Was wurde aus dir?

[Hera Klit]

Was wurde aus dir?
Da hängt das letzte Bild von dir,
so stolz und schön und tapfer.
Lang, lang lang ist's her.
Dein Grab find‘ man nimmer mehr.
Du hattest auch einen Traum,
ich seh's in deinen treuen Augen.
Du wolltest glücklich sein,
wie jeder andere Mensch.
Du hättest es verdient gehabt,
Schuld war dir noch fremd damals.

Doch sie hatten andere Pläne mit dir
und ließen dich antreten,
steckten dich in Uniform
und in Stiefel mit hohem Schaft.
Die verleih'n den Tritten Kraft.

Ref.:
Was wurde dann aus dir?
Nicht mal ein Tier,
nicht mal ein Tier.

Mörder der Unschuldigen,
Vergewaltiger der Frauen.
Zu Hause wartet Frau und Kind,
auf den, der liebe Briefe schreibt,
auf rationiertem Papier.
Einer, der von der Zukunft träumt.
Doch kann man alles vergessen?
Was hinter einem liegt?
Das Blut der Unschuldigen,
die Gräber der Kinder?

Bin ich nun so harmlos wie ich tu‘
oder fehlt mir nur die Gelegenheit,
ein Monster zu werden wie du?

Dein Bild hängt nun an meiner Wand,
ich besitze es und könnte es verbrennen,
aber ich lasse es einfach hängen
und denke an den, der du vorher warst,
bevor sie dich holten und vergewaltigten.

Wahrscheinlich gehörtest du ja,
zu den wenigen Guten, oder?
Wir wissen ja nicht, was geschah, drüben.
In was du womöglich verwickelt warst.

Dann verzeih mir, dieses dumme Gedicht.
Warum immer wieder dieses Thema?
Schuld dauert lange, sehr, sehr lange.

https://youtu.be/8pqKNV3Or5s

[Bernhard Zeitverleih]

Hallo Hera Klit.

Deine Zeilen bringen mich etwas in Zwiespalt, denn gelesen haben sie mir so wenig zugesagt, dass ich recht bald zum Schluss vorspringen musste. Dann bin ich deinem Link gefolgt und alle Synapsen haben gleichzeitig "Achso" geschnipst. Die liedermachermäßige Umsetzung macht richtig Sinn und gefällt mir ausgesprochen gut. Das stramme Gitarrenspiel und vor allem deine Stimme, das passt. Obwohl ich mich in der Richtung nicht weiter auskenne, hat mich die Musik stilistisch sofort erinnert an Lieder und Songs aus Zeiten großer Antikriegs- und Friedensbewegungen. Bob Dylan kam mir direkt ins Ohr.

Insofern ein erster kleiner Verbesserungsvorschlag: mach es gleich als Liedtext deutlich, denn für den ersten (in meinem Fall gelesenen) Eindruck gibt es bekanntlich keine zweite Chance.

Jedenfalls hab ich deinen Text dann nochmal gelesen. Was mir die Lesbarkeit in Sachen Rhythmus zunächst einschränkte, hat sich musikalisch geklärt.
Inhaltlich... bleibe ich sehr unzufrieden. Das liegt an vielen großen, grausamen Worten, die in den Raum geworfen werden und doch irgendwie als stupide Schlagworte und Versatzstücke verbleiben, neben kleinen subjektiven Eindrücken des Lyrischen Ichs. Es fühlt sich für mich als Leser an wie: Friss und stirb. (Kindes-) Mord, Vergewaltigung, Grausamkeit im Übermaß ... bedarf einer nicht nur plakativen Erwähnung bzw Aufzählung.

Also kurzum: eine musikalisch eindrucksvolle Umsetzung eines Textes, der mich, für sich gesehen, nicht abholt.
Aber: es hat sich völlig gelohnt, mich intensiv mit deinem Werk auseinanderzusetzen!

Beste Grüße
Bernhard

[Hera Klit]

Vielen Dank Bernhard, dass du dich mit meinem Gedicht (Song) beschäftigt hast und dass du zudem sogar noch positive Aspekte abgewinnen konntest. Das lässt mich weiterhin an mich glauben.

Die Gräueltaten der deutschen Wehrmacht, sind eigentlich hinlänglich bekannt. Dass es da auch Morde von Unschuldigen und Kindern etc. gab, ist gut dokumentiert. Ich glaube nicht, die noch im Detail ausschmücken zu müssen.

Zudem sehen wir heute in der Ukraine, dass Derartiges auch jetzt dauernd vorkommt.

Aber wie gesagt, vielen Dank, für deinen lieben Kommentar.


Liebe Grüße
Hera

[Bernhard Zeitverleih]

Mein Zwiespalt wird eher größer.

Dein Text enthält keinen einzigen spezifischen Hinweis auf die Wehrmacht. Ich möchte die Greuel der verschiedenen Seiten nicht vergleichen oder gegeneinander abwägen oder sonstwie das historisch oder moralisch gegenrechnen, aber dein Text ließe sich genauso übertragen auf Taten der roten Armee. Oder, wie du selbst andeutest, auf das aktuelle Geschehen in der Ukraine.
Oder überhaupt auf Konflikte überall auf der Welt mit unzähligen militärischen Milizen und Söldnertruppen, Terrororganisationen, diversen Bürgerkriegsparteien, Armeen, die gegen das eigene Volk vorgehen und die Aufzählung hört nicht auf.

Wie gesagt, es geht mir hier nicht darum, all dies gegeneinander abzuwägen. Es geht mir darum, dass dein Text alles zulässt, dadurch aber eben völlig unspezifisch bleibt und das bestärkt den Eindruck des Plakativen, den ich bereits anfangs hatte.
Und deshalb finde ich es nötig, genauer einen Bezug zu setzen, denn allgemein belassen, wird es eben den möglichen, unterschiedlichen Zusammenhängen nicht gerecht. Außer vielleicht, mit einer allgemeinen (politischen) Haltung in Richtung "Soldaten sind Mörder.". Das könnte man wiederum kontrovers diskutieren. Aber das scheint mir nicht das Anliegen des Textes zu sein.

[Hera Klit]

So ein Text ist kein Geschichtsbuch und er hat es nicht nötig Fakten zu liefern (evtl. noch mit Fußnoten und Querverweisen?).

Es geht darum, dass Gräueltaten, egal wer sie begeht, abscheulich sind. Mein Text passt auf alle.

Dass ich ihn schrieb, als ich ein Bild meines Großvaters in Uniform in meinem Zimmer aufhängte, weil ich es erbte, ergab gewisse Bezüge zum 2. Weltkrieg, aber das ist nur zufällig und der persönliche Aspekt der drinsteckt.

Die Gräueltaten von damals und heute, in Kriegen, sind sehr ähnlich und somit auch irgendwie plakativ, ich werde sie nicht im Einzelnen beschreiben, die Fantasie des Lesers sollte reichen.

Liebe Grüße
Hera

[BlueNote]

Der Text ist ganz gut, das Geklampfe und die Komposition aber sind fürchterlich (YouTube). "Liedermacher" ist ja sowas von 80-er. Ich hatte mir da irgendein modernes Arrangement vorgestellt, vielleicht Richtung Rap. Der Liedermacherzeigefinger tut dem Text allerdings gar nicht gut. Und der Gesang hangelt sich relativ unmotiviert an irgendwelchen Tönen entlang.

Ich verknüpfe dein Gedicht durchaus mit eigenen Gedanken - bzw. den Bildern, die meine Urgroßeltern von ihren gefallenen Söhnen in ihrer Wohnstube hängen hatten. Das gesungene Lied aber lässt keinerlei Erinnerungen zu, schon allein, weil sich in dem Song alles so in die Länge zieht und die Komposition nichts an Gefälligkeit (->Gefallen) aufzubieten hat. Wolf Biermann in langsam, zahnlos und inspirationslos.

[Hera Klit]

Tja, die Geschmäcker sind eben verschieden.

Es soll aber genau so sein, das darf ich dir versichern und einen Rap
mache ich in diesem Leben nich mehr, das ist nicht meins.

Liebe Grüße
Hera