Cyberpsycho

[Markus Staib]

Jack, der alte Detektiv, hockte angespannt hinter einer großen Kiste und versuchte seine ausgefallene Cyberware zu reaktivieren. Ein Störsignal hatte sie deaktiviert und dazu kam auch noch der verdammte Alarm des Lagerhauses, welcher unablässig in seinen Ohren dröhnte.

Er hätte das Zielobjekt bereits töten können, aber er musste ihn lebendig fangen, um den Bonus zu bekommen, damit er längst fällige Rechnungen zahlen konnte. Nur hatte ihm keiner gesagt, dass der Cyberpsycho mit militärischer Cyberware ausgestattet war, wodurch der Auftrag wesentlich schwieriger geworden war.

Wegen der ausgefallenen Cyberware musste Jack versuchen seine Arbeit auf die gute alte Weise zu erledigen: Mit seinen eigenen Sinnen und maximalem Einsatz. Der alte Detektiv riskierte einen Blick aus der Deckung und der Typ schickte ihm sofort eine Ladung Schrot entgegen. Er stellte seine Tech-Pistole auf Lärm-Munition, um den Cyberpsycho zu verwirren und anschließend in eine andere Deckung zu hechten, aber die Kugel verfehlte ihr Ziel. Jack versuchte eine Bewegung nach links anzutäuschen und sprintete dann nach rechts zur nächsten Deckung weiter hinten, doch das Zielobjekt ließ sich nicht austricksen und schickte eine weitere Ladung Schrot in Jacks Richtung und traf ihn noch an der Wade. Langsam musste ihm etwas einfallen, denn seine Munition ging langsam zur Neige und sterben war nicht so sein Ding.

Die Verletzung war zum Glück nicht besonders schwer, aber Jack blutete trotzdem recht stark. Er sah sich um und entdeckte eine Kiste, welche nicht besonders sicher und fest im Regal nahe seiner Position stand — dies war seine Chance. Er stellte seine Tech-Pistole auf Knock-Out-Munition. Als der Cyberpsycho fast neben ihm stand und kurz davor war um die Deckung herum zu springen, schoss Jack auf die Seite der Kiste. Sie wackelte und kurz bevor die nächste Schrotladung Jacks leben beendet hätte, fiel sie vom Regal und schlug den Typen nieder.

Jack legte dem Zielobjekt Handschellen an, verarztete notdürftig seine Wade und konnte seine Cyberware wieder zum Laufen bringen. Er schickte dem Auftraggeber die Erfolgsmeldung und kurz darauf bekam er eine Nachricht von seiner Bank, in der von einem hohen Geldeingang berichtet wurde. Die Miete war also gesichert, bleibt nur noch dieser verdammte Alarm.

[Skatha]

Hallo Markus,

die Szene konnte ich mir zwar bildlich gut vorstellen, allerdings bin ich ein wenig über das 'Drehbuch' gestolpert.

[holg]

Hallo Markus.
Da ich gerade beim zweiten Durchlauf in Cyberpunk 2077 bin, ist mir dieses Stückchen Fanfic schon durch den Titel aufgefallen.

Das ist ja nur eine kleine Szene, womöglich eien Fingerübung?

Dennoch stecken da viele mMn beachtenswerte Details drin.
Zum einen strotzen die paar Zeilen vor Technobabble. Das ist mir ein bisschen viel.

Bei den Anmerkungen von Skatha gehe ich größtenteils mit. Ich selbst schreibe gerne und oft laaange Sätze, denke aber, dass je "heißer" die Action, desto mehr Stress kannst du durch kurze Sätze, bis hin zu Einwortsätzen transportieren.

Schwierig ist das mit den Erklärungen. Ja, in dem kurzen Text muss ein bisschen was erklärt werden. Du könntest das ganz sein lassen und nur beschreiben, was gerade passiert, das wäre für Eingeweihte auch gar kein Problem, aber bisschen Kontext und Vorgeschichte sind schon nett.
Das hin zu bekommen, ohne den Text an problematischen Stellen zu lanwierig erscheinen zu lassen, ist nicht einfach.
Oder du machst ganz krass an einer kritischen Stelle einen Schnitt, Rückblick (je nach Erzählperspektive in Stream of Consciousness [Jaja, ganz einfach hatte der Fixer gesagt, harmloser Typ, keine militärische Cyberware bekannt, und jetzt hat der nicht nur ein aggresiv ausgerichtetes Deck, sondern auch ne Crusher mit der er mir die Beinimplantate zerfetzt. Erstmal ein Patch kleben, wasweißich]) und dann wieder mitten rein springen.

So ein kurzer Text lädt ja geradezu zum ausprobieren ein.

Der Schluss ist mir ein bisschen zu rund. Wirkt als müsse die ganze Geschichte möglichst knapp und vollständig zum Abschluß gebracht und alles wieder auf Anfang gesetzt werden. Lass ihn doch zum Beispiel die Cyberware später irgendwann rebooten müssen und nur das COM notdürftig zum laufen kriegen.
Irgendwie sowas.

Ist schließlich Cyberpunk und keine Schwarzwaldklinik.

[Markus Staib]

[Markus Staib]

[holg]

Flashfiction.
Ah ok. Musste ich gerade mal nachlesen. Und selbstgewähltes Wortlimit bei 250.
Dann würde ich streichen, streichen, streichen. Nichts erklären, keine Rückblicke, reine Story. Da kann z.B. das mit dem Kopfgeld bis zum letzten Satz offen bleiben. Für das reine Geschehen ist das völlig unwichtig (außer beim verpassen der Chance zum Töten des Zielobjekts). Es könnte der Turn am Ende sein, der dem Ganzen Sinn verleiht.

Ein bisschen so etwas gabs hier im Forum als Postkartenprosa-Wettbewerb.
der letzte hier: https://www.dsfo.de/fo/viewforum.php?f=460
oder im Antiquariat: https://www.dsfo.de/fo/viewforum.php?f=3
falls Du mal reinlesen möchtest. Ist allerdings keine Fanfiction und mit zum Teil engen Vorgaben.

Das könnte dann zum Beispiel so beginnen:

[Zirkusaffe]

Moin Markus,

als jemand, der genauso wie holg schon Cyberpunk 2077 gespielt hat, konnte ich mir die Szene sehr gut bildlich vorstellen. Ansonsten schließe ich mich aber den Ausführungen von ihm und Skatha an bzw. ihren Anregungen. Das selbstgewählte Limit an Wörtern sollte deine Prioritäten verschieben. Alles, was dieses kurze Textstück in einen größeren Rahmen setzt, kann raus. Es kostet dich nur Platz, den du für die Szene brauchst.

Bisher wirkt deine Geschichte mehr wie eine reine Erzählung dessen, was passiert ist. Deine Erzählerstimme hat ja durchaus schon an einigen Stellen einen launischen Ton ("der alte Detektiv", "der verdammte Alarm", "die gute alte Weise"), also würde ich diese Tonalität durch den ganzen Text ziehen. Holg hat da am Ende seines letzten Posts finde ich einen sehr guten Stil aufgezeigt, schau doch mal, ob das für dich passen könnte. Am Ende bleibt es natürlich deine Geschichte, aber ich glaube, sie könnte sehr viel davon gewinnen. Gerade, wenn du jetzt Lust bekommst, eine größere Geschichte im Cyberpunk-Setting zu schreiben.
Sag nicht einfach nur, dass Jack fast von einer Schrot-Ladung getroffen wird, zeig es mir! Lass Fetzen durch die Luft fliegen, Schweiß seine Stirn runtertropfen. Wenn du schreibst, dass Jack angespannt ist, dann stell das nicht einfach so in den Raum, sondern beschreibe es an seinem Verhalten oder seinen Gedanken.

Nachfolgend versehe ich deinen Text noch mit ein paar Dingen, die mir aufgefallen sind und die meine Vorredner noch nicht ansprachen:

[realo]

Ich habe nichts verstanden. Bin seit vielen Jahren mit der Cyberwelt vertraut, aber diese Begriffe kenne ich nicht. Sie stammen wohl aus ganz bestimmten Vorlagen, insbesondere Spiele und wenn man diese nicht kennt, ist man aufgeschmissen. Es handelt sich also um Texte, die ein ganz bestimmtes Videospiel begleiten. Selbstständige Literatur ist das nicht.

[Markus Staib]

@holg
Danke für die Inspiration. Werd mal versuchen die Szene ohne eine Beschränkung der Anzahl der Worte und mit anderem Stil neu zu schreiben. Vielleicht wird es dann besser.


@Zirkusaffe
Auch Dir Danke ich für die ausführliche Kritik. Ich verwende wirklich viele Füllwörter. Beim Schreiben fällt einem das echt nicht auf... Muss ich also noch üben.
Und ja, "Show, don't tell" hab ich irgendwie auch außer acht gelassen.
Ich hätte vielleicht noch mehr schleifen und polieren sollen, bevor ich den Text jemandem zeige. Und ihn auch mehr als einen Tag liegen lassen...

[holg]

Ist natürlich schwierig, wenn sich paar Leute direkt so über einen Einstandstext hermachen (ist ja eigentlich keine Werkstatt hier).

Aber so ist das Forum nun mal.
Es gibt viel Hilfestellung, Hinweise und Kritik.
Das zu verkraften ist nciht immer leicht. Es wird mit der Zeit aber leichter.

Texte paar Tage liegen lassen und dann noch einmal sehr kritisch überarbeiten kann ich nur empfehlen.

Insofern, hau rein und zeig mal, was sich so ergibt.

[Miné]

Ich hatte direkt zu Beginn Probleme, mir die Szene vorzustellen. Du erwähnst zwar, dass der alte Detektiv hinter einer großen Kiste hockt, aber das könnte überall und zu jeder Jahreszeit sein. Auf den Detektiv gehst du auch nicht weiter ein und fährst dafür mit der Handlung ein hohes Tempo, der ich zugegebener Weise gut folgen konnte. Mir fehlte aber die bildliche Vorstellung, was beim Lesen ein absolutes muss ist.

[ChrisPhoenix]

Hallo Markus Staib! Ich danke dir, für deine tolle Geschichte! Kurz und knapp und unterhaltsam!
Deine Zielgruppe scheinen wohl Menschen zu sein, die Cyperpunk gespielt haben, wozu ich leider nicht gehöre, weshalb ich mir die Szene wohl nicht so vorstellen kann, wie du es dir eventuell gedacht hast. Trotzdem konnte ich deutlich das Bild eines Detektives sehen, der in einem Lagerhaus in eine Schießerei verwickelt wird.
Das Einzige, was mich etwas verwirrte, war die "Lärm-Munition". Das mag ein Gegenstand sein, der im Spiel vorkommt, aber als Nicht-Kenner kann ich mir darunter nichts vorstellen. Für mich machen alle Waffen Lärm, ganz besonders in riesigen Lagerhallen, die den Schall von Waffen noch mehrfach reflektieren. Natürlich möchtest du deine Geschichte sehr kurz halten, aber eine kleine Erklärung zu gewissen Details wäre gut, um dem Leser die nötigen Informationen zu verschaffen.
Ich weiß auch wie Zwerge aussehen, dennoch möchte ich in einem Fantasy Roman eine kurze Beschreibung des Zwergs haben, wenn er gerade in Erscheinung tritt. Wenn du verstehst?
Alles in allem fehlen mir in dieser Geschichte die Emotionen. Keine Todesängste, keine Anspannung, kein Stress. Besonders deutlich wird das, als der Detektiv verwundet wird. Er scheint nicht einmal Schmerz zu fühlen oder durch seine Verwundung körperlich beeinträchtigt zu werden. Auch eine leichte Verletzung löst eine Reaktion bei Menschen aus. Sie zucken zusammen, legen die Hand auf die schmerzende Stelle, beißen vor Schmerz die Zähne zusammen etc. Damit könntest du dieser an sich coolen Szene noch den letzten Schliff geben. Ich hoffe, meine Kritik hilft dir etwas weiter! Beste Grüße!

[Markus Staib]

@holg
Es geht. Die Kritik lese ich und versuche sie zu verstehen. In den meisten Fällen kann ich sie auch vollkommen nachvollziehen. Schwieriger fand ich es, ehrlich gesagt, die Geschichte überhaupt ins Forum einzustellen. Ich war total nervös.
Ich freue mich aber, dass sie insgesamt gut ankommt und die Kritik sehr schön sachbezogen ist. So hatte ich mir das sogar erhofft.

@ChrisPhoenix
Deine Anmerkungen zu meiner kurzen Geschichte hilfreich. Danke. Ich habe mich leider zu sehr auf die 250 Wörter und die vorgegebene Struktur festgefahren.
Die Struktur(-vorgabe) an sich ist nicht unbedingt schlecht und ich werde versuchen nicht mehr ganz so hartnäckig zu sein. Mit der Anzahl an Worten werde ich aber brechen müssen. Dann ist es einfacher für mich, auch schöne und nützliche Beschreibungen einzubauen.

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Kurz zur Aufklärung:
Das mit den unterschiedlichen Munitionsarten habe ich mir ein wenig von Judge Dredd abgeschaut.
Die Lärm-Munition ist meine eigene Kreation und soll beim Aufprall einen räumlich begrenzten 'Über-Ton' senden, der das Ziel verwirrt und nahezu lähmt.
Daher ist ein Treffer wichtig.

[Markus Staib]

Ich möchte mich nochmal herzlich bei allen für Ihre konstruktive Kritik bedanken.

Das hilft mir sehr und ich hoffe, dass ich bald eine weitere Geschichte ins Forum stellen kann.