18 Jahre Schriftstellerforum!
 
Suchen
Suchabfrage:
erweiterte Suche

Login

Jetzt erhältlich! Eine Anthologie von und mit unseren Usern. Jetzt bestellen! Die erste, offizielle DSFo-Anthologie! Lyrikwerkstatt Das DSFo.de DSFopedia


Deutsches Schriftstellerforum Foren-Übersicht -> Prosa -> Einstand
Der Festakt, 1. Kapitel von Das blaue Schwarz


 
 
Neues Thema eröffnen   Neue Antwort erstellen
 Vorheriges Thema anzeigen :: Nächstes Thema anzeigen  « | »  
Autor Nachricht
AdaGro
Geschlecht:weiblichWortedrechsler
A


Beiträge: 71
Wohnort: unbekannt verzogen


A
Beitrag03.05.2023 12:35
Der Festakt, 1. Kapitel von Das blaue Schwarz
von AdaGro
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Neue Version »

DER FESTAKT

  AN EINEM späten Nachmittag im November fand in den Vereinigten Arabischen Emiraten eine der wichtigsten Veranstaltungen dieses Jahres statt. In Dubai wurde die erfolgreiche Entwicklung des neuen, vielversprechenden Antibiotikums mit allem Prunk gebührend gefeiert.
  Wie bei einer arabischen Hochzeit hielten viele schwere, dunkle Limousinen, jede ohne Hast, am Anfang eines roten Teppichs, der so breit war wie ein großzügiges Einfamilienhaus und zu einem glänzenden Gebäude führte. Eine nach der anderen warteten die Limousinen geduldig, immer darauf bedacht, sich nicht vorzudrängen und seinem Vorgänger genügend Zeit zu lassen, die chauffierten Gäste freizugeben, und sich anschließend lautlos zu entfernen. Der Tross der Fahrzeuge schien kein Ende zu nehmen. Mitglieder der königlichen Familie, zahlreiche Prinzen, ausländische Würdenträger aus den unterschiedlichsten Ländern, Professoren der hiesigen und befreundeter Universitäten, Berühmtheiten aus Film und Fernsehen sowie verschiedene internationale Politprominenz drängten sich über den erleuchteten Pfad. An seinem Ende gelangte man durch ein mächtiges Portal, welches, wie bei Frau Holle, über und über mit Gold behangen war. Dort posierten links und rechts stolz-kühne Wüstenkrieger, angefangen in historischen Uniformen und endend in aktuellen der Gardearmee des Königs. Jung, groß, stark und entschlossen präsentierten sie die ehemalige sowie die zukünftige Macht des Landes. Dahinter tat sich unter einer gewaltigen Kuppel aus stählernen Glasornamenten den Gästen ein Saal von epischer Größe auf. Und das halbrunde Festgewölbe versetzte, wie eine sich langsam öffnende Rose, mit ihrer atemberaubenden Schönheit und Eleganz alle Welt zum Staunen und demonstrierte  deutlich den erlesenen Geschmack des Königshauses.
  Im Zentrum des Saales thronte, wie bei einer mehrstufigen Hochzeitstorte, eine Tribüne mit einem Durchmesser von etwa fünf Metern. Und wie von den Hüllen einer vollen Blüte wurde sie von weit geschwungenen Sitzreihen in immer größer werdenden Kreisen, die nur von vier langen Fluchtwegen durchbrochen waren, umschlungen. Die innersten konzentrischen Ringe aus bequemen, weißen Sesseln waren ausschließlich für die Königsfamilie und die Prinzen reserviert. Die ausländischen Würdenträger und hochrangige Persönlichkeiten aus dem In- und Ausland saßen zusammen mit den Doktoren und Professoren der Universitäten in einigem Abstand auf Stühlen dahinter. In den am entferntesten Reihen durfte alles, was sonst noch Rang und Namen hatte, die Macht und die Größe der Vereinigten Arabischen Emirate bewundern.
  Langsam füllten sich die Ränge und die Vielsprachigkeit schwang als dröhnendes Brummen über die Köpfe der Gäste, bis die Hymne erscholl und sich alle von ihren Plätzen erhoben. Währenddessen trat würdevoll der König ein und nahm die ihm vorbestimmte Stellung ein. Sobald die Musik verstummte, setzte sich der König, und alle Untertanen sowie die Gäste folgten seinem Beispiel.  
  Von außen kommend, schritt nun ein gut aussehender älterer Herr feierlich über einen der Wege bis ins Zentrum. Ohne Hast erklomm er die wenigen Stufen der Tribüne und routiniert baute er sich hinter dem Rednerpult auf. Er trug die landestypische Kleidung, hatte ein sehr gepflegtes Äußeres und mit seiner würdevollen Erscheinung führte er als Moderator souverän durch den Abend.
  Nach einer Weile erschien ein junger Student am Rednerpult und erzählte dem zahlreichen Publikum die Geschichte der Universität, von der Idee des Scheichs bis zum heutigen Tag und schloss mit den Visionen des Landesvaters, mit denen dieser das Land in die Zukunft zu führen beabsichtigte. Sagenhaft kraftvolle Bilder wurden mit Lasern an die Innenwände der Glaskuppel projiziert und im Hintergrund durchströmte abwechselnd traditionelle sowie moderne Musik die Reihen. Am Ende des Vortrags erschien am Glashimmel das übergroße Bildnis des Scheichs und hinter ihm wehte die Flagge des Landes.
  Nachdem der Student die Tribüne verlassen hatte, übernahm der Moderator wieder die Leitung und bat den Minister für Forschung und Entwicklung, Prinz Salman, auf die Bühne.
  Feierlich erhob sich dieser von seinem Platz in der ersten Reihe und schritt eindrucksvoll zur Bühne. Er war ein nicht unattraktiver Mann Mitte fünfzig, groß und mit breiten Schultern. Alles an ihm strömte Würde und Autorität aus, seine weiße, fein gewebte Kandura, die er trug, die Ghutra auf seinem Kopf, sein exakt getrimmter Vollbart, die Rolex am Handgelenk und der mächtige Siegelring, welcher ihn als Mitglied der Königsfamilie legitimierte. Ehrfürchtig wich der Moderator vom Pult zurück und der Minister übernahm wie selbstverständlich den frei gewordenen Platz. Mit seinen gütigen, dunklen Augen durchschritt er die vollen Reihen des Saales und mit einem selbstbewussten Lächeln begann er seine Rede, als seine tiefe, ruhige Stimme durch den Saal tönte. Zuerst berichtete er über die wichtigsten Forschungserfolge des letzten Jahres und verwies damit einerseits auf die herausragenden Leistungen der vor einigen Jahren gegründeten staatseigenen technischen Universität und andererseits
symbolisierte es einen wichtigen Meilenstein in der Geschichte des Landes. Nun bestätigte es sich, dass die Vereinigten Arabischen Emirate zu den innovativsten und fortschrittlichsten Ländern der Welt gehörten. Dann gratulierte er Doktor Fearard für dessen grandiose Ergebnisse, würdigte seine umfangreichen Forschungen und sicherte ihm und seinem jungen Team weitere materielle wie finanzielle Unterstützung zu. Am Ende bat er mit einer erhabenen Geste Doktor Fearard zu sich auf die Bühne. Aus dem Hintergrund wurde dem Minister eine hoch dotierte Auszeichnung gereicht, welche dieser mit einer fast väterlichen Würdigung Dr. Fearard übergab. Und der Doktor, sichtlich ergriffen, bedankte sich in einer kurzen Ansprache, mit der ersten tiefen Verbeugung beim Scheich, mit der zweiten beim Minister neben sich und zum Schluss bei seiner Mutter Aine, die in einer der hintersten Reihen saß und, begleitet von einigen stolzen Tränen, versunken der Zeremonie lauschte.   
  Während ihr Sohn seine Dankesrede hielt, erinnerte sich Aine an die vielen Abschnitte der nunmehr 25 Jahre seit seiner Geburt. Viele Bilder gingen ihr durch den Kopf. Sie war damals selbst gerade einmal neunzehn Jahre alt, als ihr Zweitgeborener auf die Welt kam und manch schöne Szene wanderte durch ihre Erinnerung. Seine Geburt, seine Schuleinführung, wie sie ihm das Schwimmen und Fahrradfahren beigebracht hatte, sorglose Familienfeiern und wilde Klassenfahrten, an denen sie nachts zu Hause kein Auge zu machen konnte, seine rasche Fahrerlaubnis und die ersten Fahrten ohne die Eltern, das Highschool Diplom, der Bachelor, der Master und sein früher Doktortitel. Und nun saß sie in Dubai bei einem Festakt, der ausschließlich zu Ehren ihres Sohnes veranstaltet wurde. Am heutigen Tag zahlte sich ihre harte und konsequente Erziehung aus und sie war mächtig stolz und überglücklich über das Ergebnis.
  Nach zirka zwanzig Minuten beendete der Moderator den formellen Teil und für die Gäste öffneten sich die Türen zu einem weiteren festlichen Saal, in dem von Kellnern in orientalischen Gewändern alkoholfreie Getränke und kleine Kanapees gereicht wurden.
   Dort standen, etwas abseits vom Trubel, Prinz Salman und Doktor Fearard zusammen und unterhielten sich, wie Mentor und Schüler nach erfolgreichem Examen. Tiefe Dankbarkeit, Respekt und Bewunderung auf beiden Seiten, für die Geduld und die Aufopferung des Mentors und für das aufblühende und zur Reife gelangte Genie des Schülers.
  Plötzlich aber trat von der Seite Doktor Fearards Mutter fast lautlos an beide Männer heran, entschuldigte sich kurz beim Minister und drängte sich, als müsse sie sich durch einen winzigen Spalt quetschen, zwischen beide Männer und umarmte ihren Sohn mit einer überaus beherzten Freude, ohne jedoch weiter auf die andere sehr wichtige Person Rücksicht zu nehmen, die direkt hinter ihr stand.
  „Ich bin ja so stolz auf dich, Evin. Das hast du wirklich gut gemacht.“  Und sie drückte ihren Sohn so fest an sich, dass von ihm jeglicher Stress der letzten Tage und Wochen wie die Blätter eines Herbstwaldes ruhig, aber beständig abfielen. Und in Evin verschmolz diese Umarmung mit so mancher Schönen aus seiner Kindheit. Währenddessen schloss Aine die Augen, lehnte ihren Kopf an seine Schulter und fühlte die Wärme seines Körpers, denn für sie war er immer noch ihr Baby, das sie von ganzem Herzen liebte.
  Prinz Salman jedoch, schockiert, sprachlos und erbost, als sei er der kleinste und unwichtigste Mensch auf diesem Planeten, war
neben dieser Frau zum Warten gezwungen. Am meisten brachte ihn auf, dass sie ihm nicht, so wie alle anderen es taten, den gebührenden Respekt zollte, sondern ohne jegliches Bedenken ihm, dem Minister, dem Prinzen, dem Mann, seinen Zuhörer entriss und diesen für ihre eigenen Zwecke missbrauchte. Nie zuvor hatte sich jemand so etwas in seiner Gegenwart gewagt. Wild funkelten seine Augen, wütend zitterten seine Nasenflügel und seine Hände formten sich zu einem einzigen Krampf. Gleichzeitig aber irritierte ihn diese liebevolle Geste, in der Mutter und Sohn weiter verharrten, und er fühlte sich mehr und mehr wie ein voyeuristischer Zuschauer und Eindringling. Die innige Vertrautheit zwischen Mutter und Sohn, die hier in der Öffentlichkeit nicht vorkam, wühlte etwas tief in ihm auf, bis er sich plötzlich schämte. Wie konnte er nur seinen Egoismus und seinen falschen Stolz über die aufrichtigen Gefühle einer Mutter zu ihrem Kinde stellen? Und sein Zorn taute wie die Eiszapfen in der Mittagssonne. Ein Wohlwollen durchströmte ihn wie eine laue Meeresbrise in einer Sternen behangenen Sommernacht. Er faltete die Hände in seinen Schoß und mit einem Schmunzeln voller Nachsicht genoss er diesen privaten Moment, in den man ihn unfreiwillig hinein gesogen hatte.
  Bei dieser Gelegenheit betrachtete er Doktor Fearards Mutter genauer. Sie war ein wenig kleiner als er und hatte eine frauliche Figur, die ihm gefiel. Sie trug ein langes, bis fast zum Boden reichendes, dunkelgrünes, figurbetontes Kleid mit langen Ärmeln. Es war hochgeschlossen und auf dem Kleid waren auf Brusthöhe mit weißem Garn keltische Motive gestickt. Eine weiße Kordel umspielte als Gürtel sanft ihre Hüfte. Um ihren Kopf wickelte sich ein weißer Turban, der ihre kurzen roten Locken verstecken sollte und dessen eines Ende geschmeidig auf ihre Schulter herab wallte. Ihm fiel auf, dass sie auf der einen Seite wie nach islamischem Recht gekleidet war, aber auf der anderen Seite auch wieder nicht. Das irritierte und verwirrte Salman. War es Zufall oder war es Absicht? War sie gar Muslima?
  Aber schon verabschiedete sich dieser kurze Moment wie die Sonne im irischen Herbst, denn Doktor Fearard löste sich von seiner Mutter und drehte sich mit ihr in Richtung des Prinzen.
Aine öffnete die Augen und traf direkt auf Salmans gutmütige, mit kleinen Krähenfüßen und mädchenhaft langen Wimpern umfassten tiefschwarzen Augen. Der Minister aber lächelte, als hätte sie ihn selbst mit ihrer Umarmung beschenkt. Da schoss ihr mit aller Wucht die Röte ins Gesicht und Prinz Salman nutzte die Gelegenheit und erhob das Wort: „Das ist bestimmt Ihre Mutter, Dr. Fearard?“
  Und sichtlich verlegen antwortete Evin: „Ja, das ist meine Mutter, Aine Fearard. Entschuldigen Sie bitte ihre euphorische Begrüßung, Herr Minister. Es war nicht ihre Absicht, Ihnen gegenüber unhöflich zu sein. - Mutter, dies ist Prinz Salman Al-Chidr, Minister für Forschung und Entwicklung und mein Chef.“
  Ein Kollege des Doktors kam und verschaffte sich mit einer unaufdringlichen Geste Zutritt in diesen kleinen exklusiven Kreis, verneigte sich ehrfürchtig vor dem Prinzen, welcher mit einem würdevollen Nicken antwortete, und bat den Doktor mitzukommen.
Und schon war Aine allein mit dem Minister. Verlegen wie ein junges Mädchen, starrte sie auf ihre Fußspitzen und spielte mit den Fingern nervös am Kordelende ihres Gürtels. Aber Salman, amüsiert über ihre plötzlich schüchterne Zurückhaltung, reichte ihr zur Begrüßung die Hand. Mit einem befreiten Gefühl aus dieser misslichen Lage wollte Aine sogleich zugreifen, stoppte aber im letzten Moment und zögerte. Langsam schloss sich ihre Hand zu einer Faust und zog sich in die sichere Nähe ihres Körpers zurück. Höflich, aber bestimmt verkündete sie:
  „Verstehen Sie mich bitte nicht falsch, Prinz Salman, aber in Ihrer  Kultur ist es nicht üblich, ja sogar verboten, wenn Männer und Frauen sich berühren“, und gleichzeitig musterte sie gespannt seine Reaktion.
Ihre Worte erstaunten ihn und diese Frau gefiel ihm immer mehr. Nicht nur ihre natürliche Schönheit oder ihre strahlende Eleganz, sondern auch ihre Entschlossenheit und ihr Scharfblick faszinierten ihn. Sie hatte sich über die Gepflogenheiten seines Landes informiert und nun wusste er, ihre Kleiderwahl war kein Zufall. Mit einem verständnisvollen Lächeln legte er seine Hand auf seine Brust und senkte kurz den Kopf.
„Ich freue mich, dass sie unsere Sitten kennen und sie ihnen etwas bedeuten. Wenn sie darauf bestehen, wollen wir es gern so beibehalten.“
  Wie ein kleiner feiner Floh stachelte ihn indessen seine Neugier und Fragen über Fragen zuckten wie Blitze durch seinen Kopf und hüpften auf seine Zunge. Wie fand sie das Wetter in den Vereinigten Arabischen Emiraten? War sie mit ihrer Unterkunft zufrieden? Hatte sie sich schon etwas in seinem Land umgesehen? Schmeckte ihr das hiesige Essen? Störten sie die Rufe des Muezzins? Und so weiter und so weiter. Jede seiner Fragen fing Aine wie Schmetterlinge mit einem Kescher, geduldig und mit Freude. Ihre Antworten erfüllten ihn mit Stolz und am Ende fügte der Minister zufrieden über ihre gute Beurteilung vergnügt hinzu:
  „Über das Wochenende bin ich auf meiner Yacht im Persischen Golf. Es wäre mir eine große Freude, wenn Sie mich begleiten würden?“
  Das aber war nicht das, was Aine bei einem Gespräch von einem Prinzen, der dazu noch der Chef ihres Sohnes war, erwartet hätte. Seine Worte kochten ihr irisches Temperament hoch und mit scharfer Zunge schnitt sie eine Kerbe in seinen Vorschlag:  
  „Gestatten Sie mir bitte eine Frage, Herr Minister“, und mit einem breiten, selbst überschätzendem Lächeln folgte er galant ihren Worten, aber Aine kniff ihre Augen eng zusammen und knurrte bissig:
  „Wenn hier im Hafen ein reicher Amerikaner oder Russe vor Anker gehen würde, könnte er einfach eine hiesige Frau ansprechen und sie auf seine Yacht einladen?“
  Und mit einem hochmütigen donnernden Grollen lachte Prinz Salman laut auf und sagte: „Eine Frau von hier würde dies niemals tun. Unsere Frauen sind ehrbare Frauen.“
  Durch diese Worte aufs Äußerste angestachelt, presste Aine nun ihre Augenlider vollends zusammen, als könnte kein einziger Spinnfaden mehr hindurchwehen, und fragte in einem langen, ausgedehnten Ton:
  „Ach so ?! Dies würde dann doch im Umkehrschluss bedeuten, dass alle anderen Frauen, mich inbegriffen, nicht ehrbar wären, oder?“
  Oh, jetzt riss Salman seine Augen weit auf und schlagartig wurde ihm klar, dass er in eine Falle getappt war. So hatte er es nicht gemeint. Er selbst empfand sich als weltoffen und tolerant. Auf keinen Fall wollte er als ein konservativer Hardliner wahrgenommen werden. Aber ehe er seinen Fehler korrigieren konnte, wurde er von anderen Gästen umringt und in Beschlag genommen. Vereinzelt drängen sich die Störer zwischen ihn und Aine und überhäuften ihn mit Fragen.    
   Geschickt nutzte Aine die sich ihr bietende Gelegenheit und pirschte sich von dannen.
  Prinz Salman aber, genervt von der Bürde, schaute sich nochmals nach ihr um, fand sie aber im Getümmel nicht mehr.   
  Aine dagegen setzte sich in der hintersten Ecke des Saales auf einen Stuhl, drehte sich vorsichtig nach allen Seiten um und in einem unbeobachteten Moment zog sie ihre unbequemen Sandalen aus und verbarg sie zügig in ihrer Hand.
  Wiederholt durchforstete Salman angestrengt die Menge, aber erst als Aine aufstand, ihr langes Kleid vorn ein Stückchen hoch raffte und sich barfuß auf leisen Sohlen und schnellen Schrittes aus dem Saal schlich, bemerkte er sie. Doch für eine Entschuldigung war es da zu spät.

Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Arminius
Geschlecht:männlichReißwolf

Alter: 65
Beiträge: 1226
Wohnort: An der Elbe


Beitrag03.05.2023 21:28

von Arminius
Antworten mit Zitat

Mir gefällt die bildhafte Sprache, das plastische Herausarbeiten von Einzelheiten. Fast wie eine Fernsehreportage. Allerdings vergeht eine Menge Zeit, bis die Geschichte Fahrt aufnimmt: nahezu ein Drittel des Textes für einleitende Beschreibung ist vielleicht doch ein wenig zu viel des Guten. Da wird manche(r) Lesende die Geduld verlieren.
Für einen Einstand ist es fast schon druckreif formuliert. Vielleicht könnte man hier und da etwas Opulenz herausnehmen.
Vorsicht bei Beschreibung der arabischen Würdenträger. Ich würde frei erfundene Namen verwenden. Salman ist doch gefährlich nah dran an der Realität.


_________________
A mind is like a parachute. It doesn´t work if it is not open (Frank Zappa)
There is more stupidity than hydrogen in the universe, and it has a longer shelf life (Frank Zappa)
Information is not knowledge. Knowledge is not wisdom. Wisdom is not truth. Truth is not beauty. Beauty is not love. Love is not music. Music is the best (Frank Zappa)
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden Website dieses Benutzers besuchen
Pickman
Geschlecht:männlichPlottdrossel


Beiträge: 2284
Wohnort: Zwischen Prodesse und Delectare


Beitrag03.05.2023 22:41

von Pickman
Antworten mit Zitat

Hi AdaGro,

sieht gut aus, Dein Einstand, besser als einige andere.

Genug gelobt. Jetzt wird genörgelt.

"AN EINEM" - Derlei typographische Sperenchen hat Dein Text nicht nötig.

Der Text ist mit Adjektiven überfrachtet. Viele kannst Du streichen, andere werden überflüssig, wenn Du ein treffendes Substantiv wählst. Aus dem glänzenden Gebäude könnte z. B. ein Palast werden. Die langatmige Beschreibung ermüdet mich (andere Leser vielleicht nicht).

Wegen Prinz Salman würde ich mir keinen Kopf machen. Der hat hier nichts zu melden.

Cheers

Pickman


_________________
Tempus fugit.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Arminius
Geschlecht:männlichReißwolf

Alter: 65
Beiträge: 1226
Wohnort: An der Elbe


Beitrag04.05.2023 08:48

von Arminius
Antworten mit Zitat

Pickman hat Folgendes geschrieben:
Wegen Prinz Salman würde ich mir keinen Kopf machen. Der hat hier nichts zu melden.


"Du scheinst Dir da sehr sicher zu sein. Hast Du das überprüft?" (Zitat aus "Das Leben des Brian").
Im Ernst: auch ein gewisser, völlig humorfreier und leicht erregbarer Herr Erdogan lässt in Deutschland seine Anwälte von der Kette, wenn er sich auf den Schlips getreten fühlt.


_________________
A mind is like a parachute. It doesn´t work if it is not open (Frank Zappa)
There is more stupidity than hydrogen in the universe, and it has a longer shelf life (Frank Zappa)
Information is not knowledge. Knowledge is not wisdom. Wisdom is not truth. Truth is not beauty. Beauty is not love. Love is not music. Music is the best (Frank Zappa)
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden Website dieses Benutzers besuchen
Pickman
Geschlecht:männlichPlottdrossel


Beiträge: 2284
Wohnort: Zwischen Prodesse und Delectare


Beitrag04.05.2023 20:37

von Pickman
Antworten mit Zitat

Arminius hat Folgendes geschrieben:
Pickman hat Folgendes geschrieben:
Wegen Prinz Salman würde ich mir keinen Kopf machen. Der hat hier nichts zu melden.


"Du scheinst Dir da sehr sicher zu sein. Hast Du das überprüft?" (Zitat aus "Das Leben des Brian").
Im Ernst: auch ein gewisser, völlig humorfreier und leicht erregbarer Herr Erdogan lässt in Deutschland seine Anwälte von der Kette, wenn er sich auf den Schlips getreten fühlt.


Salman ist ein gängiger Name, Prinzen gibt es mehr als genug, vorauseilender Gehorsam ist mir fremd, und die Schere im Kopf beim Schreiben eher hinderlich. Für derlei Besorgnisse unterhalten die Verlage Rechtsabteilungen, aber ich bin mir sicher, dass auch die Besseres zu tun haben, als den Befindlichkeiten irgendwelcher Faschingsprinzen hinterherzurecherchieren.

Kunstfreiheit gibt es nur, solange wir sie in Anspruch nehmen.


_________________
Tempus fugit.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
AdaGro
Geschlecht:weiblichWortedrechsler
A


Beiträge: 71
Wohnort: unbekannt verzogen


A
Beitrag06.05.2023 09:53
Zum Namen - Prinz Salman
von AdaGro
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Hallo in die Runde,

ich überlege lange, bevor ich irgendwelche Wörter schreibe.
Der Name Salman, weil ich Salman Rushdie verehre. In den
arabischen Ländern ist es ein gängiger Name.

Wenn es darum geht, irgendwelche Männer, vielleicht noch religiös vorbelastet, nicht vor den Kopf zu stoßen, dann ist es für mich eh zu spät. Ich habe das Buch so geschrieben, dass am Ende jeder gern Prinz Salman wäre, auch ein Araber.
Weiterhin habe ich für ein muslimisches oder arabisches Frauen-
publikum einige witzige Spielereien eingebaut, die viel größeren Anstoss finden könnten, als nur der Name Salman.

Hitchcock hatte in all seinen Filmen eigene kleine Nebenrollen. Das mache ich in meinen Büchern auch. Es sind wenige, winzige versteckte Schachteln, die man öffnen kann, wenn man sie findet.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Ralphie
Geschlecht:männlichForenonkel

Alter: 71
Beiträge: 6398
Wohnort: 50189 Elsdorf
DSFo-Sponsor


Beitrag06.05.2023 10:15

von Ralphie
Antworten mit Zitat

In welchem Jahr spielt die Geschichte?
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
AdaGro
Geschlecht:weiblichWortedrechsler
A


Beiträge: 71
Wohnort: unbekannt verzogen


A
Beitrag09.05.2023 13:43

von AdaGro
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Ich habe den Text überarbeitet, habe aber das Gefühl wie beim selber Haare schneiden, wenn zuviel abgesäbelt wurde.


DER FESTAKT

  An einem späten Nachmittag im November fand in den Vereinigten Arabischen Emiraten eine der wichtigsten Veranstaltungen in diesem Jahr statt. In Dubai feierte man die erfolgreiche Entwicklung eines Antibiotikums.

  Wie bei einer arabischen Hochzeit hielten viele Limousinen vor dem Pavillon Al Wasl Plaza, jede ohne Hast, am Rande eines roten Teppichs, der so breit war wie die Brooklyn Bridge. Über diesen erleuchteten Pfad drängten sich die Menschen hin zu einem mächtigen Portal, das wie bei Frau Holle über und über mit Gold behangen war. Dort standen zu beiden Seiten mit Säbeln bewaffnete Wüstenkrieger. Jung und entschlossen präsentierten sie die ehemalige sowie die zukünftige Stärke des Landes. Hinter dem Tor tat sich den Gästen unter einer Kuppel aus stählernen Glasornamenten ein Saal von epischer Größe auf. Er umfasste eine Höhe von sechzig Metern und verbarg einen Durchmesser von einhundertfünfzig Metern. Wie eine sich langsam öffnende Rose versetzte das Innere alle Welt zum Staunen und demonstrierte damit deutlich den erlesenen Geschmack des Königshauses.

  Im Zentrum kam, wie bei einer mehrstufigen Hochzeitstorte, eine Tribüne mit einem Durchmesser von etwa fünf Metern zum Vorschein. Und wie von den Hüllen der vollen Blüte wurde sie von weit geschwungenen Sitzreihen umschlungen, die nur von vier langen Fluchtwegen durchbrochen waren. Die innersten Kreise aus bequemen, weißen Sesseln waren ausschließlich für die Königsfamilie und die Prinzen reserviert. Die anderen Gäste saßen in einigem Abstand auf den Stühlen dahinter. Von dort aus durften sie die Macht und die Größe der Vereinigten Arabischen Emirate bewundern.

  Langsam füllten sich die Ränge und die Vielsprachigkeit schwang als dröhnendes Brummen über die Köpfe. Die Hymne erscholl und jeder erhob sich von seinem Platz. Währenddessen trat der König ein. Als die Musik verstummte, setzte er sich und alle Untertanen sowie die Gäste folgten seinem Beispiel.  

  Von außen kommend schritt nun ein älterer Herr in landestypischer Kleidung über einen der Wege ins Zentrum. Feierlich erklomm er die wenigen Stufen der Tribüne und routiniert baute er sich hinter dem Rednerpult auf. Er faltete einen Zettel auseinander, räusperte sich kurz und startete die Moderation. Nach einer Weile tauschten er und ein junger Mann die Plätze und der Student erzählte dem zahlreichen Publikum die Geschichte der Universität. Sagenhaft kraftvolle Bilder wurden mit Lasern an die Innenwände der Glaskuppel projiziert und im Hintergrund durchströmte Musik die Reihen. Am Ende des Vortrages flimmerte am höchsten Punkt das übergroße Bildnis des Scheichs und hinter ihm wehte die Flagge des Landes. Wieder wechselten die beiden Männer ihre Plätze und der Student verließ im Hintergrund die Tribüne. Der Moderator aber bat den Minister für Forschung und Entwicklung, Prinz Salman, zu sich.

   Salman war ein nicht unattraktiver Mann Mitte fünfzig, groß und mit breiten Schultern. Alles an ihm strömte Würde und Autorität aus, seine weiße, fein gewebte Kandura, die er trug, die Ghutra auf seinem Kopf, sein exakt getrimmter Vollbart, die Rolex am Handgelenk und der mächtige Siegelring, welcher ihn als Mitglied der Königsfamilie legitimierte.

Wie der Hahn im Korb schritt der Minister eindrucksvoll auf die Bühne. Der Moderator wich mit gesenktem Kopf vom Pult zurück
und Salman übernahm wie selbstverständlich den frei gewordenen Platz. Er plusterte sich auf, durchschritt mit seinem scharfen Blick die vollen Reihen und erhob selbstbewusst die Stimme. Zuerst berichtete er über die wichtigsten Forschungserfolge des letzten Jahres. Dann gratulierte er Doktor Fearard für die grandiosen Ergebnisse und sicherte ihm und seinem jungen Team weitere finanzielle Unterstützung zu. Mit dem heutigen Tag bestätigte sich, dass die Vereinigten Arabischen Emirate zu den innovativsten und fortschrittlichsten Ländern der Welt gehörten. Am Schluss bat er mit einer erhabenen Geste Doktor Fearard auf die Bühne. Aus dem Hintergrund wurde dem Minister eine hohe Auszeichnung gereicht, die er mit Stolz Doktor Fearard übergab. Der Doktor, sichtlich ergriffen, bedankte sich mit der ersten tiefen Verbeugung beim Scheich, mit der zweiten beim Minister neben sich und zum Schluss bei seiner Mutter Aine, die in einer der hintersten Reihen saß und, begleitet von einigen stolzen Tränen, versunken der Zeremonie lauschte.   

  Während ihr Sohn seine Dankesrede hielt, erinnerte sie sich an die vielen Abschnitte der nunmehr fünfundzwanzig Jahre seit seiner Geburt. Viele Bilder wanderten durch ihren Kopf. Damals war sie selbst gerade einmal neunzehn Jahre alt, als ihr Zweitgeborener auf die Welt kam. Und jetzt saß sie in Dubai bei einem Festakt zu seinen Ehren.

  Nach zirka zwanzig Minuten beendete der Moderator den formellen Teil und für die Gäste öffneten sich die Türen zu einem weiteren Saal, in dem von Kellnern in orientalischen Gewändern alkoholfreie Getränke und kleine Kanapees gereicht wurden.

   Hier standen, etwas abseits vom Trubel, Prinz Salman und Doktor Fearard zusammen und unterhielten sich wie Mentor und Schüler nach erfolgreichem Examen. Tiefe Dankbarkeit, Respekt und Bewunderung auf beiden Seiten, für die Arbeit des Schülers und die Geduld des Mentors.

  Plötzlich trat fast lautlos von der Seite Doktor Fearards Mutter an beide heran, entschuldigte sich kurz beim Minister, und als müsse sie sich durch einen winzigen Spalt quetschen, drängte sie sich zwischen die Männer. Ihren Sohn umarmte sie wie im Sturm, aber auf die hinter ihr stehende, viel wichtigere Person nahm sie keine Rücksicht.

  „Ich bin ja so stolz auf dich, Evin. Das hast du wirklich gut gemacht.“  Und sie drückte ihren Sohn so fest an sich, dass jeglicher Stress der letzten Tage und Wochen wie die Blätter eines Herbstwaldes ruhig, aber beständig von ihm abfielen. Währenddessen schloss Aine die Augen, lehnte ihren Kopf an seine Schulter und fühlte Evins Wärme, denn für sie war er immer noch ihr Baby, das sie von ganzem Herzen liebte.

  Prinz Salman aber, schockiert und erbost, als sei er der kleinste und unwichtigste Mensch auf diesem Planeten, war neben dieser Frau zum Warten gezwungen. Wild funkelten seine Augen, wütend zitterten seine Nasenflügel und seine Hände formten sich zu einem einzigen Krampf. Am meisten brachte ihn auf, dass sie ihm nicht wie alle anderen den gebührenden Respekt zollte. Ganz im Gegenteil. Ohne jegliche Bedenken entriss sie ihm, dem Minister, dem Prinzen, dem Mann, seinen Schützling und missbrauchte ihn für ihre eigenen Zwecke. Nie zuvor hatte sich jemand das gewagt. Gleichzeitig aber irritierte ihn diese liebevolle Geste, in der Mutter und Sohn weiter verharrten. Mehr und mehr fühlte er sich wie ein voyeuristischer Zuschauer und Eindringling. Die innige Vertrautheit zwischen Mutter und Sohn, die hier in der Öffentlichkeit nicht zu existieren schien, wühlte etwas tief in ihm auf, bis er sich schlagartig schämte. Wie konnte er nur seinen Egoismus und seinen falschen Stolz über die aufrichtigen Gefühle einer Mutter zu ihrem Kinde stellen? Sein Zorn taute wie die Eiszapfen in der Mittagssonne und ein Wohlwollen durchströmte ihn. Er faltete die Hände in den Schoss und mit einem Schmunzeln voller Nachsicht genoss er diesen privaten Moment, in den man ihn unfreiwillig hinein gesogen hatte.

  Bei dieser Gelegenheit betrachtete er Doktor Fearards Mutter genauer. Sie war ein wenig kleiner als er und hatte eine frauliche Figur, die ihm gefiel. Sie trug ein langes, fast bis zum Boden reichendes, dunkelgrünes Kleid mit langen Ärmeln. Es war hochgeschlossen. Vorn und hinten strahlten auf Brusthöhe keltische Motive in reinstem Persilweiß. Eine ebensolche Kordel umspielte als Gürtel sanft ihre Hüfte. Um ihren Kopf wickelte sich ein weißer Turban, der ihre kurzen roten Locken verstecken sollte und dessen Ende geschmeidig auf ihre Schulter wallte. Salman fiel auf, dass sie auf der einen Seite nach islamischem Recht gekleidet war, aber auf der anderen Seite auch wieder nicht. War es Zufall oder war es Absicht? Es verwirrte ihn.

  Dieser kostbare Moment aber verabschiedete sich von ihm wie die Sonne im irischen Herbst. Denn Doktor Fearard löste sich von seiner Mutter und drehte sich mit ihr in Richtung des Prinzen. Aine öffnete ihre Augen und traf direkt auf die mit kleinen Krähenfüßen und mädchenhaft langen Wimpern umfassten des Prinzen. Und der lächelte, als hätte sie ihn selbst mit ihrer Umarmung beschenkt. Mit aller Wucht schoss da Aine die Röte ins Gesicht und Prinz Salman nutzte die Gelegenheit und erhob das Wort:  „Das ist bestimmt Ihre Mutter, Doktor Fearard?“

  Und sichtlich verlegen antwortete Evin: „Ja, das ist meine Mutter, Aine Fearard. Entschuldigen Sie bitte ihre euphorische Begrüßung, Herr Minister. Es war nicht ihre Absicht, Ihnen gegenüber unhöflich zu sein. - Mutter, dies ist Prinz Salman Al-Chidr, Minister für Forschung und Entwicklung und mein Chef.“

  Ein Kollege des Doktors kam und verschaffte sich mit einer unaufdringlichen Geste Zutritt in diesen kleinen exklusiven Kreis, verneigte sich ehrfürchtig vor dem Prinzen und bat den Doktor mitzukommen.

Und schon war Aine allein mit dem Minister. Wie ein junges Mädchen starrte sie verlegen auf ihre Fußspitzen und spielte mit den Fingern am Ende ihres Gürtels. Aber Salman, amüsiert über ihre plötzliche Zurückhaltung, reichte ihr zur Begrüßung die Hand. Als wäre Hilfe gekommen, um sie aus einer Grube zu ziehen, griff Aine zu, stoppte aber im letzten Moment und zögerte. Langsam schloss sich ihre Hand zu einer Faust und zog sich in die sichere Nähe ihres Körpers zurück. Höflich, aber bestimmt verkündete sie:

  „Verstehen Sie mich bitte nicht falsch, Prinz Salman, aber in Ihrer  Kultur ist es nicht üblich, ja sogar verboten, wenn Männer und Frauen sich berühren“, aber gleichzeitig musterte sie seine Reaktion.

Diese Worte erstaunten den Prinzen. Anscheinend hatte sich Doktor Fearards Mutter über die Gepflogenheiten seines Landes informiert. Nun war er sich sicher, ihre Kleiderwahl war kein Zufall. Diese Ausländerin gefiel ihm immer mehr.

Mit einem Lächeln des Konsens legte er die Hand auf seine Brust und senkte kurz den Kopf.

„Ich freue mich, dass Sie unsere Sitten kennen und dass sie Ihnen etwas bedeuten. Wenn Sie darauf bestehen, wollen wir es gern so beibehalten.“

  Wie ein kleiner, feiner Floh piesackte ihn indessen seine Neugier und Fragen über Fragen zuckten wie Blitze durch seinen Kopf, hüpften über seine Zunge und Aine entgegen. War sie mit ihrer
Unterkunft zufrieden? Wie gefiel ihr das Wetter in den Vereinigten Arabischen Emiraten? Hatte sie sich schon etwas in seinem Land umgesehen? Schmeckte ihr das hiesige Essen? Störten sie die Rufe des Muezzins auch nicht? Und so weiter und so weiter. Jede seiner Fragen fing Aine wie Schmetterlinge in einem Kescher, geduldig und mit Freude. Ihre Antworten erfüllten ihn mit zunehmendem Stolz und am Ende fügte der Minister, zufrieden über die gute Beurteilung, vergnügt hinzu:

  „Über das Wochenende bin ich auf meiner Yacht im Persischen Golf. Es wäre mir eine große Freude, wenn Sie mich begleiten würden?“

  Das aber war nicht das, was Aine bei einem Gespräch von einem Prinzen, der dazu noch der Chef ihres Sohnes war, erwartet hätte. Seine Worte kochten ihr irisches Temperament in die Höhe und mit scharfer Zunge schnitt sie eine Kerbe in seinen Vorschlag:  

  „Gestatten Sie mir bitte eine Frage, Herr Minister“, und mit einer  selbst überschätzenden Galanterie folgte er ihren Worten, Aine aber kniff ihre Augen eng zusammen und knurrte bissig:

  „Wenn hier im Hafen ein reicher Amerikaner oder Russe vor Anker gehen würde, könnte er einfach eine hiesige Frau ansprechen und sie auf seine Yacht einladen?“

  Mit einem hochmütigen, donnernden Grollen lachte Prinz Salman laut auf und sagte: „Eine Frau von hier würde dies niemals tun. Unsere Frauen sind ehrbare Frauen.“

  Durch diese Worte aufs Äußerste angestachelt, presste Aine ihre Lider vollends zusammen, als könnte kein einziger Spinnfaden mehr hindurch wehen, und zischte in einem langen, ausgedehnten Ton:

  „Ach so ?! Dies würde dann doch im Umkehrschluss bedeuten, dass alle anderen Frauen, mich inbegriffen, nicht ehrbar wären, oder?“

  Oh, jetzt riss Salman seine Augen weit auf und schlagartig wurde ihm klar, dass er in eine Falle getappt war. So hatte er das nicht gemeint. Er selbst empfand sich als weltoffen und tolerant. Auf keinen Fall wollte er als ein konservativer Hardliner wahrgenommen werden. Aber ehe er seinen Fehler korrigieren konnte, wurde er von anderen Gästen umringt und in Beschlag genommen. Lästige Fragen umschwirrten ihn wie hungrige Pferdebremsen. Diese Gelegenheit nutzte Aine geschickt und pirschte sich von dannen. Genervt schaute sich Salman nochmals nach ihr um, fand sie aber im Getümmel nicht mehr.  Aine dagegen setzte sich in der hintersten Ecke des Saales auf einen Stuhl und blickte sich vorsichtig nach allen Seiten um. In einem unbeobachteten Moment zog sie ihre neuen Sandalen aus und verbarg sie in der Hand.

  Noch immer vom Schwarm belagert, durchforstete Salman erneut den Saal. Aber erst als Aine aufstand, ihr langes Kleid vorn ein kleines Stück hoch raffte und schnellen Schrittes aus dem Saal schlich, bemerkte er sie. Aber für eine Entschuldigung war es da zu spät.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
AdaGro
Geschlecht:weiblichWortedrechsler
A


Beiträge: 71
Wohnort: unbekannt verzogen


A
Beitrag09.05.2023 13:47

von AdaGro
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Hallo Ralphie,

die Geschichte hat keine Jahreszahl. Mir hatte die Eröffnungsfeier der Expo 2020 sehr gefallen und sie passte zum Thema.

LG AdaGro
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
anuphti
Geschlecht:weiblichTrostkeks

Alter: 58
Beiträge: 4320
Wohnort: Isarstrand
DSFo-Sponsor Pokapro 2015


Beitrag09.05.2023 13:51

von anuphti
Antworten mit Zitat

Liebe AdaGro,

ich mag Deine Geschichten sehr. Auch das Thema.

Als Ärztin würde ich jetzt nur anmerken, dass die Entwicklung eines Antibiotikums heutzutage eher Routine ist und keinen derartigen Festakt triggert.

Wenn Du einen guten Grund für eine Veranstaltung brauchst, wie wäre es mit dem Nobelpreis für Medizin?
Oder einem Medikament, das Malaria wahlweise Tuberkulose ausrottet.
Oder einem Impfstoff gegen Aids
Oder Krebs.

Antibiotika sind nicht spektakulär genug.

Aber ich würde Dein Buch trotzdem lesen wollen.
Der Plot und der schon angedeutete Konflikt packt mich jetzt schon.

Liebe Grüße
Nuff


_________________
Pronomen: sie/ihr

Learn from the mistakes of others. You don´t live long enough to make all of them yourself. (Eleanor Roosevelt)

You don´t have to fight to live as you wish; live as you wish and pay whatever price is required. (Richard Bach)
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Ralphie
Geschlecht:männlichForenonkel

Alter: 71
Beiträge: 6398
Wohnort: 50189 Elsdorf
DSFo-Sponsor


Beitrag09.05.2023 13:54

von Ralphie
Antworten mit Zitat

Ich dachte nur. Ein November ohne Jahreszahl liest sich wie ein Groschenroman.

Lies den Satz noch mal durch. Findest du nicht auch, dass da etwas fehlt?

Nichts für ungut.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
AdaGro
Geschlecht:weiblichWortedrechsler
A


Beiträge: 71
Wohnort: unbekannt verzogen


A
Beitrag09.05.2023 14:16

von AdaGro
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Hallo anuphti,

der Plot ist ein anderer.

Wie viele deutsche Nobelpreisträger gibt es und wie viele arabische?
Die Arbeitsmoral unterscheidet sich wie Tag und Nacht. Wenn ich böse wäre, würde ich sagen, die Jungs dort bekommen eh nichts besseres hin, deshalb auch ein sehr junger amerikanischer Doktor mit einem Antibiotikum.

Ich möchte ausdrücklich betonen, dass ich kein Rassist bin. Es sind alles Erfahrungswerte der letzten Jahrzehnte.

LG AdaGro
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
AdaGro
Geschlecht:weiblichWortedrechsler
A


Beiträge: 71
Wohnort: unbekannt verzogen


A
Beitrag09.05.2023 14:20

von AdaGro
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Hallo Ralphie,

bei November hatte ich die Klimazone im Kopf. Im Sommer kann man sich dort schlecht aufhalten. (lt. Recherche) Viele Szenen spielen im Freien.

LG AdaGro
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
RMAK
Gänsefüßchen


Beiträge: 37
Wohnort: Schweiz


Beitrag13.05.2023 10:34

von RMAK
Antworten mit Zitat

Moin
Der Text hat mich abgehängt. Das muss nicht schlecht sein, da ich mit meiner Leseschwäche leicht abzuhängen bin.
Mir würde es Helfen wenn die Beschreibungen zu beginn aus der Sicht einer deiner Charaktere geschrieben sind. zb die Mutter, Aine Fearard. Mir hilft es wenn ich mich bei einem Text an eine Person klammern kann. Dan weiss sich was ich fühlen soll.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Beiträge der letzten Zeit anzeigen:   
Neues Thema eröffnen   Neue Antwort erstellen
Seite 1 von 1

Deutsches Schriftstellerforum Foren-Übersicht -> Prosa -> Einstand
Du kannst keine Beiträge in dieses Forum schreiben.
Du kannst auf Beiträge in diesem Forum nicht antworten.
Du kannst Deine Beiträge in diesem Forum nicht bearbeiten.
Du kannst Deine Beiträge in diesem Forum nicht löschen.
Du kannst an Umfragen in diesem Forum nicht teilnehmen.
In diesem Forum darfst Du keine Ereignisse posten
Du kannst Dateien in diesem Forum nicht posten
Du kannst Dateien in diesem Forum nicht herunterladen
 Foren-Übersicht Gehe zu:  


Ähnliche Beiträge
Thema Autor Forum Antworten Verfasst am
Keine neuen Beiträge Agenten, Verlage und Verleger
Wie lange wartet ihr auf Antwort von ...
von Nezuko
Nezuko Agenten, Verlage und Verleger 13 17.04.2024 16:20 Letzten Beitrag anzeigen
Keine neuen Beiträge Werkstatt
Das Leben im Forum
von Cholyrika
Cholyrika Werkstatt 1 15.04.2024 10:59 Letzten Beitrag anzeigen
Keine neuen Beiträge Werkstatt
Der Glücksritter
von Peter Hort
Peter Hort Werkstatt 0 14.04.2024 12:42 Letzten Beitrag anzeigen
Keine neuen Beiträge Einstand
Der Kuss
von Ella_Cross
Ella_Cross Einstand 12 12.04.2024 21:36 Letzten Beitrag anzeigen
Keine neuen Beiträge Feedback
Der Kannibale vom Rosengarten – ein...
von wunderkerze
wunderkerze Feedback 10 11.04.2024 14:43 Letzten Beitrag anzeigen

EmpfehlungBuchEmpfehlungBuchEmpfehlungEmpfehlungBuchEmpfehlungEmpfehlungEmpfehlung

von Canyamel

von Günter Wendt

von MosesBob

von fancy

von Maria

von Mercedes de Bonaventura

von DasProjekt

von Pütchen

von i-Punkt

von kskreativ

Impressum Datenschutz Marketing AGBs Links
Du hast noch keinen Account? Klicke hier um Dich jetzt kostenlos zu registrieren!