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Das Walross blickt nach Nordosten und sieht sich selbst


 
 
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V.K.B.
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Beitrag11.08.2022 19:00
Das Walross blickt nach Nordosten und sieht sich selbst
von V.K.B.
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Das Walross blickt nach Nordosten und sieht sich selbst

Zahlen bedeuten nicht. Oder nichts? Nein, das ist schon richtig so. Nichts wäre immer noch eine Bedeutung, doch wir sind längst bei Nicht-Bedeuten angelangt. Schweiß von meiner Stirn tropft auf sinnlose Glyphen herab. Wie ein Tränenregen, der alles hinfortspült, aber nicht kommen will. Warum sehe ich den Kalender überhaupt durch? Ich weiß das Datum doch. Oh, ja, dieses Wochenende im August, ich hatte mich das ganze Jahr darauf gefreut. Zu spät zum Absagen jetzt, sie werden kommen, hierher, und was erwarten sie dann? Soll ich wieder witzig sein? Funnyman? So kennen sie es ja von all den vorigen Jahren. Immer ein Witz über Sommergäste zur Begrüßung. Okay, Leute, versuchen wir’s. Wie wird man Sommergäste wieder los? Gut, dass wir nicht in Finnland leben, da müsste man erst eine Sauna suchen und sie dorthin bringen. Dahinter, um genauer zu sein. Haben sie glaub ich mit Partisanen gemacht, in einem der vielen Kriege mit Russland, daher die Redewendung. In Deutschland haben wir es da ja echt einfacher, da reicht die nächste Ecke. Hey, kommt einfach mal mit, hier geht’s rum. Jaja, Funnyman. Nicht witzig. Soll es aber gar nicht sein, wäre nur eben die pragmatischste Permanentlösung. Wie Sonnenenergie. Zerschießt die Wolken, den akribisch gepflegten Rasen, das Klima – und mir das Gehirn. Ich muss mal wieder schlafen, bin kaum noch zu klaren Gedanken fähig. Vielleicht regnet es heute ja.

Volker, wach auf!
Die laut in mein Ohr raunende Stimme reißt mich aus dem unruhigen Halbtraum.
Erwin, hast du mich gerufen?
Verdammt, Erwin ist nicht da. Natürlich nicht. Schon vor über einem Monat ist er gegangen. Wir hatten uns heftig gestritten und er nur das Nötigste mitgenommen, die meisten seiner Sachen sind noch hier im Haus. Spukmaterial.
Und diese Hitze, auch nachts, sie entzieht mir sämtliche Energie und lässt ihre bestimmt bald heiseren Dehydrationsphantome mich immer wieder aus dem Schlaf brüllen. Ich bin ganz alleine hier. Aber meine alten Freunde werden kommen, also warten. Tag ein, Hitze aus. Auf zur Berghütte im Familienbesitz, wie immer. Wir müssen doch den gemeinsamen Urlaub da verbringen, die alte Tradition aufrechterhalten. Und nicht mehr allein sein.
Das Warten verstreicht im flirrenden Delirium des Spätsommers einer Welt, die ihr Haltbarkeitsdatum schon lange überschritten zu haben scheint.

Na dann, herzlich willkommen, Leute.
Lange nicht gesehen, Volker.
Stimmt. Genau ein Jahr.
Und doch wiedererkannt.

Nee, Leute, Stopp. Ich weiß was Besseres als Smalltalk: Wir sind alle nur Sommergäste auf der Welt, bis der Winter kommt und dann sind wir wieder verschwunden. Wenn man ankommt, ist es so, als gehe man zu einem Vorsprechen für eine Filmrolle. Ein kurzer Blick ins Skript, und dann:
Ich bin mit einem älteren Ehepaar im Bett?
Ich bin nackt?
Und ich bin ein Walross?
Ah, muss ein französischer Film sein.

Tatsächlich haben sie gelacht. Funnyman! Aber das war letztes Jahr. Dieses Jahr lacht gerade keiner. Mir fällt nämlich kein Witz ein. Das Walross blickt nach Nordosten und sieht sich selbst. Hat irgendeiner auf YouTube erzählt. Und dass die Erde eine Scheibe sei, deshalb kommt das Licht als Echo zurück. Wie auch immer das gehen soll und was auch immer es bedeuten mag.
Ein Clown kennt sein Publikum nicht. Er zieht einfach seine Nummer durch.

Wo ist denn Erwin, will Robert schließlich wissen.
Ich schüttle nur den Kopf.
Soso, keine Zeit heute?
Nicken. Klar, isso, Schwester.

Zeit flimmert mit der Hitze vorüber, gefriert am Horizont, wo der Winter uns einholen wird. Niemand beachtet sie noch. Erwin ist erwachsen geworden, wollte Verantwortung übernehmen. Sagte er so. Als wir uns das letzte Mal sahen.

Frühstückstisch im Grünen, malerische Berge im Hintergrund und der idyllische kleine Ort im Tal, gehört bereits zu Österreich, glaube ich. Sieht von hier oben wie Spielzeug aus. Ist das Leben da unten vielleicht wirklich nur ein Spielplatz? Alles nicht so ernst nehmen, wir spielen doch bloß. Seit dem Studium sind wir jedes Jahr hier oben. Drei Paare, sechs Menschen, Partnerverteilung nicht standardgemäß. Der Queer-Club, wie sie unsere Clique damals im Studium nannten, ist wieder zusammengetreten. Alles längst normale Banalität. Nur Erwin fehlt.

Wir reden. Was Menschen eben so tun, wenn sie sich ein Jahr nicht gesehen haben. Norbert schimpft über die Dieselpreise. Verdammt, ich hab den Wagen doch gekauft, weil der Sprit so billig war und ich viel fahre, da lohnte sich das. Jetzt zahle ich höhere Steuern und dazu noch –
Robert klopft ihm auf die Schulter. Komm runter, Schatz, nicht schon wieder Hasstiraden auf die Regierung. Bitte.
Herzallerliebst, unser Ernie-Paar, wie ich sie immer nannte. Als ich noch der Funnyman war. Jetzt sind sie wie ein altes Ehepaar, immer am Kabbeln. Wenn das Leben ein französischer Film wäre, könnte ich mich als Walross dazulegen.

Man sollte eh nicht mehr Auto fahren, wirft Anne ein, und Diesel schon gar nicht. Unsere Kinder werden deshalb Kriege um Wasser führen.
Na, dann können wir ja froh sein, dass keiner von uns Kinder hat, werfe ich zurück.
Nicht witzig. Sie schaut mich tadelnd an. Ich hoffe, du hast nicht auch wieder Fleisch zum Grillen gekauft.
Klar habe ich. Du sagst doch immer, Tierhaltung schadet dem Klima. Also essen wir sie alle möglichst schnell auf, dann ist das Problem gelöst.
Nadja lacht. Funnyman ist wieder da!
Anne sieht sie verächtlich an. Unterstütz ihn doch nicht noch!

Die beiden sind nicht viel anders als Nor- und Robert geworden. Nadja hat übrigens auch was zu schimpfen. Über die allgemeine Empathielosigkeit. Da hab ich mich doch neulich mit einer Kollegin in der Wolle gehabt, auch noch Religionslehrerin, die sollte es doch echt besser wissen. Aber nee, haben wir einen neuen Schüler, Kriegswaise aus der Ukraine, und sie schmeißt ihn aus ihrem Kurs, weil der zu voll sei und er eh noch kein Deutsch könne. Unmöglich, sowas!
Allgemeine Zustimmung. Recht so, empört euch! Fröhlich trinken wir auf den Zeitgeist, das Schreckgespenst der Zukunft.
Moment, fällt Robert ein, hat Erwin nicht auch Angehörige in der Ukraine?
Ich nicke. Seine halbe Familie stammt von dort und lebt immer noch da.
Verständlich, wenn er keine Lust auf ein fröhliches Beisammensein mit uns hat, stellt Norbert fest.
Ich nicke nur. Bin ich egoistisch? Aber verdammt noch mal, ich will jetzt nicht über Erwin und seine Familie reden. Die Stimmung nicht kaputtmachen. Und ich will auch nicht wissen, was dann passieren würde. Wir sind hier zusammengekommen, um wieder ganz unbeschwert miteinander abzuhängen, wie damals im Studium, und die ganzen Jahre danach. Ich brauch das jetzt. Und es ist das letzte Mal.

Ich muss die Hütte verkaufen, wechsle ich das Thema.
Wieso das? Bist du pleite?
Nein, Anne. Hier kommt ein Wasserkraftwerk mit Stausee hin. Erneuerbare Energie, müsste dir doch gefallen.
Ach du Scheiße! Und dann?
Können wir uns ja in deiner Dreizimmerwohnung in München treffen. Oder lassen es ganz bleiben, aber letzteres spreche ich nicht laut aus. Wirklich was zu sagen haben wir uns doch schon lange nicht mehr und unsere Sommertreffen sind längst Selbstzweck geworden. Traditionsforcierte Zeitschleifen, um nicht einsehen zu müssen, dass die Welt sich weiterdreht und sich alles ändert. Oder schon geändert hat.
Oh Mann, das ist ja schade, heuchelt Norbert.
Machen wir das Beste draus, schlägt sein Mitbert vor. Solange wir noch hier sein können. Ich möchte auf jeden Fall noch mal eine Bergwanderung machen.
Ich auch, stimmt Nadja zu.

Und das machen wir dann auch. Wird sogar schön. Noch einmal die Uhr zurückdrehen, alle machen mit. Und ich sogar meine Witze, die gleichen wie früher. Und wir lachen, richtig ausgelassen, als wären alle Probleme ganz weit weg. Funnyman ist ja wieder da. I am the eggman, I am the walrus. Bin ich nicht immer nur wie ein Clown gewesen? Froh darüber, sein wahres Selbst hinter einer fremden Maske verbergen zu können und sein Publikum nicht wirklich kennen zu müssen? Nein, jetzt ist nicht der Zeitpunkt, das zu hinterfragen. Ich bin eh viel zu zynisch, sollte das letzte Treffen dieser Art einfach genießen, so gut ich kann. Noch einmal verdrängen, solange es geht. Auch wenn die Monsterkralle des Morgen jeden Tag lauter an meiner notdürftig verrammelten Depressionstür kratzt. Aus!, mein alter Freund Dunkelheit, ich weiß es doch. Lass mich ein letztes Mal mit hochhackigen Schuhen auf dem Schafott des Leugnens tanzen. Wenn ich doch nur mal richtig weinen könnte.

Aber nein, ich tanze. Oh ja, und wie ich tanze! Durch die flirrende Hitze der letzten Sommertage und die ignorierte Kälte lange verblichener Freundschaften des kommenden Winters. Tick-Tack. Tick-Tack. Nein, nicht die Zeit. Meine imaginären High Heels auf dem Marmorboden im Ballsaal des Lebens.

Cut!
Oder was ein französischer Regisseur rufen würde, ich weiß es nicht. Aber wieder so eine Traumstimme, die mich aus dem Schlafwandeln reißt. Heute ist der Tag der Abfahrt. Soll ich es ihnen sagen? Einfach noch schnell zum Abschied? Nein, vielleicht bleiben sie dann länger, um mich mit ihren leeren Worthülsen zu trösten. Ich brauche ihr Mitleid nicht. Und es war eh der letzte glückliche Moment, oder zumindest einer, der sich später als solcher schönlügen lässt. Ein paar schnelle Umarmungen, dann blicke ich ihren Fahrzeugen nach, die über die Bergstraße aus meinem Leben verschwinden. Wahrscheinlich für immer.

Schade, dass Erwin nicht dabeisein konnte, hatte Anne zum Abschied nochmal gesagt.
Finde ich auch, antwortete ich nur, und komme mir jetzt gleichzeitig unendlich dumm und egoistisch vor. Ich überlege, was passiert wäre, hätte ich ihnen die Wahrheit gesagt. Über Erwin und seine verdammte Verantwortung, die er übernehmen wollte. Nein, ich will gar nicht wissen, wie sie reagiert hätten. Es ist doch immer das Gleiche mit dieser tauben, teilnahmslosen Welt. Ein Schuss ertönt im Nordosten und man beachtet ihn nicht.

Sofern man nicht selbst mit Erwin zusammen war, dem er den Kopf zerfetzte.

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V.K.B.
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Beitrag21.08.2022 20:08

von V.K.B.
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So, dann mal ein fünffaches "Here goes nothing!" und der obligatorische Eigenverriss, soll ja auch Glück bringen.

Veith, was haste da wieder verzapft? Das ist doch wieder eine von jenen Geschichten, die du zu keinem Zeitpunkt wirklich zu schreiben beabsichtigt hast. Wieder mal keine Idee gehabt und einfach an den Rechner gesetzt und drauflosgetippt, irgendein Gefasel über Sinnlosigkeit und Zahlen, in der Hoffnung, da würde dann irgendwie eine Geschichte draus werden. Na gut, immerhin ist das passiert, auch wenn sie eigentlich ziemlich dünn ist. Und du versuchst, das übertrieben-aufgesetzt mit sprachlicher Eloquenz (oder was du dafür hältst) zu kaschieren.

Drei gleichgeschlechtliche Paare, die sich aus dem Studium kennen, treffen sich jedes Jahr für sein Spätsommerwochenende in einer Berghütte. Sie haben sich auseinandergelebt und kaum noch wirklich was zu sagen, führen das aber weiter, weil sie es immer so gemacht haben. Dieses Jahr fehlt Erwin, und sein Partner, Volker der "Funnyman", einst stets fröhlicher Clown der Gruppe, ist kalt und zynisch geworden. Er zieht das Treffen nur noch als Ablenkung für sich durch, um sich nicht der Realität seines Lebens stellen zu müssen. Sein Partner Erwin ging als freiwilliger Kämpfer in die Ukraine und kam dabei ums Leben. Die Ablenkung gelingt nicht, da er immer wieder an die Zukunft denkt, die er jetzt ohne seinen Partner verbringen muss. Er schafft es aber auch nicht, mit seinen Freunden zu re-connecten und ihnen zu sagen, was vorgefallen ist und ein echtes Gespräch mit ihnen zu führen.

Da stellt sich jetzt die Frage: Was soll das überhaupt? Eine Geschichte über Kommunikationsunfähigkeit, Verdrängung und eine Welt, wo jeder nur noch sich selbst im Sinn hat? Das soll das Lesy wohl selbst interpretieren. Oder über Walrosswitze lachen? Damit es wenigstens ein bisschen unterhaltsam bleibt?

Reicht das für einen E-Wettbewerb? Nee, vergiss es. Jetzt, wo du ein paar richtig gute Geschichten hier gelesen hast, wohl kaum. Das ist flach, eindimensional und – doch irgendwie nur U-Lit, die versucht, sich einen E-Anstrich zu geben. Das war wohl nichts dieses Jahr, oder? Immerhin ist es dir aber gelungen, endlich mal genau die 10k Zeichen zu treffen (nur wenn man statt "Zitat" den Text markiert und in einen neuen Post kopiert, sind es nur 9999. Weiß jemand, wieso? Ich rätsle schon seit Tagen darüber).

Zurück in die erste Person und weg vom Eigenveriss: Ich bin mir wirklich nie sicher, was das wird, wenn ich versuche, ensthafte Gegenwartsliteratur zu schreiben. Also lasse ich mich jetzt einfach mal überraschen, was bei euren Kommentaren rauskommt. Wobei ich mir aber sicher bin, da sind eine Menge bessere Geschichten dabei, von Leuten, die im Vorfeld richtig gute Ideen hatten, statt einfach irgendwas draufloszuschreiben.

Wende ich mal die eigenen Kriterien an:

E-Lit: Da bin ich mir nach dem Lesen anderer Geschichten nicht mehr so sicher
Sperrig: nicht wirklich, oder?
Thema Sommergäste: Die drei Paare, die sich jeden Sommer treffen
Begegnungen/Abschiede: Das Hinterfragen der alten Freundschaften und der innere Abschied von diesen. Eine wirkliche Begegnung mit den anderen findet (absichtlich) nur oberflächlich statt
ungehörter Schuss: Niemand bemerkt, wie depressiv Volker geworden ist, und es fragt auch niemand genauer nach, was Erwin betrifft.
Hintergrund Veränderung: Die Welt im Wandel, Klimakrise, könnte man denken, aber das ist eine Finte. Die eigentliche Veränderung ist, dass Volker jetzt sein Leben allein bestreiten muss, aber noch in der Denial-Phase der Trauer um Erwin ist, doch ihm ist klar, dass er nicht ewig vor der Realität weglaufen kann und sich irgendwann damit auseinandersetzten muss, über aufgesetzte Zynismen hinausgehend
Persönliches Gefallen: Je öfter ich die Geschichte lese (und je mehr andere Wettbewerbsgeschichten ich lese), desto weniger gefällt sie mir. Andere hatten da echt bessere und kreativere Ideen, denke ich. Aber vielleicht bin ich auch wieder zu selbstkritisch, ich kann das bei reinen E-Versuchen wirklich immer schlecht einschätzen. Mal sehen, was die Kommentatoren sagen.


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Hang the cosmic muse!

Oh changelings, thou art so very wrong. T’is not banality that brings us downe. It's fantasy that kills …
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Schlomo
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Beiträge: 215
Wohnort: Waldperlach


Beitrag23.08.2022 00:11

von Schlomo
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Zuerst dachte ich, ich könne mit der Geschichte wenig anfangen. Dann erinnerte ich mich an die Berghütte, die Bekannte meiner Eltern in Österreich bei Maria lach gemietet und renoviert hatten. Wir hatten dort mal eine Woche Urlaub gemacht. Ein paar Jahre später fanden unsere Bekannten heraus, dass der Bauer, der ihnen die Hütte vermietet hatte, sie - wenn sie nicht da waren - an ein Lehrerehepaar weiter vermietet hatte. Gefiel unseren Bekannten nicht, weshalb sie den Mietvertrag lösten.

Mir hat die Gegend gut gefallen, vor allen weil ich bei den Wanderungen ins Steinerne Meer Mineralien sammeln konnte. Anstrengend, aber extrem spannend.

Als ich in der Geschichte von der Ukraine las, war mir schon klar, was mit Erwin geschehen war. Würde ich als Rücksturz in die Realität bezeichnen. Super starke Geschichte!


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silke-k-weiler
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Das goldene Schiff Der goldene Eisbecher mit Sahne


Beitrag23.08.2022 12:18

von silke-k-weiler
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Lieber Text,

trotz fehlender Kabelbinder sieht das nach Veiths Handschrift aus. Laughing

Ein paar befreundete Pärchen treffen sich jedes Jahr in Volkers Berghütte. Diesmal ist Erwin, Volkers Partner, nicht dabei, was Volker nicht weiter thematisiert. Und ich ahne: Erwin ist weit mehr als nur nach einem Streit verschwunden. Das Ende legt nahe, dass Erwin, mit ukrainischen Wurzeln, in die Heimat gereist ist, um für sein Land zu kämpfen, und das nicht überlebt hat. Die Veränderung läuft aber auch auf vielen anderen Ebenen ab, Veränderung in der Beziehung der Freunde zueinander, Welt mit überschrittenem Verfallsdatum, eben der Krieg, und ich frage mich, wie ich meine Sommerfrische in dieser Kackwelt überhaupt noch genießen soll/darf/kann (Wir sind nur Gast auf Erden!)

Gern gelesen und weiter in meiner Top 10.

VG
Silke
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dürüm
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Vorlesbar I


Beitrag23.08.2022 20:59

von dürüm
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Hallo Inco,

das war der Text, der mich emotional am meisten getroffen hat.

Also der Plot hätte 12 Punkte bekommen.

Die Umsetzung hat mich dann stellenweise gestört (der Funnyman z.B.), auch der Titel mit dem Bezug auf französische Filme war für mich nicht stimmig.

Und zu guter Letzt hätte ich Erwin nicht Erwin genannt, sondern hätte ihm einen slawischen Namen gegeben (aber das ist natürlich Geschmackssache)

Gerne gelesen!

8 Punkte

Gruß
Kerem


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Versuchungen sollte man nachgeben. Wer weiß, ob sie wiederkommen.
(Oscar Wilde)
Der Willige wird vom Schicksal geführt. Der Störrische geschleift.
(Seneca)
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Constantine
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Goldener Sturmschaden Weltrettung in Bronze


Beitrag25.08.2022 09:56

von Constantine
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Bonjour Señora Incógnita

Anmerkungen im Text und Gesamtfazit weiter unten:
Señora Incógnita hat Folgendes geschrieben:
Das Walross blickt nach Nordosten und sieht sich selbst

Zahlen bedeuten nicht. Oder nichts? Nein, das ist schon richtig so. Nichts wäre immer noch eine Bedeutung, doch wir sind längst bei Nicht-Bedeuten angelangt. Schweiß von meiner Stirn tropft auf sinnlose Glyphen herab. <-- Bei diesem Satz bleibe ich hängen, klingt sehr angestrengt formuliert, um wohl eine innere Spannung zu zeigen. Ist mir zu erzwungen. Und wenn der Protagonist so schwitzt, warum wischt er sich den Schweiß nicht einfach ab, anstatt wie im nachfolgenden Satz in Theatralik und angedeuteten Jammern abzudriften?   Wie ein Tränenregen, der alles hinfortspült, aber nicht kommen will. <-- Da ist jemand sehr unzufrieden und sehr theatralisch. Schweißtropfen mit Tränenregen zu vergleichen, ist sehr übertrieben. Ist das ein Versuch, dem Text oder Protagonisten eine gewisse bildreich-poetische Schwere zu geben? Das ist eher unfreiwillig komisch geraten und kommt mir sehr erzwungen vor. Wenn die Tränen regnen, dann schwitzt der Protagonist aber ordentlich, sitzt in einer Pfütze. Funnyman braucht gar nichts sagen, er ist schon durch diese Slapstickeinlage sehr witzig. Warum sehe ich den Kalender überhaupt durch? Ich weiß das Datum doch. Oh, ja, dieses Wochenende im August, ich hatte mich das ganze Jahr darauf gefreut. Zu spät zum Absagen jetzt, sie werden kommen, hierher, und was erwarten sie dann? Soll ich wieder witzig sein? Funnyman? So kennen sie es ja von all den vorigen Jahren. Immer ein Witz über Sommergäste zur Begrüßung. <-- Der Arme. Ja, das sind wirklich Probleme, die einen den Besuch vermiesen können. Okay, Leute, versuchen wir’s. Wie wird man Sommergäste wieder los? Gut, dass wir nicht in Finnland leben, da müsste man erst eine Sauna suchen und sie dorthin bringen. Dahinter, um genauer zu sein. Haben sie glaub ich mit Partisanen gemacht, in einem der vielen Kriege mit Russland, daher die Redewendung. In Deutschland haben wir es da ja echt einfacher, da reicht die nächste Ecke. Hey, kommt einfach mal mit, hier geht’s rum. Jaja, Funnyman. Nicht witzig. Soll es aber gar nicht sein, wäre nur eben die pragmatischste Permanentlösung. <-- Das hier empfinde ich als unmotiviertes Blabla. Zu Beginn ging es um Nicht-Bedeuten und es wäre passender, hier den Anschluss dazu zu machen, als über Sauna, Krieg und Redewendungen zu philosophieren. Wie Sonnenenergie. Zerschießt die Wolken, den akribisch gepflegten Rasen, das Klima – und mir das Gehirn. Ich muss mal wieder schlafen, bin kaum noch zu klaren Gedanken fähig. Vielleicht regnet es heute ja. <-- Den Satz würde ich überdenken. Er hat seinen schweiß-metaphorischen Tränenregen. Wozu noch weiterer Regen? Duschen wäre aich eine Idee. Und die sinnlosen Glyphen von seinem Schweiß abtrocknen.
Bereits im ersten Abschnitt merkt man, dass da viel platte Theatralik, eine unfreiwillig komische Metapher und viel heiße Luft/Blabla ist, die dem Text und dem Protagonisten gar nicht gut tun.

Volker, wach auf!
Die laut in mein Ohr raunende Stimme reißt mich aus dem unruhigen Halbtraum.
Erwin, hast du mich gerufen?
Verdammt, Erwin ist nicht da. Natürlich nicht. Schon vor über einem Monat ist er gegangen. <-- Ich würde diese angestrengte Erzählkonstruktion überdenken. Der Protagonist weiß, dass Erwin nicht da ist, seit über einem Monat. Leidet der Protagonist an Alzheimer? Oder soll dies dem Leser den Gemütszustand Volkers dick aufgetragen vermitteln? Wir hatten uns heftig gestritten und er nur das Nötigste mitgenommen, die meisten seiner Sachen sind noch hier im Haus. Spukmaterial. <-- Ein wenig LGBTQ-Thematik mit schiefem Haussegen kommt in den Text rein. Brokeback Mountain revisited.
Und diese Hitze, auch nachts, sie entzieht mir sämtliche Energie und lässt ihre bestimmt bald heiseren Dehydrationsphantome mich immer wieder aus dem Schlaf brüllen. Ich bin ganz alleine hier. Aber meine alten Freunde werden kommen, also warten. Tag ein, Hitze aus. Auf zur Berghütte im Familienbesitz, wie immer. Wir müssen doch den gemeinsamen Urlaub da verbringen, die alte Tradition aufrechterhalten. Und nicht mehr allein sein.
Das Warten verstreicht im flirrenden Delirium des Spätsommers einer Welt, die ihr Haltbarkeitsdatum schon lange überschritten zu haben scheint.

Na dann, herzlich willkommen, Leute.
Lange nicht gesehen, Volker.
Stimmt. Genau ein Jahr.
Und doch wiedererkannt.

Nee, Leute, Stopp. Ich weiß was Besseres als Smalltalk: Wir sind alle nur Sommergäste auf der Welt, bis der Winter kommt <-- Abgesehen davon, dass hier die Themenvorgabe erwähnt wird, das stört nicht, aber das ist wieder platte Metaphorik und anscheinend gibt es für den Protagonisten nur die Sommerurlaubszeit 1x/a mit den alten Freunden zu geben und dann kommt der Winter. Was ist mit all den Tagen, Wochen, Monaten im Jahr? Was ist mit Frühling und Herbst? Im Frühling, wenn alles abgetaut ist oder im Abtauen ist und es anfängt zu sprießen, zu blühen, zu krabbeln und zu summen. Und der tolle Herbst, eine schöne Jahreszeit. und dann sind wir wieder verschwunden. <-- auf die Tränendrüse wird fleißig weiter gedrückt. Wenn man ankommt, ist es so, als gehe man zu einem Vorsprechen für eine Filmrolle. Ein kurzer Blick ins Skript, und dann:
Ich bin mit einem älteren Ehepaar im Bett?
Ich bin nackt?
Und ich bin ein Walross?
Ah, muss ein französischer Film sein.
<-- Klasse. Funnyman kann doch witzig/ironisch sein, auch wenn er nicht darauf reduziert werden möchte.

Tatsächlich haben sie gelacht. Funnyman! Aber das war letztes Jahr. Dieses Jahr lacht gerade keiner. Mir fällt nämlich kein Witz ein. Das Walross blickt nach Nordosten und sieht sich selbst. Hat irgendeiner auf YouTube erzählt. <-- Schade, dass die Formulierung nicht seine eigene ist. Und dass die Erde eine Scheibe sei, deshalb kommt das Licht als Echo zurück. Wie auch immer das gehen soll und was auch immer es bedeuten mag. <-- Warum auch immer der Protagonist über ein Youtube-Video sinniert, das keine Bedeutung hat, inhaltlich nichts mit einem Witzen zu tun hat und vom fraglichen Zusammenhang irrelevant für mich ist. Der Gedankensprung vom Youtube-Video und dessen Hinterfragung zum Clown bleibt auch vom Zusammenhang her fraglich.
Ein Clown kennt sein Publikum nicht. Er zieht einfach seine Nummer durch. <-- Au contraire, Señora Incógnita. Ein Clown kennt sein Publikum genau, muss es genau kennen, wenn er engagiert/gebucht wird, denn es gehört zu seinem Job. Dieser Satz ist schlichtweg falsch und erzielt den absolut gegenteiligen Effekt, den Protagonisten als tragische Clownsfigur zu etablieren. Klappt bei mir nicht und passt für mich nicht.

[...]



Insgesamt, leider ein sehr exaltierter Beitrag, der einen tragischen Clown-Protagonisten mit seinem Weltschmerz zu etablieren versucht, aber all die platten Metaphern, all die künstliche Theatralik, all das Jammern (sorry) klingt für mich künstlich und unecht. Der Protagonist ist für mich leider aufgund des Wie-Verfassten nicht ernst zu nehmen. Das Was kommt rüber, aber es reicht nicht, wenn der Text mich als Leser abholen, fesseln und teilhaben lassen möchte. Das Gefühl hatte ich hier leider nicht. Wenig Widerhall, wenig Interesse, trotz schönem Titel, teilweise guter Ansätze fürs Erzählen und einiger schöner Formulierungen. Das Bild mit dem Walross ist sehr schön, auch wenn die Assoziation eine traurige ist.
Es ist letztenendes eine banale Geschichte, übertüncht mit reichlich Klimbim (nein, nicht die Serie!), um dem Text und dem Protagonisten eine Tiefe zu geben, die nie erreicht wird und leider verpufft.

Es tut mir leid. Dieser Beitrag hat mich leider nicht überzeugt: zéro points.


Merci beaucoup
Constantine
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d.frank
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D

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Wohnort: berlin


D
Beitrag25.08.2022 17:08

von d.frank
Antworten mit Zitat

Das Ende wirkt wie aus dem Hut hervorgezaubert und deckt sich auch nicht, mit dem, was anfangs über Erwin gesagt wird. Dann überfliegt man nochmal: Ach ja, Ukraine, Verantwortung übernehmen.
Aber mit diesem Aha Effekt wirkt das erst recht konstruiert. Es dringt nicht in die Tiefe vor, bleibt, trotz einiger sprachlicher Perlen, seicht und plätschert so dahin und hat mich deshalb nicht wirklich fesseln oder erstaunen können.


_________________
Die Wahrheit ist keine Hure, die sich denen an den Hals wirft, welche ihrer nicht begehren: Vielmehr ist sie eine so spröde Schöne, daß selbst wer ihr alles opfert noch nicht ihrer Gunst gewiß sein darf.
*Arthur Schopenhauer
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Heidi
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Wohnort: Hamburg
Der goldene Durchblick


Beitrag28.08.2022 20:21

von Heidi
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Das Thema

Dreierlei:

- Der Liebesschmerz eines Mannes mündet in eine Depression
- Fassade und Wahrheit
- Maske entgegen Kongruenz

Der Titel

Gefällt mir ausgesprochen gut und passt auch ausgesprochen gut zum Inhalt des Textes. Er zeigt das Auf-sich-selbst-zurückgeworfen-sein der Titelfigur in bildhafter Form.

Der Anspruch / Die Ungefügigkeit / Die Eigenständigkeit

Alles gegeben.

Die Sprache

Mag ich. Bis auf diesen Satz:

Zitat:
Schweiß von meiner Stirn tropft auf sinnlose Glyphen herab.


Mag sein, dass er absichtlich so wirr auftritt, ich finde ihn dennoch nicht gelungen.

Der Gesamteindruck

Es sind viele aktuelle Themen in diesem Text vereint und die Stimme der Ich-Figur bringt stark zum Ausdruck, wie diese sich fühlt. Die Depression, die Resignation und der Rückzug ist spürbar, auch der Versuch das Innenleben zu überspielen, um dort anzuknüpfen, wo er und der Erzähler und seine Freunde damals in Studienzeiten stehengeblieben sind, finde ich ungemein gut gelungen. Der Clown, der tut, was er tun muss. Menno, dieses Detail des Textes erinnert mich an hervorragende Lyrik von einem hervorragenden Autor, der sich hier leider nicht mehr blicken lässt: Harlekin (Danke für die Erinnerung!)

Im Text wird mit wenigen Worten eindringlich dargestellt, wie es um die Beziehung zwischen den darstellenden Figuren steht und was sie verbindet. Das alles halte ich für gelungen. Der Schmerz um Erwin, die Sache mit dem Walross, das Verdrängen der Wahrheit, die unmöglich ausgesprochen werden kann. Das alles ergibt ein sinniges Bild.

Es kommen aber auch Themen vor, wie der Krieg in der Ukraine, die Umweltthematik in Bezug auf die Erderwärmung und was alles so dazugehört; die Veränderung der Welt im Allgemeinen, die Volker schwer verkraften kann. Da das Dinge sind, die jeden von uns aktuell umgeben, mit denen wir zu kämpfen haben, die wir nicht weiter vor uns herschieben können, ist es legitim, sie in einem Text zu verarbeiten.
Ob ein Text diese Themen braucht, ist das andere. Als Hintergrundinformation, um den Handlungszeitpunkt für die Leserschaft festzumachen und um auf gewisse Einflüsse, die auf die Figuren einwirken, hinzuweisen, halte ich es aber für durchaus in Ordnung.

Mein Kritikpunkt liegt am Ende der Geschichte und zwar am Schuss und dem zerfetzten Kopf. Erwin, der die Verantwortung für seine ukrainischen Verwandten übernehmen wollte und der Verweis auf die beiden genannten Ereignisse, sind doch sehr eindeutig und machen mir am Ende die Geschichte kaputt. Nicht, weil man nicht über Krieg, Tod und Verderben oder realitätsnahe Themen schreiben soll, sondern, weil es mir zu viel der Dramatik ist und die Geschichte die nicht bräuchte.
Wichtig ist mir in meinem Lesen immer die Figur. Zeigt sie sich mir, macht sie sich nackt bis an die Knochen, dann bin ich zufrieden. Wenn ich die Figur und ihr Innenleben sehe, dann ist das gut und es ist völlig irrelevant, warum Erwin nicht wiederkommt, denn Erwin ist in dieser Geschichte ohnehin nicht existent, er lebt nur in den Gedanken der Ich-Figur und die erlebe ich.

Kurz gesagt, zerfetzen die letzten fünf Sätze den kompletten Text, den ich bis dahin mindestens auf dem Treppchen gesehen habe. Er bekommt aber doch noch sage und schreibe vier Punkte ab, weil während des Lesens eine gelungene Figurennähe entsteht.
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Globo85
Geschlecht:männlichKlammeraffe

Alter: 38
Beiträge: 743
Wohnort: Saarland
Das silberne Eis in der Waffel DSFo-Sponsor


Beitrag29.08.2022 11:02

von Globo85
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"Ukrainekrieg und schwule Liebe" oder Volker allein Zuhaus

Vorgaben:
  • Begegnungen und/oder Abschiede: Hauptsächlich Begegnung, aber irgendwie auch Abschiede.
  • Anbahnende Veränderung: Das Leben ohne Erwin.
  • Sommergäste/Nichtbeachteter Schuss: Die Bekannten zu Besuch und der Ukrainetod Erwins? Aber haben sie den Schuss denn wirklich gehört und nur nicht beachtet? Oder der Schuss der Ukrainekrieg an sich?
  • Ist das E? Ganz bestimmt.

Eindrücke:
Volker empfängt seine Freunde Gäste in der Berghütte, spielt den Funnyman, trauert aber eigentlich um seinen Erwin, der im Streit fortgegangen ist, und dems in der Ukraine den Kopf zerfetzt hat. Ich hab so eine leichte Ahnung, wer das geschrieben haben könnte. Nach ein wenig "Kritik" beim letzten Wettbewerb, über verräterische Formatierungen, fehlen diese hier gänzlich, sogar für die Anführungszeichen hats nicht mehr gereicht. Bin gespannt, ob ich richtig liege. Die Geschichte ist jedenfalls wahnsinnig gut geschrieben. Sie lässt einen nah ran, verknappt immer wieder schön, ohne dass es abgehackt wirkt. Das Ende packt natürlich. An ein zwei Stellen gehts mir sprachlich einen Tick zu weit, so dass ich die Bilder nicht mehr aufgeschlüsselt bekomme und es für mich daher ein wenig aufgesetzt wirkt (z.B. "Zeit flimmert mit der Hitze vorüber, gefriert am Horizont, wo der Winter uns einholen wird."). Das liest sich zwar ganz schön, aber wie gesagt … für mich ein bisschen too much, weswegen es zwar locker aufs Treppchen reicht, aber eben nicht ganz nach vorne.

Lieblingsstelle:
Zitat:
Ich bin mit einem älteren Ehepaar im Bett?
Ich bin nackt?
Und ich bin ein Walross?
Ah, muss ein französischer Film sein.

Fazit:
Mein dritter Platz und damit 8 Punkte. Bonusfazit: In meiner internen Wertung hast du es ganz nach vorne geschafft und gewinnst den Preis für den besten Titel.
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Babella
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Das goldene Aufbruchstück Der bronzene Roboter


Beitrag29.08.2022 15:12

von Babella
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Ich glaube, es ist der Titel, der mir es so schwer macht, mich mit diesem Text anzufreunden. Das Lied von den Beatles musste ich erst mal googeln.

Sommergäste, nichts ist, wie es war. Dasselbe dumme Gerede, trotzdem, schlechte Witze, Egoismus. Erwin hat es offenbar erwischt, ist in den Krieg gezogen (?). Prota verzweifelt an der Welt und sich selbst.

Uff.
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sleepless_lives
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Beitrag29.08.2022 22:33

von sleepless_lives
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Ich glaube, ich habe bei diesem Wettbewerb ein Titelproblem. Dauernd meckere ich über die Titel. Und hier scheint er mir schon wieder der Geschichte nicht gerecht zu werden, untypisch zu sein, unpassend sogar. Das Walrosshafte (egal welcher Provinienz) spielt bestenfalls eine ganz untergeordnete Rolle im Text und die aktuelle, traurige Geschichte von Freya wird nicht angeschnitten, obwohl sie doch gar nicht so unpassend gewesen wäre. Oder nicht?

Leider muss ich auch gleich mit Negativem weitermachen, obwohl es auf der anderen Seite der Textes gelegen ist. Doch für mich zerstört der letzte Satz die Geschichte. Eigentlich haben wir es sowieso schon lange kapiert, dass da etwas im Argen liegt, etwas Tragisches passiert ist, und ein offeneres Ende würde der Geschichte durchaus gut tun. Doch da kommt der letzte Satz und präsentiert sich fast wie eine Pointe. Keine weiteren Beobachtungen folgen, irgendetwas, das den Eindruck von Effekthascherei wieder mildern würde. Im Gegenteil, der Pointen-Satz ist auch noch auf Effekt formuliert: „den Kopf zerfetzte“. Leider ist damit auch der Text tot.    

Bis dahin gibt es einiges Interessantes in der Geschichte. Die Erzählerstimme geht mir nach ganz kurzem auf die Nerven, aber das darf sie, das soll sie vielleicht sogar, der lyrische Ich geht sich wahrscheinlich selbst auf die Nerven. Sprachlich bleibt es gerade so eben konsequent, zu häufig scheint der Wunsch durch, gehoben oder poetisch zu formulieren, manchmal übernimmt er das Steuer und kollidiert mit der Einfachheit der direkten Betroffenheit, die der Text erreichen will oder zumindest sollte. Und manchmal läuft die Poesie-Bemühung Amok wie hier:
Zitat:
Zeit flimmert mit der Hitze vorüber, gefriert am Horizont, wo der Winter uns einholen wird

Zitat:
Durch die flirrende Hitze der letzten Sommertage und die ignorierte Kälte lange verblichener Freundschaften des kommenden Winters

Oder hier:
Zitat:
Lass mich ein letztes Mal mit hochhackigen Schuhen auf dem Schafott des Leugnens tanzen

Zitat:
Meine imaginären High Heels auf dem Marmorboden im Ballsaal des Lebens

Das ist Symbolik mit der Brechstange. Und zweimal das gleiche Bild einzusetzen in solch einem kurzen Text, naja.

Die Stärke des Texte hätten die rückblickende Schilderung der früheren Treffen der drei Paare sein können und ein differenziertes Eingehen auf die jetzige Situation (und es ist seine Stärke an den Stellen, an denen es gelingt). Ein bisschen weniger dick aufgetragene Larmoyanz (böse ausgedrückt) und mehr Konzentration auf das Fehlen von Erwin, auf das, was er ausmachte. Ich weiß nicht, ob das ständige Selbstmitleid von Volker intendiert ist, aber es fällt im Text überdeutlich auf, dass von Erwin nichts gesagt wird. Nicht nur sein Charakter bleibt im Dunklen, sondern seine ganze Person scheint keine Rolle zu spielen: Es fehlt jede Erwähnung, wie er war, was er tat, was er sagte. Nicht eine einzige Anekdote wird erinnert. Als ob er niemals dort gewesen wäre. Wäre nicht jeder Winkel in der Berghütte, jeder Weg in der Umgebung mit Erinnerungen angefüllt? Ohne diese Gebundenheit an die Person, nähert sich die Geschichte einer höchst abgenutzten Trope: Der Clown (oder Funnyman), der hinter der Maske traurig ist. Chaplins „Limelight“ wird heuer siebzig Jahre alt.    

So wie es ist, bleibt nicht viel und das, was bleibt, wird vom Schluss weggewischt.

Allerdings nicht alle Punkte: 3 wären geblieben, wenn ich bewerten würde.


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F.J.G.
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Beitrag30.08.2022 18:25

von F.J.G.
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Liebes verfassendes Wesen,

gut geschrieben. Sehr gut geschrieben! Sophisticated, yet entertaining.

Dein Text rangiert bei mir ganz vorn mit und bekommt daher sehr gute 8 Punkte.

Ciao
Kojote


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holg
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Bronzenes Licht Der bronzene Roboter


Beitrag01.09.2022 16:30

von holg
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Das ist nicht etwa ein slow burner, der nach dem Lesen noch lange nachhängt. Zu sehr ist das auf eine Pointe hin getrimmt. Und damit meine ich nicht die Flachwitze des Mr. Funny. In dem rastlosen Text über ein bis auf einen nicht näher ausgeführten Ausflug in die Natur trostloses Treffen werden aktuelle Themen mehr abgespult und aus sich seltsam betroffen fühlenden privilegierten Positionen heraus angerissen als ausgehandelt.
Und wie in einem der angesprochenen französischen Filmen ist die Hauptperson abwesend. Erwin, der, nach Selbstauskunft erwachsen geworden, im Streit gegangen ist, um Verantwortung zu übernehmen, der ukrainischer Herkunft ist, der mit zerschossenem Schädel irgendwo im Nordosten liegt (Ukraine liegt ungefähr nordöstlich der Alpen).

Da ist viel Herumgejammere, nur nicht von dem, der eigentlich jammern müsste. Da sind angerissene Szenen, Sprünge, Szenenwechsel. Aber alles ist Oberfläche, unscharf, irreal; nichts zeigt wirkliche Tiefe oder Empathie.

Das könnte wirklich nouvelle Vague sein, oder eine Fortschreibung in die 80er.

Und naja, ich mag Kurzgeschichten mit Holzhammerpointe nicht.


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Why so testerical?
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nicolailevin
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Beitrag01.09.2022 17:54

von nicolailevin
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Volker empfängt wie jedes Jahr seine Studienfreunde auf der Berghütte. Zum ersten Mal ist sein Mann/Freund Erwin nicht dabei. Volker ist der Spaßvogel der Runde, die sich zum letzten Mal in dieser Form trifft, weil Volker die Hütte verkaufen muss. Man diskutiert über dies und das, man trennt sich wieder, und es stellt sich heraus, dass Erwin fehlt, weil er sich – nach einem heftigen Streit? Weil er Familie in der Ukraine hat? Aus Gram über den Lauf der Zeit? – erschossen hat.

Schön geschrieben und alles richtig gemacht. Quasi Lehrbuch: Innerer Monolog, die Informationen der Zusammenhänge werden uns nach und nach enthüllt, ganz zum Schluss die Auflösung, warum Erwin weg ist. Beim zweiten Lesen entziffert man dann endgültig die Hinweise, die alles fein säuberlich aufdecken.

Wie es der Zeitgeist verlangt, reihen sich auch die Themen, um die sich die Gespräche und Konflikte drehen. Queerness, Klimawandel, Ukrainekrieg, Fleischessen, alles da.

Das ist zweifellos handwerklich sehr gut gemacht. Aber. Aber am Ende bleibt kein Geheimnis übrig. Und es ist so strebermäßig relevant, so aus dem Baukasten der Themen unserer Zeit bedient, dass ich genervt die Augen rolle. Ein „Zeit“-Leitartikel in literarischer Form gewissermaßen. Giovanni di Lorenzo schreibt eine Kurzgeschichte.

Am Ende landet Giovanni doch noch auf dem Stockerl: 8 Punkte.
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Nachtvogel
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Beitrag03.09.2022 13:26

von Nachtvogel
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Eine gute Geschichte und sehr schön geschrieben. Das Sommertreffen und die durch den Protagonisten wahrgenommene Irrelevanz desselben werden gut rübergebracht. Den Grund für das Fernbleiben von Erwin löst du am Ende gut auf. Hat der Nordosten als Himmelsrichtung eine tiefere Bedeutung?

3 Punkte
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Minerva
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Beitrag03.09.2022 20:11

von Minerva
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The Walrus hat Folgendes geschrieben:
Ho ho, hi hi, ha ha

Inhalt:
Volker wurde von seinem Partner Erwin verlassen und muss nun, neben dem Gefühlsschmerz, irgendwie den Funnyman vor den alten Freunden spielen und das Treffen durchziehen. Seinem Zynismus zum Trotz, schafft er es halbwegs, die Fassade aufrechtzuerhalten. Klima, Krieg und eine Selbsterkenntnis später, ist es fast durchgestanden, und er hört noch den Schuss von Erwins Krisenselbstmord aka „Verantwortung übernehmen“.
Oder Erwin ist in die Ukraine, um seine sogenannte Verantwortung zu übernehmen und umgekommen. Und hat Volker nicht im Sinne der Beziehung verlassen. Das kann man hier so oder so auslegen. Vielleicht ist auch beides wahr.

Wertung
Der Übersichtlichkeit halber habe ich die Details zu den Kategorien in den Fußnoten ausführlich aufgeführt. Die Wertung dient dazu, die Geschichte für den Wettbewerb ranken zu können, deswegen wird alles im Detail betrachtet, bitte nimm es nicht als zerpflückende Kritik wahr, sondern als eine intensive Auseinandersetzung.

1 Die Geschichte an sich 4/5
Das ist schon ein starker Text. Er fängt die allgemeine Stimmung derzeit gut auf, passt einfach zum Jetzt. Und wenn das Banalste:
Zitat:
Vielleicht regnet es heute ja.
ist. Es ist eben treffend. Wie oft habe ich das gedacht diesen Sommer? Eine Zeitaufnahme ist es auf jeden Fall. Alles scheint jetzt sichtbar, die letzte Stufe der Verdrängung ist vorbei.
Volker müsste echt mal ne Runde heulen, dann ginge es ihm besser. Aber er kann ja nicht. Die Krux. Eggman weint und wartet auf die Sonne, Funnyman weint nicht und wartet auf den Regen.
Das Thema mit der Hütte, die wegkommt wegen Wasserkraft, kommt nackt und unideologisch rüber, bietet jedem seinen eigenen Interpretationsspielraum.
Es bleibt einiges auch Auslegungssache. Nehmen wir zum Beispiel das Walross, das nach Nordosten schaut und sich selbst sieht. Wie ist das gemeint?
Was ist Nordosten? Der Handlungsort ist fast Österreich. Blickt man von dort nun nach Russland oder in Richtung Ukraine? Denn die Ukraine liegt im Osten, Nordosten wäre Russland, oder ist das hier übergenau, a la na ja leicht nordöstlich?
Was sieht das Walross denn da, dass es sich selbst sieht? A) ein angegriffenes Land, halb zerstört? B) den Angreifer, einen Zerstörer? Beides?
Auch das Ende: Beim ersten Lesen fand ich das total übertrieben, aber dann dachte ich darüber nach.
Suizid-Ende: Da fragte ich mich: Warum zur Hölle verhindert Volker das nicht? Und dann frage ich mich, ob Autor/in vielleicht das erreichen möchte. Als Selbstreflektion: Ja, warum tut denn keiner endlich mal was, um die ganze Scheiße mal in den Griff zu bekommen? Was tue ich? Was kann ich tun?
Ukraine-Ende: Da sind die Fragen gleich, aber etwas milder, verständlicher.
Eigentlich sehr gut, aber: Fühlt sich alles irgendwie ätzend an. Soll es auch, ich weiß. Mir erschließt sich auch bei längerem Nachdenken nicht alles. Da bleibt so ein kleines Geschmäckle.

2 Umsetzung der Themen 7/7
Ja, Sommergäste sind nicht zu leugnen, das hätte auch nicht noch mal im Text plakativ als Alternativinterpretation benannt werden müssen, aber passt schon. Begegnungen/Abschiede: check. Veränderung: OK, auch die ist schon vorhanden mit der »Trennung«, sie soll sich ja anbahnen, hm, schwierig. Allerdings kommen ja noch der Hüttenverkauf und die Hinweise auf Depression. Relevanz: check. Muss zwangsläufig im Sommer spielen, nein sogar einfach »jetzt«.
Die Vorgaben sind umfassend umgesetzt.

3 E-Faktor 5/5
Gedanken:
Zitat:
Nichts wäre immer noch eine Bedeutung, doch wir sind längst bei Nicht-Bedeuten angelangt.

Volker auf den Punkt:
Zitat:
Wie ein Tränenregen, der alles hinfortspült, aber nicht kommen will.


Form und Funktion:
Zitat:
Na dann, herzlich willkommen, Leute.
Lange nicht gesehen, Volker.
Stimmt. Genau ein Jahr.
Und doch wiedererkannt.

Zitat:
Wenn das Leben ein französischer Film wäre, könnte ich mich als Walross dazulegen.

Ein Beatles-Song, dessen Inhalt ich mal vorsichtig als überwiegend Nonsense bezeichnen würde, wird mit der Geschichte hier fein verwebt. Ist kein Selbstzweck, sondern Thema hinter dem Thema. Sei aber froh, dass ich Beatles viel gehört habe und den Song kenne, sonst wäre mir einiges unverständlich geblieben.

Ich könnte hier noch mehr aufführen, eigentlich den ganzen Text. Ich könnte auch eine detaillierte Begründung schreiben, aber jeder der liest, kann das selbst erkennen und wer das schrieb, weiß, was er/sie schrub. Und es gibt volle Punktzahl, also genug davon.

4 Lesbarkeit und Handwerk 5/5
Gibt nichts zu meckern.

5 Logik 2/3
Einen Kritikpunkt, der mich aus dem Text riss: Nehmen wir mal die Namen der Charaktere und mutmaßen ihr Alter und damit die Zeit, in der sie studiert haben und eventuell »wo«. Gehen wir mal immer so gnädig wie möglich vor und sagen, es war in Köln in den (frühen) 90ern. Das könnte man offen gelebte Homosexualität in Studentenkreisen glauben. Trotzdem glaube ich den Begriff »Queerclub« nicht. »Queer« scheint mir erst in den letzten 10 Jahren im deutschen Sprachgebrauch aufgetaucht zu sein. Und selbst, wenn es 20 wären, reicht das in der Kombi nicht. Schon, wenn es nur Selbstbezeichnung wäre, aber als Zuschreibung durch heterosexuelle Mitstudierende, kann ich mir das beim besten Willen nicht vorstellen.

6 Sorgfalt 2/2
Kleinigkeiten, im Rahmen.

7 Sommerfrischequotient 4/5

Gesamtpunkte: 29/32

PUNKTESPOILER * trommelwirbel *
8 Punkte!

Anmerkung: Ja, es hätten auch 12 Punkte sein können, das ist definitiv ein Kandidat dafür gewesen. Ich will noch erklären, warum dann doch nicht: einmal das oben erwähnte kleine Gschmäckle durch die seltsame Himmelsrichtungsangabe (womit ich falsch liegen kann), aber im Wesentlichen ist es der Bezug zum Song. Man kann den Text nur durchschauen oder verstehen, wenn man diesen kennt. Im Gegensatz dazu braucht man das Werk von Schnitzler im Text "Morgen, Abend, und der Tag dazwischen, eine Prosaskizze" eben nicht zu kennen. Nächstes Mal geht das womöglich schief, dann kenne ich Werk/Song/Film vielleicht nicht. Deswegen habe ich bei Referenzen immer ne leichte Allergie, wie ich auch schon im letzten Wettbewerb gesagt habe. Aber toll umgesetzt hast du es auf jeden Fall!

Meine liebsten Textstellen:
Zitat:
Wie die Sonnenenergie. Zerschießt die Wolken, den akribisch gepflegten Rasen, das Klima – und mir das Gehirn.
Zitat:
die meisten seiner Sachen sind noch hier im Haus. Spukmaterial.
Zitat:
Das Warten verstreicht im flirrenden Delibrium des Spätsommers einer Welt, die ihr Haltbarkeitsdatum schon lange überschritten zu haben scheint.

-----------------------
Bewertung – ein Versuch. Ein bisschen Neutralität einbringen, jenseits von: mag ich - nicht mein Ding. Hab ich eigentlich „Ahnung“ von E-Lit? Nee, deswegen brauch ich diese Krücke zum Bewerten. Bei Offenheit der Interpretation einzelner Aspekte, lege ich immer alles zu euren Gunsten aus. Tut mir leid, dass das so ausführlich geworden ist. Jegliche Kritik ist meine persönliche Sichtweise, wenn ihr davon etwas gebrauchen könnt, greift zu, ansonsten lasst euch nicht den Tag vermiesen.

1 Ich will einfach eine gute Geschichte lesen und etwas herauslesen. 5 Punkte

2 a) Sind Sommergäste tatsächlich oder symbolisch vorhanden?
b) Dreht sich die Geschichte um eine oder mehrere Begegnungen und/oder Abschiede?
c) und d) Ist eine Veränderung thematisiert, und ist diese anbahnend, d.h. nicht schon im gesamten Text vollzogen und zudem „spürbar“ über den Textverlauf?
e) Wie relevant ist das zentrale Thema für die Geschichte?
f) Können es nur „Sommergäste“ sein oder könnte die Geschichte auch anderswie spielen?
g) Wie sehr durchdringen diese Themen insgesamt den Text als Ganzes? 7 Punkte

3 a) Künstlerischer Anspruch und Kreativität allgemein, also alles, was sich sinnhaft von einem Genretext abhebt. Hier „reicht“ es nicht, einfach die 2. Person Futur Präsens zu wählen oder möglichst lange und komplizierte Sätze oder Wörter zu verwenden – im Gegenteil, das gibt Abzüge bei Stil und Lesbarkeit, Handwerk muss beherrscht werden. Auch ist eine komplizierte Wortwahl nicht ausschlaggebend, kann auch vollkommen simpel sein. Es kommt immer darauf an … auch auf das, was vielleicht nicht gesagt wird, aber durch den Textaufbau durchwirkt. Die Form, das Gesagte und das Ungesagte müssen Hand-in-Hand gehen, eine Wirkung bewusst erzielt werden (oder zufällig-intuitiv … wer weiß das schon?). [Form und Inhalt oder form follows function] 2 Teilpunkte hier.
b) Ernsthaftigkeit der Themen, wobei Humor dazuzählt, wenn er mir bspw. „die Absurdität“ (des Lebens oder wovon auch immer vermittelt) darstellt; und/oder Sozialkritik und/oder regt mich das zum Nachdenken an? Hat das eine Relevanz? Ein gewisses Maß an Realismus, aber kein absoluter. Bizarr und surreal sind erlaubt. Auch das kann ich nur subjektiv abwägen: ist das Phantastik oder  E-tastik?
c) Mehrschichtigkeit und Ungefügigkeit. Auch hier ist Augenmaß gefordert, ich möchte mir den Inhalt oder die Bedeutung/Interpretation ein wenig erarbeiten müssen (nicht alles erklärt bekommen), aber nicht wie die Sau ins Uhrwerk glotzen. Ob ein Text mich bewusst verwirren will oder ob Thema, Sprache, Aufbau etc. mich nicht richtig erreichen, muss ich subjektiv abwägen.
d) Verwendung einer besonderen Sprache oder Spielerei damit, Verwendung besonderer Bilder oder einer Wirkung durch die gewählte, durchaus auch einfache, Sprache (Intensität).
5 Punkte

4 Kann ich den Text, rein vom Formalen her, gut weglesen, ungeachtet von Pausen zum Nachdenken oder des Anspruchs der Sprache? Wie sieht es mit dem Handwerklichen des Schreibens aus? Wird es beherrscht, wird es gar bewusst gebrochen? 5 Punkte

5 Soweit nachvollziehbar:
a) Logik inhaltlicher Art (in sich logische Geschichte, Reihenfolge),
b) Logik der Details (das namensbestickte Taschentuch von Onkel Günther lag aber vorhin nicht auf dem Liegestuhl sondern auf der Tiefkühltruhe im Keller) – auch: recherchierte Details
c) Logik des menschlichen Handelns (also wie plausibel ist das Verhalten, ungeachtet künstlerischer oder storytechnischer Abweichungen) 3 Punkte

6 Sorgfalt muss sein, bitte nicht mit den Augen rollen, es sind ja nur 2 Punkte. Es gibt immer eine Möglichkeit, die man vorm Absenden wahrnehmen kann: einen Testleser, ausdrucken, sehr langsam lesen, laut vorlesen, mit (kostenloser) Software vorlesen lassen, in ein E-Book umwandeln, um es auf einem anderen Medium zu lesen, Rechtschreibkorrektur der Schreibsoftware, zur Not Gerold (obwohl der nicht der Hellste ist, sorry Gerold). Bei zu vielen Rechtschreib- oder Grammatikfehlern wird etwas abgezogen. Wie gesagt, es sind nur wenige Punkte, aber auch Sorgfalt spielt eine Rolle. Das ist eine Frage der Fairness gegenüber anderen. Ich weiß, du hast viel zu tun und die Muße kam recht spät oder du hast Legasthenie oder ... Nicht bös gemeint. 2 Punkte

7 Onkel Günther würfelt mit seinem 5-seitigen Würfel und dividiert das Ergebnis durch 1… (Nach meinem ersten Bewertungssystem tummelten sich auf einmal mehrere Texte auf den gleichen Rängen, auch mehr Punkte in den Kategorien schafften keine Abhilfe … Leute, das geht nicht, ich muss irgendwie ein Ranking hineinbringen. Onkel Günthers Würfel ist quantenverschränkt mit dem Text und weiß, was richtig ist.) 5 Punkte


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Reimeschreiberin
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Beitrag04.09.2022 11:59

von Reimeschreiberin
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Bei dem Wettbewerb wurden sehr vielseitige Texte eingereicht. Es sind so viele gute Geschichten dabei, dass mir die Bewertung nicht leicht fiel. Letztlich hat es Dein Text, liebe/r Inko, leider nicht in meine Top Ten geschafft.
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MoL
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Beitrag04.09.2022 16:32

von MoL
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Lieber Inko!

Schreiben kannst Du, inhaltlich ist mir das Ganze aber einfach zu deprimierend, nihilistisch, zynisch. Sorry, aber ich lese lieber heitere Sachen. Geschmackssache also.

Schöne Beobachtungen und ein guter Twist am Ende.


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nebenfluss
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Beitrag04.09.2022 18:20

von nebenfluss
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Leider noch kein Kommentar.

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Minerva
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Beitrag04.09.2022 22:20

von Minerva
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V.K.B. hat Folgendes geschrieben:


Veith, was haste da wieder verzapft?

Reicht das für einen E-Wettbewerb? Nee, vergiss es. Jetzt, wo du ein paar richtig gute Geschichten hier gelesen hast, wohl kaum. Das ist flach, eindimensional und – doch irgendwie nur U-Lit, die versucht, sich einen E-Anstrich zu geben. Das war wohl nichts dieses Jahr, oder?

Zurück in die erste Person und weg vom Eigenveriss: Ich bin mir wirklich nie sicher, was das wird, wenn ich versuche, ensthafte Gegenwartsliteratur zu schreiben. Also lasse ich mich jetzt einfach mal überraschen, was bei euren Kommentaren rauskommt. Wobei ich mir aber sicher bin, da sind eine Menge bessere Geschichten dabei, von Leuten, die im Vorfeld richtig gute Ideen hatten, statt einfach irgendwas draufloszuschreiben.


Hintergrund Veränderung: Die Welt im Wandel, Klimakrise, könnte man denken, aber das ist eine Finte. Die eigentliche Veränderung ist, dass Volker jetzt sein Leben allein bestreiten muss, aber noch in der Denial-Phase der Trauer um Erwin ist, doch ihm ist klar, dass er nicht ewig vor der Realität weglaufen kann und sich irgendwann damit auseinandersetzten muss, über aufgesetzte Zynismen hinausgehend


Jetzt hab ich da so viel hinein interpretiert und du meinst, das stimmt gar nicht? Pah, ich widerspreche ... das ist alles unbewusst eingeflossen! Spukmaterial. Aus der Gegenwart. Aus dem Bauch.  Daumen hoch


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V.K.B.
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Beitrag04.09.2022 22:59

von V.K.B.
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Viel muss ich zu dem Text wohl gar nicht mehr sagen, denn Constantine hat es schon auf den Punkt gebracht:
Constantine hat Folgendes geschrieben:
Es ist letztenendes eine banale Geschichte, übertüncht mit reichlich Klimbim […], um dem Text und dem Protagonisten eine Tiefe zu geben, die nie erreicht wird und leider verpufft.
und im Eigenkommentar hatte ich ja schon ähnliches geschrieben. Jetzt könnte ich mir die Haare raufen, nachdem ich die anderen Texte gelesen hatte, was einem zu dem Thema alles einfallen kann. Meine Muse hat mir da wohl die Kabelbinder überlgenommen und gestreikt, ich muss sie gleich mal übers Knie legen und hoffen, dass die Katzen nicht allzu komisches Zeug träumen.

Okay, ich geh doch noch mal auf ein paar Kommentare ein, aber mit Zitat-Funktion, erspart mir das Namentippen:


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V.K.B.
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Beitrag04.09.2022 23:00

von V.K.B.
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Schlomo hat Folgendes geschrieben:
Als ich in der Geschichte von der Ukraine las, war mir schon klar, was mit Erwin geschehen war. Würde ich als Rücksturz in die Realität bezeichnen. Super starke Geschichte!
Freut mich, dass sie dir trotz aller Schwächen gefallen hat, und danke für deine Punkte.

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