Ohne Titel

[Bernhard Zeitverleih]

Du kamst, du gingst, nun bist du fort.
Ich denke, es ist gut.
Nur dieses Eine, Letzte braucht
wohl länger, bis es ruht.

Vielleicht auch, dass es ewig mich
verborgen weiter ruft.
Du kamst, du gingst, doch mich verfolgt
dein abgrundsüßer Duft.

[Soleatus]

Hallo Bernhard!

Liest sich gut. Bei dieser besonderen Form ist die Frage, ob man sie als Vier- oder als Zweizeiler darstellt, eine reine Geschmacksentscheidung.

Du kamst, du gingst, nun bist du fort. Ich denke, es ist gut.
Nur dieses Eine, Letzte braucht wohl länger, bis es ruht.

Vielleicht auch, dass es ewig mich verborgen weiter ruft.
Du kamst, du gingst, doch mich verfolgt dein abgrundsüßer Duft.

Hm. Du hast dich entschieden, wie du dich entschieden hast, und sicher aus guten Gründen; ich könnte mit dieser Darstellung auch warm werden, nicht zuletzt, weil ich das Gefühl habe, die "Reimdichtung" könnte, wenn sie auch nicht Abschied nehmen muss von kreuz- oder halbgereimten Vierzeilern, so doch auch andere Strophenformen ins Auge fassen; da gibt es so viel, und diese Vierzeiler ziehen inzwischen so wenig Aufmerksamkeit auf sich, dass das wirklich lohnen sollte.

Gruß,

Soleatus

[Bernhard Zeitverleih]

Hallo Soleatus,

ich Danke dir für deine Rückmeldung.
Deinen Vorschlag hab ich mir länger betrachtet. Ich finde aber, dass dadurch völlig die unterschiedlichen Geschwindigkeiten der vier- bzw. dreihebigen Verse verloren gehen und damit der Rhythmus erheblich leidet.
Was die Vierzeiler angeht - Ich würde gerne viel mehr davon lesen. Und vor allem schreiben. 😉

Beste Grüße
Bernhard

[Soleatus]

Hallo Bernhard!

So sehr leidet der Rhythmus gar nicht, weil ja diese Siebenheber einen festen Einschnitt haben nach dem vierten Fuß, also da, wo bei dir der Zeilenumbruch ist. Wie gesagt: Das sind eigentlich nur Darstellungsvarianten. Wahr ist natürlich, dass ein mit dem Siebenheber nicht vertrauter Leser über den Einschnitt leicht hinwegeilt, wohingegen der Zeilenumbruch ein deutlicheres Stoppschild ist.

Für die Anzahl der eigenen Vierzeiler kannst nur du etwas tun; zu lesen gibt es doch eigentlich genug, die letzten zwei Jahrhunderte haben da einiges angehäuft?! Wenn du aber meinst, Vierzeiler von heute: da bin ich ganz froh, dass es nicht noch mehr sind als ohnehin schon – irgendwann muss man ja auch einmal den eigenen Kopf benutzen und sich um eigene Formen bemühen, statt sich immer auf das zu verlassen, was andere ohne Ende gemacht haben. (Und das sage ich als jemand, der durchaus auch mal Vierzeiler schreibt.)

Gruß,

Soleatus

[Bernhard Zeitverleih]

Nochmals hallo.

Ich finde, gerade beim ersten und zweiten Vers wird deutlich, was ich mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten meinte: V1 ist sehr langsam zu lesen. Die Kommata haben zusammen mit dem Sinn quasi Punktpausenlänge, also schonmal 2 große Pausen. "Kamst" und "gingst" lesen sich so lang, wie ein zweisilbiges Wort, zumal auf das "t" von "kamst" auch noch das "d" von "du" folgt - da braucht alleine die Zunge eine Extrapause. Probier es wirklich mal aus. So ziehen sich die 4 jambischen Hebungen und könnten gelesen gefühlt eine Länge von 5 haben. V2 dagegen liest sich einfach so dahin, auch mit seiner klitzekleinen Pause.
Und diese unterschiedlichen Geschwindigkeiten gingen in einem einzigen Vers völlig unter.
V3 wieder ähnlich, etwas langsamer und getragenen, dagegen V4 eher flott.
Und so alternieren die Verspaare jeweils miteinander. Zumindest in meiner Idee. 😅

Die Vierzeiler der letzten 2 Jahrhunderte (mit Ausnahme der letzten 30-40 Jahre) stehen von Arendt bis Zweig wieder- und wiedergelesen im Regal. Was die eigenen angeht, es stockt. Obwohl dafür durchaus noch freier Platz wäre im gegenüberstehenden Regal.

Beste Grüße
Bernhard