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[KGe] Vom wandelnden Tod und dem erwachen des Lichts

 
 
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Luthien
Geschlecht:weiblichSchneckenpost
L


Beiträge: 13
Wohnort: Schweiz


L
Beitrag06.08.2006 02:04
[KGe] Vom wandelnden Tod und dem erwachen des Lichts
von Luthien
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Ja, es sollten nur 500 Wörter sein, aber irgendwie muss das zusammen da stehen, da es sonst nicht dieselbe Wirkung ist. sorry

Jeder Schritt fällt mir schwerer als der vorangegangene. Jeder wird ein wenig langsamer, ein bisschen vorsichtiger ausgeführt. Ich will es nicht, es passiert, wie alles um mich herum passiert.

Ich kann es nicht ändern, bin machtlos in dieser Welt aus Ereignissen. Ein kleiner Punkt, ein unbedeutender Punkt. Ich habe keinen freien Willen ? so etwas gibt es hier nicht.
Wir sind Eins, funktionieren nur als Einheit.
Vorschriften, überall Vorschriften, Verbote, Strafen. Eines führt zum anderen.
Nicht denken. Gehorchen.
Ich kann sie hören, die imaginären Peitschen. Sie knallen über unseren Köpfen, sausen hier und da nieder, treffen Menschen. ? Nein, nicht Menschen, das sind wir längst nicht mehr.
Oder doch? ? Soll das, was von uns übrig geblieben ist, das neue Bild eines Menschen sein? ? Nicht denkend, gehorchend, bestrafend.

Wir sind blind.
Blind für das Elend, die Wut in unseren Herzen, das Verlangen in unserer Brust.
Wir schliessen die Augen, wollen nicht länger sehen, nicht länger tatenlos beobachten.
Also schliessen wir sie, die Augen, verschliessen sie vor der Welt, denn so sind wir unschuldig.
Wir sehen das Elend nicht. Nicht die Ungerechtigkeit, die Trauer in den Augen unserer Mitmenschen.

Wir wollen nicht, wir können nicht.

Unsere Aufmerksamkeit gilt uns, uns allein. Wir können keine anderen Menschen ansehen, können ihnen nicht in die Augen blicken. Es ist einfacher, die unsrigen zu schliessen.
Sie sind so verräterisch.
Unser Feind.
Sie verraten, sie erzählen. Geschichten, wohin man blickt. Traurige Geschichten, grauenhafte Bilder.
Tränen.
Nicht hinsehen, nur nicht hinsehen, dann sind wir unschuldig, denn wir haben nichts gewusst.

Wir hören nicht hin.
Mit verschlossenen Ohren gehen wir durch unsere nun schon dunkle Umgebung. Wir wollen keine Schreie der Not in unseren Gedanken, wollen keine grauenhaften Geschichten hören.
Wir sind alleine. Es ist besser so.
Wir brauchen keine tröstenden Stimmen, denn sie könnten sich so schnell ändern, könnten so schnell klagen. Wir wollen kein Jammern, wollen kein zusätzliches Leid zu unserer eigenen Bürde.
Wir hören nicht hin, sind taub für die Schicksale anderer, sind taub für alles um uns herum. Hören unsere eigene Endlosschleife. Nicht darüber nachdenken, gehorchen. Nichts falsch machen, nicht ablenken, nicht hinhören.

Wir halten die Luft an.
Der Dreck unserer Gesellschaft stinkt zum Himmel. Wir wollen es nicht wahrhaben. Der Duft der Verlockung ist grösser. Aber er ist nur Trug, wie ein Parfum das schlechten Geruch nur überdeckt. Das einzige, was helfen würde, ist Reinigung.
Doch nur zu gerne lassen wir uns täuschen, verschliessen uns vor der Wahrheit.
Wieso sollten wir die Wirklichkeit erkennen wollen, geht es uns in unserem Trugbild aus Lügen so wunderbar?
Wieso reinigen, kann man die dreckige Seite einfach umkehren?
Wir ignorierend die Wahrheit und träumen die Lüge. Selig sei der Unwissende.

Bitter schmeckte die Realität, würden wir sie erkennen.
Ignorieren. Wir müssen uns schützen. Wer will schon etwas anderes, als die Schokoladenseite sehen? Die Realität ist hart. Lieber schweben wir in unseren Wolken.
Wolken halten nicht, nicht bei einer Prüfung.
Wer prüft?
Wir wollen nicht sehen, wollen nicht begreifen, dass es so nicht weitergehen kann. Es bedeutet unseren Untergang.
Wir wollen es nicht wahrhaben, können es nicht akzeptieren. Niemand beisst freiwillig in den sauren Apfel.
Nicht denken. Gehorchen.

Wir schweigen, denn es gibt nichts, das wir mitzuteilen hätten.
Worte sind gefährlich. Sie lügen, sie verraten. Wir wollen es nicht, haben Angst, unsere Geheimnisse zu verraten, also sagen wir nichts.
Es tut weh, aber wir haben gelernt, damit umzugehen, mit dem Schweigen. Nur stummen Worten erlauben wir den Weg nach draussen. Sie treffen auf taube Ohren. Und es ist gut so.
Nicht denken. Nicht klagen. Immer weiter machen.

Es ist kalt.
Wir sind allein. Allein gefangen hinter Mauern so hoch, dass kein Licht uns mehr erreicht.
Gefangen in einem Gefängnis, das wir uns selbst geschaffen haben.
Wir sind sicher, wir sind allein.
Es gibt nichts, dass wir jetzt noch fühlen könnten. Wir sind allein, haben uns selbst ausgeschlossen. Wir wollten es nicht anders.
Es ist niemand da, der uns belästigt, niemand, der uns mit seinen Sorgen belastet. Niemand, den wir berühren könnten.
Wir können nichts dafür. Es ist passiert, wie alles um uns herum passiert.
Nicht denken. Gehorchen,

Angst.
Ein einziges Wort, das bleibt.
Alleine. Verlassen. Auf uns gestellt. ? Niemand ist da, niemand kann uns hören.
Blinde Menschen die wir vorgeben zu lieben. Taube Ohren, mit denen wir täglich sprechen. Stumme Münder, deren Geschichten wir uns weigern zu hören. Kalte Schultern, die uns zugedreht werden. Hoffnung, die erlischt.
Nicht denken. Gehorchen. Strafe. ? Auch du hast Angst.

Nicht sehen. Nicht hören.
Immer weiter gehen.
Nicht reden. Nicht denken.
Gehorchen.
Eine eigene kleine Welt, dreht sich nur um uns. Wir können nicht zurück.

Müde. Ja, das sind wir. Erschöpft von unseren Lügen, der Anstrengung, zu ignorieren, der Angst.
Etwas muss ändern, es darf nicht bleiben. So geht es nicht, so werden wir nicht überleben.

Meine Schritte werden langsamer. Wege scheinen so weit, so unendlich. Ich bin erschöpft, kann nicht mehr, muss anhalten.
Dann bleib ich stehen.
Eine Pause, nur ein kleiner Moment der Ruhe. Ich kann nicht mehr, es geht nicht. Niemand kann so leben, niemand sollte es können.
Gedanken werden klar, Umrisse nehmen Gestalt an und schliesslich öffne ich die Augen.

Es ist wie ein Hammer, der mich mitten ins Gesicht trifft. Eine Faust, unbarmherzig und brutal in meinem Magen, nimmt mir die Luft zum atmen, als ich plötzlich zu sehen beginne. Das Elend, die Armut, der Schrecken der Wahrheit.
Und jetzt verstehe ich, wieso niemand hinschaut, wieso wir die Realität nicht sehen wollen.
Graue Gestalten füllen den Platz, halten die Köpfe gesenkt. Geleitet von einer unsichtbaren Hand gehen sie aneinander vorbei, weichen sich aus.
Sie sprechen aber hören nicht. Sie hören, aber verstehen können sie nicht. Sie fühlen und ignorieren. Sie denken nicht, sie gehorchen.
Man kann nichts sehen, auch nicht mit offenen Augen. Und es ist kalt, obwohl die Mauern einfallen.
Ich bin frei, ich habe mein Gefängnis zurück gelassen, erblicke nur noch den Haufen Trümmern, der einst mein Leben war. So lange und ich habe es nicht bemerkt.
Ich bin allein, keine Mauer, keine Dunkelheit ? nur Kälte.
Ich bin erwacht, aufgeschreckt aus dem Schlaf der Untoten. Ich will zurück, denn es ist einsam, unerträglich. Ich will zurück in die kalte Umarmung der Ignoranz, der Einsamkeit, denn ich will es nicht spüren, will nicht fühlen, wie es wirklich ist.
Ich mag sie nicht, die Realität.

Ich stolpere.
Niemals zuvor bin ich gestolpert und niemals zuvor bin ich gefallen. Meine Mauern haben mich gehalten, mich gezwungen, stets aufrecht zu gehen. Sie sind weg, ich habe sie hinter mir gelassen.
Tränen, heiss auf meinen Wangen und niemand sieht sie, denn die Menschen sind blind.
Und ich verstehe jetzt, warum.

Ich taumle vorwärts, suche einen Weg durch die Menschen. Wo ist die Hand, die mich sonst immer geleitet hat? Wo ist die Sicherheit, die mich schützte?
Alles zurückgelassen. Angst ist das einzige, das ich mitgenommen habe. Angst vor dem Neuen, dem Unbekannten.
Ich remple Leute an, überall stosse ich mit ihnen zusammen. Ich murmle stumm vor mich hin, versuche meine Gedanken zu ordnen und falle doch nur in den Wirbel der Verwirrung.
Ich drehe mich im Kreis, suche einen Ausweg aus der Masse grauer Gestalten.
Und dann sehe ich die Menschen, die ich angerempelt habe. Sie sind stehen geblieben, wie ich es getan habe. Ich sehe die Mauern bröckeln und die Augen blinzeln.
Ich muss sie warnen, ihnen sagen, dass sie ihren Käfig nicht aufgeben sollen. Es ist nicht schön, die Realität bringt keine Verbesserung für sie.
Ich rufe. Niemand blickt sich um. Das Meer grauer Umrisse wogt weiter, wie gewohnt. Keiner kümmert sich.
Oder doch?
Ein junger Mensch steht plötzlich vor mir.
Ich schliesse die Augen, weiche seinem Blick aus. Tu mir nichts!
Eine sanfte Berührung lässt mich zusammenzucken. Es ist so ungewohnt, ich kenne nichts ausser der Kälte, der Angst und dem trügerischen Gefühl der Sicherheit. Aber das ist anders, denn es ist wirklich.
Und zum ersten Mal höre ich eine Stimme. Nicht befehlend, nicht fordernd, aber voll Zuversicht und Hoffnung.
Eine Hand umschliesst die Meine. ?Hab keine Angst.?
Ich öffne meine Augen. Nicht irgendjemand, ich tue es.
Ein Lächeln, so wunderschön strahlt mir entgegen.
Licht aus dem Nichts lässt mich blinzeln und als sich meine Augen an die Helligkeit gewöhnt haben, erkenne ich, dass ich es bin, das leuchtet. Wie all die anderen Menschen, mit denen ich zusammengestossen bin.
Und zum ersten Mal spüre ich mein eigenes Lachen.

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joharst
Eselsohr
J


Beiträge: 322



J
Beitrag06.08.2006 19:15

von joharst
Antworten mit Zitat

Ein sehr schöner Text, nur zwischendurch hatte ich immer das Gefühl, dass ich die ganze Zeit das gleiche, nur in andere Worte verpackt, lese.
Da kann man schnell die Motivation verlieren, weiter zu lesen.
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Gast







Beitrag10.08.2006 10:09

von Gast
Antworten mit Zitat

mh... gefällt mir eigentlich richtig richtig gut. Schön geschrieben, wenig fehler. Nur das Ende ist etwas schnell. Oder geht es vllt nocjh weeiter?
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Luthien
Geschlecht:weiblichSchneckenpost
L


Beiträge: 13
Wohnort: Schweiz


L
Beitrag20.08.2006 13:55

von Luthien
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Ja, es sagt viel dasselbe aus =) Ich habe es um drei Uhr nachts geschrieben und danach nicht mehr überarbeitet, daher können solche unstimmigkeiten gut sein.
Vielen Dank fürs Lesen und schön, dass es euch doch irgendwie etwas gefallen hat. Und der Text ist hier fertig.
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GB77
Gast






Beitrag20.08.2006 14:19

von GB77
Antworten mit Zitat

wow

gefällt mir super gut
du ziehst einen in dieses Bild, das man vor Augen hat
man erkennt sich selbst, Nachbarn, GESELLSCHAFT
Problematiken, etc....
sehr fesselnder Text  Exclamation

das Ende ist wie  Lord_Izual  schon erwähnte etwas schnell aber inhaltlich absolut passend -
3-4 Sätze mehr vielleicht um das Ende einzuläuten

Gut finde ich auch deinen Stil und die Form des Textes und Einheitlichkeit bis zum Schluss - sehr gelungen  Exclamation
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Luthien
Geschlecht:weiblichSchneckenpost
L


Beiträge: 13
Wohnort: Schweiz


L
Beitrag26.08.2006 22:49

von Luthien
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Ein Kompliment! *sich fröit*

Ich danke dir und schön, dass es dir gefällt.
Ja, meine Mutter (ich bin gerade 17 geworden, wohne also noch zu Hause und zeige meine Werke oft meiner Mami=) meinte, das Ende sei einfach etwas plötzlich, also sozusagen aus dem Nichts heraus. Sie meint, dass ich es sehr oft so mache, dass ich mich auf das Negative konzentriere und dann die WEnde sehr plötzlich kommt, nur kurz beschrieben wird.
Auf eine Art muss ich ihr ja Recht geben, aber irgendwie hat es für mich so mehr Wirkung. Ist interessant zu beobachten, wie die Meinungen hierbei auseinander gehen Very Happy
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