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omegaMk13 Wortedrechsler
Beiträge: 76 Wohnort: Wien
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28.09.2022 13:04 Perspektive des Antagonisten und Plotpoints von omegaMk13
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Ich möchte meine nächste Geschichte gern aus der Perspektive des Antagonisten schreiben und dabei versuchen, eine Spannung darüber aufzubauen, dass man zu seiner erklärten Feindin (der 'eigentlichen' Protagonistin) Sympathie empfindet und ab einem Punkt auf ihrer Seite ist; sie soll am Ende auch triumphieren.
Jetzt habe ich als Quasi-Neuling, was das Plotten betrifft, aber das Problem, dass sich meine Plotpoints ja dementsprechend verschieben.
Dazu sei kurz gesagt, dass ich die One Page Novel Methode ausprobieren wollte, weil sie sich explizit auch für kürzere Geschichten eignen soll – ist hier jemand damit vertraut?
Der Vollständigkeit halber hier ein Link.
Mir ist aber natürlich klar, dass das nur eine Variante ist, Plotpoints zu organisieren, die ohnehin bekannt sind.
Mir geht es konkret um die letzten beiden, die in dieser Methode als 'Defeat' und 'Power' bezeichnet werden: Der Protagonist wird zunächst scheinbar besiegt, schöpft dann aber aus sich selbst oder sonst wo neue/eigentliche Kraft und erreicht am Ende die 'Resolution'. In meinem Fall müsste sich das aber genau umgekehrt abspielen, denn der Antagonist, aus dessen Sicht ich erzähle, soll ja am Ende tatsächlich besiegt werden (weil er ja nur zum Schein 'der Gute' ist).
Mich hat gestern Nacht die Frage ziemlich umgetrieben, ob ich diese Plotpoints ohne Weiteres vertauschen kann und es damit funktioniert, dazu wollte ich die alten Plot-Hasen hier befragen.
Ich bin in meiner Unerfahrenheit für alle Anregungen dankbar!
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Caliban Eselsohr
Alter: 49 Beiträge: 306 Wohnort: Passau
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28.09.2022 13:44
von Caliban
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Scheint ziemlich kompliziert zu sein und ich glaube nicht, dass das funktionieren kann.
Den Wechsel erst kurz vor Ende einzuleiten wäre mir persönlich zu spät. Ich würde schon im Mittelpunkt der Story klarmachen, dass sich die Rollen der Figuren gedreht haben, dann aber auch vorwiegend aus Sicht der neuen Protagonistin erzählen. Denn dann bleibt auch noch genug Zeit, sie 'sympathisch' zu machen.
Generell würde ich persönlich aber auf so Experimente verzichten. Menschen sind halt gewisse Strukturen / Abläufe von Geschichten gewöhnt. Dass der Antagonist jetzt auf einmal der Protagonist sein soll und umgekehrt, dürfte eher schwierig zu vermitteln sein.
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Taranisa Bücherwurm
Alter: 54 Beiträge: 3180 Wohnort: Frankenberg/Eder
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28.09.2022 14:45
von Taranisa
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Das sehe ich auch so. Was du aber ohne Probleme tun kannst, ist, die Geschichte aus min. zwei Perspektiven zu erzählen, um auch den Antagonisten realistisch (niemand ist einfach nur böse) darzustellen, sodass man auch seine Sicht der Dinge und seine Argumente für sein Tun verstehen kann.
_________________ Henkersweib, Burgenwelt Verlag, ET 12/18
Die Ehre des Henkersweibs, Burgenwelt Verlag, ET 12/20
Spielweib, Burgenwelt Verlag, ET 12/21
Das Gegengift des Henkersweibs, Burgenwelt Verlag, ET 11/22 |
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omegaMk13 Wortedrechsler
Beiträge: 76 Wohnort: Wien
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28.09.2022 14:48
von omegaMk13
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Caliban hat Folgendes geschrieben: | ... |
Erstmal danke für deine rasche Antwort!
Eigentlich ist es gar nicht kompliziert, aber ich scheine es nicht nachvollziehbar geschildert zu haben, vermutlich war die Definition mit 'aus der Sicht des Antagonisten' zu drastisch. Was ich eigentlich schreiben möchte, ist eine der Geschichten (von denen es ja zahlreiche gibt), wo wir eigentlich (zumindest bis zu einem gewissen Grad) auf der Seite 'des Bösen' sind, weil der gute/bessere Argumente hat.
Aber unabhängig davon – und ich nehme mir deine Einschätzung sehr zu Herzen, die Erzählfigur auch den Protagonisten sein zu lassen –, treibt mich eher die Frage um, wie man den Hauptcharakter dann am Ende verlieren lassen kann.
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V.K.B. [Error C7: not in list]
Alter: 51 Beiträge: 6124 Wohnort: Nullraum
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28.09.2022 15:16
von V.K.B.
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Erstmal Vorsicht mit den Begrifflichkeiten. Der Protagonist ist die Hauptfigur im Mittelpunkt der Geschichte und der Antagonist sein Gegenspieler. Das hat nichts mit moralischer Gesinnung oder Sympathieträger zu tun. Scheibst du aus der Perspektive eines bösen Schurken, dann ist dieser der Protagonist, und der ihn bekämpfende Held der Antagonist.
Somit kann man also gar nicht eine Geschichte aus Perspektive des Antagonisten schreiben (jedenfalls nicht durchgängig), denn wenn er im Mittelpunkt steht, ist er der Protagonist. Der Protagonist muss aber nicht gewinnen, er kann auch scheitern.
Hier liegt wahrscheinlich der Schlüssel des Problems, verabschiede dich davon, dass der Prota der Gute sein muss. Du musst die Plotpoints dann an einen bösen Protagonisten anpassen, der am Ende scheitern soll. Aber betrachte ihn als den Protagonisten und die gute Figur ist dann der Gegenspieler.
Ob das klappen kann? Natürlich kann es das. Der Leser muss nur mit deinem Protagonisten mitgehen, was aber nicht heißt, dass er auf dessen Seite stehen muss. Ein gutes Beispiel ist Umberto Ecos "Der Friedhof in Prag". Dessen Protagonist gilt als eine der bösesten Figuren der Literaturgeschichte, ein skrupelloser Betrüger, Fälscher, Verräter, Vorteilnehmer bar jeglicher Empathie und Moral, der für seine Ziele massenweise über Leichen geht und ganz nebenbei mit der Fälschung der ›Protokolle der Weisen von Zion‹ mal eben einen der wichtigsten Grundsteine für späteren Antisemitismus legt, nur um ein bisschen Geld zu verdienen ohne überhaupt wirklich was gegen Juden zu haben. Und trotzdem ist die Figur der Protagonist des Buches.
Du musst dich da halt nur vom Schema der klassischen Heldengeschichte mit Happy-End verabschieden, weil du eben keine Heldengeschichte schreibst, auch wenn der Antagonist ein solcher sein sollte und am Ende gewinnt.
Edit: Oh, hat sich schon etwas mit der Antwort überschnitten. Falls du wissen willst, wie Eco es gelöst hat: Das Buch ist in Form von Aufzeichnungen des Protagonisten geschrieben und diese brechen nach einem Eintrag abrupt ab. Der Leser kann sich das Ende dann selbst zusammenreimen, was der Kerl als Letztes vorhatte weiß er ja aus den vorigen Aufzeichnungen und kann sich dann selbst ausmalen, wie das ausgegangen sein wird.
_________________ Let the cosmic muse I summoned forth inspire thee …
Warning: Cthulhu may still occasionally jumpscare people … |
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MissClara Klammeraffe
Beiträge: 658
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28.09.2022 15:21
von MissClara
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V.K.B. hat Folgendes geschrieben: | Erstmal Vorsicht mit den Begrifflichkeiten. Der Protagonist ist die Hauptfigur im Mittelpunkt der Geschichte und der Antagonist sein Gegenspieler. Das hat nichts mit moralischer Gesinnung oder Sympathieträger zu tun. Scheibst du aus der Perspektive eines bösen Schurken, dann ist dieser der Protagonist, und der ihn bekämpfende Held der Antagonist.
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Das wollte ich auch grad schreiben, "aus Perspektive des Antogonisten erzählt"... damit wird er dann eigentlich zu deinem Protagonist..
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MissClara Klammeraffe
Beiträge: 658
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28.09.2022 15:28
von MissClara
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omegaMk13 hat Folgendes geschrieben: |
Aber unabhängig davon – und ich nehme mir deine Einschätzung sehr zu Herzen, die Erzählfigur auch den Protagonisten sein zu lassen –, treibt mich eher die Frage um, wie man den Hauptcharakter dann am Ende verlieren lassen kann. |
Die Frage ist wohl eher: Was gewinnst du dadurch? Jemanden zum Protagonisten zu machen, heißt ja, ihm die Empathie zu schenken. Wenn wir dann mit ihm mitgehen und er wird überwältigt, musst du damit rechnen, dass das Ende für den Leser unbefriedigend ist.
Es gibt ja viele Geschichten, egal ob "gute oder böse" Protas, in denen das Ende offen oder zumindest nicht komplett happy ist oder mit ambivalenten Gefühlen spielt. In Tragödien ist das Scheitern sogar vorprogrammiert. Ich würde mal behaupten, ist auch eine Frage, in welchem Genre (oder ob überhaupt) du dich bewegst.
EDIT: Also ich kann mir in der Theorie nicht so richtig vorstellen, wie das klappen soll, dass dein Prota "der Böse" ist, ich ihn verstehen soll und gleichzeitig für das Opfer Sympathie empfinden (die wäre ja automatisch da, bei Verbrechen) Nicht von ungefähr wird bei Dexter die Mordlust auf Mörder gelenkt..
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omegaMk13 Wortedrechsler
Beiträge: 76 Wohnort: Wien
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28.09.2022 16:05
von omegaMk13
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Danke, lieber Veith, für deine ausführliche Antwort.
Du hast Recht, ich war in der Terminologie unscharf.
V.K.B. hat Folgendes geschrieben: |
Hier liegt wahrscheinlich der Schlüssel des Problems, verabschiede dich davon, dass der Prota der Gute sein muss. Du musst die Plotpoints dann an einen bösen Protagonisten anpassen, der am Ende scheitern soll. Aber betrachte ihn als den Protagonisten und die gute Figur ist dann der Gegenspieler. |
Genau darauf bezog sich meine Frage: Es müssten sich eben die zwei Plotpoints umkehren, der Protagonist muss zuerst Kraft aus dem Inneren schöpfen und seine Zweifel beiseite räumen, dann aber doch scheitern. Und hierzu wollte ich wissen, ob ich das 'einfach' so machen kann oder sich dadurch strukturelle Probleme ergeben.
Zitat: | Ob das klappen kann? Natürlich kann es das. Der Leser muss nur mit deinem Protagonisten mitgehen, was aber nicht heißt, dass er auf dessen Seite stehen muss. |
Genau das ist es, was ich vorhabe. Der Friedhof in Prag ist schon eine Weile her bei mir; in meinem Fall soll der Protagonist dem Wahnsinn verfallen und dann durch eine auktoriale Erzählinstanz aus dem Geschehen 'hinausgezoomt' und berichtet werden, wie die Verhältnisse sich im Vergleich zu Beginn (wo in selbiger Manier hineingezoomt wird) geändert haben.
MissClara hat Folgendes geschrieben: | Ich würde mal behaupten, ist auch eine Frage, in welchem Genre (oder ob überhaupt) du dich bewegst. |
Es soll eine Gruselgeschichte werden, phantastischer Realismus im weitesten Sinn.
Was ich gewinnen möchte, ist eine Grauzone, in der die beiden Gegenspieler sich bewegen. Beide haben valide Punkte, diejenigen des Protagonisten ergeben sich aber aus einer dogmatischen Weltsicht, die das Publikum miterlebt, während die der Antagonistin praktikabel und utilitaristisch sind, daher nachvollziehbar, wenn auch nicht ohne maßgebliche Schattenseite.
Zitat: | dass dein Prota "der Böse" ist, ich ihn verstehen soll und gleichzeitig für das Opfer Sympathie empfinden |
'Der Böse' habe ich in Anführungszeichen gesetzt, um die Begrifflichkeit zu relativieren. Er hat eine Überzeugung, für die er mit Leidenschaft eintritt, die ihn aber auch in seiner Sichtweise einschränkt. Seine Gegenspielerin hat auch gute Argumente, die das Publikum anerkennen und somit in eine 'Zwickmühle' geraten soll, was am Ende besser ist.
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