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Wannseetramper - eine Erinnerung


 
 
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wohe
Geschlecht:männlichKlammeraffe
W

Alter: 71
Beiträge: 641
Wohnort: Berlin


W
Beitrag30.12.2023 16:20
Wannseetramper - eine Erinnerung
von wohe
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Hallo Freunde,

falls sich jemand von Euch über ein besonders gutes Gedächtnis verfügt, erinnert er sich vllt. an einen ähnlichen Beitrag in einer gewissen Gazette. Den tatsächlichen damaligen Ablauf möchte ich Euch unter Verwendung verfremdeter Namen und Zitate hier schildern.

Irgendwann vor ca. 40 Jahren wurde ich stolzer Besitzer eines Segelscheins. Also lieh ich mir eine Jolle, gab meiner Freundin eine kurze Einführung in das Verhalten auf See und los ging’s.
„Ich hab’s verstanden“, sagte Charlotte.
„Aber das ist wichtig“, wiederholte ich. „Wenn ich »Halse« sage, musst du aufpassen, wenn der Mast herumschwingt. Da handelt man sich schnell mal ein Loch im Kopf ein.“
„Ja, ja.“ Sie setzte ihre Kopfhörer auf und versank im Rausch der Musik.
Soweit zum Interesse am Segeln.
So fuhren wir dann mit dem Wind auf die Havel hinaus, bis es irgendwann Zeit für einen Richtungswechsel wurde.
„Klar zum Halsen“, rief ich.
Ich zog die Leine ein, legte das Ruder um und Charlotte träumte mit geschlossenen Augen von Mozart, McCartney oder weiß der Teufel wem. Ich schrie „Halse“, sprang auf, drückte Charlotte ins Boot, der Mast mich über Bord und ich schluckte Wasser, Chemie und jede Menge Bakterien.
Als ich mit dem Kopf wieder über Wasser kam, sah ich zur Rechten meine Liebste gestikulierend in die Ferne entschwinden und zur Linken ein Motorboot nahen, dessen Insassen meinen winkenden Daumen völlig richtig als Wunsch interpretierten, mitgenommen zu werden.
„Ehekrach?“, fragte der Steuermann.
„Nee. Kommunikationsprobleme.“
„Hier, Junge, nimm nen Schluck.“ Er zog eine Rumflasche aus seiner Tasche, legte mir den Arm um die Schulter und beide lächelte wir (ich mit Flasche, er ohne) in die Kamera seines dauerfotgrafierenden Begleiters.
Tja, es folgten eine (recht unspektakuläre) Verfolgungsfahrt, mein Entern der Jolle, ein weiteres Foto mit Freundin und Rumflasche, sowie Charlottes Genuschel a la „Baden gehn und mich allein auf hoher See aussetzen.“
So weit, so gut.
Zwei Tage später allerdings hielt mir in meinem Taxi ein Fahrgast eine Zeitung unter die Nase, die unter der Überschrift „Immer dreister! Betrunkene trampen und streiten jetzt schon auf dem Wannsee“ mein und Charlottes Konterfei verewigt hatte. Mit wirren Haaren, triefender Kleidung und schief sitzender Brille an einer Rumflasche nuckelnd war ich wirklich etwas unglücklich getroffen, besonders neben einer großartig aussehenden Charlotte, die erkennbar versuchte, eine gewissen Abstand zu wahren (ebenfalls nass wollte sie dann doch nicht werden).
„Alles Lüge. Das ist ne Falschmeldung“, sagte ich.
„Keine falsche Bescheidenheit“, sagte mein Fahrgast. „Das sind Sie auf alle Fälle. Diese komische Brille und Ihr nicht vorhandener Haarschnitt. Sie sind der Wannseetramper.“
„Die Story ist falsch“, wiederholte ich. Das stimmte sogar. Es war nicht der Wannsee, es war die Havel.

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abentroth
Geschlecht:männlichEselsohr


Beiträge: 257



Beitrag31.12.2023 08:51
Re: Wannseetramper - eine Erinnerung
von abentroth
Antworten mit Zitat

wohe hat Folgendes geschrieben:
„Die Story ist falsch“, wiederholte ich. Das stimmte sogar. Es war nicht der Wannsee, es war die Havel.
Heutzutage fände man sich vermutlich in einem Youtube-Clip wieder und hätte es schwerer mit dem Dementi wink
Schön erzählte Erinnerung, danke fürs Teilen!

Gruß,
abentroth
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Pickman
Geschlecht:männlichPlottdrossel


Beiträge: 2293
Wohnort: Zwischen Prodesse und Delectare


Beitrag31.12.2023 13:17
Re: Wannseetramper - eine Erinnerung
von Pickman
Antworten mit Zitat

wohe hat Folgendes geschrieben:
ich schluckte Wasser, Chemie und jede Menge Bakterien


Igitt! An den thermischen und mikrobiologischen Zustand der Havel in jenen Jahren kann ich mich noch gut erinnern.


_________________
Tempus fugit.
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Gast







Beitrag31.12.2023 15:40

von Gast
Antworten mit Zitat

Sehr gerne gelesen!
Ich hab auch mal einen Segelschein gemacht - einem Mann zuliebe.
Ich hätte damals auch das Telefonbuch auswendig gelernt, mit der Aussicht auf einen Segeltörn am Mittelmeer, mich im Bikini auf einer weißen Yacht in der Sonne räkelnd ... aber gereicht hat's dann doch nur fürs Ijsselmeer. Und das in voller Montour: Moltopren-Anzug, darüber zwei Pullover, wasserdichtes Regenzeug, Wollmütze ... Mr. Green
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wohe
Geschlecht:männlichKlammeraffe
W

Alter: 71
Beiträge: 641
Wohnort: Berlin


W
Beitrag31.12.2023 16:21

von wohe
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Hi abentroth,
danke fürs Lesen.
Tja, in der guten alten Zeit der Printmedien waren hauptsächlich die Reporter eines gewissen Konzerns und seiner Zeitungen eine Gefahr und wen die erstmal auf dem Kieker hatten, der war auch nicht besser dran als Shitstormopfer heute (siehe Wallraff).
MfG Wohe
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wohe
Geschlecht:männlichKlammeraffe
W

Alter: 71
Beiträge: 641
Wohnort: Berlin


W
Beitrag31.12.2023 16:22

von wohe
pdf-Datei Antworten mit Zitat

@Pickman,
Igitt ist der richtige Ausdruck. Wahrscheinlich war mein Immunsystem jugendbedingt damals noch in der Lage, sowas zu überstehen. Wenn man bedenkt, dass lokal sogar die Fische den Geist aufgaben ... (wobei, da war wohl bes. der Sauerstoffmangel schuld (Tegeler See etc)).
MfG Wohe

@Miss Purple,
meine Seglerkarriere war (auch?) nur kurz. Wasser sieht in alle Richtungen betrachtet letztlich ähnlich aus, es fehlt insofern eine gewisse Abwechselung und James Bond und seine Gegner wussten schon, warum sie sich bevorzugt in südlichen Gefilden kabbelten - die Damen im Wollpullover wirken optisch halt nicht in gleicher Weise wie jene auf den Jachten im Süden.
MfG Wohe
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