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Das Buch (meine abgelehnte Geschichte zum Thema Solarpunk/StreeArt)


 
 
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wohe
Geschlecht:männlichKlammeraffe
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Beiträge: 632
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W
Beitrag14.06.2022 11:11
Das Buch (meine abgelehnte Geschichte zum Thema Solarpunk/StreeArt)
von wohe
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Hallo Freunde,

die Absage kam für mich nicht unerwartet, da mir klar ist, dass sowohl Solarpunk als auch Streetart nicht herausgearbeitet wurden.
Nun mag man einwenden, dass unter diesen Umständen die Einsendung ungehörig war (hierzu haben wir ja auch einen Faden im Forum), ich finde jedoch, dass es bei einer KG mangels Text"menge" zulässig ist, auch solche zu liefern, die dem Thema wenigstens zuzuordnen sind, sofern sie wenigstens unterhalten.
Ist mir dies Eurer Meinung nach gelungen?

MfG Wohe


Das Buch

Genau hier war der ideale Ort. Nur ein paar Meter von zu Hause, eine herrliche grüne Wiese, ein Schatten spendender Baum, jede Menge Passanten, also alles vorhanden (und es war ausschließlich schönes Wetter vorhergesagt - Natur war sicher eine feine Sache, aber Regen ging gar nicht). Wohe war zufrieden und ging sein Equipment holen.

Er spannte seine Muskeln an und suchte seinen Bizeps. Hm. Kein Wunder, dass das nicht so recht klappte. Er versuchte noch einmal, die Matratze aus dem Bett zu ziehen und gab dann auf.
Wofür hatte man Freunde. Wohe ging über den Flur und klingelte bei Fred. »Hast du mal einen Moment Zeit?«
»Nee.«
Wohe war erstaunt. »Wieso denn das? Arbeitest du etwa?«
»Nee.«
»Und was machst du?«
»Nix.«
Wohe ging an ihm vorbei und ließ sich auf Freds Sofa nieder. Der kam hinterher und pfiff nach dem Server. »Bananenlikör.«
Sie prosteten sich zu.
»Der klebt.« Wohe schüttelte sich.
»Stimmt. Da muss man was zu trinken. Sonst geht das gar nicht.« Fred pfiff erneut und der Server brachte auch die Bierflaschen.
»Der quietscht.«
»Stimmt«, sagte Fred. »Vielleicht die Rollen oder so. Müsste man mal was gegen machen.«
Sie widmeten sich wieder dem Bananenlikör und dessen Kompensation.
Nach einiger Zeit fiel Wohe etwas ein. »Du musst mir helfen.«
»Klar, mach ich.«
Dann tranken sie noch einige Likör-Bier-Kombis, bis Wohe sich verabschiedete und in Richtung Bett schwankte.

»Hi«, sagte Fred.
Gut sah der nicht aus. Rote Augen und am Türrahmen abstützen musste er sich auch.
»Morgen«, grüßte Wohe. Er pfiff und der Server brachte Bier und Tabletten.
Wanja kam aus der Nachbarwohnung und wandte sich an Fred. »Dein verdammter Server quietscht zum Steine melken. Kauf dir doch endlich mal einen neuen.«
»Mach ich«, sagte Fred. »Demnächst. Ich bin aktuell ein bisschen zu sehr im Stress. Willst du nen Bananenlikör?«
»Klar«, sagte Wanja. »Nur klebt der so fürchterlich.«
»Stimmt«, sagte Wohe. »Also trinken wir den später. Vorher  müsst ihr mir mal helfen, meine Matratze zu tragen. Die ist zu schwer für mich.«
Drei Mann schafften es, die Matratze vors Haus zu zerren und  nachdem Wohe noch schnell zwei Passantinnen requiriert hatte, gelangte sie bis unter den erwählten Baum.
Dem folgten noch Bettzeug, der Server samt Gläsern, Likör und Bierflaschen, ein Regenschirm und ein Tacker.
Dann sanken fünf erschöpfte Körper auf Wohes Matratze und erholten sich.
»Und was soll das nun?«, fragte einer der beiden Mitkämpferinnen.
»Ich werde Dichter und Denker und habe ein Bild entdeckt, auf dem zu sehen ist, was man dafür tun muss. Man muss auf einer Matratze liegen, eine Mütze auf dem Kopf und einen Schirm unterm Dach haben.«
»Hier ist kein Dach.«
Wohe deutete nach oben. »Ein Blätterdach.«
»Und die Mütze?«
»Ich habe keine. Das muss auch mal ohne gehen.«
»Und du willst dichten und denken?«
»Das will ich.«
»Na dann viel Spaß.« Die Frauen verschwanden.
»Warum willst du denn dichten und denken? Reicht es nicht, zu dichten oder zu denken?«, fragte Fred.
»Nee. Ich habe gelesen, dass wir hier alle Dichter und Denker sind.«
»Du mit deiner Leserei. Denken, ja, denken tun wir natürlich alle, aber dichten? Ich kenne jedenfalls keinen, der so was macht und von dir habe das auch noch nicht gehört.«
»Natürlich nicht. Ich fange ja auch gerade erst damit an und arbeite noch darüber, ob ich eher dichtend denke oder denkend dichte.«
»Ah ja.«
Da bestand wohl Erklärungsbedarf. »Beispiele: Ein großer Dichter dachte und dabei kam heraus:
Der Worte sind genug gewechselt,
die Leute wollen Taten sehn.
Indes ihr Theorien drechselt,
kann etwas Nützliches geschehn.«
»Heißt das etwa, man sollte arbeiten?« Fred war verstört.
»Das heißt, weniger grübeln, mehr machen. Irgendwas. Hauptsache machen.«
»Was für ein Quatsch.«
»Na ja«, sagte Wohe, »der war ja auch eher Dichter und dachte mehr so nebenbei.
Weiter: Ein großer Denker dichtete und sagte:
Ich denke, also bin ich.«
Keine Reaktion. Dann fragte Fred nach: »Äh, wie jetzt?«
»Das war ein Aphorismus«, erläuterte Wohe. »Dichtkunst pur.«
»Aber das reimt sich doch gar nicht.«
»Muss es auch nicht. Das ist ein Sinnspruch. Inhaltstiefe und so.«
»Ah ja. Und du? Kannst du auch ohne Sinn, aber mit Reim?«
»Banausen.« Wohe überlegte. »Wie wäre es hiermit?
Statt zu denken, kannst du mir was schenken.«
»Das ist gut«, sagte Wanja.
»Stimmt«, sagte Fred. »Das ist gut.«
Von solch gedankenschwerer Kritik ermüdet, widmeten sie sich wieder dem Bananenlikörritus. Einige Passanten blieben stehen und sahen zu.
»Wie komme ich da jetzt hoch?« Wohe deutete auf den Baum.
»Gar nicht«, sagte Fred. »Warum willst du da hoch? Runter fallen?«
»Nee, aber ich muss den Schirm da oben anbringen. Dichterposenmäßig.«
»Tja«, sagte Fred.
Wanja war eingeschlafen.
»Wenn du den Schirm da oben festmachst, wirst du trotzdem nass«, sagte eine der umstehenden Frauen. »Regen fällt nur selten senkrecht und der Schirm ist auch viel zu klein, um dich und die Matratze zu schützen.«
»Das macht nichts«, sagte Wohe. »Es soll demnächst sowieso nicht regnen. Der Schirm muss da nur hin wegen der Symbolik.«
»Das kannst du haben.« Die Frau nahm den Schirm, spannte ihn auf und tackerte ihn an den Baum.
»Danke.« Wohe betrachtete das Werk und war zufrieden. Nicht ganz so wie auf dem Bild, aber er war sicher, trotzdem dichten zu können. Allerdings bestimmt nicht, wenn Wanja weiter derart laut atmete.
»Ist dir eigentlich schon mal aufgefallen, dass unser Freund hier«, er zeigte auf den Schnarcher, »selten etwas anderes tut als schlafen?«
»Ist es«, sagte Fred. »Er meint, dass sei die Folge seiner dauernden Müdigkeit.« Er schüttelte Wanja wach. »Du schnarchst.«
»Ehrlich?«, fragte Wanja. »Also, ich habe nichts gehört.«
»Rhonchopathenschicksal«, sagte die Tackerin. Sie gab Wohe sein Gerät zurück und reihte sich wieder bei den Zuschauern ein.
»Was?«, fragte Wanja.
»Hast du doch gehört«, sagte Wohe. »Rhonchopathenschicksal.« Das blieb dann mal so im Raum stehen.
»Wann geht's denn nun weiter mit Dichten?«, fragte Fred.
»Später«, sagte Wohe. »Erstmal denke ich; und zwar denke ich, dass du«, er zeigte auf Wanja, »deine Intelligenz steigern willst.«
»Ich?« Wanja war erstaunt. »Warum sollte ich das wollen?«
»Weil du so viel schläfst und ich gelesen habe, dass Menschen, die lange schlafen, intelligenter sind.«
»Da weiß ich nichts von.«
»Vielleicht unterbewusst?«
»Da weiß ich auch nichts von.«
Nun gut, nicht jeder Gedanke musste genial sein. »Dann dichte ich jetzt.« Wohe erhob Zeigefinger und Stimme:
»Ich lieg an diesem Orte
als Schöpfer großer Worte
und werde es gleich wagen,
sie euch zu sagen.«
Beifall klang auf und die Zahl der Umstehenden stieg sprunghaft.
»Junge, Junge.« Auch Fred war beeindruckt. »Das ist von dir?«
»Klar doch.«
Wohes Handy meldete sich. »Ich komme nachher vorbei«, sagte Charlotte.
»Fein«, antwortete Wohe. »Ich bin im Park.«
»Ach, deine Charlotte.« Fred wurde melancholisch. »Irgendwie ist die schon eine tolle Frau. Insofern passt sie eigentlich hervorragend zu mir, viel besser als zu dir. Außerdem bin ich viel liebenswerter als du. Soll sie doch mal ihre Freundin Gera fragen, die war immer recht zufrieden mit mir.«
»Ehrlich?«
»Zumindest eine Zeit lang.«
»Tja«, sagte Wohe. »Biete dich doch mal an. Vielleicht kannst du sie ja überzeugen.«
»Hm.« Und nach einiger Zeit nochmal: »Hm. Hattest du nicht erzählt, dass sie keinen Bananenlikör trinkt?«
»Stimmt. Tut sie nicht.«
»Und auch kein Bier?«
»Stimmt. Trinkt sie auch nicht.«
»Nee, dann passen wir wohl doch nicht so gut zu einander. Außerdem war das nur so eine Idee. Wenn ich ehrlich bin, sind mir deren Anforderungen eh zu hoch. Man sieht ja, was aus dir geworden ist. Dauernd siehst du Infos über irgendwas und liest so was auch noch. Und was ist das Ergebnis? Du willst dichten und denken.«
»Tja, etwas Einsatz brauchst du bei ihr schon. Wie heißt es so treffend? Umsonst ist nur der Tod.«
»Ist das wieder so ein Aphorismus?«
»Nee. Das ist nur eine meiner allgemeinen Weisheiten.«
Fred überlegte. »Das stimmt übrigens wirklich. Wenn man überlegt, was deine Süße alles schon angestellt hat, um dem Tod zu entgehen, ist das ewige Leben doch ein verdammt teurer Spaß. Was macht sie denn eben?«
»Arbeitet.«
»Siehst du? Was denn diesmal?«
»Lagezentrum. Sie passt auf, dass alles läuft, wie es soll.«
»Und die meint wirklich, dass sie so genug Punkte für die Spritze zusammen kriegt? Bei der minimalen Chance? Und wenn das nicht klappt? Dann war die ganze Mühe für Lau.«
»Sage ich auch. Aber sie will partout unsterblich werden.«
»Wahnsinn.« Fred wandte sich an Wanja. »Wolltest du nicht auch mal ewig leben?«
»Wollte ich. Ist mir aber zu anstrengend. Da stirbt man ja vorher vor lauter Ackerei.«
»So ist es.« Allgemeine Zustimmung.
»Frauen sind da irgendwie anders«, sagte Wohe. »Das liegt vielleicht an den Kindern oder Genen oder der anderen Körperform, ich sage nur Geschlechtsdimorphismus. Dauernd müssen sie irgendwas tun oder für irgendwas sorgen oder sich um etwas sorgen. Ich habe lieber keine Sorgen und dichte und denke.«
Wiederum allgemeine Zustimmung. Der Server servierte Bananenlikör und Bier.
Nach einiger Zeit fragte Fred: »Hast du noch was Gedichtetes?«
»Nee. Das muss erst mal reichen.«
»Dann gehe ich nach Hause. Muss mich ausruhen.« Auch Wanja wurde müde und sie zogen davon.

Wohe fühlte ebenfalls eine gewisse Trägheit. Erst der körperliche Einsatz, dann die Dichterei, da durfte man sich schon mal entspannen. Er schloss die Augen und lauschte den Vögeln über ihm und dem Gemurmel seines Publikums.
Was hörte er da? »Matratze holen?« Wollten die etwa seine Idee imitieren? Da drohte ein Plagiat, zumal in diesem Park noch jede Menge anderer Bäume zur Verfügung standen. Er stand auf und begann, auf der Matratze herum zu hüpfen. Aktivität mordete bekanntlich jeglichen Nachahmungstrieb. Schnelle Ausfallschritte und Schattenboxen kamen hinzu. Dann drosch er mit den Fäusten auf den Baum ein und riss sich die Haut auf. Blut! Zwar nur ein paar Tropfen, aber für seine Nerven eindeutig zu viel. Ihm wurde etwas schwindelig und er kippte auf seine glücklicherweise weiche Unterlage. Jemand kam näher und betrachtete das Malheur. »Uäh!« Eindeutig eine Männerstimme. Es plumpste und ein schwerer Körper drückte Wohe die Luft aus der Lunge.
Dann sprach eine Frau von vergangenen Tagen und harten Männern: »... schlugen sich gegenseitig die Köpfe ein. Einfach nur so, weil es in ihrem Charakter verankert war und ihnen Spaß machte. Glücklicherweise längst weg gezüchtet ...« Das Blutopfer wurde von ihm hinunter gezogen und prompt klappte auch das Atmen wieder. Er öffnete vorsichtig seine Augen. Die Sprecherin wickelte ein Tuch um seine Hand und hielt sie ihm vors Gesicht. »Alles wieder in Ordnung. Du wirst es wohl überleben.«
Wohe krächzte ein »Danke«. Die Frau ließ seine Hand fallen und zog sich wieder zurück.
Er würde es wohl überleben. Sehr gut. Auch wenn eine derartige Dramatik nicht beabsichtigt war, das »Matratze holen« war fortan kein Thema mehr.

Charlotte meldete sich wieder. Eindeutig erfreut. »Ich kriege die Spritze!«
»Spitze.«
»Allerdings musste ich unterschreiben, auf Nachkommen zu verzichten, wegen der Überbevölkerung. Das wusste ich noch gar nicht, ist aber ok. Dafür gibt‘s mich dann um so länger.«
»Stimmt. Das klingt vernünftig. Und dich haben sie wegen deines Arbeitseinsatzes ausgewählt?«
»Auch. Intelligenz, Engagement, Können, ethische Grundwerte, usw, usw. Ich bin halt einfach ziemlich perfekt.«
Das konnte Wohe bestätigen.
»Ich melde mich später«, verabschiedete sich Charlotte. »Wir haben hier noch zu tun.«
Hatte sie es also tatsächlich geschafft. Toll. Wohe freute sich ebenfalls. Allerdings würde Charlottes weitere Entwicklung natürlich von ihm fortlaufen, allein schon wegen seines zu erwartenden körperlichen Verfalls.
Er überlegte: Angeblich gab es auch einige Männer, die die Telomerase-Spritze bekommen hatten. Vielleicht sollte er seine Dichtkunst derart perfektionieren, dass er ebenfalls Chancen darauf hätte, dann bliebe ihnen jede Menge gemeinsamer Zeit. Nur, bei aller Verehrung für Charlotte: Ewig war ganz schön lange, zumal sie nicht mal Bier trank. Überdies klang Perfektion verdächtig nach Arbeit.
Was machte er sich überhaupt solche Gedanken? Wenn er sich richtig erinnerte, gab es kaum Frauen, die einen Mann länger als ein paar Jahre behielten. Und was dann? Dann war all die Mühe umsonst. Er beschloss, Hobbydichter zu bleiben und sich mit seiner Endlichkeit abzufinden.
Prompt fiel ihm etwas ein:
»Nein, nein, nein,
wir wollen nicht unsterblich sein.«
Kurzes Schweigen. Dann: »Ähm«, machte einer seiner Zuhörer. »Warum nicht?«
»Weil:
Schön ist das Leben,
doch jegliches Streben,
ist voller Müh
und endet zu früh.
Und lebt man zu lange,
da wird mir recht bange,
wird Mühe zur Qual.
Ganz schlechte Wahl.«
Diesmal kündete zustimmendes Klatschen von der Qualität seiner Argumentation.

»Was ist mit dir los?« Charlotte Stimme klang auch durch das Handy erstaunt. »Das Netz ist voll von Diskussionen über einen Typ, der im Park auf einer Matratze liegt und Sprüche klopft und mein Handy sagt, dieser Typ bist du und hast nur noch eine Hand.«
»Ich bin tatsächlich im Park«, sagte Wohe. »Aber ich klopfe keine Sprüche, sondern lasse unsere Mitbürger an den Ergebnissen meiner Dichtkunst teilhaben. Und beide Hände habe ich auch noch, ich habe der Dichtkunst nur ein Opfer gebracht.« Er hatte vorsichtshalber noch ein paar Lagen Stoff um seine Hand gewickelt und hielt sie jetzt vors Handy.
»Wow.« Charlotte war beeindruckt. Allerdings nur kurz. »Sieh zu, dass du du damit noch so lange lebst, bis ich da bin.«
»Komm her, ich bin da, wo alle sind.«

Eine große Gruppe von Menschen umlagerte seine Matratze und beobachtete ihn beim Trinken eines Bieres. Er rutschte etwas zur Seite und Charlotte schlüpfte zu ihm unter die Decke. Jede Menge Handys informierten die Welt über diese Aktion.
Dann hob Wohe sein Bierglas und deklamierte:
»Die erste Pflicht der Musensöhne
ist, dass man sich ans Bier gewöhne«
Allgemeiner Beifall.
»Das ist von dir?«, fragte Charlotte.
„Nicht so ganz.« Wohe wand sich ein wenig. »Aber ich habe es selbst gelesen.«
»Wie auch immer: Warum liegst du hier im Park herum?«
»Das ist eine Aktion. So was nennt sich Happening. Ganz große Sache das.«
»Kenne ich nicht. Was soll das?«
»Es geht darum, den Leuten auf Umwegen etwas beizubringen. Man macht etwas, bei dem die Leute erst überlegen müssen, was das soll und durch das Überlegen kommen denen dann Ideen, von denen sie vorher gar nicht wussten, dass sie überhaupt möglich sind.«
»Überlegen? Wie du siehst, stehen hier hauptsächlich Männer rum und die hier sehen alle nicht so aus, als wäre das ihr Hobby.«
Wohe sah sich um. »Stimmt, aber man sollte sich nicht von Äußerlichkeiten beeindrucken lassen. Vielleicht schlummern in dem einen oder anderen ja ungeahnte Fähigkeiten und genau darum geht es. Um das Wecken dieser Fähigkeiten.«
»Lass mich raten, das hast du auch gelesen?«
»Klar doch. Man erfährt dabei ne Menge nützlicher Sachen. Zum Beispiel wie man die Aufmerksamkeit noch steigern kann, nämlich durch Steigern des Happeningindex.« Wohe war ein bisschen stolz auf sich. Für das Wort hatte er lange üben müssen.
»Und wie soll das gehen?«
»Durch dich.« Wohe holte ein Buch unter seiner Decke hervor.
»Was ist das denn?«
»Ein Buch.«
»Das sehe ich selber, aber wo hast du das her? Bist du im Museum eingebrochen?«
»Nee. So was kann man ganz normal kaufen. Man muss nur die richtigen Suchkriterien kennen.« Wohe zeigte auf sein Handy und sonnte sich in Bedeutung.
»Was hast du denn gefragt?«
»Buch.«
»Ah ja. Klingt in der Tat kompliziert.«
»Wie dem auch sei, ich war jedenfalls der Einzige, der in letzter Zeit so etwas haben wollte. In früheren Zeiten aber wurde dieses hier recht häufig gesucht.« Er hielt seinen Fund in die Höhe und die Hälse der Umstehenden reckten sich.
»Das Kamasutra«, rief Wohe und die Menge raunte: »Das Kamasutra.«
Charlotte griff sich das Buch und blätterte. „Junge, Junge. Das ist ja ein Ding!«
»300 Stellungen,« erklärte Wohe. »Für einige davon braucht man vermutlich anschließend ärztliche Behandlung.«
Charlotte blätterte immer noch. »Sieh dir das mal an. Unglaublich. Dass du das kannst, möchte ich sehen.«
»Kannst du, kannst du. Dafür sind wir hier.«
Charlotte runzelte die Stirn. »Bitte?«
Wohe erklärte: »Happeningindex, Aufmerksamkeit, zum Denken anregen. Die Idee ist, dass wir jetzt und hier alle die Stellungen durchspielen.«
»Spinnst du jetzt völlig? 300 mal Kamasutra-Vögeln im öffentlichen Raum? Das soll zum Denken anregen? Weißt du, was das ist? Das ist komplett bescheuert!«
»Nein, das ist Kunst!«

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Dyrnberg
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Beitrag14.06.2022 13:25

von Dyrnberg
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Wenn ich es richtig lese, handelt es sich hier um eine retardierte Gesellschaft in der Zukunft. Das hat Momente, die durchaus zu unterhalten wissen. Zugleich ist es auf Dauer etwas anstrengend, um ehrlich zu sein. Vielleicht aber geht es nur mir so. Gerade die Eröffnungsszene mit dem Likör und dem Quietschen hat was... ist aber auch zäh. Kurz gesagt: Es wirkt wie ein Abend unter Bekifften. wink
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silke-k-weiler
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Das goldene Schiff Der goldene Eisbecher mit Sahne


Beitrag14.06.2022 17:34

von silke-k-weiler
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Hallo wohe,

zu unterhalten ist Dir auf jeden Fall gelungen, wie Dyrnberg schreibt, hat der Text seine Momente. Irgendwie muss ich bei Deinen Geschichten immer so ein bisschen an "Herr Lehmann" von Regener denken, ein Buch das ich sehr gern gelesen habe, nimm es also als Kompliment, dass mich der Ton daran erinnert. Mach doch einfach Deinen eigenen Kurzgeschichtenband "Die Leiden des wohe", noch ein knackiger Untertitel drunter und dann bekommen Charlotte und so ihre Bühne.

Aber es ist, wie Du schreibst, Solarpunk-Motive kann ich für mich sogar noch nicht einmal erahnen, außer dass es irgendwie in der Zukunft spielt, die Sonne scheint und ein Baum rumsteht. Aber trotzdem mit Vergnügen gelesen.

VG
Silke
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V.K.B.
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Das goldene Rampenlicht Das silberne Boot
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Beitrag14.06.2022 23:20

von V.K.B.
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Also, ich hab mich gut unterhalten. Was das jetzt aber mit Solarpunk zu tun haben soll, entzieht sich mir. Streetart ja, aber hallo, schön aufs Korn genommen. Aber ich glaube, für die Anthologie haben die andere Geschichten erwartet. Wobei ich mir nach Silkes ebenfalls abgelehnter Geschichte aber nicht mehr vorstellen kann, was für welche denn eigentlich.

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Hang the cosmic muse!

Oh changelings, thou art so very wrong. T’is not banality that brings us downe. It's fantasy that kills …
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wohe
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Beitrag15.06.2022 07:05

von wohe
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Hallo Freunde,

Danke für Eure Einschätzungen - mit der mangelnden Thementreue und (ich nenne es mal) suboptimaler "Linienführung" habt Ihr sicher recht.
Dass Ihr den Text unterhaltsam findet, freut mich sehr (das sollte er nämlich auch sein).

@silke-k-weiler
Dein Titelvorschlag "Die Leiden des wohe" ist absolute Klasse --> hatte einen Lachanfall 1. Klasse.

MfG Wohe
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Gast







Beitrag15.06.2022 07:51
Re: Das Buch (meine abgelehnte Geschichte zum Thema Solarpunk/StreeArt)
von Gast
Antworten mit Zitat

Mir fehlt da die Geschichte.
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Mumienfreund
Eselsohr


Beiträge: 327



Beitrag15.06.2022 15:50
Re: Das Buch (meine abgelehnte Geschichte zum Thema Solarpunk/StreeArt)
von Mumienfreund
Antworten mit Zitat

wohe hat Folgendes geschrieben:
Hallo Freunde,

die Absage kam für mich nicht unerwartet, da mir klar ist, dass sowohl Solarpunk als auch Streetart nicht herausgearbeitet wurden.
Nun mag man einwenden, dass unter diesen Umständen die Einsendung ungehörig war (hierzu haben wir ja auch einen Faden im Forum), ich finde jedoch, dass es bei einer KG mangels Text"menge" zulässig ist, auch solche zu liefern, die dem Thema wenigstens zuzuordnen sind, sofern sie wenigstens unterhalten.
Ist mir dies Eurer Meinung nach gelungen?


Hallo Wohe. Meine Meinung. Du kannst schreiben. Du kannst sogar unterhaltsam schreiben. Aber: Alle deine Geschichten ähneln sich von ihrer Struktur. Verpeilte Gestalten, die aneinander vorbeireden und dann trinken sie irgendwas mit Alkohol und vergessen das, was sie aufgrund ihre Verpeiltheit ohne nicht auf die Kette gekriegt hätten und Wohe und seine MitstreiterInnen ergehen sich im pseudo-philosophischen Nonsens.

Auf Dauer finde ich das ermüdend. Du erzählt im Grunde genommen immer wieder die gleiche Nicht-Geschichtete. Etwas Konkreteres würde dich weiterbringen. So ist das immer nur ein zielloses Mäandern das nirgendwohin führt und nach dem Lesen stellt sich bei mir das schale Gefühl ein, dass ich meine Zeit mit einem Text  verschwendet habe, der eigentlich gar nichts will. Das alles hat etwas sehr beliebiges an sich. Du solltest ruhig mal den Mut haben, dich aus deiner Komfortzone raus zu bewegen.
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wohe
Geschlecht:männlichKlammeraffe
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Alter: 71
Beiträge: 632
Wohnort: Berlin


W
Beitrag15.06.2022 18:03

von wohe
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Hi Mumienfreund,

vielen Dank für Deine Meinung.
Du schriebst:
Zitat:
Alle deine Geschichten ähneln sich von ihrer Struktur
und
Zitat:
Text  ..., der eigentlich gar nichts will
Dass die Geschichten sich ähneln, stimmt wohl. Der Grund sind die Kürze, die Art zu schreiben und der Wunsch, etwas Unterhaltendes zu schreiben.

Eine stilistisch adäquate Geschichte, allerdings mit bis zu einem Ziel reichenden Handlungsbogen stelle ich grade im Forum vor.
Ich muss allerdings gestehen, dass mir das Verlassen meiner Komfortzone (klasse Beschreibung) im Moment Probleme bereitet.
Da muss ich wohl etwas an mir arbeiten. Und das als Rentner! Laughing

MfG Wohe
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Skatha
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Wohnort: Alpenraum


Beitrag25.06.2022 11:04

von Skatha
Antworten mit Zitat

Absurd, komisch und mitunter auch ein wenig tiefgründig. In jedem Fall ein eigener Stil, den ich durchaus ansprechend finde. Es hat bisschen was von einem Theaterstück, transportiert mMn gut das Komikhafte, dazu gehören auch Formulierungen wie "Das blieb dann mal so im Raum stehen." oder  "»Hm.« Und nach einiger Zeit nochmal: »Hm. ". Begriffe wie 'requiriert' oder 'deklamiert' wiederum unterstreichen die gewisse abstruse wie blasierte Tonalität bzw. Charakterzeichnung des LI.

Zitat:
Regen fällt nur selten senkrecht ...
An der Stelle musste ich an William Wallace (Braveheart) denken^^: "Ist doch gutes schottisches Wetter, der Regen fällt fast lotrecht, nur leicht zur Seite geneigt."

Das Ende kommt mir ein wenig plump daher, wie eine Pointe, die es nicht unbedingt bräuchte; ein wenig auch, als wäre man als Leser an der Nase herumgeführt worden: Da wird groß über Dichten und Denken gesprochen, ein famos aberwitziges Manöver durchgeführt, um potenziellen Nachahmungstäter gleich Einhalt zu bieten (obwohl es ihm am Ende ohnehin alle nachmachen sollen), um dann bei Kamasutra zu landen. Das ist aber nur mein persönlicher Leseeindruck.

Das Setting zeichnet sich tatsächlich nur marginal ab. Da liegt der Fokus mE klar auf der Freude am Dialog.

LG Skatha


_________________
It is not despair, for despair is only for those who see the end beyond all doubt. We do not.
(J.R.R. Tolkien, The Lord of the Rings)
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