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Der Tod des Automaten


 
 
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wohe
Geschlecht:männlichKlammeraffe
W

Alter: 71
Beiträge: 632
Wohnort: Berlin


W
Beitrag15.02.2023 13:08
Der Tod des Automaten
von wohe
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Hallo Freunde,
diese Geschichte habe ich eigentlich für die Ausschreibung „Mensch-gemacht“ der Münchner Schreiberlinge geschrieben.
Ich werde sie aber nicht einsenden, da sie die Anforderung „Fluch oder Segen? Helfend oder unterdrückend? Erzählt uns eure Geschichten der Technik.“ nicht erfüllt.
Außerdem kämen die contend notes „Rauchen, Auto fahren“ wahrscheinlich nicht gut an. Wink
Vielleicht gefällt sie Euch ja trotzdem.


Der Tod des Automaten

»Was zum Teufel machen Sie da?« Wohe versperrte dem Handwerker den Weg.
Der besah sich sein Gegenüber von oben bis unten und runzelte die Stirn.
Zugegeben, Wohe war nicht unbedingt den gesellschaftlichen Konventionen entsprechend gewandet, aber woher die Zeit dafür nehmen, wenn man morgens als erstes aus dem Fenster sieht und mitbekommt, wie jemand den Zigarettenautomaten abbaut. Daher der Schlafanzug.
»Das sehen Sie doch«, sagte der Handwerker. »Ich baue den Automaten ab.«
»Wieso? Was hat der Ihnen getan? Und woher sollen wir ohne Automaten die Zigaretten holen?«
»Guter Mann«, sagte der Mann, »aus diesem Automaten sind in der letzten Zeit ausschließlich zwei Sorten Kippen gezogen worden, das heißt, es gibt hier auch nur zwei Raucher und für zwei Raucher lohnen nicht Instandhaltung und zweimalige Bestückung je Woche. Also weg damit.«
»Die zwei Raucher sind meine Frau und ich“, sagte Wohe, „und  wir rauchen keine vierzig Packungen je Sorte. Also reicht es, wenn Sie einfach nur ein Mal in der Woche kommen. Was halten Sie davon?«
»Nichts. Das lohnt trotzdem nicht. Ich empfehle, beim Einkaufen jedes Mal ein größeres Marge zu holen und schon ist das Problem gelöst.«
»Aber ich kann doch nicht jede Menge Zigaretten auf Vorrat kaufen. Was ist, wenn ich dann plötzlich Nichtraucher werde? Dann lagern da Unmengen von ungenutzten Zigaretten im Haus.«
»Tja. Dann kann ich Ihnen auch nicht helfen. Der Automat hier ist jedenfalls zum Tode verurteilt. Gott sei seiner armen Seele gnädig.« Der Mann schleppte das Gerät in sein Auto und verschwand.
Wohe schleppte sich ins Haus zurück.

Auch Charlotte fehlte die Begeisterung für sein Outfit. »Soweit mir bekannt, ist es ein eindeutiges Indiz für eine fortgeschrittene Alzheimer-Erkrankung, wenn man im Schlafanzug auf die Straße läuft.« Sie schüttelte den Kopf. »Wenn ich dich pflegen soll, will ich aber auch das Haus überschrieben bekommen.«
Natürlich: beim Geld hörte die Liebe auf. Wohe erklärte das mit dem Automaten.
Charlotte lief zum Fenster. Tatsächlich. Kein Automat weit und breit. Sie sah traurig auf ihre halbleere HB-Packung. »Und nun?«
»Frühstück und zu Edeka.«

Charlotte und Wohe hatten sich bewusst aufs Land zurückgezogen. »Back to the roots« und so. Unterstützt wurde der Entschluss durch die Kündigung ihrer Stadtwohnung wegen Eigenbedarfs und so lange, wie ihnen der schriftstellerische Durchbruch noch nicht gelungen war, waren Alternativwohnungen viel zu teuer.
Also Dorfleben.
Zur Unterstützung der Daseinsgrundlage hatte Wohe noch Seymours Buch vom Leben auf dem Lande angeschleppt. Logisch, die Meisten hatten das zu Hause und vielleicht sogar mal kurz reingeschaut, aber so leben? Charlotte und er hatten dann tatsächlich darin gelesen und festgestellt, dass die Koexistenz mit Schwein und selbst zu rodendem Gemüse nicht ihrer beider Hygienevorstellung entsprach und das Ganze überdies verdächtig nach Arbeit aussah. Also landete das Buch im Müll und als Zugeständnis an die originäre Lebensform hatten sie sich auf ein paar Hühner geeinigt. Die pickten den lieben langen Tag meditativ vor sich hin und störten nicht weiter. Ohne Hahn natürlich, wegen des Lärms.
Und jetzt fuhren sie zu Edeka. Mit den Fahrrädern, weil zur konsequent natürlichen Lebensgestaltung auch der Verzicht aufs Auto gehörte, und hinten an Wohes Rad (so weit zum Thema Gleichberechtigung und -behandlung) bremste der Hänger für den Wocheneinkauf.
Das übliche Bild: Vorweg Charlotte, mit wehenden Haaren und finsterem Blick. Letzterer war war zum Standard avanciert, sowie sie das Rad auch nur sah. Hinter ihr Wohe mit Schweißfilm auf der Stirn, der sich ab und zu mit einem von Charlotte herüber fliegenden Tropfen vereinigte.
Freude sah anders aus, zumal dieses Fortbewegungsmittel auch noch durch eine meteorologische Absurdität an Attraktivität verlor. Egal, in welche Richtung sie fuhren, sie hatten immer Gegenwind.

Wohe stand vor den Zigaretten und zählte die vorhandenen HB- und Eckstein-Stangen.
»Denk nicht mal dran«, sagte Charlotte. »Wir hatten uns darauf geeinigt, nie Suchtraucher zu werden und daher nie mehr Kippen zu kaufen, als wir aktuell brauchen. So können wir jederzeit aufhören, ohne auf die Restbestände Rücksicht nehmen zu müssen.«
Jederzeit aufhören. Na ja.
»Ich weiß, ich weiß.« Wohe schnappte sich tapfer eine einzelne Schachtel. »Die müsste man dann wegwerfen, das wäre Ressourcenverschwendung und mithin ökologisch sowie ökonomisch verwerflich und das wäre das Ende unserer Entscheidungsfreiheit.«
»Brav.«
Sie beluden Hänger und Rucksäcke und machten dann eine Rauchpause.
»Wir sollten langfristig über Alternativen zu dieser verdammten Fahrerei nachdenken«, sagte Charlotte.
»Stimmt. Insbesondere, wenn wir jetzt ein oder zwei Mal am Tag zum Kippen holen hin und her gondeln müssen, um Vorratshaltung zu vermeiden. Was bleibt? Umziehen?«
»Geht nicht wegen der Hühner.« Und der Kosten und des damit verbundenen Aktionismus und so weiter und so weiter.
»Am Gemeindehaus ist eine Bushaltestelle«, sagte Wohe.
»Hast du da schon mal einen Bus gesehen?«
»Nee.«
»Kein Wunder, der fährt morgens die Kinder zur Schule, da schlafen wir noch und nachmittags bringt er die wieder zurück. Das war’s. Willst du sechs oder acht Stunden bei Edeka rumsitzen und warten, bis der wieder vorbei kommt?«
»Nee.«
Sie dachten weiter nach.
Schließlich sprach Wohe es aus: »Wir könnten das Rauchen aufgeben.«
„Klar, könnten wir.«
»Und?«
»Was und?«
»Wollen wir das Rauchen aufgeben?«
Charlotte überlegte. »Das entscheiden wir nachher, wenn die Schachteln alle sind.«
Sie radelten nach Hause. Bei Gegenwind. Natürlich.

Drei Tage und drei Zigarettenkauffahrten später war Wohe deutlich genervt. Insbesondere, da Charlotte sich kategorisch weigerte, ihm diese Fahrten abzunehmen. »So was ist Männersache. Schon zu Lucy’s Zeiten liefen die Männer hinter den Mammut her und die Frauen saßen am Feuer und verteidigten das Lager gegen Säbelzahntiger. Das nennt sich Arbeitsteilung.« Sie hielt ihm ostentativ die leere Schachtel hin. »Und jetzt fahr endlich los.«
»Wie hört man eigentlich mit dem Rauchen auf?«
»Hier«, sie warf ihm eine Illustrierte zu. »Ablenkung durch Sport, Essen, Sex oder Meditation. Zur Not geht’s auch mit Arbeiten.«
Arbeiten? Sowohl bei Charlotte als auch bei Wohe war der Zigarettenverbrauch bei dieser Tätigkeit am höchsten. Kein Wunder, schließlich lenkte das Rauchen vom Arbeiten ab. Der Zusammenhang war also genau umgekehrt. Also Quatsch.
Und Sport?  Er hatte schon in der Schule kein Fach mehr geschwänzt als Sport. Kopfschmerzen waren immer gut gekommen und Magen-Darm ebenfalls. Und jetzt sollte er freiwillig Sport treiben? Da konnte er ja genauso gut noch mal zu Edeka radeln, um Kippen zu kaufen. Also auch Quatsch. »Essen wäre gut.«
»Aber nicht für dich.« Charlotte kniff in seine Taille.
Auf so was ging man besser gar nicht ein.
»Sex«, fragte er.
»Warum nicht. Gestern Abend warst du eh ein bisschen zu träge.«
»Ich war nicht träge! Du willst doch immer oben liegen.«
»Stimmt. Aber man kann auch deutlich zu ruhig unten liegen.« Sie stand auf und schob ihn ins Schlafzimmer.
Später dann: »Gib mir bitte die Zigaretten rüber.«
»Alle.«
Das war jetzt ganz schlecht. Nach dem Beischlaf verlangte der menschliche Körper nach der Zigarette danach. Das war sozusagen ein Naturgesetz und Verstöße dagegen wurden meist bestraft.
In diesem Fall bekam Charlotte schlechte Laune. Sehr schlechte Laune.
Wohe floh aufs Rad und fuhr zu Edeka.

»Vielleicht sind wir, was die Vorratshaltung von Zigaretten betrifft, ein bisschen zu dogmatisch.« Wohe zählte seine Restbestände. »Wir kaufen ja auch Wein für die ganze Woche ohne zu wissen, ob wir nicht plötzlich Abstinenzler werden.«
»Für wie wahrscheinlich hältst du das?«
Zugegeben, das Beispiel war schlecht. »Oder die Schokolade. Auch bei Schokolade besteht Suchtgefahr und trotzdem haben wir immer jede Menge im Schrank.«
Charlotte sah von ihrer Arbeit aus und verzog das Gesicht. »Reden wir doch Klartext. Die Schokoladensucht ist als gesellschaftlich-medizinisches Problem deutlich unausgeprägter als die Nikotinsucht und um der vorzubeugen, haben wir den unumstößlichen Entschluss zur Qualmkontrolle mittels Mengenkontrolle gefasst. Pacta sunt servanda.« Sie beugte sich wieder über ihre Tastatur.
»Dennoch«, wagte Wohe sich noch etwas weiter vor, »müssen wir uns überlegen, wie wir das Zigarettenproblem langfristig lösen. Keiner von uns hat Lust, noch jahrzehntelang jeden Tag zwei mal zehn km zu radeln, um dann abends festzustellen, dass die Kippen trotzdem nicht reichen. Du hast gestern Abend sogar schon eine von meinen geraucht.«
»Das war aber auch eine Strafe.« Charlotte schüttelte sich. »Dass du ein dermaßen ekliges Kraut überhaupt rauchen kannst. Da ist bestimmt kiloweise Nikotin drin und schmecken tut es wie ... Üäh.«
Bisher war genau dies auch eine Gewähr dafür gewesen, dass nie jemand Zigaretten von ihm geschnorrt hatte. Um so wichtiger, dass Alternativen her kamen.
»Und?«, fragte er. »Was machen wir nun?«
Charlotte sah ihn an und zog die Stirn kraus. »Worauf willst du hinaus?«
Eine gekräuselte Stirn war kein gutes Zeichen. Dennoch: »Zu Edeka sind es je Strecke 10 km, das macht 7300 km im Jahr, bei Wind und Wetter, bei Eis und Schnee. In zehn Jahren sind das 73000 km für Kippeneinkaufsfahrten. Willst du mir das wirklich antun?«
»73000 minus 1040. Den Wocheneinkauf kannst du nicht mit einrechnen.« Charlotte konnte sehr schnell rechnen. »Aber du hast Recht. Wenn du dir bei Eis und Schnee die Knochen brichst, bricht mir das das Herz.« Sie sah verzückt zur Decke. »Himmel, bin ich gut.«
»Und?«
»Ich gehe mit dir d’accord. Das Fahrrad ist nicht das ideale Verkehrsmittel.«
»Wie wär’s mit einem Packesel? Wir haben noch Platz hinterm Haus und Gras für Futter genug im Garten.«
»Quatsch. Wir leben im zwanzigsten Jahrhundert. Ich dachte mehr an Möglichkeiten durch technische Unterstützung.«
Wovon redete diese Frau? »Technische Unterstützung? Drohnen, die an Stelle von Bomben Zigaretten abwerfen? Ein ferngesteuertes Modellboot, das im Straßengraben zwischen Edeka und unserem Haus hin und her fährt?«
»So was in der Richtung. Da müssen wir uns mal sachkundig machen, was es für Alternativen gibt. Demnächst.«

Ihre Suche nach technischen Lösungen war noch nicht sonderlich vorangekommen. Stattdessen fanden sie sich bei Edeka am Zeitschriftenstand. Zwar kauften sie hier regelmäßig ein, bisher war es aber noch nicht vorgekommen, dass sie unabhängig voneinander in Autozeitungen blätterten.
In Autozeitungen!
Dabei war es eine Selbstverständlichkeit gewesen, auch auf die Gefahr drohender Unbequemlichkeiten hin das Risiko »Landleben ohne Auto« einzugehen und keiner von beiden hatte dies, zumindest verbal, bisher in Frage gestellt. Gewisse leise Flüche beim Radfahren mal ausgenommen.
Und nun blätterten sie nicht nur in Auto-Fachzeitschriften, sondern nahmen auch unisono je mehrere davon mit zur Kasse.
»Wir werden älter«, sagte Charlotte. »Da muss man sich darauf vorbereiten, dass man irgendwann nicht mehr so fit ist und Hilfe zur Mobilität braucht.«
Hilfe zur Mobilität? Die Frau war gerade 35 geworden. Wie auch immer: Wohe griff noch schnell zu einer weiteren Zeitschrift. »Sicher«, bestätigte er. »Ich nehme dieses Geschreibe auch nur mit wegen der Gereatrieprophylaxe.«
Auf dem Kassenband lagen dann jede Menge Lebensmittel, eine Packung HB, eine Packung Eckstein, zwei Sportwagen-Fachzeitschriften und zwei für Familienfahrzeuge. Und eine für Rollatoren. Davor standen zwei zukünftige Leser und sahen sich mit tief gefurchten Stirnen an.
»Was interessieren dich Ferrari und Porsche?«, fragte Wohe.
»Nichts«, sagte Charlotte. »Das ist nur für die Allgemeinbildung. Und was willst du mit VW-Bussen? Und was zum Teufel soll das mit den Rollatoren?«
»Weiß nicht. Die Zeitungen lagen da so rum.«

Es kam, wie es kommen musste.
»Wat mut, dat mut.« Charlotte drückte ihre Frühstückszigarette aus und sie starteten. Mit dem Rad in den Nachbarort, dann mit der Bahn in die Stadt und mit dem Bus zu den Autohäusern. Insgesamt zwei Stunden Fahrzeit, aber dafür gab es hier Unmengen von Autos. Alte und neue, billige und teure.
Wohe war bereits völlig fertig, als er endlich die Sektion mit den gebrauchten Kombis gefunden hatte.
Charlotte stand eine Reihe weiter. »Wow!« Laut und bewundernd. So äußerte sie sich nie, wenn sie ihn sah. Das könnte einem glatt zu denken geben. »Der ist aber chic.«
Wohe ging zu ihr hinüber. »Aber total unpraktisch. Erinnere dich, wir wollten einen Kombi.«
Charlotte setzte sich in den Alpha Spider. Im Nu hatte sie das Verdeck nach hinten geklappt und den Kofferraum geöffnet. »Aber er sieht gut aus und das Verdeck kann man auch abnehmen und wenn du ihn mit dem Fahrradanhänger vergleichst, geht in den Kofferraum sogar noch mehr rein.«
Wie hatte die das wohl auf die Schnelle herausbekommen? Sehr verdächtig.
»Charlotte«, sagte Wohe. Mit eindringlichem Tonfall.
»Dustin Hoffman hat den auch gefahren, da sind 15000 Euro quasi geschenkt.« Charlotte blieb standhaft sitzen.
»Dustin Hoffman?«
»In der Reifeprüfung. Hallo, das war unser erster gemeinsamer Kinoabend. Schon verdrängt?«
»Natürlich nicht.«
»Na also. Natürlich ist der Wagen nicht das klassische Nutzfahrzeug, aber um der Erinnerung an unseren ersten gemeinsamen Kinoabend willen sollten wir da zumindest mit drüber nachdenken.«
»Klar, wird gemacht.« Wohe dachte drüber nach und suchte weiter bei den Kombis.
Nach einiger Zeit fiel ihm das Fehlen seiner Lebenspartnerin auf. Er dachte noch einmal nach. Irgendwie sah das Ganze nach einem abgekarteten Spiel aus. Charlotte und Auto versus Wohe. Zwei gegen einen. Er seufzte und ging wieder zur Sportwagenabteilung.
Charlotte saß immer noch im Spider.
»Probefahrt?«, fragte Wohe.
»Wenn du drauf bestehst.«
Charlotte schien eine immer größere Affinität zum Gaspedal zu empfinden. Sie flogen nur so durch die Kurven und ihre Haare flogen beinahe waagerecht hinter ihr her.
Wow! Sah die Frau gut aus. Ok, sah sie sonst auch, aber Wohe musste zugeben, dass sie als Fahrerin eines schnittigen Cabriolets eine noch bessere Figur machte, als beim Strampeln auf dem Fahrrad.
Allerdings: gab es da in den zwanziger Jahren nicht eine Frau, deren Schal hinter ihr her geflattert war und sich prompt im Hinterrad verfangen hatte? War dann natürlich tot, die Ärmste. Jetzt fiel ihm auch der Name wieder ein: Isadora Duncan. Wohe sah unauffällig nach hinten. Keine Gefahr, so lang waren Charlottes Haare zum Glück dann doch nicht.
Der Rest war reine Formsache.
Nach sehr ausgiebiger Probefahrt stellte Charlotte den Wagen gar nicht erst wieder an seinen Platz zurück. Den Schlüssel steckte sie in ihre Tasche und ging zu dem Verkäufer. »Der bezahlt.« Sie zeigte auf Wohe.

Es dauerte eine Woche, bis das neue Familienmitglied zur Abholung bereit stand.
Zuvor hatten sie ausgiebig über dessen Integration in ihre Beziehung diskutiert.
»Wir können ihn Eros nennen«, schlug Charlotte vor.
»Ein Auto namens Eros?«
»Genau, nach Eros Ramazotti. Flottes Auto, flotter Typ. Und beide sind Italiener.«
»Und wir nutzen es nur zum Einkaufen.«
»Ihn.«
»Ihn?«
»Eros. Logisch, zum Einkaufen und so.«
»Was heißt und so?«
»Wozu man ein Auto so braucht. Um zum Arzt zu fahren, wenn einer krank wird oder oder in die Stadt wegen der Kultur oder um zum Tanken zu fahren.«
»Zum Tanzen?« Das durfte doch nicht wahr sein. Die wusste doch nicht einmal, wie das ging.
»Tanken, nicht tanzen. Ein Auto braucht Benzin, also muss man es betanken.«
Also standen sie um sechs Uhr auf, um den Bus zu erreichen und trotz der unmöglichen Zeit war zumindest Charlotte exzellenter Laune. Wohe dachte an die 15000 Euro und litt ein wenig.
Erst als sie im Auto saßen (Charlotte selbstverständlich am Steuer), besserte sich seine Stimmung. Wegen ihres Anblicks, der das Geld zu 100 Prozent wert war.
»Wir könnten gleich zum Einkaufen fahren«, sagte Wohe. »Wir brauchen Bier und Kartoffeln und danach können wir noch das alte Regal zur Sammelstelle bringen.«
»Kartoffeln?«, fragte Charlotte. »Du willst die dreckigen Kartoffeln ins Auto packen? Und wie willst du die Regalreste im Kofferraum unterbringen? Da zerkratzt du doch die ganze Auskleidung. Für so was gibt es Anhänger.«
»Das Auto hat keine Hängerkupplung.«
»Fahrradanhänger!«
Wohe seufzte. Er stieg wieder aus und ging zum Verkäufer zurück. »Wir bräuchten Sie noch einmal. Haben Sie noch einen günstigen Golf für die Kartoffeln?«
Ob ein oder zwei Autos: das war dem Klima nun auch egal.

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Günter Wendt
Geschlecht:männlichExposéadler


Beiträge: 2861



Beitrag15.02.2023 16:39

von Günter Wendt
Antworten mit Zitat

Also gut. Wir sind im Feedbackbereich. Darum jetzt Feedback ohne auf stilistische Fallen oder Rechtschreib- und Grammatiklöcher einzugehen.

Äh … (Finger hochheb)
„ Quatsch. Wir leben im zwanzigsten Jahrhundert…“
Falsch. Wir leben im einundzwanzigsten Jahrhundert. Seit dem 1.1.2000. Also bereits 23 Jahre. Wink

Und Eckstein … gibt’s seit mindestens 2015 nicht mehr. Wink

Es ist eine „Anhänger-Kupplung“. Eine Hängerkupplung …? Gibt’s nur wenn man durchhängt. Wink
Ansonsten sehr amüsant geschrieben.
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Skatha
Geschlecht:weiblichEselsohr


Beiträge: 371
Wohnort: Alpenraum


Beitrag16.02.2023 16:27

von Skatha
Antworten mit Zitat

Zitat:
Die pickten den lieben langen Tag meditativ vor sich hin und störten nicht weiter. Ohne Hahn natürlich, wegen des Lärms.
Wobei Hühner auch sehr laut sein können, und das mit dem ersten Blinzeln der Morgensonne.

Fands jedenfalls auch unterhaltsam. Da wird unfassbar unlogisch daherargumentiert, und ich befürchte, es ist gar nicht mal so übertrieben.
LG Skatha


_________________
It is not despair, for despair is only for those who see the end beyond all doubt. We do not.
(J.R.R. Tolkien, The Lord of the Rings)
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wohe
Geschlecht:männlichKlammeraffe
W

Alter: 71
Beiträge: 632
Wohnort: Berlin


W
Beitrag16.02.2023 21:59

von wohe
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Hi Günter Wendt, Skatha,
dass Euch die Geschichte unterhalten hat, freut mich sehr.
Genau das soll sie auch.
Skatha hat Folgendes geschrieben:
... unlogisch daherargumentiert
Ich liebe so was. Das kommt in meinem sozialen Umfeld nicht immer richtig gut an, daher schreibe ich dann so.
MfG Wohe
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Gast







Beitrag20.02.2023 12:26

von Gast
Antworten mit Zitat

Mein lieber @wohe, ich bin grinsend drangeblieben - auch wenn du das Thema breit ausgewalzt hast: Schöne Dialoge und auch die beste Ehefrau von allen hat mir gut gefallen, Grüße an sie! Daumen hoch²
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