Camping (eine Erinnerung)

[wohe]

Eben landete ich beim Zappen (auch ne Leistung: trotz räucherlachsverschmutzten Fingern funktioniert die Fernbedienung immer noch) beim WDR und sah jemandem beim Campen zu.
Camping! Und das beim Abendbrot. Dabei fiel mir meine eigene Camper-Historie ein und die muss ich Euch jetzt unbedingt erzählen (sorry - ist halt ein Trieb).
Meine Camping-Geschichte lässt sich in vier Phasen unterteilen:
Der erste startete in den späten 50er Jahren mit einem Zelturlaub mit meinen Eltern am Ammersee, wo wir von den Bremsen vertrieben wurden und dann weiter nach Lido de Jesolo fuhren (NSU-Zeltplatz). Die dortigen Bilder bestehen dem nächtlichen Zeltstangenfesthalten während eines Gewitters und meinem ersten Ausflug nach Venedig. In den Jahren danach fuhren wir dann mit dem Wohnanhänger an die oberitalienischen Seen und die nördliche Adriaküste, wo die Attraktionen die täglichen Fachsimpeleien der Bootsbesitzer am Ufer waren, wobei mein Vater und ich als Segler und(!) Motorbootfahrer (Viking-Komet konnte beides) kräftig mithielten.
In den folgenden Jahren dann bestand das Campen bei mir und meinen Freunden aus dem unterkunftlosen Feiern und Schlafen irgendwo in der Wildnis (damals ging das noch) sowie aus dem Zelten bei Bundeswehr-Übungen (zwei Mal) und einer Uni-Exkursion.
Der dritte Abschnitt betrifft die Interimszeiten und die heutige Zeit und diese, also diejenigen mit nächtlichem Komfort, sind mir als die angenehmsten in Erinnerung.
Nun zum vierten Abschnitt. Zeit: Ende der 90er Jahre. Keine Ahnung, wer auf die Idee kam, aber vermutlich war ich es nicht. Wir, also meine Frau und ich packten ihr Zelt und Zubehör auf die Motorräder und fuhren an die Müritz bis kurz vor Waren.
Ein Platz mit saftigem Grün, wenigen Zelten und einem Empfangsgebäude, in dem stuhlähnliche Sitzgelegenheiten den Frühstücksraum andeuteten.
Wir bauten das 2-Mann-Zelt auf (wer so was unter einer Stunde schafft, ist ein handwerkliches Genie), schwangen uns auf die Mopeds und fuhren nach Waren, wo wir nach dem Essen zufällig eine schöne Aida-Open-Air-Aufführung sahen und dann, zurück auf dem Zeltplatz, zwecks Schlaf in unsere Schlafsäcke krochen.
Tja - der Schlaf.
Er kam und ging. Zuerst wegen des Harndrangs (Wein und Wasser halt), was einen ziemlichen Weg durch das inzwischen nasse, kalte Gras zum Toilettenhäuschen (unbeheizt) bedingte und dann durch die Kombination von Schnarchgeräuschen von irgendwo her und zunehmender Kälte.
„Was ist los?“, fragte meine Frau.
„Es ist kalt und jemand schnarcht“, sagte ich.
„Zieh dir was an und danke für die Information.“
Sie schlief wieder ein und ich kroch aus dem Schlafsack und bewaffnete mich mit Unterwäsche und Strümpfen.
Nach einige Zeit folgten dann Hose und Sweatshirt.
„Das ist ein ein-Personen-Schlafsack“, sagte meine Frau. „Du passt hier nicht mehr ein.“ Wenn frisch geweckt, fehlte ihr manchmal die weibliche Empathie.
„Aber mir ist kalt.“
„Zieh dir was an.“
„Habe ich schon.“
„Mach dir warme Gedanken.“
Klappte nicht. Ich zog mir noch die Motorradjacke über die Schultern und erinnerte mich, dass das es laut der gelesenen Bergsteigerberichte erst dann gefährlich wird, wenn man nicht mehr friert, konnte aber trotz dieser Beruhigung nicht wieder schlafen.
Das Frühstück bestand aus Pappbrötchen, Butter, Marmelade, Scheibenkäse und Kaffeeähnlichem.
Wir frühstückten dann noch einmal richtig in Waren und auf der Rückfahrt musste ich erkennen, dass es bei ungenügendem Schlaf auch auf dem Motorrad nicht leicht ist, wach zu bleiben.

[Gast]

Lieber @wohe: Mehr davon!
Assoziations-Texte wecken eigene Assoziationen, meine erst Camping-Erfahrung: Mit Freunden nach Holland, die Freunde im Caravan, mein Freund und ich in der Ente, ohne Ausrüstung auf einem Campingplatz. Abends beim Bingo in der Camping-Kneipe dann alles gewonnen, was wir morgens zum Frühstück brauchten: Kaffeefilter, Kaffeekanne, Brettchen, Messer ... hat uns nicht beliebter bei den niederländischen Campern gemacht. Und in der Ente schlafen war richtig Sch...e

[Arminius]

Danke, der Text hat eine wahre Erinnerungsflut mit ganz ähnlichen Erfahrungen ausgelöst: April 1984, geologische Exkursion im Zentralmassiv. Es war nachts so a...kalt, dass wir die Zelte fluchtartig verließen und uns in die Sanitärhäuschen verkrochen. Da ging wenigstens nicht dieser eisige Wind.
Zelten und Motorrad fahren: ein Kapitel für sich! Die Honda bot Hinterherfahrenden einen furchterregenden Anblick. Mehr Bagage ging nicht. Ein Wunder, dass der Gepäckträger das mitmachte...
Vielleicht sollte man solche Campingabenteuer in einem Buch zusammenfassen.

[wohe]

[Ralphie]

Gab es den Lido de Jesolo schon in den Fünfzigerjahren?

[Arminius]