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Teil 9 Wege


 
 
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teccla
Geschlecht:weiblichLeseratte

Alter: 66
Beiträge: 160
Wohnort: Costa Blanca


Was suchst Du in Madagaskar?
Beitrag26.03.2008 21:51
Teil 9 Wege
von teccla
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Der Hinweis auf die Stadt Mahajanga im Gespräch mit Eva hatte etwas schicksalhaftes. Oft im Leben begegnen uns Menschen, die unbewusst Hinweise geben, als würden wir von „oben“ geführt.
So wie ich heute auch die schicksalhafte Begegnung mit Gunter empfinde. Nein, er gab keine Hilfe stellenden Hinweise, er wurde zur Lernaufgabe, zur Lektion.
Gunter kannte ich aus Emailkontakten im Internet, lange bevor der Entschluss reifte, nach Madagaskar auszuwandern.
Auch er reiste ins Land wo der Pfeffer wächst, doch mit dem Gedanken, sich nach einer Existenz umzusehen, von der er leben könne, um anschließend nach Madagaskar auszuwandern.
Gunter hatte mir geschrieben, dass er bereits mehr als zehn Jahre seinen Urlaub auf der Insel verbrachte und das Land gut kannte - als Tourist.
Eines Nachmittags saß er im Hotel und wartete auf uns. Er trank Bier.
Von Fotos her, erkannte ich ihn sofort. Er erzählte sympathisch und aufgeregt. Doch bald bemerkte ich eine Eigenart, mit der ich nicht konform ging.
Gunter klagte. Er klagte über alles und jeden und berichtete ständig darüber, was ihm alles passierte. Er würde das Unglück anziehen. Alles Schlechte passierte nur ihm, keinem anderen.
Das war nicht in der Situation begründet, wie ich damals fälschlicherweise an nahm, sondern es war einer seiner Charakterzüge. Aber das sollte ich erst später begreifen.
“Ich war im Süden in Fort Dauphin und im Norden in Diego, ich war auch an der Ostküste. Habe überall Freunde und Bekannte. Die wollen sich ja auch umhören, was man machen könnte, um eine Existenz zu gründen. Aber ich habe nur noch ein paar Tage Zeit, dann geht mein Rückflug.“ sagte er traurig.
“Ja, hast du keine Idee?“
“Ich wollte eine kleine Kneipe aufmachen. Aber das muss sich lohnen. Viel Geld habe ich auch nimmer.“
“Und wo willst du die Kneipe eröffnen?“
“Das weiß ich auch net. Ich habe gehört, dass sich eine Musikbar in Mahajanga lohnen soll. Dort gibt es so etwas noch nicht. Weißt du ähnlich dem „Glacier“ hier in Tana.“
“Mahajanga? Da gehen wir auch eventuell hin. Wollen uns dort umsehen und vielleicht ein Internetcafe aufmachen.“
“Ja, wart ihr schon dort?“
“Nein, wir wollen erst noch hin. Eva war da und kam mit der Idee zurück.“
“Ich kenne Mahajanga. War vor ein paar Jahren da. Hat mir sehr gut gefallen. Ist nicht so groß wie Tana, aber sehr viel ruhiger und du hast Küste, Sandstrand und immer Sommer. Aber es wird auch ein paar Monate im Jahr richtig heiß. Du, da zerfließt du!“
“Habe ich gelesen, aber es selbst erleben und dann auch noch dabei arbeiten ist natürlich etwas anderes.“
“Und Zyklone hast du dort selten. Die sind jedes Jahr an der Ostküste, aber an der Westküste sehr selten. Wenn sie von der Ostküste kommend übers das Land fegen, haben sie in Mahajanga keine Kraft mehr. Manchmal kommen sie aber von Afrika zurück, dann haben sie Power. Aber wie gesagt, sehr selten.“ Gunter schaute auf sein Bier und nahm einen kräftigen Zug. In diesem Moment kam Jan an unseren Tisch.
“Jan, darf ich dir vorstellen, das ist Gunter. Ich habe dir von ihm erzählt. Er will auch auswandern. Hat jetzt drei Monate Urlaub hier verbracht und sein Rückflug geht in ein paar Tagen.“
Wir wechselten noch ein paar Worte mit Gunter, dann fuhren wir los. Torsten wollte mit uns über den Artisanmarkt gehen. Doch ein wolkenbruchartiger Regen verhinderte den ausgiebigen Besuch und brachte uns schnell wieder zurück ins Hotel.
Am Abend trafen wir Gunter wieder. Er saß wieder beim Bier und erzählte, dass er Samy getroffen hatte.
Samy Rastafany war ein bekannter Reggeamusiker in Madagaskar. Beide waren seit langem befreundet. Samys Familie lebte in Mahajanga. Beide planten in den nächsten Tagen nach Mahajanga zu fahren, um zu sehen, welche Chancen eine Musikbar dort hätte. Samy kannte auch einige wichtige Leute in der Stadt. Man könnte gleich ein paar Kontakte knüpfen.

Gunter tat mir leid.
Aus heutiger Sicht, war das der erste folgenschwere Fehler.
Ohne wirklich zu überlegen, welche Konsequenzen es hätte, ob er zu uns passen würde, ob Gunter mehr Hilfe als Belastung sein würde, bat ich Jan Gunter mit einzubeziehen.
“Jan, was hältst du davon, mit Gunter und Samy nach Mahajanga zu fahren. Dann kannst du dir die Stadt ansehen. Gunter kennt sich dort aus und Samy, ein Freund von ihm, fährt auch mit. Samy kommt aus Mahajanga und kennt dort viele Leute. Du kannst erkunden, ob wir dort ein Internetcafe eröffnen können. Weißt du, ich möchte dir vorschlagen, Gunter mit in die Firma zu nehmen. Er hat noch nichts gefunden, was er machen könnte.“ Gunter hatte wenig Geld für ein Starkapital und er wollte unbedingt nach Madagaskar auswandern. Wenn wir ihn mit in die Firma nehmen üwrden, dann hatte er zumindest sein Visum sicher und konnte sich in Ruhe umschauen, was er machen wollte und wovon er leben konnte.
“Hm, wann wollen die denn fahren?“
“Gunter sagte, sie kaufen morgen die Karten für den Überlandbus.“
Jan sagte, er würde sich die Stadt ansehen und Gunter auf den Zahn fühlen, ob man mit ihm auch wirklich arbeiten könne.
Versprach es und fuhr ab.

Als sie zurück kamen, kannte ich Jan nicht wieder. Ohne Gunter ging nichts mehr. Gunter hinten , Gunter vorne…
Die beiden hatten sich unterwegs ausgemalt, wie toll sie eine Musikbar mit Internet einrichten würden. Tagsüber Internetcafe und abends Musikbar.
Hm.
Als sie mir lachend und freudestrahlend von ihren Ideen erzählen, platzte ich heraus „Aber wenn die Rechner an sind, wird kein Alkohol ausgeschenkt.“
Gunter sagte „Die Madagassen trinken aber schon morgens um 10.00 Uhr das erste Bier.“
“Das ist mir egal. Hier geht es um teure Technik und wer ersetzt den Schaden, wenn einer einen Laptop aus Versehen herunter reißt oder die Tastatur voll kotzt?“
Ich ahnte damals bereits, dass er mit dem Bier nicht die Madagassen meinte, sondern sich selbst.
“Hör mal, das kannst du nicht einfach so bestimmen. Du kennst das Land nicht und die Gewohnheiten.“ ereiferte sich Jan lautstark.
'“Das mag sein, aber Besoffene und Angetrunkene haben an den Rechnern einfach nichts zu suchen. Es fällt schnell mal ein Bier um und dann ist die Tastatur versaut oder sogar noch mehr. Aber wir können ja abends, wenn es Alkohol gibt, die Rechner ausschalten und abdecken.“
Ich habe offenbar eine wunde Stelle getroffen. Gunter stand auf, schimpfend und beleidigt.
Er zögerte und blieb am Tisch stehen.
Daraufhin ging ich aufs Zimmer. Jan folgte mir und machte mir eine Szene, wie ich das bestimmen und Gunter so vor den Kopf stoßen könne und überhaupt, ich hätte ja keine Ahnung. Er war außer sich. Ich staunte sehr, so hatte ich Jan noch nie gesehen.

In den nächsten Tagen spitzte sich der Konflikt immer mehr zu. Er nörgelte nur noch an mir herum, scherzte mit Gunter. Ich war ein rotes Tuch. Es verging kein Tag ohne Streit. Ich bereute längst den Vorschlag, Gunter mit in die Firma zu nehmen. Aber es sollte noch viel schlimmer kommen. Es war nur ein Sturm im Wasserglas.
Ich jedenfalls hoffte, dass sich die Stimmung bessern würde, sobald Gunter abgereist war.

Gunter reiste dann auch ab, mit dem Plan, in Deutschland alles aufzugeben und im Januar wiederzukommen, um für immer zu bleiben.
Es war kurz vor Weihnachten. Es änderte sich nichts. Ich hatte einen verwandelten Freund und konnte es nicht verstehen und war schlichtweg überfordert.
Sah er denn nicht, wohin das alles führen würde? Ich hatte das Gefühl in einem Auto zu sitzen, das kurz davor war, gegen einen Baum zu fahren, aber der Fahrer sah es nicht, hörte keine Hilferufe, riss das Lenkrad nicht herum.

Wenn ich morgens aufwachte und schon sein lautes Meckern aus dem Bad hörte, war ich schon bedient.
Das Wasser war zu heiß, das Wasser war zu kalt. Das Wetter war zu heiß, das Essen schmeckte nicht, er wollte dies, er wollte jenes, die Katze störte, alles störte. Schrecklich.
Nahmen wir ein Taxi, war es ihm zu teuer (Es kostete etwa einen Euro.).
Fuhren wir mit Taxi B. (Eine Art Minibus, in den sich ca. 20 Leute quetschten, manchmal noch mehr, kostete etwa 10 Cent), dann war es für ihn nicht auszuhalten, weil die Leute stanken, oder es zu heiß war. Oft mussten wir während der Fahrt aussteigen, kilometer weit in der Mittagshitze zu Fuß gehen, weil er keine Lust mehr hatte, im Bus zu sitzen.
Bestellte sich Sebastian eine Cola, so war ihm das zu teuer (ca. 80 Cent) und er könne nicht solche Ansprüche stellen. Sebastian begann nun auch zu maulen über dieses ständige Hin- und Her.
Ich kam mir vor wie ein Puffer zwischen zwei Lokomotiven. Wir wollten doch etwas aufbauen. Es konnte doch nicht sein, dass wir derart unsere Energie vergeuden.
Auch nachdem Gunter abgereist war, fand ich keinen Zugang mehr zu Jan.
Selbst Torsten war genervt von diesen Szenen.
“Hör mal Jan, wollen wir erst Essen gehen und dann zu dem Internetprovider?“
“Man, ich habe Durst, es ist so heiß und wir laufen schon stundenlang durch die Gegend.“
“Ja Sebastian, wenn wir gleich Essen gehen, kannst du ja etwas trinken.“
“Na Jan? Was meinst du?“
“Wieso fragst du mich? Bestimmst doch eh alles!“
“Ich frage dich, weil ich wissen möchte, ob du einverstanden bist.“
“Du brauchst mich nicht fragen, der Herr Sohn hat Durst, also werden wir erstmal Essen gehen. Was ich möchte, interessiert doch eh keinen.“
“Sagt mal, könnt ihr nicht mal aufhören?“ mischte sich Torsten ein.
“Okay, wenn keiner entscheiden kann oder will, dann gehen wir jetzt essen und anschließend zu dem Büro. Über Mittag haben die sicher geschlossen, wie alle anderen auch und die Zeit wäre sowieso ziemlich knapp geworden.“

Tana befand sich im Weihnachtstaumel, überall weihnachtlich geschmückte Schaufenster und farbige Madagassen im Weihnachtsmannkostüm, aber es war kein Vergleich zu Deutschland in dieser Zeit. Ich kam mir ziemlich verloren vor.
Am Heiligen Abend hatte ich Geburtstag. Wir gingen auf meinen Wunsch hin, in der Nähe des Hotels spazieren. Ich wollte an einen See, von dem ich gehört hatte. Es gab ständig Streit.
Ein Geschenk ? Nein, nur dicke Luft in Hülle und Fülle.

Woher seine Unzufriedenheit kam, wusste ich nicht. Sprach ich ihn darauf an, tat er beleidigt und es hagelte Vorwürfe und Verteidigung. Kommunikation war nicht mehr möglich. Er hatte unser Lachen vergessen.

Eines Tages hatte er die Idee, nach Deutschland zu fliegen, sein Rückflugticket zu nehmen und Geld aus Deutschland zu holen.
Sicher war der Schreck groß, als wir feststellen mussten, dass wir online nicht auf unser Konto zugreifen konnten. Mit einer Vollmacht, hätte meine Freundin das Geld transferieren können. Eine Schnapsidee, denn sein Rückflug war teurer als jede Bankgebühr.
Aber bitte, er war ein freier Mensch. Er konnte gehen, wohin er mochte.
Ich dachte mir, wenn ich ihn halte, würde ich ihn verlieren.
Ich war dumm. Wir hatten uns schon verloren.

So flog er am 27.12.2002 zurück nach Berlin. Sebastian und ich blieben in Tana und warteten auf ihn, damit wir dann gemeinsam nach Majunga gehen können.
So hofften wir.



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Lore
Geschlecht:weiblichKlammeraffe

Alter: 90
Beiträge: 932
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Code Philomele
Frauenschicksale in einer Großstadt
Beitrag27.03.2008 19:59

von Lore
Antworten mit Zitat

Und?
Nichr die Spur eines Verdachtes, dass jemand, der so wenig brauchbar ist, sich auch da als Niete erweisen würde?


Lore


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Blas Dich nicht auf, sonst bringet Dich
zum Platzen schon ein kleiner Stich
(Nietzsche)
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teccla
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Alter: 66
Beiträge: 160
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Was suchst Du in Madagaskar?
Beitrag27.03.2008 20:14

von teccla
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Naja, ich mache mein Glück eigentlich nicht von anderen abhängig, aber wenn es um Gefühle geht, bin ich halt auch nur frau.
Im Nachhinein, stimme ich dir voll zu...

Liebe Grüsse
angela


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