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Miné Eselsohr
Alter: 38 Beiträge: 241 Wohnort: Köln
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15.09.2022 07:50 Re: Uns geht es gut von Miné
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chaton hat Folgendes geschrieben: | Chaton
Uns geht es gut
„Sag mal, eigentlich geht es uns doch nicht schlecht. Ich meine, sowohl dir als auch mir.“ – Seine Freundin wusste zwar nicht, worauf er mit dieser Eröffnung hinaus wollte, aber mit einer Mischung aus Schulterzucken und Kopfnicken signalisierte sie vorsichtige Zustimmung. Sie wartete ab, wohl wissend, dass er mit einem Hintergedanken herausrücken würde.
Die beiden saßen im großen Wohnraum ihrer Dachgeschosswohnung mit Loggia unweit des Viktualienmarkts. Die junge Frau hatte es sich in den dicken Sitzkissen ihres Lieblings-Rattansessels bequem gemacht und trank mit kleinen Schlucken einen weißen Tee mit Mango-Zitrone. Ihr Lebensgefährte lagerte gemütlich auf der Couch, hatte den Kopf auf einem weichen Kissen gebettet und stützte sich mit dem rechten Fuß am Boden ab. In dem Absatz sind lauter unnütze Adjektive. Große Dachgeschosswohung, dickes Sitzkissen, kleine Schlucke... Auch die Beschreibung des Tees könntest du getrost weglassen.
Der Frühling ließ auf sich warten und es war zu kühl, um sich in die Loggia zu setzen, obwohl diese südseitig gelegen und recht windgeschützt war.
Er griff zum Glas mit alkoholfreiem Weizenbier, denn er war mit dem Auto da und würde an diesem Abend zurückfahren, nach Hadern, wo er eine kleine Eigentumswohnung besaß. Hier auch wieder lauter Adjektive, die mich beim Lesen extrem gestört haben. Südseitig, windgeschützt, alkohlfrei...
„Wir haben uns doch unseren Wohlstand erarbeitet. Wir machen gute Jobs und bekommen dafür gutes Geld“, fuhr der junge Mann fort.
- „Natürlich. Zweifelst du daran oder glaubst du etwa, uns würde das Geld hinterher geworfen?“ - „Nein, natürlich nicht,“ entgegnete er zögernd. - „Aber?“ - Ja, was wollte er eigentlich sagen? Das Frage ich mich auch und zwar von Anfang an.
Dass er in einer Glaubenskrise steckte in Sachen Geldverdienen? Dass irgendetwas mit dem Geldverdienen nicht mehr zu stimmen schien? Vielleicht nie gestimmt hatte? Dass er es lange nicht wahrgenommen hatte. Dass er guten Glaubens gewesen war und an das ehrlich verdiente Geld glaubte – wie es ja seine Freundin auch tat. Man gehörte doch zur großen Glaubensgemeinschaft, überzeugt davon, dass das Geld, das einen jeden umgab, auf gutem Glauben und ehrlicher Arbeit fußte und durch das Wirken der Glaubenden vermehrt wurde. Bis hierhin habe ich gelesen, um zu gucken, was dann noch kommt. Alle, mit denen sie verkehrten, glaubten dies. Und das stimmte ja auch: er tat was für sein Geld, er verdiente es ehrlich, lieferte eine Gegenleistung. Und so war es überall, so entstanden Produkte und Dienstleistungen, die ihren Preis hatten, und in ihrem Gefolge allgemeiner Wohlstand. Aber zugleich war ihm der Gedanke gekommen, dass dieses von ihm ehrlich verdiente Geld in die Kanäle unehrlicher Zwecken abgeleitet wurde. Und er stellte seiner Freundin folgende Frage: Den Absatz würde ich komplett streichen.
„Wie sieht das aus mit der Ehrlichkeit, die in unserem Geld steckt? Wir wissen doch, dass Geld ein Wertspeicher ist. Speichert unser Geld mehr Ehrlichkeit als Unehrlichkeit oder umgekehrt?“ - Seine Freundin schaute ihn entgeistert an. - „Was? Was erzählst du da? Woher sollen wir das wissen? Geld stinkt nicht, sagte mal ein römischer Kaiser, glaube ich.“ Okay, jetzt wird es richtig langweilig, sodass ich hier aufhöre zu lesen. Auf mich wirkt es, als ob du gar keine richtige Handlung hast, sondern dir einfach etwas aus den Fingern saugst.
ENDE |
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Dyrnberg Klammeraffe
Beiträge: 562 Wohnort: Wien
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15.09.2022 08:15
von Dyrnberg
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Ich stolperte an manchen Stellen über den Fokus des Textes auf die Dichotomie von "Ehrlich/unehrlich."
Man kann sein Geld ehrlich verdienen; darunter würde ich zweifaches verstehen, nämlich, dass man nicht kriminell ist und dass man hart arbeitet. Zugleich kann man sein Geld ehrlich in einem großen System verdienen, das man moralisch anzweifelt. Hier würde ich dann aber nicht von einem "unehrlichen", sondern von einem ungerechten System sprechen. In anderen Worten: Oft hatte ich den Eindruck, dass der Begriff "ungerecht" der passendere wäre.
Mir ist die Hauptfigur in seinen Zweifeln und in seiner Kritik dabei fast zu zurückhaltend. Ich meine: Der Typ wohnt in einer Dachgeschosswohnung mit Loggia unweit des Viktualienmarkts. Der sollte längst verstanden haben, dass man sich solch ein Eigentum nicht "ehrlich"/"gerecht" erwerben kann, sondern dass nur eine minimale Elite die Chance auf so etwas hat. Nicht, weil sie härter arbeiten oder klüger wären, sondern weil ihre Eltern reich waren.
Solltest Du den Text nochmals überarbeiten, würde ich empfehlen, die Kritik zu radikalisieren. So sehr, dass seine Freundin inhaltlich nicht mehr mitgehen kann. Das würde auch etwas mehr Drama in den essaistischen Text bringen.
_________________ Ein Roadtrip durch die Philosophie: "Die Nacht der Fragen und der Morgen danach" (Roman) |
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chaton Gänsefüßchen
C
Beiträge: 32 Wohnort: Duisburg
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C 15.09.2022 18:49
von chaton
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Dyrnberg hat Folgendes geschrieben: | Ich stolperte an manchen Stellen über den Fokus des Textes auf die Dichotomie von "Ehrlich/unehrlich."
Man kann sein Geld ehrlich verdienen; darunter würde ich zweifaches verstehen, nämlich, dass man nicht kriminell ist und dass man hart arbeitet. Zugleich kann man sein Geld ehrlich in einem großen System verdienen, das man moralisch anzweifelt. Hier würde ich dann aber nicht von einem "unehrlichen", sondern von einem ungerechten System sprechen. In anderen Worten: Oft hatte ich den Eindruck, dass der Begriff "ungerecht" der passendere wäre.
Mir ist die Hauptfigur in seinen Zweifeln und in seiner Kritik dabei fast zu zurückhaltend. Ich meine: Der Typ wohnt in einer Dachgeschosswohnung mit Loggia unweit des Viktualienmarkts. Der sollte längst verstanden haben, dass man sich solch ein Eigentum nicht "ehrlich"/"gerecht" erwerben kann, sondern dass nur eine minimale Elite die Chance auf so etwas hat. Nicht, weil sie härter arbeiten oder klüger wären, sondern weil ihre Eltern reich waren.
Solltest Du den Text nochmals überarbeiten, würde ich empfehlen, die Kritik zu radikalisieren. So sehr, dass seine Freundin inhaltlich nicht mehr mitgehen kann. Das würde auch etwas mehr Drama in den essaistischen Text bringen. |
Hi Dyrnberg,
habe selbst zwischen "unehrlich" und "ungerecht" gezögert. Will die Sache auch noch mal nachschärfen. Und doch tendiere ich dazu, dem System eine "Unehrlichkeit" an der Zeichen-Oberfläche zuzuschreiben, wo es sich selbst seinen Mitgliedern vermittelt und von ihnen rezipiert wird. Diese kollektive Unehrlichkeit banalisiert in seiner sozialen Praxis die eigentliche maßlose Ungerechtigkeit und macht sie locker als allseitig gerechtfertigt lebbar, mit wunderbar anästhesiertem Gewissen. Also eine dicke, fette Schicht aus Heuchelei und aggressiver Dummstellerei, wenn jemand es wagt, mit wirklich kritischen Worten vorzugehen.
Ja, ich wollte die beiden Protagonisten irgendwie sich aus dieser Heuchelei herausfinden lassen. Habe mir gesagt, es muss doch möglich sein, den Schleier beiseite zu schieben, selbst wenn man darin groß geworden ist. Es muss doch immer die Möglichkeit eines Begreifens und des Abstandnehmens geben. Wir sind doch nicht ausweglos von Schleiern umhüllt. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass man das Werk seiner eigenen ehrlichen Mühen deshalb von sich werfen muss. Vielleicht gewähren die beiden ja mal einem vom System verfolgten Dissidenten Unterschlupf? Ich weiß es nicht.
Deine Idee, die Freundin geistig anzutreiben, hat was. Aber ich glaube, ich habe sie so dargestellt, dass sie zumindest den Geist ihres Freundes respektiert und vielleicht mit der Zeit mehr damit anfangen kann.
Danke für deine Anregungen. Vielleicht fehlt mir ein wenig die "Radikalität", über die du verfügst. Aber gehe sorgfältig damit um.
Chaton
_________________ home: prosapoesie.de |
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realo Leseratte
Beiträge: 183
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18.09.2022 17:55
von realo
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Gerade weil in der Geschichte kein Beziehungskonflikt dargestellt wird, sondern die politische Ideologie im Vordergrund steht, bekommt das Ganze diese Haltung. Er spricht von seinen Ansichten und die sind so überzeugend, dass sie mitgehen kann. Eine andere Geschichte wäre, wenn sie die politische Aktivistin ist und er so nach und nach versteht, worum es ihr geht. Die Geschlechter spielen keine so große Rolle bei der politischen Haltung, es geht ums Verstehen des Systems und das ist gut dargestellt.
Ich befürchte nur bei aller Unehrlichkeit und Heuchelei im kapitalistischen System, es ist in jedem anderen System genauso, weil der Mensch ambivalent ist und lügen muss, will er überleben und das in einer Zivilisation mit Kultur am allermeisten. Es wird stets ungerecht zugehen, im zwischenmenschlichen Umgang und wir lieben diese menschlichen Schwächen. Es ist gut, wenn man die Defizite einer Gesellschaft kritisiert und benennt, jedoch sie ändern sich daraufhin nicht automatisch, manches ist für den heutigen Stand des menschlichen Bewusstseins unabänderlich.
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simbad Schneckenpost
S
Beiträge: 7 Wohnort: Berlin
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S 19.09.2022 15:27
von simbad
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Oh Mann.
Ich muss ehrlich gestehen das ich es auch nach mehrfachem Versuch nicht geschafft habe alles zu lesen. Oder doch? Aber dennoch versuche ich es mal in mein Hirn transferiert zu bekommen.
Das erste Problem das ich damit habe, ist das es keinen Handlungsfortschritt gibt, weil es keine Handlung hat, außer das sich zwei Menschen über ihre Gedanken zum Thema Geld austauschen.
Inhaltlich:
Ist halt 'ne Meinung. Macht aber von einem bei Populisten üblichen Trick Gebrauch allerlei Probleme aufzuwerfen, ob real oder nicht, ohne auch nur den Ansatz einer Lösung anzubieten. Vielmehr werden hier vielerlei Probleme über das Medium Geld miteinander verbunden. Es entsteht dabei der Eindruck als würde das Medium Geld die treibende Kraft hinter all diese Problemen sein. Die für mich logische Konsequenz wäre, das diese Liste von Problemen ohne Geld nicht existieren würde. Das wird aber nicht thematisiert.
Schreibstil:
Durch die Länge des Textes wirken die Wechsel von wörtlicher Rede zu Beschreibungen hölzern. Die Dialoge brechen hier die Beschreibung auf. Nicht umgekehrt. Damit wirkt es so als wäre der Dialog nicht das zentrale Element, sondern die Beschreibungen. Aber in den Dialogen befindet sich die Masse der Problembeschreibungen.
Wenn ich einen langen Dialog auflockern wollte, würde ich kurze knappe Beschreibungen einflechten.
Ich hoffe das hilft ein wenig.
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chaton Gänsefüßchen
C
Beiträge: 32 Wohnort: Duisburg
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C 19.09.2022 16:40
von chaton
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simbad hat Folgendes geschrieben: | Oh Mann.
Ich muss ehrlich gestehen das ich es auch nach mehrfachem Versuch nicht geschafft habe alles zu lesen. Oder doch? Aber dennoch versuche ich es mal in mein Hirn transferiert zu bekommen.
Das erste Problem das ich damit habe, ist das es keinen Handlungsfortschritt gibt, weil es keine Handlung hat, außer das sich zwei Menschen über ihre Gedanken zum Thema Geld austauschen.
Inhaltlich:
Ist halt 'ne Meinung. Macht aber von einem bei Populisten üblichen Trick Gebrauch allerlei Probleme aufzuwerfen, ob real oder nicht, ohne auch nur den Ansatz einer Lösung anzubieten. Vielmehr werden hier vielerlei Probleme über das Medium Geld miteinander verbunden. Es entsteht dabei der Eindruck als würde das Medium Geld die treibende Kraft hinter all diese Problemen sein. Die für mich logische Konsequenz wäre, das diese Liste von Problemen ohne Geld nicht existieren würde. Das wird aber nicht thematisiert.
Schreibstil:
Durch die Länge des Textes wirken die Wechsel von wörtlicher Rede zu Beschreibungen hölzern. Die Dialoge brechen hier die Beschreibung auf. Nicht umgekehrt. Damit wirkt es so als wäre der Dialog nicht das zentrale Element, sondern die Beschreibungen. Aber in den Dialogen befindet sich die Masse der Problembeschreibungen.
Wenn ich einen langen Dialog auflockern wollte, würde ich kurze knappe Beschreibungen einflechten.
Ich hoffe das hilft ein wenig. |
Ob´s hilft? Langsam bin ich hilflos. Also eine äußere Handlung gibt es nicht. Die beiden sitzen und liegen sich gemütlich gegenüber und unterhalten sich. An der Situation kann ich nichts ändern. Vielleicht existieren ja derartige Gespräche nicht (mehr?) zwischen zwei ganz normalen Zeitgenossen. Ich weiß es nicht.
Ja - die beiden reden über das liebe Geld (nicht nur, aber reichlich). Das kann passieren. Allerdings reden sie in bestimmten Zusammenhängen, die über Fragen der Haushaltskasse oder des Ratenvertrags etc. hinausgehen.
Beschreibungen/Dialog: Danke, daran werde ich arbeiten.
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simbad Schneckenpost
S
Beiträge: 7 Wohnort: Berlin
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chaton Gänsefüßchen
C
Beiträge: 32 Wohnort: Duisburg
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C 19.09.2022 18:34
von chaton
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simbad hat Folgendes geschrieben: | chaton hat Folgendes geschrieben: | [
...
An der Situation kann ich nichts ändern. Vielleicht existieren ja derartige Gespräche nicht (mehr?) zwischen zwei ganz normalen Zeitgenossen. Ich weiß es nicht.
Ja - die beiden reden über das liebe Geld (nicht nur, aber reichlich). Das kann passieren. Allerdings reden sie in bestimmten Zusammenhängen, die über Fragen der Haushaltskasse oder des Ratenvertrags etc. hinausgehen.
...
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Na ja. Dann bin ich wohl nicht normal ,was ich auch nicht erwarte. Diese Themen die deine Protagonisten ansprechen habe ich alle schon mit meiner Frau durch diskutiert. Nur endeten diese Gespräche niemals so knapp unter der Oberfläche des eigentlichen Problems.
Das mag einer der Gründe sein warum ich den Textinhalt als unzureichend empfinde.
Thema Handlung: Noch ein Versuch.
Handlung muss nicht zwangsläufig Backen, Kochen oder das erreichen eines Zieles sein.
Wir kratzen uns an der Nase oder verziehen das Gesicht. Wir schauen ungläubig oder ein Gesicht hat einen überraschten Ausdruck oder es huscht der Ausdruck der Erkenntnis über ein Gesicht?
All diese kleine Handlungen machen die Figuren lebendiger und unterstreichen die Bedeutsamkeit des Inhalts. Das geht, für mein Empfinden, bei dir völlig unter.
chaton hat Folgendes geschrieben: |
.... Ja, sie könne seine Gedanken verstehen, sie seien nicht von der Hand zu weisen. Und es sei viel Wahres dran...... |
"Verdammt er hat ja recht"
Keine Ahnung wie man den Unterschied beschreiben soll. |
Ja, verstehe, werde versuchen, "Rahmenhandlungen" einfließen zu lassen. Ja, und dann sind da die Repliken. Sicher, man kann so einige Ausführungen kondensieren. Du zeigst es an einem Beispiel. Statt eine Reihung von drei Sätzen, kann sie bündig sagen "Verdammt, er hat ja recht" - Aber die Funktion der indirekten Rede muss ich mir noch einmal überlegen. Sie ist keine "direkte Rede" 1 zu 1 in "indirekte Rede" übertragen. Aber ich gebe zu, dass ich den Wechsel eher "intuitiv", nach Gefühl, gemacht habe. Aber jetzt werde ich doch auf die Sache gestoßen und muss mal drüber nachdenken.
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