Habt ihr selbst erlebt, was in euren Romanen passiert?

[WSK]

Habt ihr schon mal eine Person aus eurem Leben in euer Buch "geklont"? Also komplett mit Charakter, Aussehen und Vorgeschichte?
Stellt ihr euch manche Figuren beim Schreiben als einen eurer Reallife-Mitmenschen vor?
Wie sehr entspricht eure Heldin euch selbst? Oder gibt es gar eine Nebenfigur, die euch selbst entspricht?
Ähneln eure Love Interests euren tatsächlichen Partnern? Oder sind sie zusammengestückelt aus diversen Romanzen, die ihr mal hattet?
Habt ihr manche Szenen aus euren Romanen 1:1 so erlebt?
Oder habt ihr gar die meisten Szenen eures Romans in abgewandelter Form selbst erlebt?

Sollte ein Autor vor allem eine blühende Fantasie haben, also Dinge frei erfinden, die er nicht erlebt hat?
Oder sollte er eher echte Erfahrungen zu einer spannenden Geschichte zusammenfügen?

[F.J.G.]

Hey Wohlstandskrankheit,

das wäre doch ein prima Gesprächsthema für unseren virtuellen Stammtisch nächsten Dienstag …

Ciao
Kojote

[Caliban]

Ich saug mir alles aus den Fingern. Hab noch nie versucht, reale Personen oder mich selbst als Blaupause zu verwenden.

[Taranisa]

Bei einigen Nebencharakteren habe ich Freunde (hauptsächlich aus Mittelalter-Kreisen) im Hinterkopf, jedoch eher als Anregung, wie ich die Figur anlege. Viel hilft mir auch unser Pen-and-Paper-Rollenspiel, in dem wir in verschiedene Rollen schlüpfen.
Und nein, was meine Protas erlebten, erfuhr ich bislang noch nie am eigenen Leib.

[Rodge]

In einer Szene eines Thrillers schneidet mein Prota einer Wache die Kehle durch. Ich habe es recherchiert (es ist ein schneller Tod, benötigt eine scharfe Klinge und Geschick), aber weder habe ich es erlebt (das ginge ja nur als Täter), noch hoffe ich, je in eine solche Situation zu kommen.

Entscheidend ist, ob Deine Leser das glaubhaft finden (dann kommt man im Grunde mit allem durch).

[lia88]

Ich hab eine Idee für ein Buch mit stärkerem Bezug zu mir selbst. Habs aber noch nicht geschrieben und werde es auch so schnell noch nicht schreiben, da ich noch zu viele andere Ideen hab und zu wenige konkrete Umsetzungsideen dafür.

Dass ich mich selbst oder Menschen aus meinem Leben in den Roman packe, ist mir noch nicht passiert. Aber jede Figur hat vermutlich irgendeine Eigenschaft von mir selbst mitbekommen. Da drumherum bau ich aber noch ein paar andere Dinge (und lass manche Eigenschaften von mir selbst auch weg), sodass dann ne eigene Person draus wird - idr eine, die ich selbst vermutlich mögen würde und die ich verstehen kann.
Ich denke, echte Menschen sind ein bisschen zu kompliziert und zu facettenreich, um sie komplett in ein Buch zu stecken. Ich find mich oft zum Teil in unterschiedlichen Figuren wieder. In echt gibts diese Teilung zwischen Gut und Böse auch nicht - aber oft kann man im Roman oder im Film (ich zumindest) eben auch die dunkle Seite ein klein wenig verstehen, weil man auch davon Anteile in sich hat.

Ich geb meinen Figuren also zuerst nur diese Clustergruppe bzw sehr wenige Eigenschaften mit (die eine ist chaotisch und verplant - die andere anhänglich, angepasst und immer up to date - die andere etwas verrückt und egoistisch). Dann bau ich das etwas aus mit der Zeit und geb denen von Überarbeitungsloop zu Überarbeitungsloop mehr Eigenheiten mit dazu. Vermutlich könnt ich den Chara nicht direkt von Beginn an fertigmachen, sondern muss ihn erst einen für ihn wichtigen Meilenstein erreichen lassen, ehe ich ihn komplett feinschleifen kann. Die Eigenschaften, die man im Steckbrief notiert, müssen halt mit der Zeit auch erst mal Leben annehmen.
So überarbeitet man halt öfter, aber ich könnte das alles nicht im Vorfeld schon wissen. Und selbst, wenn ich echte Menschen da reinstecken würde, wärs denke ich nicht einfacher. ^^
Eine Hauptfigur zu schreiben, die überhaupt nichts mit mir gemeinsam hat und die ich im echten Leben nicht mögen würde (oder sie mich nicht), wär super spannend aber wohl auch recht schwer.

[Maunzilla]

100%ig ist keine meiner Figuren echt. Aber ein kleines bißchen von mir oder Leuten, die ich einst kannte, steckt ab und zu schon drinnen.

[Pickman]

Hi Wohlstandskrankheit,

Du willst es aber genau wissen.

Cheers

Pickman

[Minerva]

Umgedreht: Ich habe jemanden geschrieben und dann erst getroffen ...

Sonst klone ich keine echten Menschen, außer sie nerven mich so wie Elon Musk, den ich für den Phantastik-Wettbewerb verwurstet habe.
Ansonsten sind meine Figuren und Geschichten für mich so lebendig, als wären sie wirklich passiert.

Wie das jemand beim Schreiben hält, ob echte Menschen oder erfundene Figuren verwendet werden, finde ich völlig egal; Hauptsache, sie wirken wie echt und ich langweile mich nicht beim Lesen.

[Michel]

Ich dürfte mir das gar nicht erlauben, denn die meisten Menschen, mit denen ich zu tun habe, sind Patienten.
Brauche ich auch nicht. Meine Phantasie spinnt mir schnell genug eine neue Figur zusammen. Eigentlich brauche ich nur ein Gedanken-Samenkorn, das dann von allein aufgeht. Da reicht ein Paar Augen, das mir im Gedächtnis geblieben ist. Oder eine Mini-Filmszene im Kopfkino; zwei, drei Sekunden reichen da schon.

[Michel]

Die Szenen aus meinen Romanen möchte ich übrigens lieber nicht erleben, das wäre für einen Warmduscher wie mich … ungünstig?

Aber ich zehre von Erinnerungen. Wildwasserfahrt mit einem kaputten Boot? Bin Kajak gefahren und beinahe ertrunken. Steinschlag im Hochgebirge? Habe ich (in kleiner Form) im Karwendel erlebt. Fuß verknackst? Die Narbe hab ich heute noch. (War nicht nur verknackst.) Aus diesen Splittern, dem Potpourri von Sinneseindrücken früherer Erlebnisse, lässt sich schon eine ganze Menge stricken.

[Taranisa]

Mir fällt gerade ein: Mein "Spielweib" tanzt auch in Curbecki (heute Korbach), dort tritt unsere Bauchtanzgruppe regelmäßig auf dem Altstadtfest auf.

[lia88]

Von der Handlung hab ich bisher noch überhaupt nichts aus dem Real Life übernommen ^^ Aber ist auch Low Fantasy. Bei meinem geplanten Krimi/Psychothriller liebe ich den Ort, an dem der Mord passiert - aber das ist der einzige Bezug zu mir selbst

[Levo]

Ich bediene mich reichlich an Vorbildern. Natürlich verwurste ich das so, dass sich die entsprechende Person nicht erkennt, nicht einmal ich würde sie erkennen, würde ich nicht wissen, dass Mr. x Vorbild für Mrs. Y war. Mir reicht, ähnlich wie bei Michel, ein Samenkörnchen aus der Realität und daraus wird ein "Mensch". Dr. Frankenstein, I suppose.
Auch greife ich zurück auf meine beschränkten Erfahrungsschatz. Der Rest wird dann um Recherche und Extrapolation ergänzt.
Greifen wir nicht auf bekannte psychologische und biografische Dynamiken zurück, um glaubwürdige und konsistente Figuren zu erschaffen? Kann man das ohne Vorbilder schaffen? Oder landet man dann beim "weinerlichen Chefchirurgen an der Uni-Klinik"?
Ich hab nicht alles erlebt, was ich schreibe, aber das, was ich erlebt habe, hilft mir beim Schreiben von Dingen, die meine Figuren erleben.

[Canyamel]

Romane sind geronnene Wirklichkeit.

Ich habe Dinge erlebt, die sich in meinem Roman wiederfinden. Aber nicht alles, was in meinem Roman steht, ist mir passiert. Zum Glück.

[Ralphie]

Mein Roman hat starke autobiografische Züge. So ist eine meiner Figuren in der Marine, und meine Protagonistin mag die Musik von Johann Strauß Sohn. Aber zum Glück habe ich nicht alles erlebt.

Der Leser merkt einfach, wenn sich der Autor mit der Materie auskennt. Warum, glaubst du, sind die Figuren in John Irvings Romanen alle in Exeter zur Schule gegangen?

[MrT]

Auch wenn es bei mir Phantasie ist, was ich schreibe, gibt es sehr wohl an der einen oder anderen Stelle einen realen Bezug, der aber überwiegend in der Vergangenheit liegt.

[Aurora]

Bei mir landet so manches selbst erlebte Missgeschick in meinen Büchern - ein Trost, wenn was ganz blöd gelaufen ist. Dann hab ich schon wieder Stoff, den ich verwenden kann. Manche Dinge im Leben sind allerdings so schräg, dass sie kein Leser glauben würde

[WSK]

Also dass ihr selbst schon jemanden ermordet hab, hätte ich jetzt srsly auch nicht von euch erwartet. In Romanen eskaliert man die Lage immer irgendwo, da das eigene Leben bei uns allen vermutlich zu langweilig wäre.

Übrigens ist mir aufgefallen, dass kein Einzelner hier sich die Mühe gemacht hat, alle Fragen zu beantworten, dabei hätte mich die Frage mit den Love Interests am meisten interessiert. Okay, dann behaltet halt für euch, von wem ihr euch die Muskelberge abgeguckt habt! Dann behalte ich die Quellen meiner Love Interests aber auch für mich, das habt ihr nun davon. ^^

[Mogmeier]

Ich sample (bitte nicht verwechseln mit ‹sammle›) sehr viel aus meinem Leben bzw. dem Alltag, der mich so umgibt und unterziehe das dann für meine Schreibprojekte erstmal einem sozusagen Resampling (im Sinne einer Abwandlung/Neugestaltung). Und geht es mir darum, irgendwelche Eindrücke oder Details aus meinem Alltag aufzuschnappen – wobei ich schon feststellte, dass jeder sich noch so wiederholende Alltag für sich genommen im Detail eigenständig und etwas ganz eigen Besonderes ist – tue ich das alles für gewöhnlich vorfiltern.
Mein Lieblingsfilter ist die Paranoia. So passierte es zum Beispiel, dass ich ein offensichtlich gelangweiltes Rentnerehepaar, welches all mein Getue und Gehabe im Stadtpark musterte, weil es für die beiden Leute anscheinend sonst nichts weiter zu sehen gab, zum Anlass nahm, um daraus für das eine oder andere meiner Werke ferngesteuerte Roboterkatzen zu kreieren, die natürlich von einer höheren Macht kontrolliert werden, die die Weltherrschaft an sich reißen möchte, is' klar.

Viele Grüße
Mog

[Taranisa]

Für die liebevolle Beziehung meines Henkerpaars nahm ich meine zu meinem Mann zum Vorbild.
Jetzt wissen wir auch, wie der Ehemann (der ja ihr "Love-Interest" sein sollte, warum hätte sie ihn sonst geheiratet) von WSK aussieht: Ein Muskelprotz frisch aus dem Bodybuilding-Studio, vermutlich ohne Haare auf der Brust und für die Bühnenscheinwerfer eingeölt.
Fragt sich nur, ob die Muskeln lediglich aufgepumpt sind oder wirklich Kraft dahintersteckt.

[wohe]

Also zuerst: ich habe kein Buch veröffentlicht, aber geschrieben. Bezüglich dessen Inhalts und meiner Erinnerungen im Trash das Folgende: