Doktor braucht Doktor

[arne04]

Ich stand an einer S-Bahn-Haltestelle, die, ihrem Aussehen nach, schon einigen betrunkenen Mobs zum Opfer gefallen war. Der Fahrplan war ungefähr so aktuell wie das Weltbild meiner Großeltern. Ich stieg in einen Zug ein, der zur planmäßigen Zeit eintraf. Die Waggons waren nicht besonders sauber, aber ich musste glücklicherweise auch nur eine kurze Zeit hier verbringen. Eine Familie mit kleinem Kind neben mir, das Kind terrorisierte mich mit seinem Geschrei, nur mein Vordermann konnte das noch toppen, aus seinen Kopfhörern schallte Musik von Helene Fischer. Schräg vor mir saß ein Mann, der eine Schachtel mit weißem Pulver an der Seite seines Rucksackes verstaut hatte. Ich wollte ihn darauf hinzuweisen, dass Medellin auf dieser S-Bahn-Linie nicht angefahren wird, verzichtete aber auf den Kommentar. Verstanden hätte er es möglicherweise sowieso nicht. An der nächsten Station verließ ich die S-Bahn schon wieder. Ich verewigte mich noch mit einem Kaugummi am Sitz vor mir, offensichtlich war das so üblich. Das schreiende Kind wank mir zu, als ich am Bahnsteig entlanglief. Als wollte es mich verhöhnen. Das Ziel meiner Reise lag nur wenige Meter entfernt von der S-Bahn-Station. Eine Arztpraxis, eine routinemäßige Behandlung stand für mich an. Auf der Treppe zur Praxistür überholte ich einen Rentner, der sich die Stufen hinaufmühte. Er guckte mich mit einem Blick an, der mir ansonsten nur früh im Spiegel begegnet, wenn ein Besuch bei meiner Schwiegermutter ansteht. Die Rezeption war entgegen meinen Erwartungen ziemlich leer. Bald wusste ich auch warum. Die Frau von der Rezeption wies mich darauf hin, dass der Doktor krank sei und erst nächste Woche wiederkäme. Blöd, dachte ich, wenn man Menschen gesund machen soll und selbst krank ist. Aber jetzt hatte er ja genug Zeit, noch einmal über seine Berufswahl nachzudenken.

[Christof Lais Sperl]

Hallo Arne, also ein Mob ginge schon. Als Gruppe. Mobs gibt’s nicht. Das Wort „toppen“ ist ebenfalls unschön. Ich würde das mal als erste Skizze ansehen. Thema finde ich gut!
Grüße C

[Levo]

Hallo Arne,
Dein Text ist derzeit nur eine Aneinanderreihung von (gar nicht so schlechten) Gags, aber noch keine Geschichte. Ich bin gespannt, was sich dort noch entspinnt.
Auffallend, auch wegen der Bindestriche, ist die etwas nervtötende Wiederholung von S-Bahn-…, da gibt es bestimmt Synonyme oder einfach nur Bahn. Zug.

[Gast]

Hallo Arne,

willkommen im Forum!

Den Text finde ich absolut ok. Ich sehe das als Übungstext zum Thema "Millieuvorstellung" o.ä. an; es passiert nicht viel, aber LeserIn wird durch eine handwerklich gut gemachte Beschreibung in die Textwelt eingeführt.

Ich muß gestehen, dass ich Medellin auch erst nachschlagen mußte. Den Satz, in dem es vorkommt, empfinde ich als Stolperstein. Wenn die Person ein "echter" Drogi ist, würde er die Anspielung vermutlich verstehen; wenn der Erzähler aber davon ausgeht, dass der Drogioderauchnicht sie nicht versteht, heißt dass dann, dass der Erzähler der bessere Drogi ist? Oder ist da noch eine populärkulturelle Anspielung drin, die mir als altem Furz entgangen ist?

Ansonsten aber wirklich solide. Der Erzähler wirkt sehr kokett und von sich selbst überzeugt. Wenn der Text länger werden sollte, ist die erwartete Fortsetzung, dass er von seinem hohen Roß ziemlich rabiat heruntergeworfen wird.

[cheeky_rakoon]

Hallo arne04,

ich fand den Text insgesamt gut. Kurz aber auf den Punkt gebracht

gelacht habe ich bei

[arne04]

Danke an euch für das Feedback! Natürlich heißt es winkte, wahrscheinlich Ergebnis davon, dass der Text innerhalb von einer Stunde entstanden ist. Ich habe bewusst viele Gags eingestreut, mich hat interessiert, wie das hier so ankommt. Wenn ich weitere Texte einstellen möchte, wo sollte ich das auf dieser Seite am besten tun?

[schmurr]

"Verstanden hätte er es möglicherweise sowieso nicht." klingt mir so, dass der Mann Ausländer ist.
""wank" könnte regional oder dialektal sein.
"zur planmäßigen Zeit" unterläuft die Ironie von "aktuell" und trägt zu nichts bei.
Ansonsten: Kann man haben! 🙂
Saluti
Martin