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Teil 25 Firmengründung April 2003


 
 
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teccla
Geschlecht:weiblichLeseratte

Alter: 66
Beiträge: 160
Wohnort: Costa Blanca


Was suchst Du in Madagaskar?
Beitrag10.05.2008 11:03
Teil 25 Firmengründung April 2003
von teccla
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Gunter weilte noch immer in Tana. Während dessen hatten wir in Mahajanga endlich den beglaubigten Gesellschaftervertrag erhalten. Die Firma bestand nun immerhin auf dem Papier. Jan war Geschäftsführer.
Aus dem einfachen Grund: Er konnte die verschiedenen Charaktere gut vereinen. Ich konnte mir nicht vorstellen, mich mit Gunter über wichtige Themen auseinander zusetzen. Auch Sebastian war gleichwertiges Mitglied und Anteilseigner.
Der Beauftragte vom "Chambre de Commerce" hatte es nach zwei Monaten Vertröstung, mit viel Druck von unserer Seite, geschafft, wenigstens dies zu realisieren. Doch das war erst ein kleiner Schritt zur Firmengründung. Auf unserer „Anleitung zur Firmengründung“ war die Dauer für diesen Punkt der Firmengründung mit einem halben Tag angegeben. Wir beschlossen, uns nicht mehr auf "Chambre de Commerce" zu verlassen und nahmen die Firmengründung selbst in die Hand.
Die Voraussetzung, das Internetcafe eröffnen zu können, war die Gewerbeerlaubnis "Carte Professionell".
Wir zahlten die "Taxe professionell" so etwas wie Gewerbesteuer. Diese wurde witziger weise auf der Grundlage der Miete des Firmensitzes berechnet, aber beginnen durften wir noch nicht.

„Aber wieso wird Jan Geschäftsführer?“ fragte Rondro erstaunt, als sie die Statute in den Händen hielt. Ich erklärte ihr, dass der Grund Gunter sei, mit dem ich mich nicht auseinander setzen wollte.
Doch ich spürte in mir etwas anderes.
Instinktiv erkannte ich, dass Jans Selbstbewusstsein im Keller war. Vielleicht fühlte er sich durch meine Aktivität zurück gedrängt und zog sich zurück. Selbst wenn er keine große Hilfe war, so ließ ich ihm doch immer das letzte Wort und wollte, dass er entscheidet. Er tat es zwar nicht, aber ich hatte ihn auf einen Sockel gestellt. Er musste doch irgendwann erkennen, dass ich die ganze Arbeit auch für ihn auf mich nahm. Er musste doch irgendwann erkennen, was er an mir hatte. Unbewusst machte ich ihm diese Position zum Geschenk. Weil ich ihn liebte.
Er sollte sein Selbstwertgefühl aus dem Keller holen, nicht mehr bei anderen nach Bestätigung suchen und erkennen, dass es besser war, an einem Strang zu ziehen. Mit mir gemeinsam.
An die Konsequenzen für mich, dachte ich nicht.

Es war Anfang April an einem Montagnachmittag. Mit Rondro und zahlreichen Papieren fuhr ich zum Block. So nannte man hier das Verwaltungsgebäude in Mahajanga, eine Art Kreisverwaltung. Es stand am Rande der City auf einer Anhöhe. Man hatte von dort eine schöne Sicht über die Bucht. Ich wartete im Auto auf dem Parkplatz. Es war sehr heiß. Ich sah auf eine Hütte die am Rand des Parkplatzes stand. Ein paar Kinder spielten davor. Sie sahen mich im Auto, kamen schüchtern und lachend heran. „Bonjour Vahaza“
„Bonjour“ grüßte ich lachend zurück. Meine Zigaretten waren alle. Es würde noch eine Weile dauern bis Rondro zurückkommt. Also stieg ich aus und ging zu einer kleine Epicerie, die in 20 m Entfernung stand. Kaufte eine Schachtel Boston und ein Päckchen Kekse. Als ich zum Auto zurück kam, standen sie noch immer ehrfürchtig in zwei Meter Abstand, schauten und lachten zu mir herüber. Ich streckte ihnen das Paket Kekse hin. Es dauerte einige Minuten bis sich der Ältere traute, näher zu kommen, um die Kekse zu nehmen. Sie teilten sie unter einander auf.
Mein Blick fiel auf eine Baumgruppe. Das Sonnenlicht spielte mit den Blättern. Es funkelte in den Zweigen als gelte es einen Schönheitswettbewerb zu gewinnen. Ich dachte bei mir, wenn es Elfen und Naturgeister gibt, dann waren sie gerade jetzt dort zum Tanz versammelt.
Meine Träumerei wurde jäh unterbrochen und von der Wirklichkeit eingeholt. Rondro kam zum Auto.
„Angela, es gibt ein Problem.“
„Ja? Welches?“
„Der Beamte, der die Carte Professionell ausstellt und die Erlaubnis zur Eröffnung des Geschäftes gibt, erkennt euer Visum nicht an.“
„Wieso?“
„Es ist kein richtiges Visum, sagt er, es ist eine Bestätigung, dass die Visumverlängerung beantragt ist.“
„Richtig. Und solange das Visum, dass in Tana ausgestellt wird, nicht fertig ist, solange gilt diese Carte Recepise als Visum.“
„Nein, es ist kein Visum. Er will erst das Visum und dann gibt er euch die Carte professionell.“
„Und nun?“
„Er will es prüfen und wir sollen nächste Woche noch einmal kommen.“
Als ich davon Jan berichtete, sagte er „Dann war wohl die Eröffnung zum 15.04. ein Aprilscherz.“
„Vielleicht klappt es ja zum 01.05.“ meinte Sebastian.
„Die Maler in den Geschäftsräumen sind auch noch nicht fertig. Wir können sowieso noch nicht rein und einrichten.“ stellte ich fest.
„Hat der Patron (Vermieter) nicht auch zugesagt, die Außenfassade zu streichen? Das ist wirklich notwendig. Es sieht einfach grauenhaft aus.“
„Ja, Sebastian, hat er, zumindest in Höhe des erstens Stockwerks.“
„Was ist mit den bestellten Möbeln?“ fragte Jan.
„Ich will morgen Vormittag mit Rondro hinfahren und nachfragen, morgen sollen sie fertig sein.“
„Na da bin ich ja gespannt, wie die aussehen.“
„Jan, ich auch! Die technischen Zeichnungen waren sicher zu viel für ihn.“

Am nächsten Morgen fuhr ich mit Rondro zum Tischler. Er hatte seinen Verkaufsstand an der Straße. Seine Möbel wurden auf einem weiten Platz präsentiert. Die ersten bestellten Möbel waren fertig. Er hatte uns nun drei Wochen hingehalten.
Seine Frau zeigte mir drei Stühle und einen Tisch, die er angefertigt hatte.
Ich stand fassungslos davor. Konnte nicht glauben, was ich sah.
Hässlich war gar kein Ausdruck.
Das sollte ein Stuhl sein?
„Für so etwas zahle ich nicht.“
Die Frau begann zu zetern. Menschen liefen zusammen. Sie lachten. Sie lachten über die Möbel, über die Aufregung und schüttelten den Kopf. Ich sagte der Frau, „Das sind Stühle für ein Zebu, aber nicht für ein Internetcafe.“ Nach einer halben Stunde Diskussion, erklärte sie sich bereit, dass ihr Mann die Stühle noch einmal bearbeitet und aus den Baumstämmen wirkliche Stuhlbeine fertigt.
„Rondro, das hat keinen Zweck. Wir brauchen einen anderen Tischler.“
„Ja ich kenne einen.“
„Dann lass uns hinfahren.“

Der zweite Tischler, ein Inder, hatte sogar ein Lineal, eine eigene Werkstatt und konnte anscheinend auch technische Zeichnungen lesen. Ich war voller Hoffnung, noch die gewünschten Möbel zu bekommen.
Einige Tage später holte ich die nach gebesserten Stühle und den Tisch ab. Jan und Sebastian waren sprachlos.
So was kann man doch nicht in ein Geschäft stellen.
„Wie sehen die denn aus!“
„Ha, da hättest du sie mal original sehen sollen. Jetzt sind die Stuhlbeine und Lehnen nur noch halb so dick.“
„Hattest du nicht noch einen anderen Tischler beauftragt?“ fragt Jan.
„Ja, das habe ich. Den habe ich auch besucht heute. Doch der hat die Arbeit noch nicht einmal begonnen. Hat uns vertröstet.“
„Wir brauchen eine Zwischenlösung. Wenn die Möbel später fertig werden, dann können wir sie immer noch austauschen.“
„Die Eröffnung zum 15.4. wird sowieso nichts, vielleicht zum 01.5.?“ bemerkte Sebastian.
„Wir müssen improvisieren. Es nutzt alles nichts. Mit den Möbeln wird uns schon etwas einfallen. Hier beruht alles auf Improvisation.“
„Was hast du heute noch für Termine?“ fragte Sebastian.
„Heute Nachmittag muss ich mit Rondro wieder zum Block und zur Präfektur. Der Behördenkram nimmt kein Ende. Ist ein Problem gelöst, stehen wir vor dem Nächsten.“

Es ist kein Berg, den wir erklimmen wollen, es ist ein Gebirge, dachte ich. Einen ganzen Teil des Weges hatten wir geschafft und mit jeder Klippe, die wir hinter uns ließen, wuchs unsere Stärke. „Meinst du, wir eröffnen überhaupt irgendwann?“ zweifelte Jan.
"Natürlich! Wir haben es soweit geschafft, das kann nicht umsonst gewesen sein."

Als ich am Nachmittag mit Rondro an der Präfektur parkte, begrüßten uns zwei Mädchen. Es waren ehemalige Schülerinnen. Sie nutzten die Gelegenheit und fragten nach einem Job.
Unsere Firma bestand zwar, aber die Geschäftseröffnung ließ auf sich warten. Wir brauchten Mitarbeiter, die später die Kunden betreuen würden. Also lud ich die beiden ein zu einem Gespräch.
Jan, Sebastian und Gunter stimmten zu und sie wurden eingestellt.
Gastelle und Fabrice, die eine 19 und die andere war 25 Jahre alt. Beide waren sehr nett und sprachen englisch. Sie gaben bei der Einstellung an, sie hätten Informatik studiert.
Bei näherer Betrachtung hieß das: sie saßen schon einmal an einem PC und konnten einen Text in Word schreiben, kannten sich auch ein bisschen in Excel aus. Von Internet, Ausdrucken und Einscannen hatten sie keine Ahnung. Wir bemühten uns, sie am PC fit zu machen.
Nun hatten wir jeden Tag die Mädels im Haus zum Unterricht. Während Jan sie anlernte am PC, ging meine Rennerei um die nötigen Papiere weiter.

„Na ? Was grübelst du?“ fragte mich Sebastian, als ich mit einer Tasse Kaffee in Gedanken versunken im Wohnzimmer saß.
“Ach, Sebastian. Ich mache mir Sorgen. Wir müssen unbedingt bald eröffnen. Das Geld hat drastisch abgenommen. Überall müssen wir zahlen und haben keine Einnahmen. Die Miete für die Geschäftsräume ist heftig. 4 Mio Fmg, das sind ca. 800 Euro jeden Monat. Wir zahlen Löhne für Angestellte. Und werden nur blockiert.“
„Ja, ist schwierig. Die wollen vielleicht gar keine Investoren.“
„Wer weiß.“
„Warst du noch mal bei dem Tischler?“
„Ach der,“ winkte ich ab „der hat immer noch nicht angefangen und lässt sich neuerdings verleugnen, wenn wir kommen. Ich habe Rattanmöbel bestellt, die sind Ende der Woche fertig. Dann haben wir ein paar Sitzgelegenheiten, wie wir es wollten. Für die Wartefläche am Eingang macht sich das ganz gut.“
„Hast du den Patron mal angerufen? Ich war heute dort, die Maler sind immer noch nicht fertig.“ schaltete sich Jan ein.
“Der Patron ist seit Wochen nicht in Majunga, telefonisch nicht erreichbar. Wir haben ihm mal wieder einen Spruch auf der Mailbox hinterlassen.“
„Solange die Malerarbeiten nicht abgeschlossen sind und wir keine Schlüssel haben, können wir nicht mit dem Einrichten beginnen.“ Jan machte ein bedenkliches Gesicht. Auch Sebastian schaute nun sorgenvoll.
„Was wird, wenn das Geld nicht reicht?“ fragte er.
„Wir müssen die Autos verkaufen. Der Transporter sollte sowieso verkauft werden. Wir müssen mehr Werbung machen. Unsere Zettel verteilen mit dem Verkaufsangebot. Vielleicht sollten wir die Autos öfter dort parken, wo potentielle Käufer verkehren, an Tankstellen, an der Taxi-Brousse Station, vor Hotels und Restaurants. Die Zettel, dass sie zum Verkauf stehen, sind ja dran. Vielleicht meldet sich jemand.“
„Es ist zurzeit schwierig, denn es gibt zu viele Autos hier zum Verkauf.“
„Ja, stimmt. Rondro hat erzählt, dass der Hafen von Tulear dicht ist und nun alle Schiffe nach Majunga umgeleitet werden. Deshalb gibt es hier eine richtige Autoschwemme. Und damit sinkt die Nachfrage. Ganz logisch.“
„Vielleicht müssen wir mit den Autos nach Tana und sie dort anbieten.“ meinte Jan.
„Das wird dann der nächste Schritt sein, wenn es nicht anders geht. Aber Tana? Das sind 600 km Strecke, die nicht leicht zu befahren ist und lass mal unterwegs eine Panne sein oder ähnliches. Du kennst dich nicht aus, kannst dich nicht verständlich ausdrücken. Und Tana selbst ist ziemlich teuer. Da kommen wieder Hotelkosten auf uns zu usw.!“
Wir schauten uns an. Keiner hatte eine Lösung. Jan ging wieder an seinen Computer, Sebastian in sein Zimmer und ich steckte mir eine Zigarette an. Existenzsorgen setzten den Nerven zu.



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