18 Jahre Schriftstellerforum!
 
Suchen
Suchabfrage:
erweiterte Suche

Login

Jetzt erhältlich! Eine Anthologie von und mit unseren Usern. Jetzt bestellen! Die erste, offizielle DSFo-Anthologie! Lyrikwerkstatt Das DSFo.de DSFopedia


Deutsches Schriftstellerforum Foren-Übersicht -> Antiquariat -> Belletristik
Reinkarnation - Ein Roman

 
 
Neues Thema eröffnen   Neue Antwort erstellen
 Vorheriges Thema anzeigen :: Nächstes Thema anzeigen  « | »  
Autor Nachricht
Jane
Geschlecht:weiblichSchneckenpost

Alter: 36
Beiträge: 12



Beitrag24.09.2006 14:53
Reinkarnation - Ein Roman
von Jane
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Hallo an alle!

Ich habe gestern per Zufall dieses Forum entdeckt, und, schwupp, habe ich mich registrieren lassen.
Ein super Möglichkeit, mit anderen Schriftstellern in Kontakt zu treten  Very Happy ; in meiner Kleinstadt leider eine seltene Spezies.

Der Grund dieses neuen Beitrags: Mein Roman an dem ich schon seit Wochen bastle.
Obwohl er mich manchmal fast irre macht, kann ich einfach nicht aufhören, ihn weiter zu schreiben; die 1. Rohfassung (ca. 150 A4 Seiten) habe ich fast beendet! Die erste Etappe wäre fast geschafft! Very Happy

Nun bin ich aber unsicher, ob mein Geschriebenes auch was taugt.
Es gibt Tage, da denke, ja, nicht schlecht, an anderen würde ich den Computer am liebsten zum Fenster raus schmeißen.  Evil or Very Mad

Ich glaube irgendwie, dass ich keinen rechten objektiven Blick auf meine Arbeit habe, und deshalb habe ich gedacht, stelle ich mein Geschriebenes einfach mal hier ins Forum!  Smile
Alle die mir viel bedeuten, würden sich, denke ich, zurück halten mit Kritik, udn außerdem sehen sie Geschriebenes nicht mit den Augen eines Schriftstellers, sondern mit denen eines Unterhaltungsuchenden.

Deshalb hoffe ich auf euch alle!  Smile
Auf eure Kritik, auf eure Verbesserungsvorschläge und - auf euer Lob?  Shocked
Bitte haltet euch nicht zurück. Nur durch Kritik kann ich besser werden. (Auch wenn es weh tut...  Sad )

Also hier ist das erste Kapitel.
Es ist einfach eine Geschichte, die unterhalten soll und spannend sein soll.
Sie ist in drei Bücher eingeteilt.
Das erste Kapitel habe ich schon mal überarbeitet, was nicht heißen soll, dass es nicht noch verbesserungswürdig ist!  Smile

Ich hoffe auf eure Antworten!

1. Buch

1.

Anno 2011

Wann werde ich endlich sterben? , dachte James Burton, als ein weiterer Tag verklang und der junge Pfleger ihm, den alten Mann, das Nachthemd über den Kopf zog.
Es war nicht das erste Mal, dass er so dachte. In Wahrheit fragte er sich es jeden Tag, jeden Abend, den er in diesem verdammten Altenheim verbringen musste.
Wie bin ich hier nur gelandet?, dachte James, als er sich in sein Bett sinken ließ.
Der Pfleger führte ihm die letzte Tablette des Tages in den Mund und hielt ihm ein Glas Wasser an den Mund. Mit Mühe zwang er die bittere Pille den Hals hinunter. Der Pfleger wünschte ihm eine geruhsame Nacht und zwinkerte ihm freundlich zu. James lächelte nicht. Das Licht ging aus. Er war allein.
Eigentlich weiß ich ja wie es mich hierhin verschlagen hatte., dachte er.
Er hatte jahrlang gut gelebt in seiner Neubauwohnung, doch die verdammten Nachbarn hatten gemeint sie müssten ihre neugierige Nase überall hinein stecken. Ein alter Mann! So ganz allein! Das kann doch nicht gut sein!
Die gelegentlichen Gedächtnislücken, die immer in Gesellschaft auftraten, und seine schlaflosen Nächte, erkennbar am immerfort brennenden Licht, hatten sein Image nicht gerade aufpoliert.
Irgendwann meinten sie, er könne nicht mehr alleine leben und hatten ein Altenheim verständigt.
Natürlich nur aus purer Freundlichkeit, wie sie sagten.
Vielleicht hätten ihn die Pfleger gar nicht mitgenommen, wenn er vernünftig zu ihnen gesprochen hätte.
Doch sein Temperament hatte ihn an Messer geliefert, und als sie ihn mitnehmen wollten, wurde er ausfällig und handgreiflich. Aber natürlich hatte ein alter Mann nicht die geringste Chance gegen einen Trupp junger, starker Pfleger.
Es war kein kluger Schachzug von mir, mich so aufzuführen, erkannte James heute. Schließlich dachten sie so erst recht, ich sei nicht mehr ganz bei Trost. Vielleicht bin ich es auch nicht? Es heißt ja, man selbst bemerkt als Letzter, wenn man den Verstand verloren hat?
Er hatte keine Verwandten, keine Frau, keine Freunde, keine Bekannten, die ihn aus dieser weißen Hölle herausholen könnten. Sein Schicksal war besiegelt.
Ich werde meine restliche Lebenszeit hier verbringen. , dachte er. Und diese scheint sich als verdammt lang zu erweisen?
James seufzte. Der Schlaf wollte wieder nicht kommen. Doch hier konnte er nicht einfach aufstehen und sich die Beine vertreten. Sofort würden Pfleger an ihm kleben und mit Fragen nerven.
Nein, da bleibe ich lieber liegen, entschloss James.
Ein dickflüssiges Schnarchen ließ ihn vor Ekel erbeben.
Helga. Seine Zimmergenossin.
Warum sie mich mit ihr in ein Zimmer gesteckt haben, ist mir immer noch ein Rätsel. Wahrscheinlich weil sie die einzige mit der ich mich hier unterhalte.
Ihr Verstand ist wach, aber nicht scharf; sanft wie ein Lamm ist sie, die gute Helga. Ihre Familie hat sie ins Altenheim abgeschoben nach dem Tod ihres Ehemannes. Damals litt sie unter Depressionen, doch die hat sie heute überwunden. Sie ist quietschfidel und hält sich für lustig.    Und irgendwie ist sie es dann auch?, gestand sich James ein.
Sie versucht sich als Romanschriftstellerin. Lächerlich! Sie schreibt den größten Schund, den ich jemals gelesen habe; nicht einmal wert im Supermarkt angeboten zu werden. Das sage ich ihr auch. Doch sie lässt sich nicht beirren. Bewundernswert und dumm.
James drehte sich auf die andere Seite. Kühle Nachtluft zog durchs offene Fenster ins Zimmer. Es war Anfang April und die Nächte noch kalt.
James hörte das Gestöhne, Gejammer und Gequatsche der anderen Heimbewohner durch die dünnen Wände und roch den muffigen Geruch nach alten Körpern, vollen Windeln und Desinfektionsmitteln, der diesen Ort nie verließ. Ja, ja. Die Anderen?
Die Alten hier halten mich für arrogant, abweisend und eigentümlich, dachte James leicht belustigt. Sie haben Recht.
Ich bin anders als sie. Denn ich bin gesund. Relativ.
Sie leiden an Demenz, Osteoporose, Sehschwäche, Taubheit, Diabetes, und sind manchmal zwanzig,  gar dreißig Jahre jünger als ich!
Und sie quatschen! Quatschen, schwafeln, palavern, schwatzen über nichtige, sinnentleerte, uninteressant Dinge!
Nein. Da zieh ich die Einsamkeit vor; eine weit interessantere Kameradin.
Wieder erschütterte ein Schnarcher den Raum. James zog sich das Kissen über die Ohren.
Helga?Sie hat mich nur angesprochen, weil sie fände ich sei interessant. Nach dem Prinzip, stille Wasser seien tief.
James lachte innerlich.
Tief?Wohl wahr! Wenn du wüsstest, Helga?Manche Abgründe in mir sind so tief, dass sie mir selbst Angst machen.
Doch das war früher schlimmer.
Heute bin ich nur noch ein alter Mann. Der sich nach dem Tod sehnt, um endlich diese Welt zu verlassen. Ich bin müde vom Leben. Ich habe es lange genug ertragen. Nicht und niemand hält mich mehr auf dieser Welt.
Das Ticken der Uhr zerrte an seinen Nerven. Quälend langsam bewegte sich der Sekundenzeiger vorwärts.
23.22 Uhr?23.23Uhr?
Ich sollte aufhören Gedanken zu wälzen, dachte James und suchte sich eine halbwegs bequeme Schlafposition
Dann?plötzlich! Ein Geräusch! Er schlug die Augen auf. Er drehte den Kopf nach links in Richtung Fenster.
Seine Ohren waren scharf wie eh und je, und er war sich sicher, dass sich am Fenster etwas tat. Er hörte das Atmen Helgas von der anderen Seite des Zimmers, wo sie schlief.
Er richtete sich auf, um etwas sehen zu können.
Eine Leiter! Jemand hatte eine Leiter gegen die Hauswand gelehnt! James sah sie sehr deutlich am Fenster stehen.
Und nun?James lauschte dem Geräusch leiser Schritte. Nun stieg jemand die Leiter hoch!
Sein Atem beschleunigte sich. Eine alte Angst erwachte erneut in ihm. Die Angst, die ihn nachts nicht schlafen ließ.
Die Angst vor jemanden, der ihm vor langer Zeit Rache geschworen hatte. Noch immer hallten von Zeit zu Zeit die Worte in seinen Träumen wider und er erwachte schweißgebadet.
Hatte er ihn nun doch gefunden? Er hatte immer gehofft zu sterben, bevor dies eintritt.
Oder war es nur ein Einbrecher?
Die fremde Person kletterte ins Zimmer.
James riss die Augen auf.
Das Licht der Straßen erhellte das Zimmer genug, um die Person erkennbar zu machen. Und ihr die Orientierung zu erleichtern.
Sie sah sich in dem Zimmer um; dann blieben ihre Augen an ihm heften.
Sie trat an sein Bett und sah auf ihn herab; schweigend, finster.
?Wer bist du? Ich kenne dich nicht!?, flüsterte James. Er zog sich die Decke bis zum Hals und quetschte sich in die hinterste Ecke des Bettes. Sinnlos. Er konnte nicht mehr weg.
?Hast du mich so schnell vergessen? Nun gut, ich gebe zu, zwanzig Jahre sind eine lange Zeit. Und mein Äußeres hat sich etwas verändert.?
Seine Augen weiteten sich. Er begann zu zittern.
?Du?du bist es nicht!?
Ein Lachen erklang. ?Bist du sicher??
?Du kannst es nicht sein?du bist tot?Oder bist du am Ende???
?Erfasst. Ich habe dir doch eben das prophezeit. Ein Segen für mich, ein Fluch für dich, meinst du nicht auch??
?Was?was hast du jetzt vor!??
?Mein Versprechen wahr machen. Sag nicht, du hast vergessen was ich dir damals schwor? Ich würde dich finden und zur Rechenschaf ziehen. Jetzt bin ich hier. Die Zeit der Rache gekommen.?
James wollte schreien, doch eine Hand packt ihn an der Kehle und drückte sie zu. Auge in Auge sah er sich nun seinem Angreifer gegenüber; sein Gesicht nur noch eine Handbreit von ihm entfernt. Er sah seinen eigenen Tod in dessen Augen.
?Nein, bitte nicht. Es tut mir ja Leid?Bitte verschone mich. Ich entschuldige mich. Ich entschuldige mich!?
Die Antwort war ein verächtliches angeekeltes Lachen.
?Heuchler! Du kennst kein Gewissen, kein Mitgefühl. Nur schäbiges Selbstmitleid. Für Entschuldigungen ist es zu spät. Überhaupt?sie würden rein gar nicht ändern!? Die Hand umschloss seinen Hals fester.
James begann zu wimmern.
?Du willst nicht sterben? Ich wollte es auch nicht.  Meine Freunde ebenso wenig!?
Ein Messer erschien in der Dunkelheit; die Klinge schimmerte kalt und tödlich.
Das Messer hob sich. Bereit zum Zustoßen.
James schrie, doch kein Laut drang aus seiner Kehle. Er hob die Hände vors Gesicht und drehte den Kopf. Er kniff die Augen zusammen. Jeden Moment würde das Messer zustoßen.
?Du wirst die Qualen kennen lernen, die ich leiden musste!? Das waren die letzten Worte, die James Burton hörte.
Das Messer sauste hinab und versank tief in seinem Bauch.

Weitere Werke von Jane:
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Felizitas Boie
Gänsefüßchen
F


Beiträge: 46



F
Beitrag24.09.2006 16:41
Ein paar Wörtchen
von Felizitas Boie
Antworten mit Zitat

Halli hallo erstmal,
also ich muss sagen, es klingt ziemlich interessant und spannend ist es auch.
Man möchte unbedingt wissen, ob der Mann stirbt oder nicht und warum er überhaupt getötet werden soll.
Also den Inhalt des 1. Kapitel find ich schon mal echt gut.
Man kann sich durch einige Textstellen und den Titel so wage vorstellen, was mit dem Mörder passiert ist.
Ich bin gespannt was in den restlichen Seiten deines Buches passiert.

Okay zum sprachlichen vllt ein paar kleine Verbesserungsvorschläge (sind aber echt nur minimal):

 
Zitat:
Wann werde ich endlich sterben? , dachte James Burton, als ein weiterer Tag verklang und der junge Pfleger ihm, den alten Mann, das Nachthemd über den Kopf zog.


Also, was mich an dem Satz ein bisschen stört ist das ,,verklang", mein Vorschlag:
,, ..., als sich ein weiterer Tag dem Ende zuneigte"
oder: ,,..., als ein weiterer Tag zu Ende ging..."
klingt iwie besser find ich wink

Du beschreibst die Gefühle des Mannes ziemlich gut und seine Gedanken, was mir aber so ein wenig fehlt, ist eine kleine Beschreibung, wie der Mann und seine Umgebung aussieht. Das könnte die Atmosphäre, die in dem Heim herrscht nochmal was hervorheben.
Joah mehr fällt mir im Moment auch nicht ein, außer an einer Stelle (weiß nicht mehr genau wo) bringst du auf einmal Präsens in den Text, obwohl du die ganze Zeit in der Vergangenheit geschrieben hast.

Aber alles in allem find ich den Anfang gut, mach weiter.
Daumen hoch!
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Jane
Geschlecht:weiblichSchneckenpost

Alter: 36
Beiträge: 12



Beitrag24.09.2006 22:32

von Jane
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Vielen Dank für deine Kritik, Felizitas!

Sie hat mich ermutigt und da ich zur Zeit noch an Zeitüberfluss "leide", dachte ich mir, könnte ich ja gleich den nächsten Teil in Forum stellen.

diesmal ist es der erste Teil des zweiten kapitels.

2.

Kriminalkommissar Kurt Brückner kochte sich soeben die achte Tasse Kaffee seines Tages, als das Telefon kurz vor null Uhr schrillte.
Er ging hinüber in sein Arbeitszimmer und fand das Telefon unter einem Berg Papierkram und hob ab.
Fast wäre ihm der Kaffe aus der Hand gefallen, als am anderen Ende der Leitung die Stimme seiner Exfrau Linda erklang. Hastig stellte er die Tasse auf das letzte, freie Fleckchen Schreibtisch in einem Chaos aus Ordnern, Papieren und Büchern.
Kurt strich sich über seiner Schnauzer und fasste sich. Er sprach: ?Meine Liebe! Was für eine Überraschung! Seit unserer Scheidung hast du nicht mehr bei mir angerufen. Und die liegt sechs Jahre zurück.?
?Spar dir deine spitzen Bemerkungen, Kurt.?, erklang die vertraute, scharfe Stimme, die er gegen Ende der Ehe mehr als alles andere gehasst hatte. Auch jetzt löste sie in ihm ein unangenehmes Beben aus.
?Du hast dich nicht verändert, Linda. Die Krallen immer sofort ausfahren. Das ist deine Art.?
?Du hattest schon immer das Talent mich bis aufs Blut zu reizen.?, kam prompt die Antwort.
?Warum rufst du an? Hast du schon mal auf die Uhr gesehen!??
 ?Zufälligerweise weiß ich, dass du nachts fast nie vor zwei Uhr schläfst. Wahrlich, dein Job hat dich noch nie richtig losgelassen. Weil es das einzige auf der Welt ist was du hast! ?
?Rufst du an, um die alten Kamellen wieder aufzuwärmen, Linda? Dafür ist mir die Zeit zu schade. Oder rufst du etwa an, um dich nach meinem Befinden zu erkundigen?? Kurts Stimme troff vor Sarkasmus.
?Und wenn es so wäre? Meinst du nicht, Geschiedene könnten wie normale Menschen miteinander umgehen und sich um den anderen sorgen? Ach nein, dies wäre in der heutigen Zeit ein regelrechtes Wunder.?
?Recht hast du. Ich denke, 15 Jahre Verdruss waren für jeden von uns genug.?
Am anderen Ende der Leitung blieb es still. Kurt begann seine scharfen Worte zu bereuen.
Natürlich hatte er gelogen. In der Ehe hatte es auch wunderbare, unvergessliche Zeiten gegeben!
Doch kein Wort der Entschuldigung brachte er über die Lippen. Um Verzeihung bitten ? das hatte er noch nie gut gekonnt.
Kurt wollte etwas sagen, doch Lind schnitt ihm das Wort ab und sagte eisig: ?Ich sehe, du hast dich nicht verändert. Immer noch der gleiche, zynische Schandmaul. Kein Wunder, dass du die Leute abstößt, dass du kaum Freunde hast, dass dir die Frauen davon laufen!?
?Du scheinst ja bestens informiert??
?Sicherlich lebst du immer noch allein in einer verdreckten Wohnung voller Müll!??
Kurt ließ seinen Blick umher schweifen. Linda hatte den Finger drauf. Tatsächlich war die Wohnung eine Müllhalde, in der sich Geschirr, alte Pizzakartons, Flaschen, Bier und seine Arbeitszeug stapelten. Er war schlicht unfähig Ordnung zu halten. Und es war ihm egal.
?Und ich nehme an, dein schleimiger Italiener ist dir ein treuer Sklave? Wie hieß er noch mal?Giovanni??
Ein ekelhaft gut aussehender, braungebrannter Mann; zehn Jahre jünger als Linda. Sie war stets eine attraktive Frau gewesen, nicht schön, aber mit ihrem sinnlichen, gepflegten Äußeren hatte sie die Männerblicke auf sich gezogen.
Doch in letzter Zeit schien der Lack abzugehen. So wurde Kurt erzählt. Linda stecke einen großen Anteil ihres Geldes in Friseur und Kosmetik; panisch bedacht ihre aparte Fassade zu erhalten. Und ihr Ego befriedige sie beim Fang junger Männer.
Am Ende der Leitung murmelte Linda etwas Unverständliches.
?Ich vergaß!? Kurt schlug sich gegen die Stirn ?Den hast du ja schon längst abgeschossen. Wer ist dein neues Spielzeug? Lass mich kurz überlegen? Pablo hieß er, glaube ich. Ja, Pablo. Hübscher Name.?
?Woher weißt du das??, zischte Linda.
?Ob du?s glaubst oder nicht, auch ich habe menschliche Kontakte und nicht nur bei der Arbeit. Man hat es mir selbstverständlich erzählt.?
?Und wenn schon! Was geht dich das an??
?Rein gar nichts. Aber mal unter uns, Linda, den Ruf als lüsterne, 45-jährige Frau, die junge Männer zum Frühstück isst, hast du schon wett. Meine Hochachtung.?
?Sicher diese Klatschbase, die du deinen besten Freund nennst. Peter Schön, dieser Lackaffe.?
?Bingo. Aber mal unter uns, Linda, den Ruf als lüsterne, 45-jährige Frau, die junge Männer zum frühstück isst, hast du wett. Meine Hochachtung.?
?Besser den Ruf einer Männerfresserin als den eines Misanthropen mit Frauenphobie.?
?Du hast mich quasi geimpft. Linda, ich muss schon sagen deine Menschenkenntnis beeindruckt mich.?
?Ach, rutsch mir den Buckel runter!?
Eine Weile schwiegen beide. Es hatte eine Zeit gegeben, da hatten sie sich nur auf diese Art und Weise unterhalten; Beschimpfungen, Vorwürfe, Ekelhaftigkeiten waren an der Tagesordnung gewesen. Nein, diese Zeit war nicht schön gewesen.
Kurt fragte sich, warum er mit Linda nicht einfach normal reden konnte. Immer lagen ihm spitze Bemerkungen auf der Zunge; Aggressionen, Sarkasmus rollten in ihm auf, obzwar er für seine stoische Ruhe doch stadtbekannt war.
Er konnte mit Linda einfach nicht. Er konnte es nicht. Die Verletzungen saßen zu tief.
Kurt hatte geglaubt, Linda würde sogleich krachend auflegen. Doch sie war noch immer am anderen Ende der Leitung. Irgendetwas ist noch, dachte Kurt. Ich spüre es.
?Kurt??, sagte Linda. Ihre Stimme klang sonderlich gepresst. ?Ist Evelyne bei dir? Oder ist sie da gewesen??
Kurt setzte sich in seinem Drehstuhl aufrecht und hielt inne seine Papiere zu ordnen.
Aha, sie lässt die Katze aus dem Sack, dachte er.
?Evelyne? Bei mir? Mitten in der Nacht? Machst du Witze? Sie war noch niemals hier, in ganzen fünf Jahren.?
?Wir waren um 20 Uhr bei mir verabredet; wir wollten DVD gucken, uns einen schönen Abend machen?Doch sie ist nicht gekommen! Ich mache mir wirklich Sorgen. was, wenn ihr etwas passiert ist!??
Kurt nahm ein Schluck Kaffee.
?Wahrscheinlich hatte sie keinen Bock.?
?Die Wahrheit ist manchmal grausam, Linda.?
?Sie hatte keinen Bock, ihre eigene Mutter zu besuchen?!?, schrie Lind schrill. Kurt hielt den Hörer weg.
Er seufzte und sagte dann: ?Weißt du, was der entscheidende Unterschied zwischen uns beiden ist? Ich akzeptiere, dass unsere Tochter uns beide hasst. Du nicht.?
?Sie hasst uns nicht! Das ist nicht wahr!?
?Wen willst du hier überzeugen? Ich sage dir, Linda, es ist noch schlimmer: Sie macht uns für alles Elend in ihrem Leben verantwortlich; sagt, bis oben hin mit Jauche gefüllt, um mit ihren Worten zu sprechen; sie wäre besser ohne uns dran. Sag nicht, du hast ihre Worte vergessen!??
Linda blieb stumm. Nach einem Augenblick sagte sie: ?Nein?so ist das nicht. Nein.?
?Es ist die Wahrheit.?
?Trotzdem?ich glaube, irgendetwas stimmt nicht. Eine Mutter spürt so etwas. Ich habe schon bei ihr zuhause angerufen, doch es geht keiner ran. Und was mich am meisten beunruhigt ist, sie hat Sean noch nicht von ihrer Freundin abgeholt. Die ist auch schon ganz besorgt. Kurt, Evelyne, würde nie einfach ihr Kind vergessen! Ich glaube wirklich??
?Zerbrich dir mal nicht den Kopf. Evelyne hat sicher irgendwelche Freunde getroffen und hängt nun in der Kneipe. Sie ist doch erst zwanzig Jahre alt und muss sich auch mal austoben. Sie ist doch sonst immer nur Studentin und Mutter. Die Zeiten sind vorbei, in denen sie dir immer Rechenschaft schuldig ist, Linda. ?
Just in diesem Moment begann Kurts Handy zu klingeln. Die Vibration ließ es über den Tisch hüpfen; wie ein lebendiges Wesen, das um Aufmerksamkeit buhlt.
Kurt nahm es in die Hand und las den Namen auf dem Display.
?Linda, ich muss jetzt aufhören. Die Arbeit ruft.?
?Wie bitte!? Das ist nicht dein Ernst! Du kannst doch nicht?Ist dir deine Arbeit etwa wichtiger als deine eignende Tochter!??
?Wage das nicht mal zu denken. Aber im Gegensatz zu dir bin ich sicher ich bin sicher, dass es Evelyne gut geht, sie einen netten Abend hat und sie bald wieder auftaucht. Nur werden wir als Eltern die letzten sein, die es erfahren. Linda, hör auf meinen Rat: Lass sie endlich gehen. Evelyne ist schon lange nicht mehr dein kleines Mädchen. Ich muss jetzt aufhören.?
?Was!? Halt! Wage es nicht aufzulegen! Kurt!?
Er hing den Hörer ein. Er atmete tief durch und fuhr sich mit den Händen durch seine spärlichen Haare.  
Sollte sie noch mal anrufen - ich werde nicht rangehen, schwor sich Kurt.
Das Handy klingelte immer noch wütend.
Schnell ging er ran.
?Ja, Ute??
?Chef, endlich!?, meldete sich die atemlose Stimme der Polizistin Ute Berger. ?Ich dachte schon, ich erreiche sie nicht. Oder irgendetwas wäre passiert!?
?Ute, ich habe die Schnauze voll von Leuten, die ständig den Teufel an die Wand malen.? Leuten, wie meiner Exfrau.
?Verzeihung. Tut mir leid.?, beeilte sich Ute zu sagen.
?Was gibt?s denn? Ich hoffe, es ist wichtig.? Für Sinnlosigkeiten hatte er jetzt keinen Nerv.
?Wir haben einen Mordfall.?
Mit einem Mal war er hellwach. Das Herz schien ihm stehen zu bleiben. Evelyne?
?Wo? Wer??
?In einem Altenheim. Das Opfer ist ein Heimbewohner.?
Kurt atmete unhörbar auf. Gott sei Dank! Gleich darauf ärgerte er sich über seine Nervosität. Seine Exfrau hatte es tatsächlich geschafft ihn zu beunruhigen!
?Ich komme.? Hastig stürzte er den Rest Kaffe hinunter.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
joharst
Eselsohr
J


Beiträge: 322



J
Beitrag24.09.2006 23:00

von joharst
Antworten mit Zitat

Hatte jetzt leider keine Zeit, mir den zweiten Teil durchzulesen, deshalb erstmal nur etwas zum Ersten:

Ich finde auch, dass sich das ganze recht spannend liest und Lust auf mehr macht. Korrektur lesen solltest du es allerdings nocheinmal, da an manchen Stellen Buchstaben oder sogar einzelne Wörter fehlen.
Der erste Abschnitt besteht ja zum größten Teil aus innerem Monolog und hier solltest du das häufig vorkommende "entschloss James, gestand sich James ein, dachte James", usw. etwas reduzieren. Es stört, so finde ich, sehr den Lesefluss und irritiert den Leser, besonders an Stellen, an denen der Monolog vom Beschreibenden ins Erzählende wechselt.
Beispiel:

Zitat:
Sie ist quietschfidel und hält sich für lustig. Und irgendwie ist sie es dann auch?, gestand sich James ein.
Sie versucht sich als Romanschriftstellerin. Lächerlich! Sie schreibt den größten Schund, den ich jemals gelesen habe


Könnte aber auch nur ein subjektiver Eindruck meinerseits sein.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Jane
Geschlecht:weiblichSchneckenpost

Alter: 36
Beiträge: 12



Beitrag27.09.2006 16:49

von Jane
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Hallo!

Vielen Dank für die Kritik, ich habe sie beherzigt!

Das ihr meine geschichte spannend findet, macht mich sehr froh, und ich hoffe das mnan das von den nächsten teilen auch sagen kann!  Very Happy

Über eure Meinung würde ich mich sehr freuen!

Hier ist also der Rest des 2. Kapitels.

Kurts Heimatstadt schlief nie.
Als er zur späten Stunden, mit seinem Polo durch die nächtlichen Straßen fuhr, waren diese dennoch nicht ausgestorben.
Das orange Licht der Straßelampen, brachte so manche Gestalt zum Vorschein.
Gruppen von Jugendlichen hatten sich auf Plätzen versammelt, um in der Dunkelheit und mit Alkohol ihren Alltag hinter sich zu lassen. Hie und da sah man leichtbekleidete Mädchen die Straße auf und ab gehen; in einer Hand eine Zigarette, die andere in den Haaren.
Weitere zerlumpte Gestalten schlurften von einem Container zum nächsten; auf der Suche nach etwas Ess- und Brauchbaren.
Kurt bemerkte das alles nur aus dem Augenwinkel.  Er kannte das Gesicht seiner Stadt bei Dunkelheit.
In über zwanzig Jahren hatte sich Kurt nie mit Nachteinsätzen anfreunden können.
Unter dem dunklen Himmel, beleuchtet nur von kalten, abweisenden Neonlicht, wurde ihm regelmäßig elend. Nur nachts spürte er die alles durchdringende Einsamkeit in ihm, die er am Tage gut zu verdrängen wusste.
Auch jetzt umfasste sie wieder sein Herz.
Der Anruf seiner Exfrau hatte ihn nicht kalt gelassen; ihn aus der Bahn geworfen.
Gedankenfetzen wirbelten durchs seinen Kopf; unformuliert und wirr.  
Über den bevorstehenden Einsatz, über den Mord, dachte er nicht nach. Dergleichen war Routine, Alltag. Seine Arbeit seit über zwanzig Jahren. Verbrechen untersuchen und aufklären.
Und er liebte es wie am ersten Tag.
Gewiss, in der Anfangszeit hatte ihn noch so mancher Mordfall tief erschüttert. Besonders sein erster? Aber an ihn zu denken, mied Kurt.
Mit der Zeit war er?abgestumpfter? unempfindlicher? geworden.
Linda hatte gesagt: gefühlloser.
Kurt kratzte sich an der Stirn. Die Reifen seines alten Polos quietschten, als er an einer Ampel anfuhr.
Gefühllos?, dachte er. Stimmt das?
In seinem Job durfte man eben nicht weich und sensibel sein. Sonst ging man zugrunde.
Jeder muss doch sehen, wie er leben kann, dachte er.  
Ich habe mich nach der Aufklärung eines Verbrechens immer zufrieden gefühlt. Schließlich habe ich etwas Bedeutsames vollbracht. Und nicht Tag für Tag an einem Fließband gestanden und mehr einer Maschine geglichen, denn einen Menschen.
Aber was war an den Tagen gewesen, die vor Rückschlägen und Misserfolgen nur so strotzten?
Kurt musste zugeben, dass er an diesen ungenießbar gewesen war.
Die Leidenschaft für seinen Beruf war der Grund für seine Scheidung gewesen.
Der alleinige Grund? Wohl nicht ganz.
Linda und er trafen sich zum ersten Mal 1989 auf der Party eines Freundes. Sie waren sofort Feuer und Flamme für einander.
Ein Jahr später heirateten sie. Er war 24, sie 23.
Vielleicht waren wir zu voreilig gewesen, dachte er.
Dennoch, damals dachte er, glücklicher könne er nicht werden, und war sicher, diese Liebe würde ewig halten.
Über seine damalige Naivität konnte Kurt heute nur noch den Kopf schütteln. Nicht hält ewig. Wenn er etwas vom Leben gelernt hatte, dann das.

Vor der Heirat hatte er noch sein Studium und seine Ausbildung beendet, und war nun Kriminalkommissar. Noch grün hinter den Ohren, voller Enthusiasmus und Idealismus, begierig auf den ersten Fall.
Anfang Januar 1991 ging Lind schwanger, und Im November wurde ihr erstes Kind geboren. Evelyne.
Kurt und Linda liebten sie abgöttisch; sie war ihr ganzer Stolz.
Doch bald zogen die ersten Wolken auf.
Linda beklagte sich, dass er, Kurt, zuviel arbeite und darüber hinaus seine Familie vernachlässige.
Im Rückblick gestand er sich tatsächlich ein, dass er wenig Zeit für Linda und Evelyne gehabt hatte in dieser Zeit.
Zum einen, weil er fieberhaft an der Aufklärung eines Mordfalles arbeitete und dennoch keinen Schritt vorankam.
Zum anderen weil ihm die neue Situation Angst machte. Das plötzliche Familienleben flösste ihm Furcht ein.
Natürlich, er liebte sie beide, Linda und Evelyne.
Doch seine Unabhängigkeit und die Leichtigkeit der Verantwortungslosigkeit begannen ihm zu fehlen.
Kurt schämte sich dieser Gedanken und brachte sie zum verstummen.
Die Jahre vergingen, und ein jeder, der sie kannte, hielt die Familie Brückner für glücklich.
Doch die Liebe zwischen Kurt und Linda begann zu schwinden. Kälte und Gleichgültigkeit ersetzten Herzlichkeit und Hingabe.
Ihre Ehe zerbröckelte wie Millionen andere.
Linda fühlte sich vernachlässigt, Kurt angegriffen und überfordert.
Linda suchte den Streit, Kurt ergriff die Flucht.
Sie drängte ihn in die Ecke; er wehrte sich.
Eigenarten des einen reizten den anderen bis aufs Blut.
Geschrei, Beleidigungen, Vorwürfe ? und inmitten dieses Krieges Evelyne, eine Heranwachsende, deren einzige Sicherheit in den Stürmen der Pubertät weg zu brechen drohte. Ihr Elternhaus.
Evelyne war ein extrem glückliches Kind gewesen. Überdurchschnittlich aktiv, enthusiastisch, hungrig aufs Leben. Sie sang und brüllte die ganze Zeit, und mitunter überforderte sie ihre Eltern.
In den Jahren des Scheidungskrieges veränderte sich Evelyne.
Sie zog sich in sich zurück, wurde sehr introvertiert; erzählte nichts über sich. Das fröhliche Kind von einst würde mürrisch, giftig und sehr, sehr zynisch.
Evelyne muss sich für uns sehr geschämt haben. Zu Recht, dachte Kurt nicht zum ersten Mal.
Linda und ich hatten schon vor der Scheidung kurze, aber verdrießliche Affären gehabt.
Wir waren einfach unfähig unsere Probleme zu lösen.
Wir führten einen hässlichen Zank um ihr Sorgerecht, den Linda gewann.
Kein Wunder, dass unsere Tochter uns hasst., dachte Kurt.
Lind bekam das Sorgerecht für Evelyne. Und damit alle Probleme.
Tagelange Abwesenheit, Schulschwänzen, Partys, Alkohol, Zigaretten, falsche Freunde?
Linda hatte ihre Not mit Evelyne.
Und er? Er zahlte Unterhalt.
Anfangs suchte er noch den Kontakt zu ihr, doch nach zahlreichen Abfuhren, gab er auf. Er war nicht der Mensch, der anderer Menschen Mauern durchbrechen konnte.
Irgendwann endete wilde Phase Evelynes.
Schließlich war sie klug, und sie erkannte, wolle sie die heißersehnte Unabhängigkeit erreichen, so musste sie mit einer guten Schulbildung dafür die Basis bilden.
Sie stand kurz vor dem Abitur, da wurde sie schwanger.
Linda und ich fielen aus allen Wolken! Sie hatten ja nicht mal gewusst, dass Evelyne einen Freund hat!
Kurz vor der Geburt des Kindes, machte sich der junge Vater aus dem Staub.
Kurt wollte dem Kerl eine Lektion verpassen, doch Evelyne sagte, er solle sich keine Mühe machen. Er sei sowieso nicht der Richtige gewesen, überhaupt wolle sie mit niemanden mehr zusammen leben, von Beziehungen habe sie die Schnauze voll. Ganz allein wolle sie für ihr Kind sorgen; es solle nur ihr gehören. Niemand solle sich einmischen.
Nach dem Abitur erfüllte sich Evelyne ihren größten Wunsch, und zog von zu Hause aus.
Nun studierte sie Architektur und bringt Studium und Kind gekonnt unter einen Hut.
Hatte er sich erzählen lassen.
Kurts Miene verfinsterte sich.
Ich weiß eigentlich nichts von meiner Tochter. Seit Monaten habe ich sie nicht mehr gesehen.
Ist sie glücklich? Kommt sie zurecht? Hat sie einen Freund? Wer sind ihre Freunde? Was macht ihr Freude, was betrübt sie? Hasst sie Linda und mich immer noch? Was erwartet sie von ihrer Zukunft, was sind ihre Träume?
Das alles würde er fragen, wenn sie ihn nur an sich heranlassen würde.
Nach der Arbeit werde ich sie suchen, beschloss er und fuhr nach rechts in die Einfahrt.
Er war da. Vor ihm, alle Zimmer erleuchtet, lag das Altenheim.

?Geht es Ihnen nicht gut, Chef? Sie schwitzen ja!? Polizistin Ute Berger sah ihn aus Froschaugen hinter dicken Brillengläsern fragend an. Ihre blonden, kurzen Löckchen wippten beim Gehen, und sie beeilte sich mit Kurt Schritt zu halten.
Kurt und Ute gingen den langen Gang des ersten Stockwerks entlang, an unzähligen Türen vorbei. Hinter der letzten des Ganges erwartete sie der Tatort.
Kurt wischte sich mit dem Handrücken über die Stirn. ?Machen Sie sich mal keine Gedanken, Ute.?
Doch in Wahrheit ging es ihm wirklich nicht gut.
Als er das Foyer des Altenheims betreten hatte, hatte ihn fast der Schlag getroffen. Es ging zu wie auf dem Jahrmarkt! Alle Bewohner des Heims schienen auf den Beinen. Senioren in Rollstühlen, Senioren auf Krücken, auf eigenen Beinen. Und alle schienen etwas zu sagen haben; das Stimmengemurmel klang wie Bienengesumm. Die Alten hatten klagend die Hände in die Höhe geworfen. Was war nur aus dieser Welt geworden?
Etliche Pfleger versuchten, die Alten zur Rückkehr in die Zimmer zu bewegen; Polizisten befragten einige Bewohner über Seltsamkeiten, die ihnen möglicherweise aufgefallen seien.
Als sie Kurt bemerkten, stürzten sie sich auf ihn.
Sie sind Kurt Brückner? Der stadtbekannte Kriminalkommissar? Gibt es schon einen Hinweis? Wer ist der Mörder? Wer ermordet denn einen alten wehrlosen Mann?
Und dann, leise Stimmen: ?Das ist Kurt Brückner? Hat der nicht damals diesen einen schrecklichen Fall nicht aufklären können? Was war das nur noch mal gewesen?die Morde in diesem Schloss vor zwanzig Jahren? Ein Schande war das damals.?
?Du hast Recht!? Die Alten hatten ein gutes Gedächtnis.
Kurt war durch die Menge geflohen, hinter die Absperrung. Er schwitzte. Er ertrug es nicht in großen Menschenmassen.
Doch nicht allein das hatte ihn außer Fassung gebracht. Auch die Erwähnung dieses Falles vor zwanzig Jahren. Eine Ewigkeit lag er schon zurück, aber die Menschen hatten ihn nicht vergessen. Ebenso wenig wie er selbst?
Ute sah ihn zweifelnd an, aber drang nicht weiter auf ihn ein. Sie kannte Kurt und wusste, wann sie besser aufhörte Fragen zu stellen.
Beide erreichten das letzte Zimmer des Ganges. Die Nummer 40.
Sie betraten das Zimmer. Es war hell erleuchtet und unterschied sich kaum von Zimmer in einem Krankenhaus. Zwei Betten standen auf der jeweilig anderen Seite des Zimmers, daneben ein Nachtschrank. Jeder Bewohner besaß einen Kleiderschrank; in der Mitte des Raumes stand ein Tisch mit zwei Stühlen. Hoch oben an der Wand hing ein Fernseher.
Drei Männer der Spurensicherung waren bereits am Werk. Sie sahen kurz auf, als sie eintraten, und nickten zur Begrüßung, ehe sie sich wieder ihrer Arbeit widmeten.
Kurt trat an das Bett in dem der Tote lag.
Das weiße Bettzeug war rot getränkt. Die Augen des alten Mannes waren vor Schmerz und Angst weit aufgerissen und starrten blicklos zur Decke. Der Mund klaffte offen.
Kurt streifte sich Handschuhe über und  beugte sich über die Leiche. Dort wo der Mörder zu gestochen hatte, zeigten sich große Risse im Nachthemd.
?Ich höre, Ute.?
?Sehr wohl.? Sie räusperte sich. ?Der Tote ist James Burton, geboren am 28. 05. 1910.?
Kurt war milde erstaunt. In Anbetracht des relativ faltenlosen Gesichtes, hätte er den Toten auf höchstens siebzig geschätzt. Manchen Menschen war die Natur hold.
?Ab 1992 hatte er einen Plattenbau auf der Herderstraße dieser Stadt bewohnt; ab 2007 war er Bewohner dieses Heimes.?
Kurt sah Ute fragend an. ?Und in den achtzig Jahren davor??
Die Polizistin zuckte mit den Schultern. ?Diese sind uns noch ein Rätsel. Es scheint, als habe sie Herr Burton im Verborgenden verbracht, der Himmel weiß wo.?
Kurt nickte. ?Dem Zustand der Leiche nach zu urteilen liegt der ungefähre Todeszeitpunkt bei 23.30 Uhr??
Ute bestätigte das. ?Todesursache sind vier Messereinstiche in Bauch und Brust.?
?Und der Täter ist flüchtig, nehme ich an??
?Die Täterin, Chef.?
?Eine Frau!??
?Laut Zeugin, ja.?
?Wir haben eine Zeugin! Wer ist sie??
?Die Zimmergenossin von Herrn Burton. Eine gewisse Helga Viertel.?
?Ich muss sogleich mit ihr sprechen.?
Ute schüttelte langsam den Kopf. ?Tut mir leid, aber ich fürchte, dass wird nicht möglich sein??
?Wieso!??
?Die arme Frau steht unter Schock. Es wird noch einige Stunden, vielleicht auch bis morgen dauern, bis sie über das Erlebte sprechen kann.?
Kurt schnaubte. ?Ja, will sie nun, dass der Mord an ihrem Freund aufgeklärt wird, oder nicht??
?Chef?sie musste mit ansehen, wie??
Kurt winkte ab. ?Ja, ja. Schon gut.?
Er ging zu dem Fenster und warf einen Blick hinaus. Die Leiter, mithilfe derer die Mörderin eingedrungen ist, lehnte noch immer an der Hauswand.
?Frau Viertel hat die Täterin also gesehen??
?So ist es. Sie hörte Geräusche, knipste das Licht an und schrie das ganze Haus zusammen. Die Täterin flüchtete umgehend??
?Die Fandung muss aufgenommen werden.?
?Ohne Phantombild??
?Das werden wir haben, sobald ich Frau Viertel befragt habe. Was ist mit der Tatwaffe??


 ?nach ersten Erkenntnissen ein großes Messer. Vielleicht ein handelübliches Küchenmesser.?
?Und die Täterin hat es nicht zu fällig verloren??
?Ähm, nein.?
?Egal. Das wird ihr auch keinen Vorteil bringen.? Er wandte sich an die Jungs der Spurensicherung. Sie waren dabei feinen Puder auf allen Flächen zu verteilen. ?Schon was gefunden??
?Massig Fingerabdrücke.?, antworteten sie in einem Chor.
?Dumme Frau. Nicht einmal Handschuhe hat sie benutzt. Amateurin.?
Kurt zog die seinen aus. ?Ute, sagen sie den Freunden aus der Gerichtmedizin Bescheid, sie können aufhören Karten zu spielen, es gäbe Arbeit.?
?Chef, wo wollen Sie denn hin??
Kurt drehte sich in der Tür um. ?In den Garten. Wäre doch gelacht, wenn ich dort nicht finde.?
?Aber man hat ihn doch schon durchsucht!?
?Ja. Aber niemand hat meine Spürnase.?

Kurt stand auf der Wiese hinter dem Altenheim und blickte zu dem Fenster des Tatortzimmers hinauf.
Die Leiter lehnte noch immer an der Hauswand. Der Wind ließ die Bäume hinter ihm wispern.
Die Spurensicherung muss auch hier Fingerabdrücke nehmen, dachte er.
Er war zufrieden. Die Täterin würde schnell gefunden sein. Selbst wenn sich die Fingerabdrücke nicht in den Archiven finden ? das Phantombild würde sein Übriges tun.
Kurt drehte sich um.
Hinter ihm zeichnete sich in der Dunkelheit der hauseigene Park ab, in dem tagsüber die Senioren spazieren geführt oder geschoben wurden und auf Bänken an kleinen Teichen saßen.
Er war fast ein kleiner Wald, mit zahlreichen Sträuchern und Bäumen, alles sehr gepflegt.
Durchzogen wurde er von Kieswegen.
Kurt knipste seine Taschenlampe an und begann das Gelände zu durchkämmen.
Er hatte Hoffnung. Manchmal verloren Täter in der Eile der Flucht etwas, was die Polizei dann zu ihnen führte.
Schon bald verließ Kurt die Wege und durchstreifte das Gestrüpp. Das Licht seiner Taschenlampe huschte vor ihm her.
Er zog ein Zwischenresümee.
Da war also ein hundertjähriger Mann mit achtzig Jahre ominöser Vergangenheit, der nicht gerade in der Blüte seines Lebens ins Jenseits befördert wurde. Und das, nach Zeugenaussage, von einer Frau!
War es eine willkürliche Tat?
Das konnte sich Kurt nicht vorstellen.
Eine Tat aus Rache? Schon ehern. Doch was hatte der alte Mann getan?
Plötzlich! das Knacken von zweigen! Eine Bewegung!
Aus dem Augenwinkel bemerkte Kurt, wie schräg hinter ihm, jemand aus dem Gebüsch hervorbrach und davon lief.
Fluchend zog Kurt seine Waffe und nahm die Verfolgung auf.
Die Person war schnell. Jedoch nicht schnell genug. Kurt holte auf und blieb stehen. Seine Lungen schmerzten, doch jetzt hieß es Konzentration. Er legte an.
Der Schuss ging scharf vorbei in einen Baumstamm. Holz splitterte.
Die Person blieb wie vom Donner gerührt stehen. Auf diesen Schockmoment hatte Kurt gesetzt.
Er näherte sich ihr bis auf wenige Meter, die Waffe gehoben, der Finger am Abzug.
Mit der Taschenlampe in der anderen Hand leuchtete er die Person an. Sie hatte im noch immer den Rücken zugewandt; die Hände gehoben.
Der schein der Lampe enthüllte eine schmale Gestalt; gekleidet in Rock und Bluse. Schwarzes, glattes Haar fiel ihr bis zur Mitte des Rückens. Eine Frau! In ihrer Hand hielt sie ein langes Messer mit befleckter Klinge. Die Täterin?!
Kurt ließ sie nicht aus den Augen.
?Lassen Sie das Messer fallen.?, sagte er. Es fiel in das Gras.
?Und jetzt verschränken Sie die Arme hinter dem Kopf. Na los! Ein bisschen schneller?so ist?s gut. Und jetzt drehen Sie sich langsam zu mir um. Ich warne Sie! Keine Mätzchen. ich bin ein begnadeter Schütze, das nächste Mal treffe ich wirklich.?
Die Arme hinter dem Kopf verschränkt, drehte sich die Frau langsam um. Ihre Augen sahen fest in die seinen. Fragend und etwas spöttisch.
?Du würdest deine eigene Tochter erschießen? Vater??
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Felizitas Boie
Gänsefüßchen
F


Beiträge: 46



F
Beitrag27.09.2006 17:15

von Felizitas Boie
Antworten mit Zitat

Hammer! Also das Ende von Kapitel 2 ist ja total unerwartet. Echt super! Da macht das Lesen doch richtig Freude.
Weiß nicht ob dus schon gesagt hast (wenn ja, schlag mich^^) aber wie lang ist dein Buch schon?

Vieeeele liebe Grüße, Felizitas
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
joharst
Eselsohr
J


Beiträge: 322



J
Beitrag27.09.2006 19:52

von joharst
Antworten mit Zitat

Kann mich nur anschließen. So hält man seine Leser bei der Stange!

Du solltest dir nochmal den Rückblick durchsehen, da bist du ein, zwei Mal ins Präsens abgerutscht. Bsp. "Nun studierte sie Architektur und bringt Studium und Kind gekonnt unter einen Hut."
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Jane
Geschlecht:weiblichSchneckenpost

Alter: 36
Beiträge: 12



Beitrag27.09.2006 22:07

von Jane
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Vielen, vielen Dank für all eurer Lob! Und auch dafür, dass ihr euch meine elendlangen texte durchlest!  Very Happy

Mein Roman mittlerweile ist er schon 140 Seiten lang, vielleicht kommen noch etwa 30 dazu.

Liebe grüße

Jane
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Jane
Geschlecht:weiblichSchneckenpost

Alter: 36
Beiträge: 12



Beitrag28.09.2006 10:31

von Jane
pdf-Datei Antworten mit Zitat

3.

?Evelyne??
Kurt ließ die Waffe sinken, fast hätte er sie fallen gelassen. Alle Kraft wich aus seinen Armen; die heiße Spannung war völlig verschwunden. Ihm war, als hätte man ihn mit kaltem Wasser übergossen.
Er traute seinen Augen nicht.
Evelyne! Hier? Wie konnte das sein?
Mit eiskaltem Entsetzen gewahrte er ihre Kleidung. Die Bluse, der Rock?alles war über und über mit Blut gespritzt.
Kurt blickte von dem Blut zu Evelynes Gesicht.
Noch immer sah sie ihn ausdruckslos an; so, als wolle sie erst seine Reaktion abwarten, ehe sie sich zu einer verleiten ließ.
Kurts Gedanken wirbelten durcheinander, nur mit mühe konnte einige Klare fassen.
Er starrte seine Tochter an. Er sah nur noch sie. Und die blutverschmierte Kleidung.
?Evelyne?bist du?die Mörderin??
Blitzschnell stürmte Evelyne von dannen.
Kurt hinterher.
Sie hatte eben die Hälfte des Zaunes erklommen, als Kurt sie zu fassen bekam. Er schlang seine Arme um sie und riss sie zurück.
Schreiend wehrte sie sich, kratzte und schlug ihn.
Er hielt ihr die Hand vor den Mund und zischte: ?Sei still! Oder willst du, dass man uns hört!??
Da stand Evelyne wie gelähmt und Kurt nutzte die Sekunden, um ihr die Handschellen umzulegen und sie damit an den Zaun zu ketten.
Evelyne riss an ihnen, natürlich vergeblich. ?Mach mich sofort los! Spinnst du denn völlig!? Mach mich los!?
Kurt gab ihr eine schallende Ohrfeige.
?Ich weiß nicht, wer von uns Beide hier ehern spinnt. In deiner Situation wäre ich sehr still.?
Evelyne presste zornig die Lippen zusammen. Ihre Augen funkelten ihn an.
Kurt mied diese Blicke so gut es ging.
?Evelyne?ich frage dich noch mal?hast du?hast du diesen alten Mann ermordet??
Sie lachte verächtlich. ?Was fragst du mich? Wo ist deine berühmte Spürnase geblieben? Sind die Indizien nicht eindeutig??
Kurt trat einen Schritt zurück. Evelyne! Sie hatte also tatsächlich?! Und sie zeigte keine Reue! Nicht den Hauch eines schlechten Gewissens! Hatte er seine Tochter so wenig gekannt?
Er sah sie an, wie sie dort stand, an den Zaun gekettet; die langen, schwarzen Haare hingen ihr im Gesicht. Sie wirkte wie eine Wahnsinnige. Unter dem Vorhang ihrer Haare fixierte sie ihn, wie ein gefangenes Tier.
?Warum?? Warum hast du das getan??, flüsterte er.
Zum ersten Mal zog ein Hauch Bestürzung über Evelynes Gesicht; ihre Augen verdunkelten sich noch mehr.
Sie drehte ihre Kopf zu r Seite und sagte leise: ?Ich weiß es nicht.?
Kurt packte sie an der Schulter und riss sie zu sich herum. ?Was soll das heißen!? Du weißt es nicht?!? Er schüttelte sie.
?Was verstehst du daran nicht!??
?Kanntest du diesen alten Mann??
?Nein.?
?Nein!??
?Hast du Tomaten auf den Ohren? Nein! Ich kannte diesen Mann nicht.?
Kurt ließ sie los, als habe er sich die Finger verbrannt.
Er suchte in Evelynes Gesicht nach Antworten, aber fand nichts. ?Das ist verrückt. Total verrückt.?
Evelyne lächelte schief mit einem Hauch Traurigkeit. Sie widersprach nicht.
Kurt hockte sich auf den Boden. Er konnte einfach nicht mehr stehen.
?Du hast ihn ermordet. Einfach so??, murmelte er.
?Nein! Ich war es nicht!?
Zorn brandete in ihm auf. Ihre Kaltblütigkeit verschlug ihm den Atem.
?Etwas?in mir hat ihn getötet. Hat mich dazu benutzt! Glaube mir?ich kann es nicht erklären, aber ich weiß?nicht ich habe diesen Mann getötet!?
Ihre Lippen zitterten. Kurt spürte, dass sie nicht log.
Er richtete sich wieder auf und warf einen Blick hinter sich.
Was sollte er jetzt tun? Er musste eine Entscheidung treffen. Und zwar schnell!
Schon bald würde es hier von Polizisten nur wimmeln!
?Evelyne, warum hast du dich im Park versteckt??
Sie lächelte. ?Hat doch gut funktioniert. Sie haben ihn durchkämmt, mich aber nicht gefunden auf dem Baum. Sie haben wohl auch nicht wirklich gesucht. Denkt ja auch niemand, dass sich der Mörder direkt beim Tatort noch aufhält.? Ihr Lachen klang sehr selbstzufrieden.
Kurt wünschte sich aus diesem Alptraum zu erwachen.
Was war das für eine Prüfung, die ihm hier auferlegt wurde? Was sollte er nur tun?
Der Kampf in seinem Inneren drohte ihn zu zerreißen.
Seine Tochter war eine Mörderin.
Kaltblütig hatte sie einen schutzlosen, alten Mann erstochen, den sie nicht einmal kannte. Und nach eigenen Angaben, habe sie dazu etwas Inneres getrieben! War Evelyne geisteskrank? War sie gefährlich?
Einen Menschen zu ermorden ist eine unentschuldbare Tat. Sie muss zur Rechenschaft gezogen werden, sich vor Gericht verantworten, ihre Strafe bekommen.
Hatte er, Kurt, nicht immer für ein kleines Stück Gerechtigkeit und Sühne in dieser Welt gekämpft?
Aber trotzdem?trotzdem, sie war seine Tochter! Und als diese konnte er sie nicht festnehmen!
Er konnte doch sein eigenes Kind nicht verraten! Evelynes Leben wäre auf immer zerstört. Und das ihres Sohnes Sean ebenso!
Bei Gott, warum hatte er sie in diesem Park entdecken müssen?!
Was soll ich jetzt nur tun?, dachte er und blickte immer wieder zu dem heim, was durch die Bäumen hindurch schimmerte. Es war nur noch eine Frage der Zeit, ehe?!
Ich kann sie unmöglich flüchten lassen. Damit verrate ich meinen Job und begehe ein Verbrechen.
Gott! Hilf mir!
Kurt sah seine Tochter lange an.
Dann griff er nach seinem Handy und suchte nach einer Nummer.
Evelyne riss die Augen auf. Zum ersten Mal verlor sie ihre Fassung.
Sie flehte in an, bettelte, es nicht zu tun.
?Sei still!?, fuhr er sie an. ?Ich werde Peter anrufen. Er wird uns helfen.?
Evelyne schwieg verblüfft, ehe sie leise lachte.
 ?Peter Schön!? Der Seelenklempner der Reichen und Schönen!? Der Don Juan? Er wird mich auf einen Drink einladen, statt mir zu helfen, Vater.?
?Lass die dummen Scherze.?
Kurt hielt sein Handy am Ohr und wartete bis Peter abnahm.
Evelyne kaute auf ihrer Lippe. ?Vater, bist du sicher? Was, wenn er...?
?Sei endlich still.?
?Kurt, du hast ein unübertreffliches Talent zu den unmöglichsten Zeiten anzurufen.? Die delikate Stimme Paters meldete sich am anderen Ende.
?Jetzt spiel kein Theater. Ich weiß, dass du noch nicht geschlafen hast.? Es war um eins.
?Geschlafen nicht, in der Tat. Denn ich liege gerade mit einer wunderschönen??
?Erspar mir die Details. Peter, weißt du noch? Als Jungen haben wir uns geschworen, den anderen immer aus dem Schlamm zu helfen, egal wie tief dieser ist.?
Peter lachte. ?Dieser Schwur gilt noch heute.?
?Peter?ich stecken in der Klemme. Ich brauche deine Hilfe. Aber sie wäre?strafbar.?
?Ich habe mich nie um das Gesetz geschert wie du. Wo brennst?s denn??
Mit knappen Worten erzählte Kurt, was geschehen war.
Als er endete, blieb es still am Ende der Leitung. Kurt kamen Zweifel.
Was wenn Peter ihnen nicht helfen würde? Wenn er gar die Polizei rief? Man hätte es ihm nicht verdenken können. Schließlich würde er eine Mörderin und ihren Komplizen hinter Schloss und Riegel bringen. Eine Pflicht, die jeder anständige Bürger zu erfüllen hatte.
?Junge, Junge??, murmelte Peter. ?In was bist du da nun schon wieder hineingeraten?? Peter seufzte, als würde seine Geduld arg strapaziert.
?Wirst du mir helfen??
?Idiot. Natürlich werde ich. Und zwar folgendermaßen?? Peter erklärte seinen Plan.
Dann klappte Kurt sein Handy zu.
Er sah zu seiner Tochter und gestattete sich ein zaghaftes Lächeln.
?Peter wird kommen. In wenigen Minuten wird er hinter diesem Zaun vorbeigefahren kommen. Du wirst einsteigen und einstweilen mit zu ihm fahren. Dort wartest du dann auf mich. Keine Aktionen auf eigene Faust, haben wir uns verstanden?!?
Evelyne nickte nur.
Die Arroganz war von ihr abgefallen. Sie wirkte nur noch sehr jung, und sehr erschöpft. Mit Mühe versuchte sie ein Zittern zu unterdrücken.
Kurt öffnete die Handschellen und befreite Evelyne. Sie rieb sich die Handgelenke.
Er sah wieder zu dem Altenheim.
?Ich muss dann wieder gehen?an die Arbeit.? Es klang falsch und schal und hinterließ einen bitteren Geschmack.
Evelyne lehnte sich an den Zaun.
?Vater??
?Hm??
?Es stimmt, was ich dir gesagt habe?ich weiß nicht warum, ich es getan habe. Ich weiß, dass du mir nicht glaubst. Aber es ist die Wahrheit.? Evelyne hielt kurz inne, ehe sie weiter sprach: ?Doch ich will, dass du eins noch weißt. Bevor du dich endgültig zu meinem Komplizen machst. Ich?ich habe es genossen, ihn zu töten. Ich kann es selbst kaum glauben, aber als er tot war, da war ich zufrieden. Als hätte ich mir einen sehnlichsten Wunsch erfüllt. Vater?dieses Gefühl in mir, kalt, gnadenlos?es macht mir Angst!?

Kritik, wie immer, willkommen!  Smile
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Jane
Geschlecht:weiblichSchneckenpost

Alter: 36
Beiträge: 12



Beitrag28.09.2006 21:28

von Jane
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Im Altenheim zurück, flüchtete Kurt auf die Toilette.
Er drehte den Wasserhahn auf und spritzte sich kaltes Wasser ins Gesicht. Er rieb es, bis es sich rötete; ihm war, als könne er sich so reinigen.  
Dann sah er auf, in den Spiegel. Lange war es her, dass er dies bewusst getan hatte.
Er erkannte sich kaum selbst.
Der Mann in dem Spiegel war kränklich blass; eine Folge des Tageslichtmangels und einem Zuviel an Finsternis.
Schwarze Schatten hingen unter rotgeäderten Augen, die ihn voller Zweifel und forschend anschauten. Sie fragten: Kurt, was hast du getan?
Kurt starrte zurück. ?Ich weiß es nicht.?, flüsterte er.
Plötzlich empfand er tiefes Grauen. Vor dem was er getan hatte.
Er hatte einer Mörderin zur Flucht verholfen. Gut, diese Mörderin war seine Tochter, jedoch, wie gut, konnte er behaupten, kannte er sie? Seit der Schediung war sie ihm fremd geworden.
Jedoch, nicht in seinen wildesten Träumen hätte er sie für eine derartige Tat fähig gehalten. Und doch hatte sie sie begangen.
Was, wenn sie wirklich gefährlich war? Geisteskrank und in Gewahrsam gehörte?
Dann hatte er einer Bedrohung für andere Menschen zur Flucht verholfen! Seine Berufsehre, sein Gewissen, seinen Verstand verraten und sich strafbar gemacht!
Und noch schlimmer: Er hatte Peter in Gefahr gebracht!
Was, wenn Evelyne ihm was antat, um fliehen zu können?
Ihm wurde übel. Er forschte in seinem Gesicht. Glaubte er das wirklich? Traute er das seiner Tochter wirklich zu?
Er konnte es nicht sagen.
Dennoch! Er unüberlegt gehandelt! Er hatte seinen Freund in diese Sache hineingezogen und ihn zum Komplizen gemacht. Das war unverzeihlich! Auch wenn es Peters freie Entscheidung gewesen war. Gleichwohl, er hätte wissen müssen, dass Peter ihm niemals die Hilfe verweigern würde, egal was die Bitte gewesen wäre. Es war seine, Kurts, Schuld, wenn sein Freund nun in Schwierigkeiten geriet!  
Kurts schickte seinem Spiegelbild zornige Blicke.
Du Idiot! Deine Vatergefühle haben dir das Hirn vernebelt!
Doch gleichzeitig konnte er seine Entscheidung, Evelyne geholfen zu haben, nicht bereuen.
Sie war doch seine Tochter! Und er liebte sie. Auch wenn er das niemals gezeigt hatte.
Er fühlte sich für sie verantwortlich und wollte sie beschützen. Ja, das war es was er wollte.
Für sie da sein, wie er es noch nie gekonnt hatte; ihre Meinung von ihm ändern, ein kleines Lächeln, ein nettes Wort erhaschen. Sich als Vater fühlen. Das war alles was er wollte.
Es klopfte an der Toilettentür.
Kurt wischte sich mit Papier das Gesicht trocken.
?Ja??, rief er.
?Entschuldigen Sie, Chef, ich bin es nur.? Ute.
Kurt stöhnte auf. ?Was ist denn?!?
Reiß dich zusammen, dachte er. Sei nicht so gereizt. Beruhig dich. Tu als ob nichts wäre.
?Ich habe Sie gesucht, ein Kollege sagte mir, er habe Sie hier hinein gehen sehen??
Kurt riss die Tür auf und trat hinaus in den Gang.
Ute wich zurück. ?Chef, sind Sie Ok? Sie sind ganz blass! Geht es Ihnen nicht gut??
?Ich schau immer aus wie ein blutleerer Vampir, wann werden Sie sich daran gewöhnen??
 ?Ja, aber??
?Mir geht?s blendend. Irgendwelche Neuigkeiten??
?Die Zeugin, Helga Viertel, ist jetzt vernehmbar.?
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
baileys
Schneckenpost
B


Beiträge: 5
Wohnort: Barneberg


B
Beitrag29.09.2006 16:39

von baileys
Antworten mit Zitat

Hey!

Also ich finde deinen Roman ziemlich spannend. Man hat stets Lust, weiter zu lesen. Du weißt wirklich, wie man die Leser bei der Stange hält und jedes Kapitel interessant machst.

Ich liebe Cliffhanger! Sie machen einen Text dermaßen spannend und das beherrschst du gut.

Auch wenn das Thema nicht ganz meinen Geschmack trifft, war es trotzdem interessant. Ich mag eher Geschichten, die in der Gegenwart oder in der Vergangenheit spielen, aber ich denke, es wäre kein Problem für dich einen spannenden Krimi, der eben in der Vergangenheit oder in der Gegenwart spielt, zu schreiben.

Mach weiter so!
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Jane
Geschlecht:weiblichSchneckenpost

Alter: 36
Beiträge: 12



Beitrag30.09.2006 14:23

von Jane
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Ich danke dir, Baileys!

Cliffhanger...? Das man das so bezeichnet, wusste ich gar nicht! Wieder was gelernt!  Very Happy

Frau Viertel war eine attraktive alte Dame, der die Zeichen der Zeit außerordentlich gut zu Gesicht standen.
Kurt saß ihr am Tisch gegenüber und betrachtete sie; neben ihm saß Ute mit gezückten Block und Stift, unruhig mit dem Fuß wippend und bereit jede Aussage Helga Viertels aufzuschreiben.
Frau Viertel langes weißes Haar war ordentlich hochgesteckt; sogar Lippenstift hatte sie zu dieser späten Stunde aufgelegt.
Manche Menschen lässt auch im Alter die Eitelkeit nicht los, dachte Kurt.
Ihre Augen waren rot geschwollen vom vielen Weinen; in den Händen knetete sie ein Taschentuch, mit dem sie von Zeit zu Zeit eine Träne wegtupfte. Ihr Blick weilte im Leeren. Sie schniefte.
Während Utes Ungeduld spürbar wuchs, empfand Kurt keine Eile.
Seit über 20 Jahren empfand er zum ersten Mal wieder Mitleid.
Die Trauer der alten Frau ließ sein Herz verkrampfen.
Wenn jemand stirbt, leidet ein anderer. Deshalb darf niemand töten.
Wo habe ich einst diese schlichte Wahrheit gelesen?, fragte er sich und dann: Oh, Evelyne, was hast du getan?
Frau Viertel wischte sich die Nase und sah ihm dann geradeheraus in die Augen: ?Ich bin bereit, Herr Polizist.? Die alte Dame hatte offensichtlich seinen Namen nicht gemerkt. ?Tun Sie Ihren Job.?
Die Hände, gefaltet im Schoß, zitterten.
Kurt sah es und beschloss, mit etwas Unverfänglichen zu beginnen.
?Gestatten Sie mir eine Bemerkung: Wie kommt es, dass ein hübsche Frau wie sie in einem Altenheim wohnt? Sie sind doch gewiss zu jung!?
Frau Viertel lächelte ihn mit nassen Augen an.
?Sie sind ein Schmeichler, Herr Polizist. Ich bin alt, achtzig Lenze habe ich erlebt.  Meine Familie hat mich nach dem Tod meines Mannes einweisen lassen, und?oh, nein! Machen Sie nicht so ein empörtes Gesicht, ich wollte es auch selbst. Hier ist es doch schöner; besser als allein zu leben. Ich habe viele Freunde in diesem Heim gefunden.?
?War auch James Burton einer dieser Freunde??
Frau Viertel lächelte nicht mehr. ?Nein, eigentlich nicht. James Burton war ein seltsamer Kauz. Alle anderen mieden ihn, und auch er sprach mit niemand. Wissen Sie was, das weckte meine Neugier. Ich dachte, er sei vielleicht nur schüchtern und traue sich nicht, mit anderen zu sprechen und bedürfe nur etwas Zuneigung, aber je näher ich ihn kennen lernte, desto mehr erkannte ich, dass er das war, was er von außen schien: ein unfreundlicher, eigenbrötlerischer Einsiedler. Und wissen Sie was? Das schockierte mich. Bisher glaubte ich, kein Mensch gäbe sich nach außen wirklich wahrhaftig. Aber er schien keine Angst davor zu haben, die Leute vor den Kopf zu stoßen.?
?Und trotzdem weinen Sie um ihn??
?Ja, weinen Sie denn nicht, wenn ein Mensch vor ihren Augen stirbt?! Es ist ja nicht so, dass mich James mied wie die anderen. Er suchte sogar manchmal das Gespräch mit mir, und ich?nun ja andere Menschen abzuweisen war noch nie meine Stärke. Ich hörte ihm zu. Und was er erzählte! Seine ganze Lebensgeschichte breitete er vor mir aus!?
?Zum Beispiel?? Vielleicht lässt sich ein Vergehen seinerseits erkennen oder eine Verbindung zwischen ihm und Evelyne! , dachte er.
?Von der Geburt an bis heute.? Frau Viertel strahlte ihn an. ?Soll sie ihnen erzählen??
?Ich bitte darum.?
?Chef, führt das nicht zu weit??, warf Ute ein.
?Ach was!?
?Eine traurige Geschichte, das kann ich Ihnen sagen.
James hat seine leiblichen Eltern niemals gekannt und wuchs in einem Waisenhaus auf. Ein Heim zu Beginn des letzten Jahrhunderts! Kein schöner Ort für ein Kind aufzuwachsen, das kann ich Ihnen sagen!
Der erste Weltkrieg kam und es sollte sein, dass James auf der Flucht von Granatsplittern verletzt und entstellt wurde. Sein Gesicht muss grässlich anzusehen gewesen sein. Kein Wesen war hässlicher als er. So erzählte er mir jedenfalls.?
Kurt runzelte die Stirn. ?Aber ich habe auf seinem Gesicht nicht von einer Entstellung gesehen! Im Gegenteil! ich fand es ungewöhnlich apart und jung für sein Alter.?
?Geduld, Herr Polizist, Geduld.? Frau lächelte geheimnisvoll. Sie gefiel sich in der Rolle der Geschichtenerzählerin. ?Wir wollen die Ereignisse doch nicht vorgreifen, nicht wahr? Sagen Sie mir, wie viel Chancen hat ein entstellter Mensch auf ein glückliches Leben? Nicht viele.
Das erkannte auch der kleine James und hatte sich als Straßenjunge, hungrig und bettelarm, bereits aufgegeben. Doch das Schicksal war ihm hold.
Ein reicher Herr nahm ihn zu sich im Jahre 1920. Dieser Herr war sehr misstrauisch und prüfe seine Bediensteten sehr genau. Zu dieser Zeit brauchte er einen gewitzten Jungen, von dem niemand annehmen würde, er sei ein Spion. Der Fabrikbesitzer war ein rücksichtsloser Mann, der anderer Betriebsgeheimnisse ausspionierte mithilfe James und ihnen somit immer einen Schritt voraus war.
James war ihm gerade recht. Arm und unglaublich hässlich, stellte er ihn als persönlichen Diener ein, nahm ihn in die Abhängigkeit und war sich gewiss, James würde, hässlich und ohne einnehmenden Charme, niemals andere Chancen eröffnet werden und er werde loyal sein bis ans Ende.
James war damals erst zehn Jahre alt, doch stark und gescheit genug für Spionage und andere Arbeit.
Im Grunde widersprach die Dienerrolle seinem Stolz.
Doch James blieb trotzdem bei dem reichen Herrn.
Der Grund: dessen Sohn David. Der einzige, die beiden ersten waren im Krieg gefallen.
Als James damals zu der Familie stieß, war der Sohn sechzehn Jahre alt und, laut James, ein göttliches Wesen.?
Frau Bartel errötete
?Sie müssen wissen, Herr Polizist, wenn James von ihm sprach, da glänzten seine Augen, seine Gesichtszüge lockerten sich, der ganze Raum füllte sich mit Glück. Und er lächelte. Was er sonst niemals tat. Er lächelte. Ich fragte mich, was das wohl zu bedeuten hat??
Frau Bartel zögerte und sah Kurt an.
?Kann es sein, dass James für diesen Jungen?dass er Gefühle für ihn hegte? Erotischer Natur?? Kurt lächelte angesichts ihres leisen Entsetzens. Die alte, spießige Generation! Die heutige Zeit musste ihnen vorkommen, wie ein zweites Sodom und Gomorrha.   
?Das halte ich für sehr wahrscheinlich, so wie Sie es beschreiben.?
Frau Bartel schnappte nach Luft.
?Nun ja?wo war ich stehen geblieben? Ah ja. James?liebte?den Sohn des Fabrikbesitzers vom ersten Moment an. Und wissen Sie warum? Weil der Sohn ihn normal behandelte. Er störte sich nicht an James Aussehen, redete mit ihm, respektierte ihn; vermittelte ihm sogar etwas Bildung. David muss ein Engel gewesen sein. Und schön?sehr schön. So sagte James.
David verließ 1922 das Elternhaus und heirate eine Frau, die ihm drei Kinder schenkte.  
Sie sehen, James Liebe war vergebens und würde nie, niemals, erwidert werden. Es hatte lange gedauert, bis James das respektiert hat. Trotzdem liebte er David weiter.
1932 starb der alte Fabrikbesitzer und sechs Jahre danach trat er in den Dienst des Sohnes.   
Von nun an wollte James sein Leben ihm widmen, seiner Liebe zur Seite zu stehen. Auch wenn er nichts als Freundschaft zu erwarten hatte.  
Über fünfzig Jahre diente er dem Sohn; die besten Jahre seines Lebens, so schwärmte James.
1985 erfüllte David seinem treuen Diener einen großen Wunsch. Mithilfe des riesigen Erbes, bezahlte er James mehrere Operationen. Nach und nach erhielt James ein menschliches Geischt zurück.
1992 starb dann sein Herr.
Es sei Krebs gewesen, erzählte mir James. Niemand hätte ihn retten können.
Sein Herr, seine Liebe, starb in seinen Armen, und James hielt ihn noch viele Stunden nach dessen letzten Atemzug.
Von diesem Moment an verlor James Leben jeglichen Lebenssinn.  Er lebte nur noch, um zu sterben.     Und das seit neunzehn Jahren?? Frau Viertel begann wieder zu weinen.
?Heute Nacht war der Tod da. Aber ich glaube nicht, dass James ihn auf diese Art gewollt hatte!?
?Ab 1992 lebte Herr Burton als  in einem Plattenbau.
Frau Viertel nickte.
?Ja, er sagte, in dieser Zeit habe er kaum die Wohnung verlassen??
?Und 2007 kam er ins Altenheim??
?Chef?? Ute sah ihn fragend an.
Kurt versank ins Schweigen. Kein Anzeichen für irgendeine Straftat. Evelyne! Was ist deine Verbindung zu diesem alten Mann?!
?Frau Viertel, können Sie mir sagen, ob Herr Burton irgendein Vergehen, eine Straftat zu irgendeiner Zeit einmal angedeutet hatte? Etwas, was als Motiv der Täterin dienen könnte??
?Nun, nein, nicht dass ich wüsste. Nein, er hat nichts dergleichen jemals erwähnt, nur eins fand ich sehr komisch??
Kurt spitzte die Ohren.
?Er schien Angst vor jungen Frauen zu haben??
?Inwiefern?!?
?Wenn wir auf unseren Ausflügen, ob nur in den Supermarkt oder sonst wohin, einer jungen Frau begegneten, da floh James so schnell es ging. Ließ sich das nicht einrichten, da starrte er die ganze Zeit zu Boden, fast schien er sein Gesicht bedecken zu wollen, und seine Augen schweiften wachsam hin und her. Die anderen schienen davon nichts zu bemerken, doch ich sah es sehr wohl!
Als ich ihn einmal darauf ansprach, fuhr er mich an; ich solle meine neugierige Nase nicht überall hineinstecken.
An einem anderen Tag ? er war guter Laune ? verriet er mir, jeder dieser Frauen könnte sein potentieller Tod sein. Dabei lachte er, als wäre ihm ein wunderbarer Witz gelungen. ich glaube, er wollte nur seine Angst verbergen; ich sah sie hinter seinen Augen.
Einmal sagte er auch, er könne froh sein, wenn er eines natürlichen Todes sterben würde??
?Dann?dann hatte Herr Burton seine Ermordung kommen sehen!??
Frau Viertel warf ihm einen gequälten Blick zu. ?Ja. Er wusste das ihm jemand nach dem Leben trachtet.?
Kurt fühlte sich ganz schwach. Wann!? Wann hatte Evelyne diesem alten Mann grausame Rache geschworen?!
?Frau Viertel, erzählen Sie uns bitte etwas über den Ablauf des gestrigen Abends, als die Tat geschah.?, sagte Ute.
Da berichtete Frau Viertel stockend von den seltsamen Geräuschen, die sie weckten, von dem Dialog zwischen James und der Täterin und von dem schrecklichen Mord; wie sie das Licht anknipste, das Blut sah, die Täterin mit dem Messer, und wie sie dann schrie und schrie und nicht aufhören konnte.
?Wer tut denn nur solche schrecklichen Dinge?! Wer ermordet einen wehrlosen alten Mann?! Was ist nur aus dieser Welt geworden?! Ein Pfuhl der Barbarei!?
Kurt bemerkte kaum, wie Ute sich erhob und raus ging.
Er sah nur Evelyne. Evelyne mit dem Messer, mit wirren Haaren und blutiger Kleidung. Evelyne, die als James Burton sich 1992 in seiner Wohnung verschanzte, nicht einmal zwei Jahre alt war! Wie konnten die beiden sich kennen? Da ergab doch keinen Sinn! Es sei denn?
Frau Viertel legte ihre Hand auf seinen Arm und sah ihn an. ?Herr Polizist! Geht es ihnen nicht gut? Sie sehen aus wie der Tod auf Beinen!?
Er zwang sich zu einem Lächeln. ?Schon gut, vielleicht bekomm ich die Grippe, wer weiß.?
Ute betrat das Zimmer, gefolgt von einem fetten Mann mit herunterhängenden Wangen und Mundwinkeln. Schwer ließ er sich auf den Stuhl sinken.
Sie sagte: ?Frau Viertel, ich möchte Sie bitten die Täterin noch einmal zu beschreiben, damit wir ein Phantombild erstellen können. Mithilfe dessen wird es uns gelingen, die Täterin zu fassen und zur Rechenschaft zu ziehen.? Sie wandte sich an Kurt. ?Das ist doch unser nächster Schritt, oder??
?Wieso denn nicht!??, bellte er.
Ute hob die Hände. ?Ich dachte nur, Sie hätten Einwände, sie haben so komisch geguckt. Frau Viertel, wenn ich bitten darf!?
?Ich weiß nicht?ich war geschockt, es fällt mir schwer mich zu erinnern?ich sah nur das Blut?das viele Blut! Doch ich weiß, dass sie groß war. Und sehr schlank, fast mager, wenig Brust. Sie trug einen Rock mit Falten, die Farbe war dunkelblau. Als Oberteil hatte sie eine Bluse an, weißer Farbe. Über und über mit Blutspritzern bedeckt.
Als sie sich zu mir umdrehte, sah ich ihr Gesicht. Sehr schmal, sehr blass, hübsch auf seine ernste Art und Weise. Hohe Wangenkochen schmale, geschwungene Augenbrauen. Schräg stehende, mandelförmige, dunkle Augen; eine lange, gerade, feine Nase.     
Ihre Haare sind schwarz und glatt, keine Spur von Locken. Sie reichten ihr etwa bis zur Mitte des Rückens und rahmten ihr Gesicht ein wie ein Vorhang. Ihre niedrige Stirn ist von einem Pony bedeckt. Das ist alles was ich noch weiß.?
Der Stift des Zeichners flog über das Papier.
Kurts Herz hämmerte. Verflucht sei das minuziöse Gedächtnis dieser Frau!
?So. Fertig.? Der Phantombildmaler schien zufrieden.
Kurt riss es ihm aus der Hand.  
Kaltes Entsetzen packte ihn. Das Phantombild! Es war mit Evelyne nahzu identisch!
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Jane
Geschlecht:weiblichSchneckenpost

Alter: 36
Beiträge: 12



Beitrag04.10.2006 19:10

von Jane
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Weiter gehts!

Über Kritk würde ich mich freuen!

4.

Um sieben Uhr desselben Morgens passierte Kurt das Tor zu Peter Schöns Villa.
Diese lag  außerhalb der Stadt in einer noblen Gegend mit prächtigen Alleen, in bester Gesellschaft weiterer Protzvillen.
Doch Peters Anwesen raubte allen die Show.
Blütenweiß in der Mittagssonne, erstrahlte sie nun zum frühen Morgen in einem kräftigen Orange.
Kurt fuhr die bekieste Einfahrt hinauf und war aufs Neue fasziniert. Mit Säulen, üppigen Verzierungen, Balkonen und hohen Fenstern war die Villa immer wieder beeindruckend.
Und genau das hatte der Besitzer beabsichtigt.
Peter war ein Snob, wie er im Buche stand.
Er liebte es besser, schöner, interessanter zu sein als andere; das größere Haus, Auto oder schönere Kleidung zu besitzen.
Der Neid anderer Leute erfreute ihn. Er tat alles, um diesen zu erregen.  
Peter Schön war nicht immer reich gewesen. Im Gegenteil. Als Kind war er dazu verdammt gewesen, die abgetragene Kleidung seiner älteren Brüder zu tragen, welche ihm Nummern zu groß war. Es ist nicht verwunderlich, dass Peter in der Schule das Ziel von Spott wurde.
Reich sein. Das war der Traum des kleinen Peters, seit er mittels Mattscheibe Einblick in die Luxuswelt der Reichen erhielt. Seinen Traum erzählte er oft seinem besten Freund Kurt Brückner.
Beide drückten dreizehn Jahre lang die Schulbank, und auch darüber hinaus blieben sie Freunde. Nach dem Abitur beschloss Peter Psychologie zu studieren; eine Leidenschaft, die er schon lange zuvor gefrönt hatte.
Mit Vorliebe hatte er psychologische Wälzer verschlungen, und einem x-beliebigen Opfer so lange dessen geheimsten Phobien, Neurosen und Fantasien enthüllt, bis dieses entweder vor Scham im Boden versank oder eilends flüchtete.
Doch Peters liebstes Studienobjekt war er selbst.
Mit 19 hatte er jeden Selbstbetrug bei sich selbst und bei anderen durchschaut; als Folge erwuchs eine gnadenlose Ehrlichkeit  gegenüber sich selbst sowie gegenüber anderen.
Niemand konnte Peter täuschen, weil er sich selbst nicht täuschte.
Kein menschliches Verhalten konnte ihn mehr überraschen.
Keine Abartigkeiten, keine Perversitäten konnten ihn schrecken.
Er erlangte eine Überheblichkeit, die viele Menschen abschreckte, und eine Distanz zu sich selbst, die Kurt nicht für gesund hielt.
Doch auf jedwede Bedenken, antwortet Peter nur: ?Ich kenne die menschliche Seele und ich verachte ihre Primitivität. Auch bei mir selbst.?
Peter beendete sein Psychologiestudium, noch immer im Hinterkopf der Traum vom großen Geld.
Er eröffnete eine psychologische Praxis, und es kam, dass er begann psychologische Ratgeber zu schreiben in einer Zeit in der physische Krankheiten abnahmen und psychische aus dem Boden wuchsen wie Pilze.  
Und, oh Wunder! Seine Bücher wurden Bestseller.
Nach und nach bekam der Name Peter Schön den Klang von garantierter Heilung und effektiver Kompetenz. Der Rubel rollte.
Erst recht als Peter begann die Reichen und die Schönen in seiner Praxis zu behandeln, und dem ?gemeinen Volk? seine ?Wunderheilungen? versagte. Seine Honorare erreichten schwindelerregende Höhen.
Für Peter war die Arbeit mit den Wehwehchen der Stars eine stetige Belustigung, die gutes Geld brachte.
Alle Welt auf die Therapie bei Peter Schön.   
Kurt sah das Treiben seines Freundes, seine Raffgier, seine Verschwendungssucht, seinen Protz,  und doch blieben sie beide Freunde. Denn beide hatten sonst keine Freunde.
Kurt parkte sein Polo neben BMW und Mercedes und ging auf die Villa zu.
Zwischen den Bäumen hindurch sah er den hauseigenen See glitzern. Junge Männer führten das Gestüt auf die Weide. Peter war ein Pferdenarr.
Die Vögel sangen ihr liebliches Morgenlied und die Sonnenstrahlen fielen durch die Blätter der hohen Eichen.
Doch an diesem Morgen berührte der Liebreiz Kurts Seele nicht.
Er war taub und blind für seine Umgebung.
Er zögerte vor der Haustür.
Was erwartet ihn nun? Hinter dieser Tür war seine Tochter. Schön und gut. Doch wie sollten seine nächsten Schritte aussehen?
Er klingelte.
Es dauerte nicht lange, da wurde die Tür geöffnet. Paul, der Butler, verbeugte sich tief.
?Herrlich willkommen, Herr Brückner! Es ist lange her, dass wir Sie in diesem Heim willkommen geheißen haben.?
?Wo ist Peter, Paul??
?In dem Patientenzimmer.?
Kurt durchquerte zahlreiche Zimmer, alle exquisit möbliert in unterschiedlichen Stilen, ehe er den Teil erreicht, den Peter seine ?Praxis? nannte.
Er nahm gerade die Klinke des Patientenzimmers in die Hand, als Evelynes Lachen von innen erklang. Fröhlich und hell. Wie er es schon lange nicht mehr gehört hatte.
Etwas in ihm setzte aus. Er verlor die Fassung.
In den letzten Stunden hatte er völlig unter Anspannung gestatten. Die Angst, durch Gestik, durch ein unbedachtes Wort, sich und Evelyne zu verraten, hatte ihm fast den Verstand geraubt. Sein Gewissen hatte ihn gemartert und die Furcht, Evelyne könnte nicht die sein, für die er sie hielt.
Und jetzt kam er, müde und zerschlagen, hierher und hörte Evelyne lachen, als sei alles in Ordnung!
Das war zuviel!
Er riss die Tür auf und stürmte ins Zimmer.
Evelyne und Peter, beide bei einer Tasse Kaffee, sahen ihn verdutzt an.
Ihre Blicke brachten ihn zur Weißglut.
Er schrei Evelyne an: ?Du lachst!? An deiner Stelle würde ich mich zurückhalten mit Heiterkeiten! Für sie hast du nämlich überhaupt keinen Grund!?
Peter, wie immer im weißen Anzug, erhob sich und wollte ihm beruhigend die Hand auf die Schulter legen. ?Hey, jetzt setz dich erstmal und atme durch. Nimm einen Schluck Kaffee??
Kurt schlug die Hand weg. Er ließ keinen Blick von Evelyne. Sie hatte sich mittlerweile umgezogen; ihr Gesicht gewaschen, ihre Haare gekämmt. Wie eine normale Studentin. So sah sie aus. Nicht wie eine Mörderin.
Evelyne erwiderte seinen Blick, furchtlos, fast herausfordernd. Und schwieg
?Soll ich dir was sagen, meine Beste? Sie haben ein Phantombild von dir erstellt. Und es gleicht dir unheimlich, es ist zum Angst kriegen. Nicht mehr lange, und in allen Sendungen werden sie dein Bild in die Kamera hängen und dann ist es nur noch eine Frage der Zeit bis dich einer deiner Freunde erkennt und ihnen auffällt, dass du ja zufälligerweise wie vom Erdboden verschluckt bist. Wer wird wohl eins und eins zusammenzählen können? Du siehst, meine Tochter, der Kreis wird immer enger!?
Ja, das Netz zog sich zu. Und nicht nur Evelyne würde darin gefangen werden; auch Peter und er!
Schließlich ließ Kurt sich doch von Peter bereitwillig auf einen Stuhl drücken. Plötzlich war er müde.
Peter rief Paul, der ihm eine Tasse Kaffee einschenkte.
Kurt ließ seinen Blick durch das Patientenzimmer schweifen. Er war noch nie hier gewesen.
Abgesehen von einem Tisch mit vier Stühlen, stand sich nur noch eine Art Liege an einer Seite des Zimmers. Die Wände waren mit Bildern in leuchtenden Farben geschmückt. Durch das hohe Fenster und den luftigen, weißen Vorhang fiel die Sonne.  
?Nun gut.? Evelyne erhob sich.
?Wo willst du hin!??, rief Kurt.
Evelyne warf ihm einen kurzen Blick zu. ?Ich werde fliehen, Vater. Mit Sean. Ehe meine Bild überall zu sehen ist.?
Kurt sprang auf. Krachend fiel sein Stuhl um. ?Das kommt nicht in Frage! Wo solltest du denn hin!? Nicht mal zwei Tage und sie würden euch finden!?
?So dumm bin ich schon nicht. Ich weiß, wie ich zurechtkomme, wie ich mich durchschlage. Außerdem werde ich mir die Haare abschneiden??
?Das tust du nicht!?
?Mir die Haare abschneiden??
?Fliehen!?
?Es ist die richtige Entscheidung. Bleibe ich hier, macht ihr euch mit strafbar. Noch könnt ihr aus der Sache heil heraus?Auf keinen Fall werde ich mich stellen! Was soll denn aus Sean werden ohne mich? Soll er ewig mit der Schande leben, dass seine Mutter im Gefängnis ist? Nein, ehe ich das zulasse, werde ich mit aller Kraft kämpfen!?
Sie straffte sich und funkelte ihn an; der Blick glühend vor Entschlossenheit.
Kurt rang hilflos mit den Händen.    
?Evelyne, setz dich erstmal wieder hin.?, sagte Peter und legte ihr die Hand auf die Schulter. Er lächelte sie auffordernd an.
Evelyne warf ihm einen hilflosen Blick zu.
Sie tat wie geheißen und sank auf den Stuhl zurück.
Kurt war überrascht. Ihre Entschlossenheit schien verflogen. Anscheinend war sie sich ihrer Flucht doch nicht sicher gewesen.
Zusammengesunken saß Evelyne dar und knetete ihre Hände. ?Ich?ich weiß nicht was ich tun soll.?
Kurt schmerzte, nicht zu wissen, wie er ihr helfen konnte.
?Als ich dich im Garten fand, sagtest du, du kennest das Opfer nicht??, sagte Kurt.
Evelyne fuhr auf. ?Du glaubst mir nicht? Doch was ich sagte, ist die Wahrheit.?
?Bedaure Evelyne, dass ich nicht glauben kann, dass du einfach so, nur weil etwas in dir es dir befohlen hat, einen wildfremden Mann erstichst!?
Evelyne zuckte zusammen, als habe sie etwas Eiskaltes berührt, und sagte: ?So wildfremd ist er mir gar nicht??
?Aha?! Das erklärst besser.?
?Ich habe ihn vorgestern im Supermarkt gesehen.?
?Im Supermarkt?!?
?Ja?ich sah ihn und plötzlich?hatte ich das Gefühl, als sei ich ihm schon einmal begegnet. Ich erkannte ihn wieder! Von irgendwo her?Da war ich mir gewiss und ich stürzte in Verwirrung. Und dann übermannte mich Angst. Und Hass?eiskalter Hass. Ich konnte meine Augen nicht von dem Alten lassen, mein ganzer Körper war in Aufruhr. Ich erkannte, dass er zu der Gruppe Rentner gehörte?Einmal, da trafen sich unsere Augen. Rasch schaute er weg.
Ich schleppte mich zum Auto. Ich merkte kaum, wie ich fuhr. Auch den nächsten Tag erlebte ich wie im Nebel. Meine Gedanken waren besessen von diesem alten Mann. Doch ich kannte nicht mal seinen Namen! Und doch verbrannte mich mein Hass fast innerlich und eine Stimme in mir sagte: Töte ihn. Finde und töte ihn. Ich kann es nicht erklären??
Mit entsetzter Miene sah Kurt seine Tochter an; Peters Miene zeigte keine Reaktion. Schweigend zog er an seiner Zigarre.    
?Ein innerer Zwang ? ich könnte mir vorstellen, dass Junkies in dieser Art nach ihrem Stoff lechzen ? trieb mich gestern Abend zu dem Altenheim. Die Verabredung mit Mutter war vergessen, Sean bei meiner Freundin. Stundenlang lungerte ich vor dem Heim; wirre Gefühle stürzten wie ein Rudel Wölfe auf mich.
Ein Teil von mir dachte: Was mache ich hier? Was hat das Messer in meiner Hand zu suchen?
Ein anderer Teil von mir wusste es sehr genau.
Mir graute es.  
Ich fühlte mich wie fremd gesteuert. Ich drang ins das Zimmer des Mannes ein, unfähig mich zu stoppen. Szenen, aufleuchtend wie Blitze, flackerten in meinem Kopf auf. Waren es Erinnerungen gewesen? Auf jeden Fall sah ich das Gesicht des Mannes?
Als ich vor dem Alten stand, da sprach ich Worte?ich hörte sie, als stünde ich als separate Person neben mir. Ich verstand sie nicht. Ich konnte mir keinen Reim aus ihnen machen. Und doch waren diese Worte meine eigenen?ich kann es nicht erklären?Wahr ist jedoch: ich wollte diesen Mann töten! Ich hasste ihn so stark, dass mir die Luft wegblieb. Was dann geschah?nun, ihr wisst es.?
Evelyne stützte den Kopf auf ihre Hände. Das Haar fiel ihr ins Gesicht.
?Aber das ergibt doch keinen Sinn!?, sagte Kurt. ?Man hasst einen fremden Menschen nicht ohne Grund! Evelyne, denk nach! Hat dieser James dir irgendwann etwas angetan? Früher, als du noch ein Kind warst? Versuch dich zu erinnern!?
Evelyne blickte auf. ?Einen Missbrauch könnte ich doch schwerlich vergessen, meinst du nicht auch, Vater??
?Na ja??
?Nein!?, rief Evelyne. ?Ich habe ihn vorher noch nie gesehen! Und doch wollte ich ihn töten! Es ist wie ich dir schon sagte, Vater: als ich es getan haben, da fühlte ich Frieden. Tiefen Frieden und eine Befriedigung, wie ich sie noch nie erlebt habe. Es war als wäre eine Last von mir genommen worden. Und doch?dann fühlte ich Traurigkeit. So viel strömte auf mich, dass es schmerzte. Hoffnungslosigkeit, Verlust, Trauer?Das alles??
Evelyne brach ab. Plötzlich standen Tränen in ihren Augen. Verschämt wischte sie sie weg.
Kurt sah hilflos zu Peter, der sehr nachdenklich dreinblickte.
Dann stand dieser auf und sprach Evelyne beruhigende Worte zu. Er führte sie zu der Liege, sie folgte ihm bereitwillig. Sie ließ sich darauf nieder und schluckte widerstandslos die Tablette, die Peter ihr gab.
Ehe sie einschlief, sagte sie. ?Vater?bitte bring mir Sean.?

Kurt und Peter saßen schweigend auf der Bank vor dem Haus.
Kurt nippte an seiner zweiten Tasse Kaffee; Peter zog an seiner Zigarre und streckte mit geschlossenen Augen das Gesicht in die Sonne.
Kurt beobachtete das Heer der Bediensteten, das sich im Garten zu schaffen machte.
Einer kehrte die Straße, ein anderer häkelte die Beete, wieder ein anderer schnitt die Hecken und  die Rosen. Soeben warf der Briefträger die Zeitung in den Kasten.
Alles war friedlich.
Doch was wäre, wenn diese Menschen wüssten, dass sich eine Mörderin in diesem Haus versteckte?
?Was denkst du, Peter??, fragte Kurt, ohne den Kopf zu drehen. ?Hältst du ein Trauma wegen Missbrauch für möglich??
Peter stieß den Rauch durch Nase und Mund aus.
?Möglich, ja. Aber ob es auch so ist? Totaler Gedächtnisverlust bei einem sexuellen Missbrauch ist selten, früher oder später bricht er über alle Opfer wieder ein. Ungewöhnlich ist auch der nackte Hass, den Evelyne empfindet. Zumeist mischt sich unter ihn bei Missbrauchsopfern auch Scham und ? unberechtigte ? Schuldgefühle.?
Kurt nickte ?Evelyne hat ihn ?nur? gehasst. So sehr, dass sie ihn umbrachte.?
Peter sagte: ?Weitaus wahrscheinlicher halte ich eine dissoziative Persönlichkeit.?
?Eine gespaltene Persönlichkeit??
?Das eine andere Persönlichkeit eine Handlung begeht, die die, sagen wir, Originale nicht gutheißt, nicht versteht, ist nicht ungewöhnlich. Etwa wie bei Evelyne.?
?Vor Gericht könnte sie als schuldunfähig gelten aufgrund einer multiplen Persönlichkeit!? Kurt geriet in Aufregung. Ein Lichtstrahl für Evelyne!
Peter holte ihn zurück auf den Boden. ?Sachte. Noch wissen wir nichts.?
?Doch du kannst es herausfinden?! Du als Psychologe?!?
?Natürlich kann ich. Jedoch, eine multiple Persönlichkeit entsteht zumeist als Folge eines schweren Traumas, beispielsweise Todesangst in früher Kindheit. Kurt, hat Evelyne jemals dergleichen erlebt??
?Nein!?
?Denk gut nach.?
?Nein?nein! Das hätten wir doch gewusst, Linda und ich. Natürlich, Evelyne hat unter unserer Scheidung schwer gelitten. Das ist nicht zu leugnen. Aber würden sich durch Scheidungstraumen  multiple Persönlichkeiten bilden?jeder Dritte, oder weiß ich wie viele, hätten dann welche!?
Aber wenn es keine gespaltene Persönlichkeit war, was war es dann?
Nein. Es musste so sein. Anders könne er sich sonst Evelynes Verhalten nicht erklären!
?Übrigens?danke, Peter, dass du uns geholfen hast. Ohne zu Zögern?Tut mir Leid, dass du dich nun wegen uns strafbar machst. Es war unüberlegt von mir, dich da mit hineinzuziehen. Es tut mir Leid. So schnell es geht, werde ich mit Evelyne dein Haus verlassen, das verspreche ich dir.?
?Das lässt du schön bleiben. Ihr bleibt hier. Zerbrich dir mal meinetwegen nicht den Kopf. Sollte ich festgenommen werden, kauf ich mich frei. Es ist für mich selbstverständlich. dir und Evelyne zu helfen. Ich kenne dich mein ganzes Leben und Evelyne, seit sie ihren ersten Schrei getan hat. Nein, nein, du musst dich bei mir für nicht bedanken. Es ist ehern andersherum: Ich muss dir danken. Dank dir wird mir niemals langweilig.?
Kurt grinste. ?Wo ist eigentlich mit Susanne??
Die jetzige Freundin von Peter, zwanzig Jahre jünger.
?Susanne? Sie hat mich verlassen.?  Peter zog gleichmütig an seiner Zigarre.
?Sie wollte unbedingt wissen, wo ich mitten in der Nacht hinwolle; verständlicherweise konnte und wollte ich es ihr nicht sagen. Sie nervte mich, schrie, tobte, da sagte ich, meine zweite Geliebte verlange nach mir. Da packte sie ihre Sachen und ging.?
Kurt seufzte. Die Situation war beinah klassisch. ?Und es ist dir egal.?
Peter zuckte mit den Schultern. ?Sie hatte schon früher begonnen meine Nerven zu strapazieren. Es war Zeit für eine Veränderung.?
Kurt verdrehte die Augen. ?Gebrochene Herzen pflastern seinen Weg??
?Falsch! Ich bin nicht Narr genug, um zu glauben, irgendeiner meiner Freundinnen hätte mich geliebt. Allesamt narzisstische, gierige Frauen waren sie, die glaubten mich zu lieben, doch was sie liebten, war die Aufmerksamkeit, die Komplimente, die ich ihnen schenkte, um ihre Eitelkeit zu befriedigen, und den Luxus, den ich ihnen bot. Nein, diese Dinger wissen nicht, was Liebe ist. Keine von ihnen hätte mich beachtet, wenn ich arm wäre. Ich sage es ohne Selbstmitleid. Ich bin der letzte Mensch auf Erden, der die Liebe verdient hätte.   
Du fragst dich, warum ich mir Geliebte anschaffe? Um meine Langeweile zu zerstreuen und die Menschen zu studieren.?
?Ja. Das weiß ich schon lange.?
?Wirst du Sean zu Emily bringen.?
?Ja. Ich mache mich gleich auf den Weg.?
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Jane
Geschlecht:weiblichSchneckenpost

Alter: 36
Beiträge: 12



Beitrag07.10.2006 12:18

von Jane
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Hallo!

Hier ist, nur der Vollständigkeit halber, der Rest des 4. Kapitels und des ersten Buches!  Smile
Wird das letzte sein, was ich von meinem Roman hier rein stelle, denn leider werde ich die nächste Zeit erstmal ohne Computer leben müssen... Sad  
Ich hoffe euch hat meine Geschichte ein bißchen gefallen!
Vielen Dank an diejenigen, die ihre Meinung abgegeben haben!  Very Happy

?Tut mir Leid, der Zutritt ist Ihnen verwehrt. Befehl meines Herren.?
Kurt klappte die Kinnlade hinunter.
Butler Pauls bullige Gestalt füllte den Türrahmen. Es gab kein Vorbeikommen.
Der kleine Sean auf Kurts Arm plapperte vor sich hin und zog ihm am Schnurrbart.
Kurt verstand die Welt nicht. ?Aber wieso!??
?Das kann ich nicht beantworten. Aber das Kind soll ich Ihnen abnehmen.? Paul nahm Sean Kurt aus dem Arm; der Kleine begann zu weinen.
?Aber?!?
Der Butler drückte dem verdatterten Kurt einen Brief in die Hand. ?Hier. Den soll ich Ihnen von meinem Herrn übergeben. Jetzt entschuldigen sie mich bitte.?
Die Tür schloss vor Kurts Nase.
Er ließ sich auf die Bank sinken. Er war wie vor den Kopf gestoßen.
Er durfte nicht hinein? In das Haus seines Freundes? Er durfte nicht zu seiner Tochter? Was bildete sich Peter ein!
Wütend riss er den Brief auf.
?Ich hoffe, du hast eine gute Erklärung, Mistkerl!?, rief er.
Die Gärtner warfen ihm schiefe Blicke zu.

Mein lieber Freund!

Du wunderst dich gewiss, dass dir der Zutritt verwehrt wurde? Ich hoffe Paul musste nicht handgreiflich werden?
Beruhige dich und höre mich an: Während du Sean holen warst, sagte Emily etwas sehr Erhellendes: Sie sagte, sie habe James Burton schon mehrmals im Traum gesehen; lange vor der Begegnung im Supermarkt.  
Daraufhin hatte ich eine Eingebung.
Mir kam etwas in Sinn. Etwas schier Unglaubliches! Ich kann es selbst noch nicht richtig glauben, während ich diese Zeilen schreibe. Nein, nein, unmöglich! Dieser Gedanke rotiert in meinem Kopf.
Doch nun denke ich wieder: warum nicht? Warum sollte es nicht möglich sein? Ich habe nichts zu verlieren, wenn ich es ausprobiere.
Du willst sicher wissen wollen, was es nun ist, das mir eingefallen ist, was ich nun ausprobiere. Ich muss dich vertrösten.
Dir in diesem Brief meinen Verdacht zu äußern, würde nur alles verkomplizieren. Möglicherweise irre ich mich auch und alles erweist sich als heiße Luft. Wie stünde ich dann da?
Aber zu 99% bin ich sicher, dass sich mein Verdacht bestätigen wird.  
Komm morgen Abend gegen 18.00 Uhr in mein Arbeitszimmer. Dort wirst du die Wahrheit erfahren.

Peter

?Ich hoffe, du hast etwas ?Unglaubliches? zu berichten!?
Kurt stand in Peters Arbeitszimmer, die Arme vor der Brust verschränkt.  
Peters Arbeitszimmer war ein großer Raum mit Fenstern von der Decke bis zum Boden. Blickte man hinaus konnte man die blutige Sonne sinken sehen.
Bücherregale verkleideten die Wände. Das Zentrum des Raumes bildete ein wuchtiger, antiker Schreibtisch in tiefbrauner Farbe.
Peter sah ihn über den Rand seiner Brille forschend an. Er saß hinter seinem Schreibtisch und hielt ein Stapel beschriebener Blätter in der Hand.
?Bist du wütend über das, weil ich dich ausgesperrt habe??
Kurt kniff die Lippen zusammen. Er war es. Ihn einfach hinzuhalten, ihn der quälenden Ungewissheit überlassen! Frechheit! Als ob er nicht schon genug gestraft war!
?Du bist es. Ich habe dir doch erklärt, dass ich, um zu einem Ergebnis zu kommen, keine Ablenkung gebrauchen kann. Ich musste mit Evelyne allein sein.?
?Wie schlimm steht es um Evelyne??
?Schlimm?? Peter ließ seinen Blick auf die Papiere vor ihm ruhen. ?Nein, schlimm steht es nicht um sie. In geistiger Hinsicht ist deine Tochter kerngesund. Sie ist weder schizophren, noch hat sie eine multiple Persönlichkeit oder eine sonstige Geistesschwäche.?
Kurt atmete unhörbar auf. Aber das bedeutete auch, dass Evelyne vor Gericht die volle Schuldfähigkeit zugewiesen werden würde!
?Aber???
Als Antwort warf Peter Kurt den Stapel Seiten in den Schoß. Jenen, den er vorab studiert hatte.
Kurt nahm die Seiten in seine Hände.
Sie waren über und über mit in einer sauberen, kleinen Handschrift beschrieben.
?Das ist Evelynes Schrift!?, rief Kurt überrascht.
?Richtig. Diese Seiten haben Evelynes Hände beschrieben.?
Ungläubig begann Kurt zu zählen, gab es jedoch auf. Es mussten an die hundert Blätter sein!
?Aber Evelyne hasst das Schreiben! Sie bringt nicht mehr als drei Zeilen freiwillig zu Papier! Deutsch war ihr ein Gräuel, doch Mathe, Physik, Biologie, Chemie?diese Fächer hat sie geliebt. Wie kann sie da ohne weiteres?? ?
?Ich sagte doch, Evelynes Hände hätten diese Seiten beschrieben.?
?Warum betonst du das so??
Statt einer Antwort, erhob sich Peter vom Stuhl und stellte sich ans Fenster. Er verschränkte die Arme hinter dem Rücken.
Ohne sich umzudrehen, sagte er: ?Kurt?erinnerst du dich an die Wallstein-Morde??
Kurt glaubte sich verhört zu haben. ?Was haben die jetzt damit zu tun!??
?Deine Erinnerung ist wie eh und je lebendig, wie ich sehe.?
Ja. das war sie. Wie könnte er diesen Fall ? seinen ersten Fall ? jemals vergessen? Wie könnte er jemals die Gesichter der Toten vergessen?

Es war der 12. Dezember 1990.
An jenem Tag gingen in Kriminalkommissar Kurt Brückners Revier drei Vermisstenanzeigen ein.
Zwei junge Männer und ein Mädchen wurden vermisst, nachdem sie für mehrere Tage nach Schloss Wallstein gefahren waren.
Am 10. Dezember sollten sie zurück sein. Sie kamen es nie.
Kurt und mehrere Kollegen fuhren nach Schloss Wallstein, welches tief im Wald verborgen lag. Eines der letzten Mysterien.
Sie fanden das Schloss verlassen.
Doch als sie den Keller hinunterstiegen, schlug ihnen ein furchtbarer Gestank entgegen. Leichengeruch!
Zwei Mädchen und drei Jungen lagen tot am Boden; einem war die Kehle durchgeschnitten worden, die anderen vier hatte man mit Schüssen hingerichtet. Alle waren seit vier Tagen tot.
Doch Schlimmste war der Anblick des jüngsten Mädchens. Ihr hatte man etliche Organe herausgenommen: Herz, Leber, Niere, Hirn. Sie blieben verschwunden.
Die anderen waren bis auf ihre tödlichen Verletzungen unversehrt.
Es war Kurts erster Fall gewesen.
Nie würde er die Gesichter dieser jungen Menschen vergessen, die ihr ganzes Leben noch vor sich hatten; nie die Trauer und die Klage der Eltern.
Kurt schwor den Mörder zu finden.
Es sollte das schwierigste Unterfangen seines Lebens werden.
Niemand der Behörden, der Nachbarn, die 8 Kilometer entfernt wohnten, konnte sagen, wer dieses Schloss bewohnt hatte.
Auch das Heer der Putzfrauen, das wöchentlich das Schloss gesäubert hatte, erzählte, es habe seine Anweisungen immer nur schriftlich erhalten; nie hätten die Frauen jemanden gesehen.
Die Fandung lief weiter auf Hochtouren.
Die Öffentlichkeit machte Druck. Ein Schrei der Empörung und des Entsetzens war durch das Volk gegangen angesichts der Grausamkeit; man schrie nach der Gefangennahme des Mörders, diskutierte sogar wieder über die Todesstrafe?
Die Polizei stand unter enormen Druck. Alle Erwartungen ruhten auf ihr.
Kurt arbeitete Nächte durch, verfolgte die geringste Spur. Doch keine einzige führte zum Mörder.
Die Öffentlichkeit Kurt für den Misserfolg verantwortlich.
Als Leiter des Untersuchungskommandos prasselten auf ihn Beschimpfungen und Schmähungen ein.
Unfähig sei er, er habe nicht fieberhaft genug gesucht, ihm sei es lieber den Kopf in den Sand zu stecken, man sollte ihn des Polizeiamtes entheben?
Einmal wurde er auf der Strafe körperlich angegriffen.
Es war eine bittere, alptraumhafte Zeit.
Der Verleumdung der Öffentlichkeit und das eigenen Gefühl des Versagens, alles quälte Kurt bis in die Träume.
Die Gesichter der Toten verfolgten ihn in seinen Träumen, sie fragten, warum er nichts tue, er sie nicht räche?.
Doch auch über die schlimmsten Ereignisse wächst irgendwann Gras.
Die Menschen vergaßen die Toten und niemand schrie mehr nach Rache.
Kurt jedoch verfolgte der Fall noch Jahre später..
Doch nie hatte er wieder eine heiße Spur und irgendwann legte er den Fall zu Akten.
Nichts ihm jemals mehr widerstrebt.
Doch sein Verstand wusste, dass es keinen Sinn mehr machte. Der Mörder würde nie gefunden werden.

?Sag mir, wie die Toten hießen, Kurt.?
?Emily Schmidt, 18, Rebecca Schade, 19, Charlie Wunder, 25, Marcel Lietsch, 19 und Knut Kühn, 23 Jahre alt.? Er würde ihre Namen nie vergessen.
Mit einem Schwung drehte sich Peter um und sagte: ?Ihr Mörder ist James Burton.?
Kurt starrte ihn an, sprachlos, schockiert. Langsam, Schritt für Schritt, ging er auf seinen Freund zu. ?Was sagst du da? James Burton?? Er ist??
Er packte Peter am Kragen und rief: ?James Burton soll diese Kinder ermordet haben?! Willst du das sagen!? Zwanzig Jahre lang haben wir nach dem Mörder gesucht, jede Spur verfolgt! Und jetzt kommst du und präsentierst den Täter?! Präsentierst ihn nach einer Nacht!??
Peter löste die Hand von seinem Kragen. ?So ist es. Denn Emily Schmidt persönlich hat ihn mir verraten.?
Kurt lachte, etwas hysterisch. ?Ach ja? Emily Schmidt also hat es dir erzählt? Wie ist das nur möglich? Sie liegt seit zwanzig Jahren unter der Erde!?
?Dein Zynismus ist ekelhaft, Kurt. Kannst oder willst du nicht begreifen? Evelyne ist Emily Schmidts Wiedergeburt.?
Kurt schwankte zurück und sank auf einen Stuhl. ?Wiedergeburt? Reinkarnation? So etwas gibt es nicht!?
?Hast du Beweise??
?Ich habe Menschen sterben sehen! Nie habe ich nur einmal?? Er verstummte. Er wusste, dass dies zu nichts führte.
Peter nickte, als habe er das erwartet. ?Was nach dem Ableben eines Menschen geschieht, ist eines der großen Rätsel des Universums.
Es gab eine Zeit, da habe ich mich mit Reinkarnationserscheinungen beschäftigt. Damals tat ich sie als geschickte Hypnose ab. Ich hielt sie für Manipulation und Geldschneiderei. Einige wenige Fälle, in denen tatsächlich Wahrheitsgehalt vorhanden schien, ignorierte ich geflissentlich. Ich wollte schlichtweg nicht glauben. das gebe ich zu.
Doch Evelynes Worte weckten bei mir den Verdacht einer Reinkarnationserscheinung.
Glücklicherweise verstehe ich mich auf Hypnose und wandte sie bei Evelyne an. Was ich fand, überraschte mich.
Ich begegnete dem Mädchen Emily, eine eigenständige Persönlichkeit mit eigenen Erinnerungen, die nun aus Evelynes Mund sprach.
Emily ist anders als Evelyne, was zeigt das die Umwelt unseren Charakter formt. Emily ist sehr freundlich, im ersten Moment zurückhaltend, ein heiteres Mädchen, etwas zerstreut und unsicher. Und sie lacht mehr als Evelyne.
Nach und nach begann sie mir von jenen Tagen vor 20 Jahren zu erzählen.
Emily ist schriftlich gewandter als mündlich; sie bestand darauf ihre Erinnerungen in Form einer Erzählung niederzuschreiben. Sie sagte lächelnd, sie hätte, als sie jünger war, immer mit dem Gedanken gespielt ihr eigenes Leben niederzuschreiben, doch bald habe sie erkannt, das es dazu wohl zu langweilig sei. Aber sie versprach mir, ihre letzten Tage auf Erden seien es nicht.
Es war ein langer, harter Kampf. Ein langwidriger Weg des Erinnerns. Stück für Stück förderten wir zusammen schöne ? und schmerzliche ? Erinnerungen zutage.
Es war hart und schmerzhaft. Emily ? in Evelynes Körper ? weinte oft; stand häufig kurz vor dem Zusammenbruch.
Doch wir schafften es gemeinsam.
Und nun hältst du ihre Erinnerungen in deinen Händen.?
Kurt sah hinunter auf die Blätter. ?James Burton?hat Emily Schmidt ermordet. Warum? Warum nur?? Er war tief betroffen.
?Die Frage nach dem Warum wird dir die Geschichte beantworten. Lies sie. Alle deine Fragen, die in dir brennen seit zwanzig Jahren, werden beantwortet werden.?
?Evelyne hat James Burton getötet, weil Emily damals von ihm???
?Lies, Kurt, lies. Er begebe mich einstweilen auf einen Spaziergang.
Diese Nacht?alles, was ich in ihr erfahren habe?hat mich erschüttert, wie lange nichts mehr. Ich fühle mich seltsam alt. So habe ich mich noch nie gefühlt. Ich brauche frische Luft.?
Peter zog seinen Mantel über. Mit Hut auf dem Kopf und Zigarre im Mund, verließ er den Raum. Die Rauchwolke blieb noch lange im Raum stehen.
Kurt war allein. Allein mit dem Manuskript in seinen Händen.
Die Wörter tanzten vor seinen Augen.
Evelyne? Eine Wiedergeburt? Die Reinkarnation von Emily Schmidt, die seit zwanzig Jahren nicht mehr unter den Lebenden weilte? Die er mit eigenen Augen hatte tot am Boden liegen sehen? Ihre Seele war nach dem Tod in Evelynes Körper geschlüpft?
Das war das Verrückteste, was er je gehört hatte!
Kurt wollte und konnte es nicht glauben.
Die Seiten wogen schwer in seinen Händen.
Seine Augen flogen zu den ersten Wörter der Geschichte.
Kurt riss sich los und sah zum Fenster hinaus.
Er dachte: Warum eigentlich nicht? Warum sollte ich es nicht lesen? Im Moment sind mir ohnehin die Hände gebunden.
Mit diesen Gedanken im Hinterkopf, fing er an zu lesen.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Gerrit24
Gänsefüßchen
G


Beiträge: 35
Wohnort: Milchstraße


G
Beitrag07.10.2006 14:06

von Gerrit24
Antworten mit Zitat

Zitat:
Wann werde ich endlich sterben? , dachte James Burton, als ein weiterer Tag verklang und der junge Pfleger ihm, den alten Mann, das Nachthemd über den Kopf zog.

Wann werde ich endlich sterben, Fragezeichen, Leerzeichen, Komma, Leerzeichen und klein weiter?!?
Was hast du denn bei dem satzt geraucht?^^
Wie wärs mit:
Wann werde ich wohl endlich sterben? , dachte...

Man kann es so formulieren, dass man sozosagen eine eigene Gedanken-Grammatik konstruiert. Auch zu sehen in Animorphs und Eragon Büchern.


_________________
Wenn du deine Flügel nie ausbreitest,wirst du nie wissen ob du fliegen kannst.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Beiträge der letzten Zeit anzeigen:   
Neues Thema eröffnen   Neue Antwort erstellen
Seite 1 von 1

Deutsches Schriftstellerforum Foren-Übersicht -> Antiquariat -> Belletristik
Du kannst keine Beiträge in dieses Forum schreiben.
Du kannst auf Beiträge in diesem Forum nicht antworten.
Du kannst Deine Beiträge in diesem Forum nicht bearbeiten.
Du kannst Deine Beiträge in diesem Forum nicht löschen.
Du kannst an Umfragen in diesem Forum nicht teilnehmen.
In diesem Forum darfst Du keine Ereignisse posten
Du kannst Dateien in diesem Forum nicht posten
Du kannst Dateien in diesem Forum nicht herunterladen
 Foren-Übersicht Gehe zu:  


Ähnliche Beiträge
Thema Autor Forum Antworten Verfasst am
Keine neuen Beiträge Feedback
Ein Gedicht braucht keinen Titel
von dyfso
dyfso Feedback 0 18.04.2024 16:40 Letzten Beitrag anzeigen
Keine neuen Beiträge Feedback
Der Kannibale vom Rosengarten – ein...
von wunderkerze
wunderkerze Feedback 10 11.04.2024 14:43 Letzten Beitrag anzeigen
Keine neuen Beiträge Literaturtheorie / Kulturwissenschaft / Künstliche Intelligenz / Philosophie des Schreibens
Ai (künstliche inteligenz) für eige...
von Ayumi
Ayumi Literaturtheorie / Kulturwissenschaft / Künstliche Intelligenz / Philosophie des Schreibens 5 10.04.2024 17:14 Letzten Beitrag anzeigen
Keine neuen Beiträge Werkstatt
Pavlos Dog oder wie wie ich ein guter...
von Cholyrika
Cholyrika Werkstatt 0 08.04.2024 15:16 Letzten Beitrag anzeigen
Keine neuen Beiträge Rezensionen
"Die Ärztin"-ein Theaters...
von writersblockandtea
writersblockandtea Rezensionen 0 08.04.2024 13:59 Letzten Beitrag anzeigen

BuchEmpfehlungBuchEmpfehlungBuchEmpfehlungEmpfehlungEmpfehlungEmpfehlungEmpfehlung

von zwima

von Nordlicht

von Raven1303

von Ruth

von Schreibmaschine

von KeTam

von Beobachter

von Jarda

von Mana

von Carizard

Impressum Datenschutz Marketing AGBs Links
Du hast noch keinen Account? Klicke hier um Dich jetzt kostenlos zu registrieren!