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Berni Exposéadler
Alter: 64 Beiträge: 2517 Wohnort: Südhessen (aus NRW zugelaufen)
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14.09.2007 20:21 Wasser holen von Berni
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Wasser holen
Als Kind musste ich für meine Mutter immer das Wasser holen. Unser Brunnen lag ganz am Ende des Dorfes, wohin ich gute zwanzig Minuten lief. Dieser mühsame Weg gebot es, mit jedem Gang möglichst viel Wasser zu holen. Deshalb hatten meine Eltern einen besonders großen Krug angeschafft, der sehr teuer gewesen war. Wir hatten nicht viel Geld, und so war dieser Krug ein rechter Schatz für uns.
Zum Wasserholen trug ich den Krug auf meinem Kopf und lief so durch das ganze Dorf. Immer ganz vorsichtig, dass er nur nicht herunter fiel. War der Hinweg noch recht mühelos, so hatte ich auf dem Weg zurück mit dem vollen Krug alle Mühe.
Jeden Tag lief ich zum Brunnen, füllte den Krug und lief zurück nach Hause. Als kleines Kind kam ich auf die merkwürdigsten Gedanken, wie ich mir die Arbeit erleichtern könnte. Doch waren das alles nur Phantasien in meinem Kopf. Bis ich eines Tages plötzlich glaubte, die richtige Idee zu haben.
Und so geschah es dann. Als ich das nächste Mal am Brunnen stand, schaute ich, ob mich jemand beobachtete. Als ich ganz sicher war, allein zu sein, nahm ich den Krug und warf ihn in den Brunnen. Ich lauschte, und als ich ihn gegen die Brunnenwand schlagen und zerbrechen hörte, fühlte ich mich plötzlich ganz frei. Schnell lief ich nach Hause.
„Der Krug ist zerbrochen“, rief ich, „er geht nie wieder zum Brunnen.“ Es gelang mir wohl, einen verschreckten Eindruck zu machen. Dazu quetschte ich mir ein paar Tränen heraus.
In ihrer lieben und arglosen Art nahmen mich meine Eltern in die Arme und meinten tröstend, dass wir doch noch einen alten, einfachen Krug hätten. Der täte es gewiss auch eine Zeit lang.
Nur leider war dieser wesentlich kleiner. So musste ich fortan nicht mehr einmal, sondern sogar zweimal am Tag laufen. Das ging ein halbes Jahr, und zu gern hätte ich den großen Krug wieder aus dem Brunnen herausgeholt.
Dann hatten meine Eltern endlich wieder genügend Geld für einen großen, teuren Krug. Und ich war glücklich, als ich ihn durch das Dorf tragen konnte.
Ich bin längst in die Stadt gezogen und habe dort gute Arbeit gefunden. In meiner Wohnung habe ich fließendes Wasser. Aber wenn ich heute meine Eltern besuche, nehme ich diesen teuren Krug und gehe den weiten Weg zum Brunnen und zurück, um für sie Wasser zu holen. Das bin ich ihnen schuldig.
(c) Bernd Balder
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Nina Dichterin
Beiträge: 4948 Wohnort: Berlin
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17.05.2008 22:49
von Nina
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Rührende Geschichte Bernd. Gefällt mir sehr. Wasser aus dem Brunnen holen, das klingt nach letztem Jahrhundert und (eigentlich) weit weg.
ohne gewesen.
LG
Nina
_________________ Liebe tut der Seele gut. |
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Berni Exposéadler
Alter: 64 Beiträge: 2517 Wohnort: Südhessen (aus NRW zugelaufen)
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17.05.2008 23:39
von Berni
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Nina hat Folgendes geschrieben: | Rührende Geschichte Bernd. Gefällt mir sehr. Wasser aus dem Brunnen holen, das klingt nach letztem Jahrhundert und (eigentlich) weit weg.
LG
Nina |
Oops, wo hast du diesen Text denn ausgekramt? Ich wusste gar nicht mehr, ihn hier je veröffentlicht zu haben. Was es nicht alles gibt! Aber schön, sich so mal wieder selbst zu begegnen.
Klaro!
Ciao,
Bernd
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