Wenn ich sterbe

[Cholyrika]

Wenn ich sterbe

Also wenn ich sterbe, dann will ich keine Trauerredner, die für 75 Euro irgendeinen Scheiß über mich erzählen, damit meine Familie weint.
Und verschont mich mit Kränzen und Blumen, denn ich mag sie nicht.
Am liebsten wäre es mir, wenn ihr meinen Schreibtisch aufräumt, ein Foto davon macht und ihn dann entsorgt.

Und hört auf zu erzählen, was für ein toller Mensch ich war und wie herausragend meine soziale Einstellung war.
Das ist alles für den Müll.
Wie mein Körper, der sich nie geweigert hat. irgendwann mal seinen Geist aufzugeben.

Behaltet mich nicht in Erinnerung, vergesst mich einfach.
So wie Spülmittel, den Brief an die Oma oder die Steuererklärung.
Ihr wisst ja, der Tod wird erst auf dem Friedhof gesellschaftsfähig.
Und gesellschaftsfähig war ich nie.

Und hier noch was für den Stein:
Gefickt
vom Leben und ein paar Ladys

Nicht so schöne Idee?
Sag ich ja, lasst es gut sein

[wohe]

Eine Handlungsanweisung, die tatsächlich mal berücksichtigt, dass der, um den es geht, tot ist, also von Jeglichem nichts mehr mitbekommt oder gar hat. Und für das Gefühlsleben der Nachkommen ist das Vergessen auch das Bekömmlichste.
Nur die Grabsteininschrift (wofür überhaupt einen Grabstein?) klingt nicht nach Rationalität, sondern nach Frust.

[Lila X]

Ich bin mir nicht ganz sicher, ob du dazu eine Rückmeldung willst. Aber ich sage dir mal, was mir beim Lesen durch den Kopf gegangen ist. Vielleicht ist was interessantes für dich dabei.

[Cholyrika]

Der Text spricht nicht von Einsamkeit, sondern von einem erfüllten Leben.

Das Foto des Schreibtisches ist einfach nur eine "Verdichtung" dieses gelebten Lebens.
Ich wählte hier das Foto für die ureigenste Art der Verdichtung von Lebenssituationen

Das Sterben ist in der Tat ein Prozess, der aber mit dem Tod endet.
Ich finde man kann das darum so schreiben. Es ist ja auch nur ein Gedanke.

Die Grabstein Inschrift darf auch als "Verdichtung" gewertet werden.
Vielleicht hätte manch einer geschrieben "Wein Weib und Gesang"

Und Wichtigste ist aber: JA Grabsteine sind wichtig, denn sie machen den Tod ja erst gesellschaftsfähig auf dem Friedhof

LG
ML

[Lila X]

Tatsächlich sind die Trauerfeier und Kränze ja nicht für den Verstorbenen. Sie sind ein Abschluss, den die Hinterbliebenen brauchen. Sie kommen zusammen, erinnern sich, stecken Mühe und Geld in Kränze und Reden. Sie tun ein letztes Mal alles für den geliebten Menschen, um sich und ihrem Umfeld zu bekunden, welche wichtige Rolle er in ihrem Leben gespielt hat, damit sie ihn dann auf dem Friedhof zurücklassen und ihr Leben weiterleben können. Und wenn er ihnen fehlt, sie sich an die Lücke erinnern, die er hinterlässt, besuchen sie ihn auf dem Friedhof. Das befriedigende Gefühl, der Trauer bei Bedarf erneut Rechnung getragen zu haben, können sie dort ablegen. Die Tatsache, dass seine Spuren sich in ihrem Leben nach und nach verlieren, macht kein schlechtes Gewissen, denn er hat dort, an diesem friedlichen Ort und im Schatten hoher Bäume für immer (oder heutzutage zumindest die nächsten 15 Jahre) seinen Platz.

[Thomas74]

[Eris Ado]

[Drakenheim]