tut mir leid, aber ich fürchte, wir sprechen nicht die gleiche Sprache. Anders gesagt: Ich fürchte, ein Versuch, noch einmal anders und/oder ausführlicher zu erklären, was mich stört, würde dir und mir nichts bringen, abgesehen von weiteren Fragezeichen.
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Beitrag06.08.2016 00:30

von Gast
Antworten mit Zitat

@nebenfluss

nebenfluss hat Folgendes geschrieben:
Hallo Zauberzunge,

schön, dass du überarbeitet hast!

Da du zum Gesamttext schon einiges an Rückmeldung bekommst, beschränke ich mich auf den ersten Satz, dem ja eine besondere Wichtigkeit zugesprochen wird:

Zauberzunge hat Folgendes geschrieben:
Das Probeessen für die Hochzeit ihres Cousins hätte perfekt werden können.


Dieser erste Satz macht ungefähr so viel Sinn wie:
Zauberzunge hat Folgendes geschrieben:
Die Welt könnte perfekt sein.




Das ist erlebte Rede. Hier wird einem die Denkweise der Protagonistin aufgezeigt. Ist denn da nicht alles erlaubt?
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nebenfluss
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Beitrag06.08.2016 14:56

von nebenfluss
Antworten mit Zitat

Ashcloud, um "erlaubt" und "nicht erlaubt" geht's doch nicht.

Mir ging's ja nicht um die erlebte rede, sondern um den Konjunktiv und die Alternativ-Wirklichkeit, die hier (ohne irgendwo hinzuführen) angerissen wird, und dann auch noch mit dem sinnlosen Superlativ "perfekt".

Ich schau mich gerade auf meinem Schreibtisch um ... und sage mir:

Mein Schreibtisch könnte perfekt (groß, aufgeräumt ...) sein.

Da mache ich jetzt eine Geschichte draus und beginne mit erlebter Rede, das Ganze im Präteritum und personal:

Der Schreibtisch hätte perfekt sein können.

Guter erster Satz?


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Drakenheim
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Beitrag07.08.2016 11:14

von Drakenheim
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Das ist wirklich eine süße Geschichte. Und für den Titel eine überraschende Auflösung.

Die erste Version hat tatsächlich sehr viele Merkwürdigkeiten aufgeworfen, beim Lesen habe ich ein paar Mal den Kopf geschüttelt. Aber dein Text ließ sich trotzdem gut lesen, und am Ende, als die Auflösung kam, habe ich die Merkwürdigkeiten verstanden. Und mti Midja mitgefiebert.
Ich kann mir aber gut vorstellen, dass diese Kurve nicht von jedem genommen wurde.

Leider bin ich nicht mehr geeignet, die nächste Version auf Verständlichkeit zu prüfen.

Um es echter wirken zu lassen, schlage ich vor, dass auch Mariann ihn "angreift" denn vor ihren Verwandten steht sie auch als Betrogene da. Aber ich mag es auch, dass ihre Ausrichtung bis zum Schluss unklar bleibt. Dieses Mitfiebern mit Midja hat mich tatsächlich berührt, und ich habe für sie mitgehofft. wink
An Raoul kannst du bestimmt auch feilen. Ich würde ihn gern als Profi sehen, der seinen beiden Kundinnen aus der unangenehmen Situation helfen möchte. Was ja immer noch keine Aussage über Marianns Vorlieben ist.
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Zauberzunge
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Z
Beitrag04.03.2017 19:21

von Zauberzunge
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Obwohl's schon ein Weilchen her ist: Nochmal danke für die letzten Kommentare. Entgegen der Ankündigung hab ich seitdem nicht weiter dran gearbeitet, sorry. Ob ich das in nächster Zeit noch mache weiß ich nicht. (Nur um einen kurzen Schluss zu setzen.)

@Drakenheim: Schön, dass es dir gefallen hat und mein Ziel zumindest für Manche verständlich war. Wink Stimmt natürlich; daran dass es für Viele nicht verständlich war sollte ich im Allgemeinen arbeiten.
Stimmt, Mariann könnte ihn konfrontieren. Hab ich noch gar nicht bedacht. Sollte natürlich "insgesamt" nicht "zu viel" werden, aber wenn ich noch mal drüber schaue denk ich dran.
Hm, ich hab Raoul eigentlich nicht in den Vordergrund stellen wollen. Er sollte nur ein ganz normaler Typ sein; "in Wirklichkeit" kein Idiot, der sie sitzen lässt, aber auch kein Held. Interessant, dass anscheinend andere Raoul viel spannender fanden als ich. Wink

Lg, Zauberzunge
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