Verschiedene Fragen zu nervigen Kleinigkeiten

[Selanna]

Hallo zusammen,

da ich mir sicher bin, dass das in nächster Zeit nicht die letzte Frage sein wird, habe ich mal einen neutralen Titel gewählt. Ich sitze über Satzfahnen und irgendwann wird man ganz dämlich dabei, wie Ihr ja selbst wisst
Meine erste Frage wäre folgende:

Was ist grammatikalisch sinnvoller (korrekt ist, glaube ich, beides):
1. Als Lebensmittelpunkt hatte er Paris gewählt, ein Wohnort, dem er über Jahrzehnte bis zu seinem Tod treu blieb.

oder

2. Als Lebensmittelpunkt hatte er Paris gewählt, einen Wohnort, dem er über Jahrzehnte bis zu seinem Tod treu blieb.

Was meint Ihr? Was klingt besser?
Liebe Grüße
Selanna

[Ralphie]

Ich denke, Nr. 1 ist grammatisch richtig.

[Pickman]

Liebe Selanna,

es ist schön, von dir zu lesen.

Variante 1 ließe sich bestimmt ebenfalls rechtfertigen. Aber 2 ist über jeden Zweifel erhaben und lässt mich auch nicht beim Lesen nicht stolpern.

Liebe Grüße

Pickman

[Ralphie]

Aber dann sollte Selanna einen Bindestrich statt dem ersten Komma setzen. Etwa so:

Als Lebensmittelpunkt hatte er Paris gewählt - einen Wohnort, dem er über Jahrzehnte bis zu seinem Tod treu blieb.

[Pickman]

*Duden 4 rauskram*
*blätter*
Irgend wo muss das doch stehen, Kohärenz bei nachgestellten Attributen oder so.

[Christof Lais Sperl]

2. ist unbestimmter. Daher ist jedem Fall vorzuziehen. 1. ist fast apodiktisch und kommt einer Stadtdefinition als Wohnort näher. 2. lässt die Person abwägen. Wir schauen ihr zu, Selanna. Wie irrsinnig interessant doch die Sprache ist!

[holg]

bei 1. würde mir den statt ein besser gefallen: ... den Wohnort, dem er …
 2. gefällt mir besser und halte ich für korrekter wegen der Kohärenz. Evtl. mal statt ein/einen etwas anderes einsetzen: sein/seinen, dann bleibt nur 2 übrig.

[Pickman]

*Duden 4 ins Regal stell*
*Duden 9 zu Rate zieh*

[psi]

Hallo Selanna,

meiner Meinung nach kommt es darauf an, ob du eine Apposition oder eine Parenthese haben willst. :)

Variante Nr. 1 würde ich als Parenthese sehen, da es eine allgemeine Aussage über Paris ist. In dem Fall würde ich es beim Lesen als einfacher empfinden, wenn die Parenthese durch einen Gedankenstrich statt Komma abgetrennt wäre (Komma wäre mMn aber auch erlaubt):
Als Lebensmittelpunkt hatte er Paris gewählt – ein Wohnort, dem er über Jahrzehnte bis zu seinem Tod treu blieb.

Variante Nr. 2 würde ich als lockere Apposition betrachten, bei der, da sie mit einem Artikel eingeleitet wird, der Kasus angepasst werden muss:
Als Lebensmittelpunkt hatte er Paris gewählt, einen Wohnort, dem er über Jahrzehnte bis zu seinem Tod treu blieb.
Vom reinen Sprachgefühl her würde ich aber eher schreiben:
Als Lebensmittelpunkt hatte er Paris gewählt, einen Wohnort, dem er über Jahrzehnte bis zu seinem Tod treu bleiben sollte.
Bei der Apposition würde ich nämlich eine Eigenschaft erwarten, die auf den Wohnort zum Zeitpunkt der Auswahl zutrifft (wie gesagt, nur vom Gefühl her, ich weiß nicht, ob das grammatikalisch relevant ist).

Wenn du dich zwischen Nominativ und Akkusativ nicht entscheiden kannst, kannst du statt "ein(en) Wohnort" auch "eine Stadt" schreiben, dann kann es sich der*die geneigte Leser*in selbst aussuchen. :D

[Pickman]

*In Duden 9 fündig werd*

Und zwar im Abschnitt Kongruenz. Wenn ich den fraglichen Satz als Apposition lesen darf, sehe ich keinen Grund, nicht kongruent zu bleiben.

[Mogmeier]

Hallo Selanna,

du hast Variante 3 vergessen, die da folgendermaßen lauten müsste …
Als Lebensmittelpunkt*in hatte er Paris gewählt, eine/-n Wohnort*in, der/dem er über Jahrzehnte bis zu seinem/seiner Tod*in treu blieb.

Ja nee, Spaß.


Variante 2 kommt für mich versierter rüber, will sagen, passt.


Viele Grüße
Mog

[Ribanna]

Wenn du in Variante 1 das Wort "ein" durch "dem" ersetzt?

[Pickman]

[psi]

[V.K.B.]

Ich würde bei Variante 1 statt Komma ein Semikolon oder einen Bindestrich setzen, denn es sind irgendwie zwei unabhängige Sätze (auch wenn der zweite kein Verb hat), "ein Wohnort" steht jedenfalls im Nominativ und wäre Satzsubjekt.

In der zweiten Variante (Was hatte er gewählt? - Einen Wohnort) steht der Wohnort im Akkusativ und schließt sich damit wie eine Art Relativsatz an den ersten an.

Beides ist möglich, aber nur bei Variante zwei haben wir einen grammatikalisch vollständigen Satz, in der ersten einen Satz plus Ellipse (Satz ohne Verb).

[Selanna]

Hallo Ihr Lieben,

Ihr seid fantastisch! Vielen, vielen lieben Dank für die intensive und fundierte Auseinandersetzung ! Es steht dann wohl 6:1 für Variante 2, dann werde ich das ausbessern, der Setzer wird sich bedanken

"Der/den/dem" hat mich eine Weile in Versuchung geführt, aber ich für mein persönliches Sprachempfinden klingt "er hat sich einen Wohnort gewählt, dem er treu blieb" schöner als "er hat sich den Wohnort gewählt, dem er treu blieb".

Noch einmal rundum an alle ein großes Merci!
Liebe Grüße
Selanna

[Selanna]

2. Frage

Wie gesagt, es finden sich einige Stellen in meinem Machwerk, über die ich mir im Nachhinein nicht mehr so sicher bin. Die nächste wäre:

Wie heißt es richtig:
1. Zum Thema liegt somit eine Fülle von Einzelstudien zu Spezialaspekten vor, eine aktuelle quellenfundierte, breit angelegte Biographie gibt es jedoch nicht.

oder

2. Zum Thema liegt somit eine Fülle an Einzelstudien zu Spezialaspekten vor, eine aktuelle Komma quellenfundierte, breit angelegte Biographie gibt es jedoch nicht.

Oder, runtergebrochen: Heißt es eine "Fülle an" oder "Fülle von"?
Und: darf ich das Komma weglassen? Es trifft für mich ohne Komma den Sachverhalt, den ich ausdrücken will, besser, da "aktuelle" und "quellenfundierte" direkt zusammengehören, das Komma würde beides unnötig trennen und mit "breit angelegte" gleichsetzen, die enge Verbindung zwischen "aktuelle" und "quellenfundierte" fiele mit Komma also weg.

Ich weiß, dass das nervige Kleinigkeiten sind, ich wäre Euch trotzdem sehr dankbar, wenn Ihr noch einmal so lieb wärt ...

Liebe Grüße
Selanna

[V.K.B.]

[Willebroer]

Ich finde solche Fragen vor allem interessant, wenn es nicht um falsch oder richtig geht, eher "Was ist besser, was ist schlechter?".

Man könnte auch fragen: "Was ist der Unterschied?"

Das hieße für mich
Beispiel 1:  

[Pickman]

Liebe Selanna,

Duden 9 hat Lemma "Fülle". Dort geht es zwar um Kongruenz, aber in den beiden Beispielen wird "von" verwendet, und das ist auch eine Information.

Duden 2 will auch mitreden und hat außer "von" auch noch den Genitiv zu bieten. In Deinem Falle wäre das "die Fülle der Einzelstudien", aber das passt nicht so richtig in Deinen Satz, selbst wenn man einen anderen Kasus wählt.

Liebe Grüße

Pickman

[Willebroer]

Den Genitiv finde ich auch eleganter. Aber er beißt sich vor allem mit dem Artikel.

"Eine Fülle verschiedenster Einzelstudien" dagegen klänge ganz gut.

[Pickman]

Das in etwa wollte ich sagen, was mir aber nicht so recht gelungen ist.