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Teil 23 Man lebt sich ein


 
 
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teccla
Geschlecht:weiblichLeseratte

Alter: 66
Beiträge: 160
Wohnort: Costa Blanca


Was suchst Du in Madagaskar?
Beitrag02.05.2008 21:10
Teil 23 Man lebt sich ein
von teccla
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Die Ameisenplage sah man gelassener. Jeden Tag wurde der laute hässliche Kühlschrank ausgewaschen, weil diese kleinen Plagegeister selbst vor dem Inhalt des Kühlschranks kaum etwas abhielt. So laut wie der Kühlschrank war, so wenig kühlte er. Er stand im Wohnzimmer, denn die Küche war zu schmal und klein, es passt kein Schrank, kein Kühlschrank, kein Herd hinein.
An das Duschen mit kaltem Wasser morgens gewöhnte man sich. Haare wusch man in der Mittagszeit, denn dann war das Leitungswasser so warm, dass es genau die richtige Temperatur hatte.
Die Marktfrau grüßte, die Polizisten grüßten, man kannte einige Geschäfte. Es gab sogar einen Laden, in dem es Wurst gab, zwar sehr teuer, ziemlich geschmacklos, fade, aber doch eine willkommene Abwechslung.
Das Obst schmeckte anders als in Deutschland. Bananen waren erheblich süßer, die Leetschies viel saftiger.
Die Weintraubenzeit ging dem Ende zu. Ananas gab es das ganze Jahr über. Das Angebot von Gemüse war nicht so reichhaltig wie in Tana. Die grünen Bohnen, Weißkohl, Rotkohl, oder Spargel, selbst Erbsen, alles schmeckte anders als wir es kannten.

Die Begegnungen der dritten Art hielten sich in Grenzen.
Eine überdimensionale Kakerlake, sicher dem letzten Kinohorrorfilm entsprungen, trabte im Bad gemächlich hinter die Fliesen.
Eine Handteller große Spinne lief im Flur Richtung Schlafzimmer. Noch drei Monate zuvor hätte ich schreiend das Haus verlassen.
Ab und zu hatte man hier UFO’s, unbekannte Flugobjekte, in der Wohnung. Ich sah nur, dass sie fliegen konnten oder auch springen. Hatte keine Ahnung, was das war. Man traf sie in verschiedenen Größen. Dabei waren sie so schnell, da hatte ein Killer deutscher Stubenfliegen keine Chance, also Tür auf und raus treiben.

Auch die Moskitos waren unheimlich robust, man schlug nach ihnen, aber sie flogen weiter.
Ohne Moskitonetz konnte man nicht schlafen. Mit Moskitonetz auch nicht. Man bekam kaum Luft. Du fühlst dich wie unter einer Käseglocke. Die Hitze war auch nachts unerträglich.

Auf der Terrasse lagen abends meist fünf Hunde. Frau Katze fühlte sich zwar wohl, doch wenn sie die Hunde vor der Tür sah, verzichtete sie auf ihren abendlichen Spaziergang und legte ohne Kehrtwendung respektvoll den Rückwärtsgang ein.

Schnecken gab es auf dem Grundstück, mit Haus auf dem Rücken. Die waren ca. 10-15 cm lang und das Schneckenhaus ca. 8 cm hoch. Irgendwie war alles größer, obwohl hier Kernenergie ziemlich unbekannt war.
Sebastian sagte mir eines Tages: „Wir wollten im Grünen leben. Also müssen wir auch akzeptieren, wenn wir Tierzeugs im Haus haben.“ Recht hatte er.
Die Ameisen hatten ein Nest unter dem Dach, stellten wir fest. Ließen wir einen Krümel auf den Boden fallen, kam ein Ameisenkontrolltrupp, betrachtete den Krümel von allen Seiten. Wenige Sekunden später kam die erste Einheit von Transportameisen, bewacht von Armeeameisen. Sebastian taufte sie so, denn sie unterschieden sich von den anderen in ihrer Größe. Sie waren ca. 1 cm lang. Die Transportameisen begutachteten nun den Krümel, forderten weitere Truppen an und es ging ans Werk. Sie schafften den Krümel die Wand hinauf in Richtung Deckenverkleidung, wo ich ganze Ameisennester vermutete. Kurz vor der „Einfahrt“ saß schon ein Gekko und wartete. Worauf wartete er? Wollte er die Ameisen frühstücken? Nein, er schnappte ihnen den Krümel vor der Nase weg. So betrachtet, sorgten diese Plagegeister sogar für Ordnung.

Grausam war schon das Ende einer Kakerlake. Ca. 6 cm lang ließ sie sich im Wohnzimmer nieder. Mit dem Besen kehrte ich sie raus, dabei landete sie auf der Terrasse auf dem Rücken. Einige Zeit später sah ich sie immer noch auf dem Rücken liegend zappeln, aber die Ameisen waren schon dabei sie auseinander zu nehmen. Einen Flügel hatten sie schon abgesägt und weg transportiert. Am anderen Flügel machten sie sich gerade zu schaffen. Sie lebte aber noch. Grausam. Aber so ist das Leben.

Zum Einleben gehörte auch das Kochen am eigenen Herd. Kein Restaurantbesuch zum Mittag. Ein Grillkocher sollte gekauft werden. Mit Rondro fuhr ich in die Straße, wo diese zum Kauf angeboten wurden. Bei einem Händler blieben wir stehen.
“Da siehst du den ganz rechts?“ fragte Rondro.
“Ja, der breite?“
“Ja, der ist gut, der ist stabil. So einen habe ich auch.“ meinte sie.
“Was kostet das?“ fragte ich.
“120.000 FMG“ Das war zu teuer. Ich schüttelte den Kopf und bot ihm „40.000 FMG“.
Er lachte über meine Gestik und blieb bei „120.000“.
„Rondro sag ihm bitte, das ist zu teuer. Das kriege ich bei einem anderen billiger.“
Sie sagte ihm auf madagassisch einige Worte. Er lachte.
“120.000 FMG“
“Okay, 50.000 FMG.“ Er schüttelte den Kopf. Nein, das ist ihm zu wenig.
“115.000 FMG“ Er kam mir entgegen, aber zu langsam.
Ich ging auf 60.000 Fmg. Er auf 110.000 FMG. Irgendwann war ich bei 80.000 FMG angekommen, er bei 100.000. Nein, ich wollte nicht nachgeben. Wendete mich ab und sagte „Misoatra, Veloma.“ (Danke, Tschüß) und ging ein paar Schritte auf unser Auto zu. Da rief mich Rondro zurück. Als ich mich umdrehte, sah ich den Händler lachen und mit dem Kopf nicken.
“80.000?“
“Eka“ (Einverstanden)
Der Kohlekocher war nun mein. Ich kochte wie beim Camping auf einem Grillkocher. Anfangs war es nur Suppe oder auch ein Steak, doch mit der Zeit kamen dann schon Kartoffeln mit Buletten oder Bratkartoffeln hinzu. Die Speisekarte wurde ständig erweitert, auch Eierkuchen bekam ich auf diesem Monstrum hin.
Doch war Georgina nicht da, mühten wir uns ab, das Feuer im Kocher ohne Grillkohleanzünder zu entfachen.
Und bei Regen ? Kein Problem für die Menschen hier. Mit Papier, Holzstöckchen und viel Fächeln bekamen sie das Teil an. Es war mühsam und dauerte ewig. Georgina entzündete die Kohlestücken selbst bei Regen und ohne Spiritus.

Unsere Georgina, Perle des Haushalts, hatte nun gelernt, wozu man Weichspüler nimmt, dass man Geschirr nicht mit kaltem Wasser abwäscht, und auch dass man es anschließend abtrocknet. Als sie aber begann, die Gläser abzutrocknen, verschwand ich dann doch lieber aus der Küche. Die Nerven, ihr dabei zu zusehen, hatte ich nicht mehr.
Aber Georgina liebte das Bügeleisen. Sie bügelte einfach alles, von der Socke bis zum Bettlaken, mit einer Hingabe die filmreif war.
Sie bügelte sogar Sachen, die man nicht bügeln durfte, dann kam ihr erstaunter, ungläubiger Blick, wenn Fetzen von der ehemaligen Bluse am Bügeleisen klebten.
Was wir ihr schlecht ausreden konnten, war die Bügelfalte in den Jeans oder sogar im Rock. Ein Karomuster von Bügelfalten. Als mich Rondro aufklärte, dass das hier schick war, bemerkte ich es auch. Ein Karomuster von Bügelfalten in geraden Röcken zeigte wohl, man besaß ein Bügeleisen.

Wir waren nun mal Georginas Vahaza's (Ausländer) und sie konnte uns doch nicht ohne Bügelfalte herum laufen lassen, nein das ging nun wirklich nicht.
Ich musste schon verdammt schnell sein, vor ihr bestimmte Wäschestücke von der Leine zu nehmen, um sie vor ihrer Bügelleidenschaft zu retten.
Ja, sie war schon sehr fleißig. Hatte sie Langeweile, griff sie auch mal zu Kleidung, die gesondert hing, weil sie eigentlich zur Chemischen Reinigung in Tana sollte.
„Warum gibt Madam sie nicht in die Wäsche? Hat sie bestimmt vergessen, also ab damit in die Waschschüssel...“
Nun ja auf diese Weise wurden ein Kostüm, ein Hosenanzug und zwei Kleider Opfer ihres Arbeitseifers. Ich kam heim und sah schon von Weitem Kleidung auf der Wäscheleine, die man nicht waschen darf.
Schreikrampf sinnlos. Woher sollte sie wissen, dass es Stoffe gibt, die man nicht einfach ins Wasser stecken darf?

Es war Regenzeit, 90% Luftfeuchte, da trocknete nichts. Trotz Hitze schimmelte selbst der Koffer oder die Lederhose. Georgina klopfte beherzt den Schimmel ab, als sei es nur Staub und verstand nicht, warum ich darauf drang, alles peinlichst ab zu waschen, mit heißem Wasser und Desinfektionsmittel. Dass man von Schimmel schlimme Krankheiten bekommen kann, ließ ich ihr von Rondro übersetzen. Sie glaubte es nicht wirklich, aber erfüllte mir den Wunsch und sorgte gelegentlich für Schimmelfreiheit.
Klimageräte gab es zu kaufen, allerdings ohne Entfeuchtungsfunktion. So etwas kannte man hier nicht. Viele Häuser waren feucht auch durch die Nähe zum Meer. Nasse Wände mit Schimmelbildung. Es gab aber keinen professionellen Trockenbau. Farbe drüber, fertig.

“Rondro, stell dir vor! In Tana haben wir uns Häuser angesehen. In einem Haus war seltsames weißes Pulver auf dem Fußboden gestreut. Auf Nachfrage erklärte die Besitzerin damals, es sei DDT, das setzt man ein gegen Flöhe usw. DDT bekommt man hier in kleinen Tütchen am Straßenrand zu kaufen. DDT ist in Deutschland verboten, weil es ein hochwirksames Gift ist. Es steht unter strengster Kontrolle! Den Menschen hier ist die Gefahr nicht bewusst.“
Rondro lachte „ Ja, ich weiß das. Einmal im Jahr kommt eine staatliche Kommission in jedes Haus und streut dieses Pulver gegen Ungeziefer. Man muss es geschehen lassen, oder Bußgeld zahlen.“
“Na dann ziehen wir doch das Bußgeld vor...“
Rondro lachte „Ja, ich zahle auch lieber.“



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