18 Jahre Schriftstellerforum!
 
Suchen
Suchabfrage:
erweiterte Suche

Login

Jetzt erhältlich! Eine Anthologie von und mit unseren Usern. Jetzt bestellen! Die erste, offizielle DSFo-Anthologie! Lyrikwerkstatt Das DSFo.de DSFopedia


Deutsches Schriftstellerforum Foren-Übersicht -> Prosa -> Werkstatt
Dieses Werk wurde für den kleinen Literaten nominiert Wildhundland [Roman - Anfang]


 
 
Gehe zu Seite Zurück  1, 2, 3  Weiter
Neues Thema eröffnen   Neue Antwort erstellen
 Vorheriges Thema anzeigen :: Nächstes Thema anzeigen  « | »  
Autor Nachricht
sleepless_lives
Geschlecht:männlichSchall und Wahn

Administrator
Alter: 58
Beiträge: 6477
Wohnort: München
DSFo-Sponsor Pokapro und Lezepo 2014
Pokapro VI Weltrettung in Gold


Beitrag21.05.2008 15:00

von sleepless_lives
Antworten mit Zitat

@Leona

Leona hat Folgendes geschrieben:
Zitat:
Schließlich setzte sich der Boss durch und die drei nahmen die zwei Flinten und einen Knüppel und gingen zur Tür des Wohnhauses und einer klopfte an die Tür, während die anderen beiden sich seitlich außerhalb des Blickfeldes einer die Türe öffnenden Person positionierten.


Ich finde, der Satz wird durch zu viele "und"s verbunden. Es wirkt zu aneinandergesetzt. Setze doch sonst ein Komma oder eine andere Konjunktion.

Ja, stimmt. Manchmal mach ich das absichtlich, aber das hier ist eher reingerutscht, ohne dass ich es wahrgenommen habe. Teil 4 muss ich mir noch ein paar mal durchlesen und dann kommt er rein.

@Charlotte
Charlotte hat Folgendes geschrieben:

Interessant, daß Du gerade ihn erwähnst, ich habe mir nämlich schon vorgenommen, endlich herauszufinden, was hinter seinem Evangelium nach Jesus Christus steckt, ich bin sehr gespannt. (Du kennst den kleinen Skandel um dieses Werk?)
Ja, natürlich ist er mir ein Begriff, ich habe zwar noch nicht viel von ihm gelesen, aber ich weiß, daß er 98 den Nobelpreis bekam. Er schreibt ein wenig surrelistisch und erinnert auch ein wenig an Kaffka, und den liebe ich ja auch.

Ja, von dem Skandal hab ich gehört. Ich bin ein großer Saramago-Fan. Bei ihm hat mich seine Meisterschaft in der Sprache richtiggehend erschlagen. Ich hab  ihn leider nur in Übersetzung gelesen (bin des Portugiesischen nicht mächtig), aber immerhin auf Deutsch und Englisch, je nachdem, wo ich mich gerade aufhielt, und das Ergebnis war das Gleiche.
Was mich außerdem fasziniert ist, dass in vielen seiner Romane eigentlich sehr wenig und oft sehr Alltägliches passiert und es trotzdem unglaublich spannend ist. 'Stadt der Blinden' ist wohl sein bekanntestes Werk und da geht's auch handlungsmäßig ziemlich krass ab.

Grüße,

- sleepless_lives


_________________
Es sollte endlich Klarheit darüber bestehen, dass es uns nicht zukommt, Wirklichkeit zu liefern, sondern Anspielungen auf ein Denkbares zu erfinden, das nicht dargestellt werden kann. (Jean-François Lyotard)

If you had a million Shakespeares, could they write like a monkey? (Steven Wright)
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
BlackRider
Richter und Henker
B

Alter: 49
Beiträge: 1479
Wohnort: ZRH


B
Beitrag22.05.2008 04:51

von BlackRider
Antworten mit Zitat

Ah, der Meister des langen Satzes smile
Diesmal schlaegst Du damit ja wirklich zu. Die langen Saetze sind bei Dir schon okay, die hast Du wirklich drauf. Bloss sind manche hier trotzdem etwas zu lang geraten.

Hier z.B.:
Langsam zurückweichend war Jonas mit dem Mann durch den Hinterausgang von der Küche nach draußen gelangt, aber der vierte Mann, der dort wartete, hatte das Messer einfach nicht gesehen, wie er seinem Kollegen später lautstark beteuerte, und so hatte er geschossen, als Jonas strauchelte und sich an der Küchentür hatte abstützen müssen, weil seine wenig getragene Anzugshose, gekauft in buchstäblich fetteren Zeiten, zu rutschen anfing.

Herrlich Szene, in der beteuert wird, dass der vierte Mann das Messer nicht gesehen hat. Und dann muss einfach ein Punkt kommen, waehrend dem man sich die Zeit nehmen kann, drueber zu lachen. Du zerrst den Leser aber weiter, ohne das er ueber den Gedanken gebuehrend laecheln kann.
Die rutschende Hose kommt ebenfalls gut (nicht ganz so gut wie die beteuerung though), aber dass es alles in einem Satz steht verschleift zwei praechtige Ideen zu einer mittelmaessigen.

Wegezoll zum Schutz vor sich selbst... herrich.
Die hier:
 (einzigen) Brücke ... auszurauben/zu begleiten
kommen aber nicht so gut in einem Roman. Ich weis snicht genau... vermutlich ist es eine dieser Konventionen die man hier und da brechen soll, aber das Auge eckt da einfach an.

Wie waers hier:
Und der Blutbusch machte sich in diese Weise vernachlässigt auf den Weg und nahm sein Schicksal in die eigene Hand... oder Zweig oder was auch immer
gleich mit:
Und der Blutbusch machte sich in diese Weise vernachlässigt auf den Weg und nahm sein Schicksal in die eigenen Zweige.

Generell fand ich es etwas langwieriger als Strandlaeufer (beachte: langwieriger, NICHT langwierig), aber es ist ein Roman. Ist hier immer schwierig, einen Roman zu praesentieren. Wenn man etwas nur anliest kann es als langatmig empfunden werden, und wenn man es dann so schnell macht wie die Leute wollen, wird der Roman zu hektisch.

So gesehen... wenn ich da den ganzen Roman vor mit haette, waere es vermutlich genau das richtige Tempo. Is aber wiederum auch schwer zu beurteilen, wenn man den ganzen Roman vor sich nicht hat smile

Grins, Du brennst schon immer jede Menge Ideenfeuerwerke ab. ich schaetze mal, das macht es aus, dass man Dir ohne grosses Gewese die langen Saetze vergibt.
Ist das Deine Natur?
Fuer den Roman wird es wichtig werden, diese Ideenfeuerwerke bis zum Schluss durchzuhalten. Wenn es in der ersten Haelfte sprueht und funkt und in der zweiten Haelfte zur strikten Handlungsfortfuehrung degenerieren sollte, dann waere das schade.
Das nur so als Gedanke. So wie Du diese Feuerwerkchen abbrennst glaube ich nicht, dass Du irgendwann damit stecken bleibst smile


_________________
-https://www.youtube.com/watch?v=SnyVYk7pkII-
Leider macht Sucht auch vor Intelligenz nicht halt
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
lupus
Geschlecht:männlichBücherwurm

Alter: 56
Beiträge: 3914
Wohnort: wien



Beitrag22.05.2008 11:09

von lupus
Antworten mit Zitat

Hi Sleepless!

Ein sehr schöner Text, stimmungsvoll, stilistisch ein Genuss. Auch das Tempo, diese Langsamkeit, mit der man peu à peu hinheingesogen wird in das 'Geschehen', diese Ruhe - passend zur Öde, zur - in meiner Vostellung - ewigen Weite des Landes: herrlich. Die (nicht einmal wirklich) langen Sätze tun gut, die Abwechslung mit den etwas kürzeren gekonnt getimet, die Beschreibungen so dosiert, dass genug Freiraum für die eigene Phantasie bleibt, aber dennoch genug da ist, um überhaupt Phantasie aufkommen zu lassen. Alles in allem: sehr, sehr gerne gelesen.

einige Anmerkungen (etwas kleinlich, aber dieser Text ist so gut, dass es eh nur mehr auf Kleinigkeiten ankommt):
ich denke, gerade bei etwas längeren Sätzen erhöht sich beim Leser automatisch das Konzentrationsniveau und deshalb fallen u.U. Dinge auf, die sonst unter den Tisch fallen. Vielleicht auch, weil man sich innerlich auf 'etwas Schönes' einstellt. Kleinere 'Schnitzer' (oft nur Geschmacksfragen) fallen dan aber besoners ins Gewicht, was dn Text nicht schlechter macht, aber mich manchmal m Lesefluss hemmt (die Schmankerln wurden ja alle schon erwähnt, also lass ich das):

Zitat:
Und Jonas hatte sich daran gehalten, auch wenn es ihm schwer gefallen war, wissend, dass der Vater ganz auf sich allein gestellt war.


2x war: auch wenn zeitbedingt, vielleicht ein Wort, das ein 'hatte' verlangt?

Zitat:
.... der Strick nicht anders als die, mit denen man Korn- oder Kartoffelsäcke zuband, der Lastwagen nicht anders als die, mit denen man die Säcke zum Markt fuhr, und er selbst und ein anderes erbärmliches Menschlein, das da auf der anderen Seite kauerte, nicht mehr als ein Ware unter anderen. Also konnten sie sich nun Automobile leisten, die Bauern Sodarwin.

eine Super-Passage, mit einem schönen kleinen Überraschungseffekt am Ende, das 'Menschlein' mag mir nicht gefallen, aber was soll's
Zitat:
Das weiße Hemd, sein bestes, anbei bemerkt, war blutgetränkt und von Löchern zerrissen.

'anbei bemerkt' ist ein Füller, der mE nicht so ganz paßt. Wenn es nicht einen tieferen Sinn hat, den ich nicht erkennen kann, würd ich das weglassen.
Zitat:
die eine Vielzahl von ahnungslosen Bauern vorbeiziehen ließen

das 'ließen' bezieht sich doch auf die Vielzahl und müßte demnach im Singular stehen, oder?
Zitat:
die eine Vielzahl von ahnungslosen Bauern vorbeiziehen ließen, welche sie alle miteinander einsacken würden und welche sie zu reichen Menschen machen würden.

logisch ist es leicht zu erfassen, aber auf wen beziehen sich nun die verschiedenen 'sie'. Wer wird reicher? die Häscher oer die BAuern?
Zitat:
die sich anscheinend völlig grundlos aus der Ebene erhoben

anscheinend?
Zitat:
Und der Blutbusch machte sich in diese Weise vernachlässigt auf den Weg und nahm sein Schicksal in die eigene Hand... oder Zweig oder was auch immer

ich muss gestehen, dass gerade das mir so gar nicht gefällt. Diese Analogie schient mir - auch wenn sie gar nicht unwitzig ist - etwas zu sehr abgeschmackt zu sein, vielleicht auch, weil sie soooo naheliegend ist?
Zitat:
in sehr pittoresken Windungen

sehr? ein 'sehr' würde doch eine Steigerungsmöglichkeit voraussetzen oder? pittoresk, pittoresker, am pittoreskersten?
Zitat:
ein starres grünes Meer

ich dachte die Blüten seien rot. Rot dominiert in der Wahrnehmung gegenüber grün. Oder sind wir gar nicht in der Blütezeit?
Zitat:
die nirgendwo herkamen und nirgendwo hinführten, wo ein erwachsener Mensch nicht aufrecht stehen konnte, sondern zum Kriechgang auf allen Vieren verurteilt war, der so vielen der Kreaturen zu eigen war, mit denen er die dünne Oberflächenschicht der Erde teilte und auf die er doch normalerweise herabsah, wie zum Beispiel... sag es... den Wildhunden. Und als ob sich Jonas' Gedanken in die Wirklichkeit verlängert hätten, war das Heulen eines Hundes zu hören, fern-nah, irgendwo aus der unsichtbaren Unterschicht kommend; jemand sammelte seine Truppen.

Gänsehaut - grandios
Zitat:
Warum auch, alle Tatsachen, Absichten und Machtverhältnisse waren mehr als klar und der Feind meiner Feinde da draußen würde nie mein Freund sein, zumindest nicht von seiner Seite aus.

also ich find das einfach herrlich. Ein einziger Satz und alles ist klar, Fronten abgesteckt.
Zitat:
waren die Jäger geworden

zu Jägern? 'die Jäger' würde mE bedeuten, dass sie die einzigen Jäger waren und von den Menschen nicht mehr gejagt wurden. Wenn dem so ist, dann paßt's aber schon

btw, was ich hier sehr gelungen finde: einerseits die Menschen als Besten darzustellen, die die Hunde quälen und sich selbst so Feinde schaffen, auf der anderen seite aber nicht die Hunde als 'Engel' darzustellen, die sich ja 'eh nur wehren', sondern sie als ebensolche Besten zu zeigen.

Zitat:
Sie mussten sich sehr sicher wähnen, denn normalerweise bekam man sie nur dann zu Gesicht, wenn es zu spät war, wenn die Blutbüsche sich um einen herum alle gleichzeitig teilten und haarige Wesen mit Fangzähnen und Krallen ausspieen.

ausspieen: super Wortwahl, so werden die Hunde zu etwas 'grauslichem' ohne sie als solche zu beschreiben, zumindest komt's bei mir so an.
Zitat:
Wie von Jonas erwartet,

mE paßt das gar nicht zum Stil bis jetzt. --> Vorschlag(du magst ja 'und'): Und tatsächlich...
Zitat:
die Wildhunde mögen diese unstatthafte Gleichsetzung entschuldigen

 Smile

Vielleicht hab ich es nicht ganz kapiert, vielleicht spielen ja in der Folge die Rotbüsche eine tragende Rolle, aber im Moment kommen sie mir etwas zu oft vor, so als wolltest du sagen 'pass auf die Rotbüsche auf, da kommt noch was'

Facit: Chapeau! Der wahrscheinlich schönste (nicht mitreißendste) Text, den  ich hier bislang gelesen hab'. Freue mich auf etwaige Fortsetzungen.

viel Spaß beim Schreiben und
lg
Wolfgang[/quote]
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
sleepless_lives
Geschlecht:männlichSchall und Wahn

Administrator
Alter: 58
Beiträge: 6477
Wohnort: München
DSFo-Sponsor Pokapro und Lezepo 2014
Pokapro VI Weltrettung in Gold


Beitrag22.05.2008 17:47

von sleepless_lives
Antworten mit Zitat

@BlackRider
Danke für Kritik und Lob.

BlackRider hat Folgendes geschrieben:
Ah, der Meister des langen Satzes smile
Diesmal schlaegst Du damit ja wirklich zu. Die langen Saetze sind bei Dir schon okay, die hast Du wirklich drauf. Bloss sind manche hier trotzdem etwas zu lang geraten.

Ich bin genetisch prädisponiert für lange Sätzte. Da, wo bei anderen ein Punkt in den Genen ist, ist bei mir ein Komma  Very Happy

BlackRider hat Folgendes geschrieben:
Die hier:
(einzigen) Brücke ... auszurauben/zu begleiten
kommen aber nicht so gut in einem Roman. Ich weis snicht genau... vermutlich ist es eine dieser Konventionen die man hier und da brechen soll, aber das Auge eckt da einfach an.

Du hast wahrscheinlich recht. Entweder muss man es bewusst als Stilmittel einsetzen und dann aber öfters bringen oder es weglassen. Ich glaube, ich werd mich fürs Letztere entscheiden.

BlackRider hat Folgendes geschrieben:
Generell fand ich es etwas langwieriger als Strandlaeufer (beachte: langwieriger, NICHT langwierig), aber es ist ein Roman. Ist hier immer schwierig, einen Roman zu praesentieren. Wenn man etwas nur anliest kann es als langatmig empfunden werden, und wenn man es dann so schnell macht wie die Leute wollen, wird der Roman zu hektisch.

Klingt so, als ob da jemand aus kritikgeprüfter Erfahrung spricht. Wink  Stimme 100% zu. Lesen von Ausschnitten eines Romans im Web ist einfach etwas ganz anderes, als wenn man sich mit dem papierenen Buch in voller Länge in den Lehnstuhl setzt.

BlackRider hat Folgendes geschrieben:
Grins, Du brennst schon immer jede Menge Ideenfeuerwerke ab. ich schaetze mal, das macht es aus, dass man Dir ohne grosses Gewese die langen Saetze vergibt.
Ist das Deine Natur?

Ja, ist Teil des Lange-Sätze-Pakets in meinem Erbgut  Wink  Nun im Ernst, ich glaube, dass das eine Folge vom Langsam-Schreiben ist, und ich bin notorischer Langsam-Schreiber. Das ist wie mit handgemachten Animationsfilmen. Die packen dann auch immer wahnsinnig viel rein, weil sie Tage brauchen, nur um ein paar Sekunden Film hinzukriegen.

BlackRider hat Folgendes geschrieben:

Fuer den Roman wird es wichtig werden, diese Ideenfeuerwerke bis zum Schluss durchzuhalten. Wenn es in der ersten Haelfte sprueht und funkt und in der zweiten Haelfte zur strikten Handlungsfortfuehrung degenerieren sollte, dann waere das schad

Ich denke, das ist immer ein Gefahr, auch für hochgelobte und berühmte Schriftsteller. Es wird allerdings ein bisschen dadurch abgefangen, dass man normalerweise später mit den Protagonisten mitfiebert und es weniger Neues braucht.
*sleepless-in-totalen-Überheblichkeitsmodus-umschalt*: Don't worry, I haven't even started yet



@lupus
Sei bedankt für die sehr ausführliche und hilfreiche Rezension. Freut mich sehr, dass dir der Romananfang gefallen hat

lupus hat Folgendes geschrieben:
passend zur Öde, zur - in meiner Vostellung - ewigen Weite des Landes

Das ist auch meine Vorstellung.

Das meiste von dem, worauf sich deine Anmerkungen beziehen, wird gleich in meiner heimischen Originalversion geändert.
Hier
lupus hat Folgendes geschrieben:
sehr? ein 'sehr' würde doch eine Steigerungsmöglichkeit voraussetzen oder? pittoresk, pittoresker, am pittoreskersten?

denke ich allerdings, dass das 'sehr' in Ordnung ist, und dass 'pittoresk' in der Tat gesteigert werden kann, auch wenn es sehr ungewohnt klingt. Nicht mal meine Rechtschreibprüfung regt sich über 'pittoresker' und  'am pittoreskesten' auf.

lupus hat Folgendes geschrieben:
ich dachte die Blüten seien rot. Rot dominiert in der Wahrnehmung gegenüber grün. Oder sind wir gar nicht in der Blütezeit?

Ja, Blütezeit ist vorbei. Blütezeit ist im Sommer und es ist bereits Herbst. Da war früher noch eine Passage drin, die das explizit gesagt hat. Hab sie rausgenommen, weil die Blutbuschbeschreibung anfing, sehr ins Detail zu gehen und es später noch eine bessere Gelegenheit gibt, darauf zurückzukommen. Vielleicht sollt ich sie wieder hier reinnehmen...

lupus hat Folgendes geschrieben:
zu Jägern? 'die Jäger' würde mE bedeuten, dass sie die einzigen Jäger waren und von den Menschen nicht mehr gejagt wurden. Wenn dem so ist, dann paßt's aber schon

Das ist in der Tat der Fall.  Die Menschen in der Gumbana sind alle nur noch in der Defensive einschließlich der Bauern Sodarwin, nur dass die die Mittel haben sich in Defensive zu behaupten (kommt später).

lupus hat Folgendes geschrieben:
Vielleicht hab ich es nicht ganz kapiert, vielleicht spielen ja in der Folge die Rotbüsche eine tragende Rolle, aber im Moment kommen sie mir etwas zu oft vor, so als wolltest du sagen 'pass auf die Rotbüsche auf, da kommt noch was'

Es gibt drei Akteure (die auch gleichzeitig wesentliche Handlungsträger im Roman sind), die das Leben der Menschen in der Gumbana bestimmen, der Blutbusch, die Wildhunde und die Sodarwins. Die Schicksale dieser drei sind untrennbar miteinander verbunden (die Hintergründe werden beleuchtet, aber es dauert noch ein bisschen). Der vierte apokalyptische Reiter ist die Armut, wie der Tod steht sie ein bisschen über den anderen, denn mit ihr hat alles angefangen.


lupus hat Folgendes geschrieben:
Facit: Chapeau! Der wahrscheinlich schönste (nicht mitreißendste) Text, den ich hier bislang gelesen hab'. Freue mich auf etwaige Fortsetzungen

 Embarassed



Grüße,

- sleepless_lives


_________________
Es sollte endlich Klarheit darüber bestehen, dass es uns nicht zukommt, Wirklichkeit zu liefern, sondern Anspielungen auf ein Denkbares zu erfinden, das nicht dargestellt werden kann. (Jean-François Lyotard)

If you had a million Shakespeares, could they write like a monkey? (Steven Wright)
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
sleepless_lives
Geschlecht:männlichSchall und Wahn

Administrator
Alter: 58
Beiträge: 6477
Wohnort: München
DSFo-Sponsor Pokapro und Lezepo 2014
Pokapro VI Weltrettung in Gold


Beitrag24.05.2008 08:05

von sleepless_lives
Antworten mit Zitat

Und hier folgt der vierte Teil:


18 Sekunden. In 18 Sekunden konnte man vielleicht fünfzig Meter zu Fuß hinter sich bringen oder einem Pferd das Zaumzeug anlegen. 18 Sekunden war die Zeit, die die kleine Spinne auf Jonas' Fuß brauchte um wieder auf den Boden der Pritsche zurückzuwandern, von wo sie gekommen war, und 18 Sekunden war genug Zeit, um eine Scheune zu betreten, in der Erwartung ein paar verängstige, aber möglicherweise bewaffnete - man hatte gelernt - Menschlein anzutreffen, und zu sterben. Es war nichts zu sehen von außen und nicht viel mehr zu hören als ein paar Schreie und ein Schuss. Dann fiel-rannte der Mann mit der Halswunde, zu der sich eine klaffende Wunde im Oberschenkel gesellt hatte, aus dem Scheunentor, die Flinte festhaltend noch im Fallen, als ob sein Leben davon abhinge, was es nicht mehr tat, jetzt wo er draußen war, mit einem gewaltigen zottligen Wildhund an seinen Fersen, der sich aber gleich wieder in der Schutz der Scheune zurückzog. Der Fahrer war nicht ausgestiegen und stieg auch jetzt nicht aus, sondern fluchte nur in einem fort. Der Verwundete rappelte sich auf und humpelte, so schnell er vermochte, in Richtung des Wagens, kreidebleich und mit weit aufgerissenen Augen, eine Blutspur hinterlassend, aber im Moment wahrscheinlich keinerlei Schmerzen spürend. Er hatte nicht bemerkt, dass ihm keine Gefahr mehr drohte, sein Gehirn blockierte alle Gedanken außer einem: Weg hier! Er war am Wagen angekommen und schrie immer wieder: »Raus hier! Raus hier!«  

Der Fahrer verließ nun doch den Wagen und sagte kühl: »Wir müssen was mit deiner Wunde tun.« Der andere  sah ihn verständnislos an, dann mit leerem Blick zurück zur Scheune, sagte: »Da...«, und deutete zur Scheune. Wie ein Lamm ließ er sich zur Ladefläche leiten.
»Du, komm runter!« brüllte der Fahrer Andreas an. »Du sitzt jetzt vorne.« Und wie jener sich mit kleinen Fesseltrippelschritten zur Beifahrertür bewegte, wusste Jonas, dass er an Flucht dachte. Gott sei Dank unternahm er keinen Versuch, der Fahrer hätte ihn mit ein paar Schritten eingeholt oder, was bei seinem jetzigen Gemütszustand wahrscheinlicher war, die Flinte genommen und ihn in den Rücken geschossen. Der Verwundete hievte sich mit Hilfe des Fahrers auf die Ladefläche, während Blut im Rhythmus seines Herzschlags aus der Wunde spritzte, und der Fahrer ging nach vorne und kam mit zwei nicht besonders sauberen Tüchern zurück und kletterte auf die Pritsche.

»Leg dich hin«, sagte er zu dem stumpf in die Gegend glotzenden Verwundeten. Der tat mechanisch, wie ihm geheißen worden war, dann jedoch fiel ihm etwas ein.
»Wir müssen Johann und Anton helfen. Wir... müssen...«
Er versuchte, aufzustehen, aber der Fahrer hielt ihn davon ab, drückte den Oberkörper des Unruhigen zurück auf die Ladefläche.
»Zu spät«, sagte er und setzte ein paar Flüche hinterher.
Er faltete das eine Tuch mehrfach, legte es auf die Wunde und wies den Verwundeten an, es mit seiner Hand festzuhalten, während er begann, das zweite Tuch um dessen Bein zu wickeln.
Jonas meinte: »Der braucht einen Arzt. Und zwar schnell. Wir müssen ins Dorf zurück!«
Der Fahrer sah ihn nicht einmal an, geschweige denn, dass er sich zu einer Antwort herabließ. Aber Jonas war es den Versuch wert gewesen, auch wenn er damit den letzten Rest seiner winzig kleinen Glaubwürdigkeit gegenüber dem Fahrer verspielt hatte.   

Dann fuhren sie wieder. Jonas wechselte seinen Platz und lehnte sich mit dem Rücken an die Fahrerkabine.
»Der Platz ist ja jetzt wohl frei«, sagte er zu sich selbst.
Die kleine Spinne hatte es inzwischen fertiggebracht, auf die Bordwand zu klettern, und tat... ja was? Was auch immer sie wollte, frei wie sie war, vielleicht einfach nur den minimalen Fahrtwind genießen.

Als sie wieder die Hauptstraße erreichten, sah Jonas das Pferd des Bauern Andreas samt Wagen in einiger Entfernung die Straße entlangtrotten. Selbst ein einzelnes Pferd war sicher vor den Hunden, wenn es sich in der Mitte der Straße hielt. Und kurze Zeit später, als die Straße über einen Hügelrücken führte, sah er es noch einmal, wie es abzweigte Richtung Hof, Stall und Futter. Jonas versuchte sich vorzustellen, wie man wohl auf so einem Hof überleben konnte. Sie mussten irgendwo hinter dem Hof in den Blutbüschen versteckt bestellbares Land haben, mit einem kleinen Wirtschaftsgebäude, einem Stall vielleicht, ein paar Hühnern. Aber niemand in Andreas' Lage konnte sich genügend Maschenzaun leisten, um ausreichend Land einzuzäunen, selbst wenn es nur ein paar Gemüsebeete und Obstbäume waren.  Ihr Land musste an einem Teich gelegen sein, das war die einzige vernünftige Erklärung, an drei Seiten von Wasser oder Sumpf umgeben. Beides mieden die Wildhunde wie der Leibhaftige das Weihwasser. Die einzige offene Seite hatte man dann mit Maschendraht dicht gemacht und irgendwo in den Blutbüschen führte ein ebenfalls eingezäunter Korridor bis zum Land, aber nicht direkt vom Haus losgehend, die Entdeckungsgefahr war zu groß. Ein paar Meter musste man ungeschützt durch die Blutbüsche wandern, ein vertretbares Risiko, wenn man die unmittelbare Umgebung und das Verhalten der Windhunde gut kannte.

Jonas bewunderte Andreas und seine Familie für ihren Durchhaltewillen. Jonas' Eltern hatten den Familienhof in den Bergen im Südwesten aufgegeben, als Jonas sechzehn war. Bis dahin hatte man sich mehr schlecht als recht durchgeschlagen, im Hochtal in der Grauzone zwischen Wolfsland und Wildhundland, hatte sich im Wesentlichen nur dadurch über Wasser halten können, dass Jonas' Vater - und später Jonas mit ihm - in die Berge ging und nach Bergkristallen suchte, die er im Süden im Ausland verkaufte. Doch ihr Leben dort oben war immer gefährlicher geworden, die Nähe zum Gumbana-Pass hatte sich von einem Segen zu einem Fluch gewandelt, als die Sodarwin-Leute anfingen, sich auch in dieser Gegend nach 'Arbeitskräften' umzusehen. Ein alleinstehender Hof war schutzlos und lud gerade zu ein. So waren die Diskussionen kurz und die Urteile einstimmig in Jonas' kleiner Familie, als der Bruder von Jonas' Mutter seinen Hof, auf der anderen Seite des Sees in einem Dorf gelegen, loswerden wollte, um für immer aus der Gumbana Richtung Übersee zu verschwinden. Dörfer boten mehr Schutz und die Sodarwin-Leute wagten sich damals noch nicht auf die andere Seite des Sees. Beides war ganz offensichtlich nicht mehr der Fall; der gierige Arm der Bauern Sodarwin reichte bis über den See hinaus und sie lachten wahrscheinlich nur über die armseligen Versuche von Gegenwehr seitens der Dorfgemeinschaften.

Die Provinzregierung in Kalinenburg kümmerte sich nicht sonderlich darum, was in der Gumbana passierte, und widmete ihre hingebungsvolle Aufmerksamkeit lieber den anderen reicheren Regionen der Kalinena, unter denen sich, wie hätte es anders sein können, das Gholtal befand. Zudem war die Provinzregierung »korrupt wie der Bürgermeister«  – eine feststehende Redewendung in der Gumbana, was an sich schon Bände sprach über den Zustand der lokalen Verwaltung hier – und die Bauern Sodarwin hatten mit Sicherheit ein paar Abgeordnete des Provinzparlamentes in der Tasche, das heißt, zusätzlich zu den dreien, die aus der von ihnen kontrollierten Ecke der Gumbana kamen. Die Landesregierung jedoch war noch einen halben Schritt weitergegangen und tat so, als ob die Gumbana überhaupt nicht existierte, als sei sie ein weißer Fleck auf der amtlichen Verwaltungskarte, den Verlust an Steuereinnahmen gerne in Kauf nehmend für die Befreiung von der Pflicht in Infrastruktur, Schulwesen, und ähnliches investieren zu müssen. Außerdem war die Gumbana nicht besonders beliebt auf Landesebene, da sie in früheren längst vergangenen Zeiten die Keimzelle von Bauernaufständen gewesen war, die immer auch Autonomieforderungen eingeschlossen hatten, und Autonomie hatte man natürlich auf keinen Fall zulassen können und die Armee geschickt, denn die Gumbana war nun mal ein Teil dieses Landes, sie war es schon immer gewesen, und sie würde es auch immer bleiben, selbst wenn man sie, den Stein am Bein, am liebsten bei der ersten Gelegenheit an einen zufällig des Weges kommenden Händler verscherbeln würde. Das ergab nicht viel Sinn, aber wer würde schon behaupten, dass Sinn und Politik im selben Bett schlafen. Nun jedoch war Ruhe in der Gumbana, man bedanke sich, in dieser Reihenfolge, bei den Bauern Sodarwin, den Wildhunden und den Blutbüschen.

« Was vorher geschah123456Wie es weitergeht »



_________________
Es sollte endlich Klarheit darüber bestehen, dass es uns nicht zukommt, Wirklichkeit zu liefern, sondern Anspielungen auf ein Denkbares zu erfinden, das nicht dargestellt werden kann. (Jean-François Lyotard)

If you had a million Shakespeares, could they write like a monkey? (Steven Wright)
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Merlinor
Geschlecht:männlichArt & Brain

Alter: 72
Beiträge: 8676
Wohnort: Bayern
DSFo-Sponsor


Beitrag24.05.2008 17:31

von Merlinor
Antworten mit Zitat

Hallo Sleepless

Es wird immer besser. Mehr kann ich dazu nicht sagen.

Zitat:
Die kleine Spinne hatte es inzwischen fertiggebracht, auf die Bordwand zu klettern, und tat... ja was? Was auch immer sie wollte, frei wie sie war, vielleicht einfach nur den minimalen Fahrtwind genießen.

Ich liebe diesen Satz. Die Gumbana lebt ...

Herzlich  Very Happy  Very Happy  Very Happy

Merlinor
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
sleepless_lives
Geschlecht:männlichSchall und Wahn

Administrator
Alter: 58
Beiträge: 6477
Wohnort: München
DSFo-Sponsor Pokapro und Lezepo 2014
Pokapro VI Weltrettung in Gold


Beitrag24.05.2008 18:41

von sleepless_lives
Antworten mit Zitat

Danke, Melinor.
Merlinor hat Folgendes geschrieben:
Die Gumbana lebt ...

Und wie...  Very Happy


_________________
Es sollte endlich Klarheit darüber bestehen, dass es uns nicht zukommt, Wirklichkeit zu liefern, sondern Anspielungen auf ein Denkbares zu erfinden, das nicht dargestellt werden kann. (Jean-François Lyotard)

If you had a million Shakespeares, could they write like a monkey? (Steven Wright)
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Leona
Leseratte
L

Alter: 30
Beiträge: 120



L
Beitrag25.05.2008 12:28

von Leona
Antworten mit Zitat

Hallo sleepless!

Ich stimme Merlinor zu, der Satz mit der Spinne ist wirklich gut! smile extra

Zitat:
Jonas meinte: »Der braucht einen Arzt. Und zwar schnell. Wir müssen ins Dorf zurück!«

Es ist nur eine Kleinigkeit, jedoch fiel mir das "Jonas meinte" auf. Überall in der wörtlichen Rede schreibst du das in der Richtung: "...", sagte der-und-der. Ich fand, es passte nicht so gut hinein, aber wie gesagt, es ist nur eine Kleinigkeit. Das musst du wissen.

Ansonsten: Das Übliche, ich finde den Text gut, schöne Beschreibungen...

Freue mich auf die Fortsetzung!

lg,
Leona
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
sleepless_lives
Geschlecht:männlichSchall und Wahn

Administrator
Alter: 58
Beiträge: 6477
Wohnort: München
DSFo-Sponsor Pokapro und Lezepo 2014
Pokapro VI Weltrettung in Gold


Beitrag25.05.2008 16:19

von sleepless_lives
Antworten mit Zitat

Hallo Leona,
danke für den positiven Kommentar.

Leona hat Folgendes geschrieben:
Es ist nur eine Kleinigkeit, jedoch fiel mir das "Jonas meinte" auf. Überall in der wörtlichen Rede schreibst du das in der Richtung: "...", sagte der-und-der. Ich fand, es passte nicht so gut hinein, aber wie gesagt, es ist nur eine Kleinigkeit. Das musst du wissen.

Offensichtlich missglückter Versuch, ein bisschen Abwechslung in die 'sagte's reinzubringen Very Happy

Leona hat Folgendes geschrieben:

Freue mich auf die Fortsetzung!

Der nächsten Teile sind schon eine ganze Weile fertig, müssen aber noch eine Weile liegen und reifen  Wink

Grüße,

- sleepless_lives


_________________
Es sollte endlich Klarheit darüber bestehen, dass es uns nicht zukommt, Wirklichkeit zu liefern, sondern Anspielungen auf ein Denkbares zu erfinden, das nicht dargestellt werden kann. (Jean-François Lyotard)

If you had a million Shakespeares, could they write like a monkey? (Steven Wright)
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
lupus
Geschlecht:männlichBücherwurm

Alter: 56
Beiträge: 3914
Wohnort: wien



Beitrag28.05.2008 15:10

von lupus
Antworten mit Zitat

naja, viel kann man eigentlich nicht dazu sagen.

Nur eines an den Lektor, der dein Manuskript ablehnen sollte: "Viel Glück bei der Job-Suche"

also mE passt da jedes Wort, Stimmung perfekt, Tempo ideal, meine bescheidenen Möglichkeiten erlauben keine Kritik, werd mich in der Folge auch raushalten und einfach nur genießen.

lg
Wolfgang
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
BlackRider
Richter und Henker
B

Alter: 49
Beiträge: 1479
Wohnort: ZRH


B
Beitrag30.05.2008 07:51

von BlackRider
Antworten mit Zitat

Ja ja, ich meine, die ein oder andere Erfahrung damit gemacht zu haben smile

Du hast Kommas in den Genen? Ist doch cool. Bei vielen glaubt man ja fast schon, dass sie gar keine Gene haben smile

Tja, so wie das hier bei Deiner Story weitergeht, bleibt nicht viel zu kritisieren. Es lassen sich eigentlich nur einige Kleinigkeiten ankreiden und ansonsten wartet man darauf, bis man das endlich gebunden kaufen kann.
Eine klasse Welt hast Du da gebaut und und, noch viel wichtiger, sie kommt auch klasse rueber.

In Teil Zwei am Schluss die Sache mit dem ficken. Klasse Idee, bloss klingt der Satz nich so dolle. Laesst sich sicher noch spritziger einbringen.

Der Fahrer, offensichtlich der Boss, befahl den drei anderen im Haus nachzuschauen, was zu einer kleinen Auseinandersetzung führte, in deren Verlauf so ziemlich alle üblichen Schimpfwörter gegenseitig an Köpfe geschmissen...
Das geschmissen kommt nicht so gut.



Ahm.. yo, das wars. Ist natuerlich schwierig, an einem fast perfekten Text grossartig Kritik zu ueben smile


_________________
-https://www.youtube.com/watch?v=SnyVYk7pkII-
Leider macht Sucht auch vor Intelligenz nicht halt
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
sleepless_lives
Geschlecht:männlichSchall und Wahn

Administrator
Alter: 58
Beiträge: 6477
Wohnort: München
DSFo-Sponsor Pokapro und Lezepo 2014
Pokapro VI Weltrettung in Gold


Beitrag30.05.2008 16:54

von sleepless_lives
Antworten mit Zitat

Danke, lupus und BlackRider, für das Lob.
 
@lupus
lupus hat Folgendes geschrieben:
Nur eines an den Lektor, der dein Manuskript ablehnen sollte: "Viel Glück bei der Job-Suche"

Very Happy

lupus hat Folgendes geschrieben:
werd mich in der Folge auch raushalten und einfach nur genießen.

Ok, immer wenn die Aufrufzahl nach dem nächsten Teil eins höher geht, werd ich mir denken, das war der lupus... oder das... oder das... oder das...  Laughing
Aber schalt dich bitte wieder ein, wenn du denkst, es läuft in die falsche Richtung oder fällt merklich ab.

@BlackRider
Werde mir die von dir genannten Textstellen noch mal vornehmen, danke.

Grüße,

- sleepless_lives


_________________
Es sollte endlich Klarheit darüber bestehen, dass es uns nicht zukommt, Wirklichkeit zu liefern, sondern Anspielungen auf ein Denkbares zu erfinden, das nicht dargestellt werden kann. (Jean-François Lyotard)

If you had a million Shakespeares, could they write like a monkey? (Steven Wright)
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
sleepless_lives
Geschlecht:männlichSchall und Wahn

Administrator
Alter: 58
Beiträge: 6477
Wohnort: München
DSFo-Sponsor Pokapro und Lezepo 2014
Pokapro VI Weltrettung in Gold


Beitrag14.06.2008 12:54

von sleepless_lives
Antworten mit Zitat

Und hier kommt der fünfte Teil.


Und wieder war das Heulen eines Hundes zu vernehmen und durch den Verwundeten neben Jonas, der bisher unter Schock teilnahmslos dagelegen hatte, fuhr ein Ruck, als wär er gegen eine Wand gelaufen.
»Hunde überall, Scheißhunde«, brach es aus ihm heraus, während sein Blick hin- und herschwirrte wie ein kopfloses Huhn, bis er an Jonas hängenblieb.
»Ich hab sie gesehen,  ich hab sie... ich hab sie gesehen, die Scheißhunde. Du denkst, die bellen und knurren, nicht wahr. Aber das tun die nicht. Kein Laut. Nichts. Waren überall. Ich hab sie gesehen«
Der Wagen fuhr durch ein weiteres Schlagloch und der Mann fing an seine Schmerzen zu spüren. Er stöhnte auf.
»Scheiße, tut das weh.«
Er versuchte einen Blick auf die Beinwunde zu werfen, gab den Versuch aber gleich wieder mit einem Schmerzensschrei auf. Der provisorische Tücherverband war inzwischen blutdurchtränkt.

»Ich konnte Johann nicht helfen«, wimmerte er, »Was hätte ich denn machen sollen? Was denn? Die waren doch überall, die Biester. Ich...«
Ein ganz anderer Schmerz bemächtigte sich seiner, viel schlimmer als der physische.
»Was hätt' ich denn tun sollen? Er war... Sag doch, was hätt' ich denn tun können?«
Jonas schwieg.
»Mutter hat gesagt, ich soll auf ihn aufpassen. Und jetzt... was jetzt.«
Er fing an zu weinen.
»Die Hunde waren doch überall. Verstehst du? Überall. Was hätt ich denn tun sollen? Verdammt nochmal.«
Er beruhigte sich etwas und wurde still, doch dann riss ihn etwas erneut aus seinem Dämmerzustand und er versuchte, sich aufzurichten.
»Wir müssen zurück und ihm helfen. Jetzt! Sofort!«
»Bleib liegen!«, sagt Jonas, sanfter als er wollte, und setzte nach. »Oder deine Mutter wird einen zweiten Sohn verlieren.«
»Aber sie sind in der Scheune. Und die Hunde«, sagte der Verwundete mit gequälter Stimme. »Ich muss Johann helfen. Ich muss ihm helfen. Ich muss ihm doch helfen!«
»Zu spät«, sagte Jonas, »Sie sind zum Niedersee gegangen.«
Das war ein Euphemismus in der Gumbana für 'von den Wildhunden zerfetzt und gefressen'. Jonas wusste nicht, ob der Mann den Ausdruck kannte, wahrscheinlich nicht, aber das war auch egal, das Bild, das er heraufbeschwor, war klar genug. Dabei war es angeblich gar keine Metapher, angeblich gab es den Niedersee wirklich, irgendwo weiter im Osten, angeblich hatte es dort angefangen mit der Übermacht der Wildhunde und Menschen waren erstmals spurlos verschwunden auf dem Weg zum Niedersee. Doch niemand hatte ihn in den letzten hundert Jahren zu Gesicht bekommen, was vielleicht nicht soviel besagte. Es war schon lange niemand mehr im Osten der Gumbana gewesen, der hufeisenartig von Bergen eingeschlossen war, beinahe wie ein Tal, wäre die Region nicht viel zu ausgedehnt dafür, langsam ansteigend bis zu den Hochgebirgsregionen im Osten, dort wo die wirklich hohen Berge waren im ewigen Schnee und Eis.

»Zum Niedersee gegangen«, wiederholte der Mann, bevor er wieder in einen Zustand gefühlloser Betäubung fiel. Das klang so harmlos, dachte Jonas, angesichts der gewalttätigen und blutigen Tatsachen, und dann wiederum, von all den vielen Arten sich in der Gumbana unzeitmäßig früh aus dieser Welt zu verabschieden, gehörte es immer noch zu den besseren, wenigstens ging es schnell. Und genau hier hörte Jonas auf, den Gedanken zu verfolgen, und hatte es wieder geschafft, jedweden Gedanken an das, was ihm bevorstand, zu verdrängen.
Man fuhr.
Der Abend war mild.
Ein weiter Himmel spannte sich von Horizont zu Horizont, helles ausgewaschenes Blau im Westen, das sich unmerklich verdunkelte über den Bogen des Himmels zu einem tiefen Dunkelblau im Osten.
Jonas' linker Arm fing an, sich in eine überlebensgroße pulsierende Schmerzquelle zu verwandeln.

Sie ließen den See hinter sich und die Straße führte nun in gerader Linie nach Südwesten. In Jonas' rückwärtsgerichtetem Blick wuchs ihr Band unter dem Lastwagen hervor wie der Faden der kleinen Spinne, die sich jetzt versuchte außen an der Bordwand abzuseilen. Mach's gut, kleine Spinne, wir sehen uns. Vielleicht. Irgendwann. Auf jeder Hügelkuppe konnte Jonas verfolgen, wie der See sich ein bisschen weiter entfernte, das flächige Grün der Blutbüsche sich ein bisschen weiter in sein Gesichtsfeld fraß und die Chancen, jemals wieder zurückzukommen, etwas geringer wurden. Als die Sonne bereits den Himmel im Osten in Brand setzte, erreichten sie Tabin. Dass es den Ort überhaupt noch gab. Alle hier mussten für die Bauern Sodarwin arbeiten, anders war es nicht denkbar. Man fuhr auf die Nord-Süd-Route auf, die Richtung Norden am anderen Ufer des Sees entlang und letztendlich bis nach Kerststatt, der Bezirkshauptstadt der Gumbana, führte und in Richtung Süden bis zum Gumbana-Pass. Nun kam man erstaunlich gut voran, die Straße war im Gegensatz zu ihrem nördlichen Teil in erstaunlich gutem Zustand. Von Zeit zu Zeit tauchten unerwartet bewirtschaftete Bauernhäuser auf, direkt an der Straße gelegen, kleine Felder mit Maschenzaun eingegrenzt, und fielen wieder zurück. Sie begegneten ein paar Pferdefuhrwerken und einmal einem Lastwagen, der am Rande der Straße geparkt war, während zwei ausgemergelte Gestalten ein Schlagloch mit Kies auffüllten und zwei gar nicht ausgemergelte andere Gestalten mit Gewehren bewaffnet auf dem Lastwagen Ausschau hielten und den Vorüberfahrenden lange misstrauisch nachschauten. Dann zweigten sie von der Nord-Süd-Route wieder ab, ohne dass die Qualität der Straße nachließ, und nach zwanzig Minuten endeten plötzlich die Blutbüsche und wurden ersetzt von eingezäunten Kornfeldern, Gemüseplantagen, Obstgärten und sogar Gewächshäusern.

Kurze Zeit später fuhren sie in den Hof der Bauern Sodarwin ein, wenn man die ausgedehnte Ansammlung von Wirtschafts- und Wohngebäuden überhaupt noch so nennen durfte, es war eher eine kleine Stadt. Ein paar vereinzelte Leute waren in der Dämmerung auf der Hauptstraße unterwegs und der Fahrer hielt an, um einen von ihnen, etwas zu fragen, das Jonas nicht verstand und der Gefragte antwortete: »Geradeaus, dritte links, zweite rechts.« Man folgte der Wegbeschreibung auf dem als Gitternetz ausgelegten Wegen des Hofes bis zu einem zweistöckigen kastenartigen Wohngebäude. Der Fahrer stellte den Motor ab. Der Verwundete sagte: »Was...«, und versuchte, den Oberkörper  aufzurichten, stöhnte auf, sank gleich wieder zurück und schloss die Augen. Der Fahrer verschwand für kurze Zeit in dem Gebäude und kam mit einem hageren Mann mittleren Alters zurück, der allem Anschein nach eine beginnende Glatze unter seiner Arbeitskappe verbarg. Der Form seiner kurzen spitzen Nase nach war er wohl ein Mitglied des Sodarwin-Clans.

»Und der hat's rausgeschafft«, sagte der Sodarwin-Mann und zog in Anerkennung die Augenbrauen hoch. »Konntet kaum was Dümmeres tun. Die Biester überwintern sogar in verlassenen Scheunen.«
»Jetzt weiß ich es auch«, erwiderte der Fahrer unfreundlich.
Der Sodarwin-Mann ignorierte den Ton des Fahrers; Leute, die nicht aus der Gumbana kamen waren es nicht wert, dass man ihnen ihre Arroganz austrieb, sie würden sie ganz von alleine verlieren, sofern sie lang genug überlebten.
»Na, dann wollen wir mal. Sehen wir mal, was du so hast.«
Andreas und Jonas wurden beordert, sich neben dem Wagen aufzustellen und der Hagere schnitt mit einem Messer, das er am Gürtel trug, ihre Fesseln durch, während er lamentierte, dass er mindestens acht neue Arbeitskräfte bräuchte, und der Fahrer versprach, in den nächsten Tagen mehr zu bringen. Der Hagere nahm zuerst Jonas unter die Lupe, taxierte ihn, seufzte »Stadtmensch«, befahl ihm, den Mund zu öffnen, und sah sich seine Zähne an, sagte »Na ja« und schließlich als Resümee mit Blick auf Jonas' linken Arm: »Ok, vollen Preis minus zehn Prozent für die Armwunde. Muss heute meinen spendablen Tag haben.«
Der Fahrer war nicht zufrieden: »Ach, das bisschen Schrot. Nicht mehr als fünf Prozent Wertminderung.« So wie er das Wort 'Wertminderung' aussprach, musste er es irgendwo aufgeschnappt haben.

Der Sodarwin-Mann hustete, spuckte aus und sagte: »Wir handeln nicht. Nimm es oder lass es bleiben!« obwohl es klar war, dass er die Gefangenen auf keinen Fall zurückschicken würde.
»Na, wen haben wir denn da?«, sagte er zu Andreas, »Wenn das nicht der Bauer Hall ist. Dem wollten wir doch schon lange mal ein paar Fragen stellen. Nicht wahr, Bauer Hall. Dein lieber Vetter Michael hat uns hier ein bisschen Ärger gemacht«, er spuckte nochmal aus und wandte sich zum Fahrer. »Gut. Schuster Mattl, du hast Glück, ich geb dir den vollen Preis für beide.«
Schuster Mattl, dachte Jonas, Schuster bleib bei deinen Leisten! Und er konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen, das sofort die Aufmerksamkeit des Hageren erregte, und nur der gleichzeitige Aufschrei des Verwundeten, der wieder versucht hatte, sich aufzurichten, rettete ihn.
»Bleib liegen!«, brüllte Schuster Mattl und fragte dann, vielleicht doch ein bisschen beunruhigt, den Hageren, ob sie jemand hätten, der die Wunde versorgen könnte, welcher erwiderte:
»Gut, Nicki soll sich das mal anschauen. Aber das muss ich dir vom Preis abziehen. Umsonst ist nur der Tod... und der kostet das Leben.«
Er lachte und störte sich nicht daran, dass keinem der anderen zum Lachen zu Mute war. Für ein paar Sekunden focht Schuster Mattl einen heroischen Kampf mit sich selbst, aus dem er erwartungsgemäß als Sieger hervorging, wenn auch unerwarteter Weise mit seiner fürsorglichen Seite, und er stimmte widerwillig zu.

« Was vorher geschah123456Wie es weitergeht »



_________________
Es sollte endlich Klarheit darüber bestehen, dass es uns nicht zukommt, Wirklichkeit zu liefern, sondern Anspielungen auf ein Denkbares zu erfinden, das nicht dargestellt werden kann. (Jean-François Lyotard)

If you had a million Shakespeares, could they write like a monkey? (Steven Wright)
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
CAMIR
Geschlecht:weiblichEselsohr

Alter: 38
Beiträge: 202
Wohnort: Baile Átha Cliath


Beitrag14.06.2008 21:04

von CAMIR
Antworten mit Zitat

Deine Geschichte ist ziemlich interessant, auf eine abstrakte Art und Weise. Ich gebe zu, noch nicht alles zu verstehen und die Mischung "20. Jahrhundert" + Fantasiewelt habe ich auch noch nicht gesehen, aber das ist ja nichts Schlechtes.
Zu deinem Schreibstil wurde im Prinzip schon alles gesagt, sodass ich mich da nur wiederholen würde.
Manchmal droht es zwar langweilig zu werden, aber dann bekommst du wieder die Kurve.
Ein bisschen erinnert mich das Szenario an Margaret Atwoods (Ich meine es war sie) Oryx and Crake, das du vielleicht kennst. Nur dass dort die "Wildhunde" Pigoons heißen.
Musst dir aber keine Sorgen machen, die Szenarien unterscheiden sich sehr voneinander.
In diesem Sinne weiter so. smile


_________________
"I think it's important to say that when it comes to the appropriate timing,
then that will happen but that's not to say that we don't have a hands-on approach in the interim."- Mary Coughlan, 2008
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden Skype Name
Merlinor
Geschlecht:männlichArt & Brain

Alter: 72
Beiträge: 8676
Wohnort: Bayern
DSFo-Sponsor


Beitrag14.06.2008 22:04

von Merlinor
Antworten mit Zitat

Hallo Sleepless

Einesteils nimmt die Geschichte langsam Fahrt auf, andererseits beginnst Du Dich in den ausführlichen Beschreibungen der Gegebenheiten der Gumbana gelegentlich zu verlieren.
Da würde ich doch etwas straffen.
Auch habe ich den Eindruck, als ob Deine Sprache nicht mehr ganz so treffsicher funktioniert.

Zitat:
Und genau hier hörte Jonas auf, den Gedanken zu verfolgen, und hatte es wieder geschafft, jedweden Gedanken an das, was ihm bevorstand, zu verdrängen.
Man fuhr.
Der Abend war mild.
Ein weiter Himmel spannte sich von Horizont zu Horizont, helles ausgewaschenes Blau im Westen, das sich unmerklich verdunkelte über den Bogen des Himmels zu einem tiefen Dunkelblau im Osten.
Jonas' linker Arm fing an, sich in eine überlebensgroße pulsierende Schmerzquelle zu verwandeln.

Da weiß ich nicht, auf welche Stimmung Du fokussierst.
Die Abendstimmung, in der Jonas sich verliert, weil er über sein Schicksal nicht mehr nachdenken will, oder der Schmerz, der Gedanken an die Zukunft wegwischt.

Zitat:
Mach's gut, kleine Spinne, wir sehen uns. Vielleicht. Irgendwann.

Hmm... Ich mag die Spinne zwar, aber das ist übertrieben.
Die Gute sollte „Hintergrundbeobachtung“ bleiben, nicht noch Abschiedsgrüße sammeln ...

Zitat:
Nun kam man erstaunlich gut voran, die Straße war im Gegensatz zu ihrem nördlichen Teil in erstaunlich gutem Zustand.

Dazu muss ich ja nichts weiter sagen.

Zitat:
Kurze Zeit später fuhren sie in den Hof der Bauern Sodarwin ein, wenn man die ausgedehnte Ansammlung von Wirtschafts- und Wohngebäuden überhaupt noch so nennen durfte, es war eher eine kleine Stadt.

Jetzt ist mir absolut nicht mehr klar, was die Bauern Sodarwin eigentlich sind.
Ich dachte, die besiedeln ein größeres Gebiet.
Jetzt plötzlich habe ich den Eindruck, sie seien auf ein Zentrum konzentriert, eben besagten „Hof“, sprich, kleine Stadt.

Nach wie vor ist Deine Geschichte faszinierend, aber irgendwie habe ich das Gefühl, sie flacht ab.
Das liegt einesteils daran, dass Deine Sprache nicht mehr die anfängliche Schärfe und Dichte hat.
Da fehlt mir etwas, auch wenn es schwer ist, das in rechte Worte zu fassen.
Aber auch von der Handlung würde ich mir allmählich etwas mehr „Dampf“ erhoffen.

Nach wie vor gerne gelesen, doch geh da bitte nochmal drüber, sprachlich wie inhaltlich.
Es ist an der Zeit, für Spannung im Plot zu sorgen.

Herzlich  Very Happy  Very Happy  Very Happy

Merlinor


_________________
„Ich bin fromm geworden, weil ich zu Ende gedacht habe und nicht mehr weiter denken konnte.
Als Physiker sage ich Ihnen nach meinen Erforschungen des Atoms:
Es gibt keine Materie an sich, Geist ist der Urgrund der Materie.“

MAX PLANCK (1858-1947), Mailand, 1942
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
BlackRider
Richter und Henker
B

Alter: 49
Beiträge: 1479
Wohnort: ZRH


B
Beitrag16.06.2008 04:57

von BlackRider
Antworten mit Zitat

Also mir gefaellt die Geschichte immer noch.
Im Gegensatz zu Merlin gefallen mir die Beschreibungen. Sie wirken nie aufgepfropft, sondern beinhalten meist selber eine kleine Story.
Ein wenig unklar ist mir jedoch, wie man sich Arbeitssklaven einfangen kann, die man eigentlich kennt. Wenn das so einfach funktioniert und mit Andreas ohnehin ein Woertchen wechseln wollte, haette mnan ihn ja auch direkt einkassieren koennen.

Aber im Gesamten hat die Geschichte fuer mich noch kein bisschen an Qualitaet verloren.


_________________
-https://www.youtube.com/watch?v=SnyVYk7pkII-
Leider macht Sucht auch vor Intelligenz nicht halt
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
sleepless_lives
Geschlecht:männlichSchall und Wahn

Administrator
Alter: 58
Beiträge: 6477
Wohnort: München
DSFo-Sponsor Pokapro und Lezepo 2014
Pokapro VI Weltrettung in Gold


Beitrag16.06.2008 16:23

von sleepless_lives
Antworten mit Zitat

Wie immer Dank an alle Rezensenten für Anregungen, Kritik und Lob! .

@CAMIR

CAMIR hat Folgendes geschrieben:
und die Mischung "20. Jahrhundert" + Fantasiewelt habe ich auch noch nicht gesehen

Und schon rannte er los, stürmte die Straße entlang, hastete die Stufen zum Verlagshaus hoch, riss die schwere Eichentür auf und schrie: "Ich hab etwas Neues. 20. Jahrhundert + Fantasiewelt!"
"xxx xx x xxxxx xxx xx xxxx"
"Wie? Ob ich einen Termin habe? Wirkliche Größe kennt keine Zeit!"
"x xxx xx xx xx xxxxxxx xxxxx xxx xxx"
"Warum sollte ich ins Nachbargebäude gehen?"
"xxx xxxx xxxx xxx xx x xxxxxx xxx"
"Die psychatrische vom Innenstadt?"
... wird nicht fortgesetzt  

CAMIR hat Folgendes geschrieben:
Ein bisschen erinnert mich das Szenario an Margaret Atwoods (Ich meine es war sie) Oryx and Crake

Das sollte ich dann vielleicht mal lesen. Wenn ich mit dem hier fertig bin.


@Melinor

Merlinor hat Folgendes geschrieben:
Das liegt einesteils daran, dass Deine Sprache nicht mehr die anfängliche Schärfe und Dichte hat.
Da fehlt mir etwas, auch wenn es schwer ist, das in rechte Worte zu fassen.

Weißt du was bei diesem Teil anders ist? Die Sätze sind wesentlich kürzer.  lol  Liegt zum einen am verstärkten Einsatz der direkten Rede und zum anderen... siehe direkt drunter.

Merlinor hat Folgendes geschrieben:
Zitat:
Und genau hier hörte Jonas auf, den Gedanken zu verfolgen, und hatte es wieder geschafft, jedweden Gedanken an das, was ihm bevorstand, zu verdrängen.
Man fuhr.
Der Abend war mild.
Ein weiter Himmel spannte sich von Horizont zu Horizont, helles ausgewaschenes Blau im Westen, das sich unmerklich verdunkelte über den Bogen des Himmels zu einem tiefen Dunkelblau im Osten.
Jonas' linker Arm fing an, sich in eine überlebensgroße pulsierende Schmerzquelle zu verwandeln.


Da weiß ich nicht, auf welche Stimmung Du fokussierst.
Die Abendstimmung, in der Jonas sich verliert, weil er über sein Schicksal nicht mehr nachdenken will, oder der Schmerz, der Gedanken an die Zukunft wegwischt.
  
Merlinor, das was du beschreibst, war genau meine Absicht. Beides und gleichzeitig. Deswegen benutz ich hier auch ausnahmsweise kürzere Sätze und jeder Satz fängt auf einer neuen Zeile an. Die verschiedenen Eindrücke stehen nebeneinander, verbinden sich nicht, folgen nicht aus einander, haben keinen sinnstiftenden Zusammenhang. Sie  sind.

Merlinor hat Folgendes geschrieben:
Zitat:
Mach's gut, kleine Spinne, wir sehen uns. Vielleicht. Irgendwann.


Hmm... Ich mag die Spinne zwar, aber das ist übertrieben.
Die Gute sollte „Hintergrundbeobachtung“ bleiben, nicht noch Abschiedsgrüße sammeln ...

Eher im Gegenteil. Die Spinne wird viel viel viel später Jonas das Leben retten. Natürlich nicht dieselbe, auch wenn Jonas sich da nicht sicher sein will. Deswegen dachte ich bei deiner ersten Erwähnung auch schon, du kannst hellsehen. Eigentlich wollt ich das jedoch gar nicht erzählen, denn es ist noch nicht geschrieben, und ich glaube, es war Faulkner, der mal etwas in der Art gesagt hat; 'Geschichten, über die man spricht, schreibt man nicht.'

Merlinor hat Folgendes geschrieben:
Jetzt ist mir absolut nicht mehr klar, was die Bauern Sodarwin eigentlich sind.
Ich dachte, die besiedeln ein größeres Gebiet.
Jetzt plötzlich habe ich den Eindruck, sie seien auf ein Zentrum konzentriert, eben besagten „Hof“, sprich, kleine Stadt.

Letzteres, das ist ein Clan, ein Großfamilie. Ihr Aufstieg wird etwa zwei Teile weiter beschrieben. Ich fürchte, ich habe dich da durch die Gumbana-Angewohnheit alle Leute mit ihrem Beruf anzusprechen/zu nennen in die Irre geführt. Das ist aber eigentlich gar nicht so weit weg vom Bayrischen Huber-Bauern und ähnlichem.

Merlinor hat Folgendes geschrieben:
Aber auch von der Handlung würde ich mir allmählich etwas mehr „Dampf“ erhoffen.
...
Es ist an der Zeit, für Spannung im Plot zu sorgen.

Spannung, was ist das? Laughing Für meine Verhältnisse passiert schon jede Menge. Dieser Teil ist meines Erachtens mehr handlungszentriert als zumindest drei der anderen. Mehr Dampf? Ich hab doch schon zwei Tote, anderthalb Verwundete und zwei Gefangene Rolling Eyes Das würde ja das reinste Massaker (das gibt's  erst am Ende, eher in einem Nebenabschnitt, witzige kleine Geschichte vom tiefen Fall der Bauern Sodarwin - aber ich erzähle schon wieder von Dingen, die ich noch nicht preisgeben will). Ich glaub, die nächsten Teile (mit Ausnahme des Aufstiegs der Bauern Sodarwin) werden dich noch mehr enttäuschen, denn da geht's um eine schwierige und seltsame Liebesgeschichte + Jonas' Überlebenskampf + Lageralltag. Im nächsten Teil tritt  sie love auf. Deswegen musste ich meinen Protagonisten jetzt auch langsam mal auf dem Hof eintrudeln lassen. Sehnsucht  lol  

Ich werd mir natürlich alle Teile nochmal vornehmen, wenn das erste Kapitel mal fertig ist.


@BlackRider

BlackRider hat Folgendes geschrieben:
Ein wenig unklar ist mir jedoch, wie man sich Arbeitssklaven einfangen kann, die man eigentlich kennt. Wenn das so einfach funktioniert und mit Andreas ohnehin ein Woertchen wechseln wollte, haette mnan ihn ja auch direkt einkassieren koennen.

Na ja, Andreas hat ja versucht vorzutäuschen, dass er seinen Hof aufgegeben und die Gumbana verlassen hat. Außerdem übertreibt der hagere Sodarwin-Mann seine Begeisterung auch ein bisschen, um nicht sein Gesicht zu verlieren. Er braucht die Sklaven unbedingt, sonst kriegt er gewaltig Ärger vom Chef, muss aber gleichzeitig auch den Anschein wahren, dass man mit den Sodarwins nicht handelt. Und ihre übliche Methode, die Leute einfach trotzdem zu behalten, einschließlich Schuster Mattl, kann er sich nicht leisten, weil er eben noch mehr Leute braucht. Und das 'outsourcen' der Menschenjagd ist billiger und erfolgreicher, weil das dann Leute tun, deren Gesichter noch nicht bekannt sind.

Im nächsten Teil kommt übrigens ein kurzer Abschnitt vor, der dich, wenn auch nur entfernt, an deinen 'Folterknecht' erinnern wird (nur ohne Folter). War aber schon geschrieben  Smile  Aber ich denk manchmal, dass die Verwaltung von Grausamkeit irgendwie ein speziell deutsches Thema ist, oder sagen wir eher, die Sensibilisierung dafür, denn an sich fand und findet das überall statt. Der Film 'Brazil' von Terry Gilliam ist auch eine exzellent Abhandlung des Stoffs. Da gibt es am Ende eine kurze  Einstellung, in dem die potentiellen Folteropfer mit einem Finanzberater über die möglichen Finanzierung ihrer 'Behandlung' durch sie selbst reden.



Grüße an alle,

- sleepless_lives


_________________
Es sollte endlich Klarheit darüber bestehen, dass es uns nicht zukommt, Wirklichkeit zu liefern, sondern Anspielungen auf ein Denkbares zu erfinden, das nicht dargestellt werden kann. (Jean-François Lyotard)

If you had a million Shakespeares, could they write like a monkey? (Steven Wright)
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
BlackRider
Richter und Henker
B

Alter: 49
Beiträge: 1479
Wohnort: ZRH


B
Beitrag16.06.2008 16:36

von BlackRider
Antworten mit Zitat

grins, dann mal raus mit Deinem Folterknecht smile

War schon klar, dass die Handlung durchdacht ist. Wann kann man denn das gesamte Werk mal am Stueck und gebunden lesen?

Ach ja, Brazil...lange nicht mehr gesehen. Es wuerde mal wieder Zeit dafuer werden. Ein wahres Meisterwerk.


_________________
-https://www.youtube.com/watch?v=SnyVYk7pkII-
Leider macht Sucht auch vor Intelligenz nicht halt
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
sleepless_lives
Geschlecht:männlichSchall und Wahn

Administrator
Alter: 58
Beiträge: 6477
Wohnort: München
DSFo-Sponsor Pokapro und Lezepo 2014
Pokapro VI Weltrettung in Gold


Beitrag19.06.2008 15:24

von sleepless_lives
Antworten mit Zitat

BlackRider hat Folgendes geschrieben:
War schon klar, dass die Handlung durchdacht ist. Wann kann man denn das gesamte Werk mal am Stueck und gebunden lesen?

Dauert noch ein bisschen wink
Ich dachte, du würdest antworten: "Dann mach doch mal all das, was du da lange in  der Antwort geschrieben hast, im Roman klar!"  Shocked  Laughing
Generell finde ich Hinweise auf mögliche Logikfehler immer verdammt wichtig. Ich mach mir immer Sorgen, dass ich irgendetwas Fundamentales übersehen habe, weil ich der Geschichte selbst zu nahe bin. Und man kann's einfach nicht objektiv und von außen betrachten, so lange man schreibt (und danach ist es auch so eine Sache).
Aber ich denke, das geht vielen so...


_________________
Es sollte endlich Klarheit darüber bestehen, dass es uns nicht zukommt, Wirklichkeit zu liefern, sondern Anspielungen auf ein Denkbares zu erfinden, das nicht dargestellt werden kann. (Jean-François Lyotard)

If you had a million Shakespeares, could they write like a monkey? (Steven Wright)
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
BlackRider
Richter und Henker
B

Alter: 49
Beiträge: 1479
Wohnort: ZRH


B
Beitrag20.06.2008 08:08

von BlackRider
Antworten mit Zitat

Haette ich vermutlich mal gesagt, aber ich nehme einfach mal an, dass sich das im Roman noch erklaeren wird. Das traue ich Dir durchaus zu wink

Yo man, das mit den Logikfehlern stimmt. Ich habe schon die duemmsten Sachen uebersehen. Wenn es was tragendes ist, und man es nicht si einfach bei der Uebverarbeitung ausputzen kann, dann kann sowas wirklich Schmerzen im Hintern verursachen smile


_________________
-https://www.youtube.com/watch?v=SnyVYk7pkII-
Leider macht Sucht auch vor Intelligenz nicht halt
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
sleepless_lives
Geschlecht:männlichSchall und Wahn

Administrator
Alter: 58
Beiträge: 6477
Wohnort: München
DSFo-Sponsor Pokapro und Lezepo 2014
Pokapro VI Weltrettung in Gold


Beitrag29.06.2008 09:16

von sleepless_lives
Antworten mit Zitat

Ok, Leute, hier ist der sechste und vorerst letzte Teil, den ich im Forum posten werde. Jetzt muss ich mir erst einmal überlegen, ob ich das Wildhundland weiterhin öffentlich machen will und eventuelle minimale Chancen, bei einem Verlag unterzukommen, weiter reduziere oder nicht und in Kauf nehme, dass alles im Wesentlichen nur so im eigenen Kopf dahinbrodelt.


Der Hagere sagte: »Ich kümmer mich um die beiden. Du gehst rüber zu Hauptgebäude. Frag nach Nicki, ... ähm, ich mein, Nicola. Sie wird fuchsteufelswild, wenn man sie 'Nicki' nennt und glaub mir, außer einem Wildhund an deiner Kehle ist das das Letzte, was du willst. Die alte Hexe.«
Über sein Gesicht huschten ein paar schwer zu deutende Ausdrücke, Schatten von vergangenen Ereignissen, die wie große Greifvögel in seinem Geiste ihre Kreise zogen.
»Sie müsste jetzt wieder zu Hause sein. Sag Nicki, dass ich dich geschickt habe und dass es in Ordnung geht.«
Schuster Mattl ging, wie ihm bedeutet, die Querstraße hinunter zu einem großen Bauernhaus im traditionellen Stil.       

Der Hagere sagte zu Andreas und Jonas: »Na, dann wollen wir mal.« Das schien er ständig zu sagen. In diesem Fall bedeutete es 'ihr kommt mit mir'. Sie folgten ihm brav ins Haus in einen großen Raum, der halb Amtsstube und halb Aufenthaltsraum zu sein schien und von zwei nackten. von der Decke hängenden Glühbirnen erhellt wurde mit dem typischen Flackern und gelegentlichem völligen Aussetzen, das die unzuverlässige Stromversorgung durch einen kleinen mit Kohle betriebenen Dampfturbinen-Generator kennzeichnete. An den Wänden hingen neben einer sehr bunten Mariendarstellung eine Reihe von handgezeichneten rasterartigen Plänen auf großformatigen Papierbögen. Der Hagere setzte sich an einen der Schreibtische im Amtsstubenteil, denen man wie dem restlichen Mobiliar den jahrelangen ununterbrochenen Gebrauch nur allzu deutlich ansah, holte aus einer Schublade zwei breitformatige Journalbücher hervor, öffnete sie an einer mit einem Lesezeichen markierten Stelle und legte sie vor sich auf den Tisch.

Er nahm einen Füllfederhalter in die Hand, dann fiel ihm etwas ein, und er fing an, erst in der geöffneten, dann in anderen Schubladen zu kramen.
»Wo sind denn die verdammten Laufzettel schon wieder?« meinte er missmutig. Er setzte seine Suche zunehmend verärgert in den Schubladen der anderen Schreibtische fort, sie mit ungehaltenen heftigen Bewegungen aufziehend und oft mit einem Fußtritt wieder schließend, wobei die Zeitspanne zwischen seinen Flüchen immer mehr abnahm.
»Unter dem Journal vielleicht?« schlug Jonas vor und deutete auf die entsprechende Ecke des Schreibtischs.
»Was?« sagte der Hagere und sah dann unter dem aufgeschlagenen Journal nach.
»Tatsächlich«, sagte er und zog einen flachen Stapel von mit Schreibmaschine beschrifteten Karteikarten hervor und deponierte sie auf einer freien Ecke des Tisches.
»Danke! Gehören in die Schublade und nicht auf den Tisch. Sauladen. Wenn man nicht alles selber macht. Na, dann wollen wir mal. Vorname?«

Er fragte erst Jonas und dann Andreas eine List von personenbezogenen Fragen und trug die Antwort in offensichtlich dafür vorgesehenen Spalten in beiden Journalbüchern ein und eine Auswahl auch in den Laufzettel. Andreas antwortete mit 'verwitwet' auf die Frage nach seinem Familienstand und der Sodarwin-Mann sagte ohne aufzusehen: »Mein Beileid. Kann ja noch nicht lang her sein.«
Nachdem der 'Papiermüll', wie es der Hagere nannte, erledigt war, ging er zu einem der Pläne an der Wand, studierte ihn eine Weile, indem er mit dem Finger über Spalten und Zeilen hinwegfuhr, und sagte dann mit zufriedenem Gesicht zu Jonas: »Achtundvierzig«, und setzte hinzu, »dachte schon wir müssen bis zum Westhof gehen. Das hätte meiner guten Laune doch ein wenig geschadet.«
Er schloss die Journale und packte sie wieder in die Schublade, fügte mit wichtigtuender Geste die unbenutzten Laufzettel dazu, griff die beiden ausgefüllten Laufzettel und Jonas sagte in Gedanken 'Na, dann wollen wir mal', keine Sekunde bevor der Hagere, genau das von sich gab.

Sie gingen nach draußen und dann die Querstraße hinunter. Es war mittlerweile fast dunkel geworden, nur im Westen weigerte sich ein Streifen von Licht vom Horizont zu verschwinden. Die Straßen, der übliche festgestampfte Kies, waren von Lampen über den Eingängen der sie säumenden Häuser inselartig unzureichend beleuchtet und in einer dieser Lichtinseln etwas die Straße hinunter tauchten zwei Gestalten auf, die ihnen entgegenkamen, und waren schon wieder im Dunkel verschwunden. Die langgezogenen Rufe der Krähen tönten von Bäumen irgendwo außerhalb des Sodarwin-Hofes herüber, der Hof selbst schien keinerlei Bäume zu haben, kein Wunder, dass er so trist aussah, dachte Jonas.  Die zwei Gestalten traten wieder ins Licht und eine von ihnen stellte sich als der Schuster Mattl heraus, während die andere Gestalt eine Frau war, gekleidet in der hier üblichen Weise mit einem langen Faltenrock und einer weißer Bluse mit ein paar bunten Stickereien. Sie hatte ein Kopftuch um die Haare gebunden, trug eine lederne Arzttasche mit sich und ging mit energischem schnellen Schritt. Und wieder wurden sie von der Dunkelheit geschluckt.

Im Osten hing ein bleicher Sichelmond am Himmelsrand, als wär er noch nicht ganz sicher, ob er wirklich über der Gumbana aufgehen wollte und Jonas wartete auf das große akustische Spektakel, das er lange nicht mehr gehört hatte, aber es blieb aus, für den Moment zumindest. Schuster Mattl und die Frau traten wieder ins Licht, nun nur noch ein paar Meter entfernt. Sie hatte einen noch dunkleren Teint als all die anderen sommerlich braun landarbeitsgefärbten Gesichter, ihre Augen waren schmal bis zu Schlitzen verengt, ihre Wangenknochen hoch und prominent, aber alt war sie nicht, dachte Jonas, und die Hexen in den Märchenbüchern seiner Kindheit waren auch immer hässlich gewesen, und er hätte nicht wegschauen können, selbst wenn er gewollt hätte, völlig in den Bann gezogen von diesem finsteren, ärgererfüllten, missmutigem Gesicht. Sie wirkte wie ein geladenes Gewehr, darauf wartend, dass jemand den Abzug betätigte. Sie sah Jonas an, zwinkerte zweimal unwillkürlich, und sah sofort wieder weg, während sie mit der freien Hand versuchte, aus ihrem Auge zu entfernen, was auch immer da hineingeflogen war, wenn man das denn entfernen konnte.

»Abend, N'cola!« sagte der Hagere, einen Laut ihres Namens bewusst weglassend und den Akzent auf die falsche Silbe setzend.  
»Frepp dich selbst«, erwiderte Nicola mit rauher, gebrochener Stimme.
»Immer ganz die Freundlichkeit, unsere N'cola«, sagte der Hagere und lachte. Man ging aneinander vorbei ohne stehen zu bleiben.
»Geh sterben!« sagte Nicola ruhig.
»Bist du sauer, mein Liebe, dass du deinen süßen Hintern um die Zeit noch auf die Straße bewegen musst?« rief der Hagere ohne sich umzusehen. »Nicht meine Schuld. Beschwer dich bei deinem Begleiter.«
»Hab ich schon.«
»Ach deswegen ist der so mucksmäuschenstill.«
»Wie wär's, wenn du mal zur Abwechslung das Maul hältst.«
»Charmant wie immer!«

Sie blieb ihm die Replik schuldig, denn jetzt begann das große akustische Spektakel. Irgendwo hatte  ein einzelner Wildhund angefangen zu heulen und nun kam von überall her die Antwort, breitete sich aus wie ein Flächenbrand über den ganzen Süden und Osten der Gumbana. Und dies war nicht das nur vom Leithund benutzte Heulen, um das Rudel zu versammeln, nein, nun stimmten sie alle ein, eine Schall gewordene Demonstration ihrer Macht, eine Kriegserklärung aus Tausenden von Hundekehlen, die sich wie eine unsichtbare Schlinge um die kleinen Dörfer und vereinzelten Höfe zusammenzog, die Botschaft 'wir kriegen euch, früher oder später'. Die Menschen schlossen die Fensterläden, verriegelten Tür und Tor, wollten sich gegenseitig Mut zusprechen, indem sie von den harmlosen Dingen das Alltags reden wollten, als ob die Kampfansage der Bestien da draußen keine besondere Bewandtnis hätte, als ob sie nicht mehr Aufmerksamkeit verdiente als etwa das zu erwartende Wetter am nächsten Morgen, aber selbst wenn man in der Gumbana aufgewachsen war, konnte man sich nicht vollständig  an diese allabendliche Lautwerdung der unsichtbaren Bedrohung gewöhnen, zu sehr war sie mit den Geschichten von Verlust und Tod von Verwandten und Freunden verbunden. Und wenn die Wildhunde sprachen, verstummte der Mensch.

« Was vorher geschah123456



_________________
Es sollte endlich Klarheit darüber bestehen, dass es uns nicht zukommt, Wirklichkeit zu liefern, sondern Anspielungen auf ein Denkbares zu erfinden, das nicht dargestellt werden kann. (Jean-François Lyotard)

If you had a million Shakespeares, could they write like a monkey? (Steven Wright)
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
BlackRider
Richter und Henker
B

Alter: 49
Beiträge: 1479
Wohnort: ZRH


B
Beitrag29.06.2008 15:14

von BlackRider
Antworten mit Zitat

Hoi sleepless,

sorry, habe den text bisher nur ueberflogen, da es hier bald ans Trinken geht und man sich fuer das Finale wappnet smile
mehr Details spaeter.

Nur schnell dazu, dass nichts mehr nachkommt. Finde ich eine gute Idee. Ich hab mri schon ein paar Mal gedacht, dass der Roman ein wirklich netter Schmoeker fuers Sofa waere. Den hier immer haeppchenweise auf den Computer zu kriegen nimmt dem natuerlich ein wenig die Sofaatmosphaere.
Dazu kommt sicherlich, dass Verleger sich vermutlich nicht allzusehr um Romane reissen, die schon im Netz stehen.

So im groben.... wenn der Roman so weitergeht wirst Du sicher nen Verleger dafuer finden. Also mach schnell, damit ich das ganze Buch in einem Stueck auf meinem wunderbaren Sofa hier lesen kann smile

Hurtig an die Tasten smile


_________________
-https://www.youtube.com/watch?v=SnyVYk7pkII-
Leider macht Sucht auch vor Intelligenz nicht halt
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Beiträge der letzten Zeit anzeigen:   
Neues Thema eröffnen   Neue Antwort erstellen
Seite 2 von 3 Gehe zu Seite Zurück  1, 2, 3  Weiter

Deutsches Schriftstellerforum Foren-Übersicht -> Prosa -> Werkstatt
Du kannst keine Beiträge in dieses Forum schreiben.
Du kannst auf Beiträge in diesem Forum nicht antworten.
Du kannst Deine Beiträge in diesem Forum nicht bearbeiten.
Du kannst Deine Beiträge in diesem Forum nicht löschen.
Du kannst an Umfragen in diesem Forum nicht teilnehmen.
In diesem Forum darfst Du keine Ereignisse posten
Du kannst Dateien in diesem Forum nicht posten
Du kannst Dateien in diesem Forum nicht herunterladen
 Foren-Übersicht Gehe zu:  


Ähnliche Beiträge
Thema Autor Forum Antworten Verfasst am
Keine neuen Beiträge Literaturtheorie / Kulturwissenschaft / Künstliche Intelligenz / Philosophie des Schreibens
Ai (künstliche inteligenz) für eige...
von Ayumi
Ayumi Literaturtheorie / Kulturwissenschaft / Künstliche Intelligenz / Philosophie des Schreibens 5 10.04.2024 17:14 Letzten Beitrag anzeigen
Keine neuen Beiträge Werkstatt
Anfang eines Kapitels
von Inkognito
Inkognito Werkstatt 5 09.04.2024 13:50 Letzten Beitrag anzeigen
Keine neuen Beiträge Formsache und Manuskript / Software und Hilfsmittel
Roman geschrieben und weiß nicht wei...
von J.B.Fletcher
J.B.Fletcher Formsache und Manuskript / Software und Hilfsmittel 10 19.03.2024 00:27 Letzten Beitrag anzeigen
Keine neuen Beiträge Profession Schriftsteller (Leid und Lust)
Roman geschrieben und weiß nicht wei...
von J.B.Fletcher
J.B.Fletcher Profession Schriftsteller (Leid und Lust) 8 19.03.2024 00:27 Letzten Beitrag anzeigen
Keine neuen Beiträge Rechtschreibung, Grammatik & Co
Direkte Rede - Beispiel aus einem Roman
von wahn
wahn Rechtschreibung, Grammatik & Co 28 06.03.2024 20:30 Letzten Beitrag anzeigen

EmpfehlungEmpfehlungEmpfehlungEmpfehlungEmpfehlungEmpfehlungEmpfehlungEmpfehlungEmpfehlungEmpfehlung

von femme-fatale233

von Mogmeier

von MoL

von Gefühlsgier

von Keren

von Mogmeier

von BerndHH

von MT

von Carizard

von MShadow

Impressum Datenschutz Marketing AGBs Links
Du hast noch keinen Account? Klicke hier um Dich jetzt kostenlos zu registrieren!