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Miyagi Gänsefüßchen
Beiträge: 15
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31.03.2022 19:00 Im Bauch der Bestie von Miyagi
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Das Meer war still und glatt und der Mann, der sich Kapitän nannte, stand am Bug und suchte in der Ferne nach der Endlichkeit. Seine zittrigen Hände aufs Schanzkleid gestützt, hob er von Zeit zu Zeit den Kopf und sog die gallige Luft ein.
»Du wirst keinen Sturm schicken, nicht wahr?«, sagte er schließlich. Kein Lüftchen regte sich, die Segel hingen in der Flaute, nicht die kleinste Dünung rollte heran. Das war Antwort genug. Er nickte und spähte wieder durch den schwärenden Nebel hinaus zum Horizont, dorthin, wo die blutrote Wunde, die niemals verheilte, den monochromen Himmel besudelte. Schwach erinnerte er sich an Mutter Sonne und an den Tag, als sie für immer hinter der westlichen Kimmung untergegangen war und der Welt dieses Mahnmal, diese falsche Versprechung eines neuen Morgens eingebrannt hatte. Damals war er noch jung gewesen und seine Mannschaft nicht im Nebel aufgegangen.
Für ihn gab es keine Zukunft, daher suchten seine Gedanken oft in der Vergangenheit Zuflucht. Manchmal reichten sie sogar bis zu jener verhängnisvollen letzten Fahrt zurück und er erinnerte sich an schwelende Hitze und einen falsch gesetzten Kurs. An die Mutlosigkeit in den Gesichtern seiner Männer und an Vorräte, die wie Eis in der Sonne dahinschmolzen. Er schmeckte beinahe die letzten Rationen, den wurmverseuchtem Zwieback, der nach Rattenurin stank. Und die Mahlzeiten, die auf den Zwieback folgten: Holzspäne mit eingetrocknetem Rattenkot. Wer das Essen nicht in sich hineinzwingen oder bei sich behalten konnte, starb. Ihre Bäuche blähten sich wie vom Wind gewölbte Segel und ihre Kräfte schwanden. Der Hunger beherrschte ihr ganzes Wesen, tyrannisierte jeden ihrer wachen Momente und suchte ihre Träume heim.
Ihre Toten kippten sie einfach über Bord, manchmal zwei an einem einzigen Tag, einen nach dem anderen, immer und immer wieder, bis die Verzweiflung sie dazu trieb, es nicht mehr zu tun. An jenem Tag vergossen viele von ihnen Tränen und beteten um Vergebung, aber die Götter wandten sich ab. Nur die Bestie hörte ihr Flehen und verschlang jeden von ihnen und stürzte ihre Welt ins ewige Zwielicht.
Der Mann, der sich Kapitän nannte, erinnerte sich nicht mehr an viele Einzelheiten von damals. Er schlief nie und hoffte so, seine Erinnerungen zu bewahren, doch manchmal wallte sein Bewusstsein in den Nebel und dann schreckte er unvermittelt auf, wie nach tausend vergessenen Träumen und er wusste, ganze Jahre und Jahrzehnte waren verstrichen. Verlorene Zeit, die ihm alles bedeutete, denn sie riss seine Erinnerungen mit sich. Das Vergessen hatte sich auch seinen Namen geholt. Es war ein stolzer Name gewesen, der Name eines Mannes, der bestimmt war, Großes zu vollbringen. »Ja, Sohn«, hörte er seinen Vater sagen, »dereinst wird man deine Taten besingen und dich selbst im Pantheon der Helden über andere stellen.«
Wieder forschten seine Blicke über die stumme, endlose See. Manchmal zeichneten sich die Schemen eines entlegenen Gestades in den trüben Schwaden ab, aber er wusste, das Meer spielte nur mit ihm. Viele Jahrhunderte war er unter den endlosen Schreien der Männer vor dem Wind gesegelt, stets voll banger Hoffnung. Doch jetzt waren die letzten Stimmen verklungen, der Wind hatte sich für immer gelegt und kein Land war jemals auch nur in Sicht gekommen. Das Meer war das größte und schwärzeste aller Meere und auch das grausamste. Keine Ufer begrenzten es, keine Klippen durchstießen seine Oberfläche. Ein vollkommener Ozean, der nie vom Sonnenlicht oder der sandigen Küste eines Landes berührt worden war.
»Bitte.« Er fiel auf die Knie und sah gepeinigt in den sternenlosen Himmel. Taue und Segel und Masten warfen ein Netz aus Schatten über ihn. Nach all der Zeit und all den Schrecken war Erlösung alles, was er wollte. Wie ein Bettler flehte er das Meer an, es möge einen Sturm schicken, der das Schiff vernichte. Aber das Meer gestand ihm seinen Tod nicht zu. Es lag da, in seiner öligen Schwärze und verhöhnte ihn.
Er klagte und flehte, dann schmeichelte und hofierte er und schließlich beschimpfte und begeiferte er es, aber die See geruhte nicht zu antworten. Wer war er schon, dass es sich dazu herablassen sollte, ihn zu beachten? Dieser Gedanke brachte ihn auf eine letzte Idee. Er kämpfte sich wieder auf die Beine und blickte dem Meer entgegen, wie er es schon tausende Male zuvor getan hatte, nur diesmal brannte der Hass in ihm. Er zog das schimmernde Vlies um seinen Schultern enger an sich, holte tief Luft und forderte das Meer heraus.
»Ich bin der Fürst des Wellenschlags und der Schaumkronen«, rief er mit rauer Stimme. »Gebieter über Wind und Woge, über Brandung und Brise, König der tiefsten Ströme und mächtigsten Orkane. Ich bin der Herr der Gezeiten, der die Untiefen dieser Welt regiert, der die Götter des Wassers heraufbeschwor und sie niederwarf. Ich bin der Heros, der in den Fluten lebt und auf der Dünung wandelt. Denn mein ist der Wind und der Sturm und die See.«
Eine bleierne Stille folgte seinen Worten nach. Dann sah er im Osten eine Veränderung. Wolken zogen auf, schwarze, riesige Wolkenberge ballten sich zusammen. Das Meer antwortete. Es duldete seine Anmaßung nicht.
Und in diesem Augenblick eines Funken Hoffnung, da kamen sie zu ihm. Er hörte das Scharren und Getrappel ihrer Füße in der Dunkelheit. Ausgemergelte Kreaturen, groß wie Hunde, die mit schlangenhaften Bewegungen aus den Schatten glitten. Ihre entstellten Körper waren von Folternarben übersät, aus denen schwarzer Rauch aufstieg. Sie umkreisten ihn, zischten und fauchten und strichen um seine Beine, doch erst, als er ihre Gesichter gewahrte, wich er vor ihnen zurück.
»Ich kenne euch«, sagte er. »Ich weiß, wer ihr einst gewesen seid.«
Ihre weißen, blinden Augen fixierten ihn. Auch sie wussten, wer er war und was er getan hatte und sie waren gekommen, ihn daran zu erinnern.
»Ich hatte keine Wahl«, beschwor er sie. »Ein Schiff ohne Brise ist nicht mehr als ein schwimmendes Grab. Wir mussten die schlafenden Winde wecken, wie sonst hätten wir hoffen können, jemals auf Land zu stoßen? Wir mussten eine Möglichkeit finden. Und das haben wir, Vater steh mir bei, das haben wir. Es war falsch, ja, abscheulich und unverzeihlich, aber im Bauch der Bestie gibt es keinen Platz für Menschlichkeit.«
Bei diesem letzten Wort spitzten die Gefolterten die Ohren. Sie schlugen die Zähne in sein sehniges Fleisch und quiekten vor Wonne. Dann waren sie über ihm und labten sich an seinem Leib, rissen und fetzten ganze Stücke aus Schenkeln und Lenden, wühlten in seinen Eingeweiden und nagten an den Knochen. Entsetzen und Überraschung bildeten ein paar Herzschläge lang eine Barriere gegen jede aufwallende Empfindung. Dann explodierte der Schmerz in seinem Verstand und er brüllte aus voller Kehle.
Über ihm zuckten die Segel, zaghaft erst und spielerisch. Einem unruhigen Schläfer gleich wanden sie sich von einer Seite zur anderen, fingen an zu flattern und zerrten an der Rah, als wollten sie sich von ihr losschlagen. Scharfe Böen fauchten auf und die großen Tuchbahnen hoben und senkten sich, hoben und senkten sich, wie der Brustkorb eines Zyklopen. Dann blähte der Wind seiner Lungen die Segel zu voller Größe, spannte sie straff wie ein Trommelfell, ganz so, wie es ehedem bei seinen Männern gewesen war. Knarrend und ächzend nahm das Schiff Fahrt auf.
Der Mann, der sich Kapitän nannte, verdrehte den Kopf und blickte nach achtern. Seine Schreie bliesen sie jetzt schnell voran, höher und immer höher ging das Schiff an den Wind, der Kiel schoss durch die gichtige See. Mit Grauen musste er erkennen, dass die Sturmfront am Himmel kleiner wurde und hinter ihnen zurückblieb. Und dort im weißen Kielwasser schaukelte ein kleines Boot in den Wellen. Eine schwarze Gestalt saß darin und ruderte auf das Schiff zu. Halb wahnsinnig mischte sich ein wildes Lachen unter seine Schreie. Es war der Tod, der zu ihm kommen und ihn erlösen würde. Aber die Erfahrung mit seinen Männern hatte ihn gelehrt, dass der Tod im Bauch der Bestie nur ein gemächlicher Ruderer war.
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Gast
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01.04.2022 15:41
von Gast
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Zombies auf See, Episode 324. Ein Kapitän trägt die Schuld am Untergang seiner crew und wird Jahre später im Gegenzug von ebendieser mittlerweile zu Zombies mutierten crew als letzte Ration verspeist.
Vorgabentrue: Erfüllt.
Ausgestaltung:
Irgendwo da draußen in der weiten Welt muss es irgendwo intelligente und anspruchsvolle Pornographie geben. Wo nicht nur rasierklingendünne, billig zusammengezimmerte Plots so schnell und billig wie möglich zur Sache zu kommen. Wo Fragen der Lust, Liebe und Leidenschaft mit "der Sache" zu einem sukkulenten Festmahl zusammenkomponiert werden. Also die Feinkost Käfers unter den LowestCostMinimalfütterungsdiscountern.
Irgendwo da draußen gibt es bestimmt auch gute Zombieliteratur, die Fragen von Schuld, Leben und Tod und all dem Gedöns dazwischen mit eingestreuten Zombie zu einem espritgeladenen Kunstwerk verwandelt (mit eingestreuten Gastauftritten von Trump und Berlusconi, versteht sich).
Dieser Text ist unter den Aldis und Lidls der heruntergekommenste, abgehalftertste in der vergessenen Sozialwohnbausiedlung, der vom Logistikzentrum nur noch dann angefahren wird, wenn nur noch die angegammelten und abgelaufenen Paletten übrig sind, die sich in den normalen Filialen nicht mehr verkaufen lassen. Allein die Wahl der Adjektive im ersten Abschnitt lässt lebhafte Erinnerungen an massive Seekrankheit hochkommen ("gallige Luft","schwärenden Nebel","blutrote Wunde, die niemals verheilte, den monochromen Himmel besudelte"). Von da an geht's dann recht fix zur Fütterung der Elementartriebe über, nämlich der ausschweifenden und wortgewaltigen Schilderung der Ausweidung und Zerlegung des Kapitäns.
Punkte:
Nein. Wirklich nicht. Darf ich AutorIn stattdessen ein Stück aus der Lende beißen? Näääh, nicht mein kink.
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kioto Eselsohr
Alter: 71 Beiträge: 442 Wohnort: Rendsburg
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01.04.2022 18:05
von kioto
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Gut geschrieben, düster und gruselig.
Gruß Werner
_________________ Stanislav Lem: Literatur versucht, gewöhnliche Dinge ungewöhnlich zu beschreiben, man erfährt fast alles über fast nichts.
Phantastik beschreibt ungewöhnliche Dinge (leider m.M.) meist gewöhnlich, man erfährt fast nicht über fast alles.
Gruß, Werner am NO-Kanal |
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d.frank Reißwolf
D Alter: 44 Beiträge: 1122 Wohnort: berlin
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D 01.04.2022 21:04
von d.frank
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Das erinnert mich an einen Beitrag aus einem anderen Wettbewerb, eventuell der vorherige Phantastisch. Leider kann ich darauf grad nicht zugreifen, aber es hatte ein ähnliches Setting, in einer Höhle, mit jemandem, der alle anderen auf dem Gewissen hatte.
Im ersten Leseeindruck wirkt es jetzt erstmal inkonsistent, zu viel Effekt für zu wenig Tiefe. Die beiden Erklärungen:
der falsch gesetzte Kurs
die Motivation einer Heldenreise
erklären nicht, warum der, der sich Kapitän nannte (was ein gleichzeitig geschickter, aber auch plakativer Vorwurf ist), selbst nicht essen muss und erst, als es schon zu spät ist, die Kraft findet, das Meer um einen Sturm anzuflehen. Zu wenig Hintergrund - die Geschichte zieht sich mit reinen Vorwürfen und einem rachlustigen Gemetzel aus der Affäre und bleibt mir deshalb zu einseitig.
Als Märchen funktioniert das wahrscheinlich, weil es im Märchen ebenfalls immer nur Gut und Böse gibt.
1, für Sprache und Aufbau
_________________ Die Wahrheit ist keine Hure, die sich denen an den Hals wirft, welche ihrer nicht begehren: Vielmehr ist sie eine so spröde Schöne, daß selbst wer ihr alles opfert noch nicht ihrer Gunst gewiß sein darf.
*Arthur Schopenhauer |
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Minerva Nachtfalter
Beiträge: 1150 Wohnort: Sterndal
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01.04.2022 21:16
von Minerva
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Ewig lebender Kapitän segelt auf dem Meer, und die Sonne geht seit langem nicht mehr auf, das Meer ist der Bauch der Bestie.
Mit den Sprachspielereien wurde sich Mühe gegeben, hier schreibt ein versiertes Autory
Das ist natürlich ganz hübsch zu lesen, aber ...
Zitat: | er gewahrt ihre Gesichter | ... das ist mir ein wenig zu geschwollen
Sprachlich sind kleine Macken zu erkennen.
Der Schlusssatz ist schön, lässt mich aber doch allzu ratlos zurück. Ich verstehe die Geschichte allegorisch, psychologisch, aber sie antwortet mir nicht so recht.
Kleiner, kleines Boot - Wortwiederholung, da war wohl wieder der Zeitdruck hoch gewesen.
Ich wünschte mir, es würde entweder mehr passieren oder die allegorische Geschichte besser aufgebaut. Irgendwo hakt es noch. Vielleicht ist mir die Stimmung auch zu schwer gewesen, zu negativ. Das ist nicht falsch, aber am Ende, nach all den Texten hat deiner leider doch keine Punkte geschafft, ganz knapp. Es fiel mir nicht leicht.
_________________ ... will alles ganz genau wissen ... |
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cheeky_rakoon Gänsefüßchen
C Alter: 35 Beiträge: 27 Wohnort: Österreich
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Heidi Reißwolf
Alter: 42 Beiträge: 1424 Wohnort: Hamburg
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02.04.2022 18:44
von Heidi
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Also, ich lese das so, dass ein Mann - der Kapitän - im Bauch eines Monsters gefangen ist. Das Monster ist so groß, dass das Meer um das Schiff des Kapitäns unendlich erscheint. Ein unendliches Monster mit einem unendlichen Maul quasi. Das erklärt den sternenlosen, ewig dunklen Himmel und alle anderen Abscheulichkeiten von denen die Rede ist.
Der Kapitän wünscht sich Erlösung, er möchte, dass sein Leben ein Ende findet, aber der Tod hat kein Mitleid, er verbringt schon Jahrhunderte in dieser unerwünschten Situation. Der Schlund ist kein schöner Ort, schon gar nicht als dann auch noch ausgemergelte Kreaturen über ihn herfallen, seine Haut zerfetzen und noch weitaus Schlimmeres mit ihm anstellen. Außerdem bleiben die Segel ewig schlaff, kein Wind, nur Stillstand und ewige Isolation (ganz abgesehen vom ekligen Zwieback, der nicht schmecken kann).
Der Gute brüllt sich aber irgendwann die Seele aus dem Leib, was dazu führt, dass das Boot nun endlich ordentlich an Fahrt aufnimmt, aber mehr auch nicht. Der Tod im kleinen Boot kommt zwar auf ihn zu, aber der rudert dermaßen langsam, dass die Erlörung auf sich warten lässt.
Soviel zu meiner inhaltichen Analyse frei nach meiner Leseart.
Der Text erzeugt von Beginn an eine düstere Stimmung. Die Dunkelheit und das Verderben ist deutlich spürbar, es wird eine derbe Atmosphäre durch verschiedene Bilder und durch die Sprache vermittelt.
Der Kapitän als Hauptfgur als verzweifelter todesmutiger Mann kommt mit seinem Charakter darüber etwas zu kurz. Seine Gedanken und Gefühle hätte ich gerne noch näher in Augenschein genommen.
Ich finde die Stärke dieses Textes liegt in der Sprache. Sätze wie dieser hier erzeugen durch den Ausdruck Stimmung,
Zitat: | Er schlief nie und hoffte so, seine Erinnerungen zu bewahren, doch manchmal wallte sein Bewusstsein in den Nebel und dann schreckte er unvermittelt auf, wie nach tausend vergessenen Träumen und er wusste, ganze Jahre und Jahrzehnte waren verstrichen. |
können aber auf das Ganze betrachtet nicht ausgleichen, was an Figurenentwicklung fehlt. Mir ist der Kapitän nicht tief genug ausgearbeitet, dafür, dass die Handlung rar ist (was ich bei Geschichten wirklich gerne mag).
Die Prämisse am Ende, dass es sozusagen kein Entrinnen gibt, selbst der Tod nicht die Erlösung bringen möchte, nach der sich die Hauptfigur sehnt und schon in seinem Leben das Fegefeuer durchschreitet, finde ich auch etwas dünn, zumindest wenn ich auf die Figur an sich blicke, von der ich gerne mehr Inhalt erleben würde.
Zitat: | Das Meer antwortete. Es duldete seine Anmaßung nicht. |
Diese beiden Sätze mag ich sehr, sie reichen aber nicht für Punkte.
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V.K.B. [Error C7: not in list]
Alter: 51 Beiträge: 6127 Wohnort: Nullraum
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02.04.2022 20:32
von V.K.B.
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Mein lieber unbekannter Autor,
Kraft meines Amtes als Literaturgegenpapst aus dem Paralleluniversum jenseits des Schwarzen Lochs muss ich Ihnen mitteilen, dass mir Ihre Geschichte so seltsam erscheint, wie ich Ihnen erscheinen werde.
Paar spontane Leseeindrücke, direkt beim ersten Lesen geschrieben, zwischendurch:
Zitat: | Ihre Toten kippten sie einfach über Bord | bei solchem Hunger?
Zitat: | bis die Verzweiflung sie dazu trieb, es nicht mehr zu tun | ah, okay
Irgendwie hab ich das Gefühl, die gleiche Geschichte beim vorigen Phantastisch-Wettbewerb schon einmal gelesen zu haben. Jedenfalls so ähnlich, aber da kamen noch Schmetterlinge drin vor. Ein Kapitän, der irgendeine Schuld auf sich geladen hat und in einem realitätsfernen Niemandsland von den Geistern der Vergangenheit heimgesucht wird, wobei aber alles kryptisch und unklar bleibt. Eigentlich mag ich Geschichten, die nicht sofort einen erkennbaren Sinn ergeben, aber diese hat mich irgendwie nicht erreicht. Dafür war sie der anderen (egal ob gleicher Autor oder nicht) zu ähnlich, und kommt mir im Direktvergleich (die andere aus der Erinnerung) schwächer vor.
EDIT: Habe gerade nochmal in den vorigen Wettbewerb geschaut und hatte die Geschichte verrissen. Kam mir bei dieser jetzt nicht in den Sinn aber lag wohl daran, dass mich die andere doch mehr erreicht hat und ich daher frustriert war, da trotz langem Suchen keinen tieferen Sinn reinzukriegen.
PS: Ich will dir nicht unterstellen, beim vorigen Wettbewerb geklaut zu haben, solche Parallelen können bei so einem Thema ganz schnell zufällig aufkommen. Aber vergleichen tut man dann schon, wenn man sich an eine recht ähnliche Geschichte erinnert.
Noch sind die Punkte allerdings in Superposition und werden erst verteilt worden sein, wenn ein Beobachter in diesen Spoiler schaut: Leider verloren
Mit verdammenden Blicken,
Ihr unfreundlicher Literaturgegenpapst aus dem Paralleluniversum
Unter meiner Obhut soll der literarische Garten erblühen. Ihr werdet mich nicht bemerken, aber ich werde da sein. Und als Guerrilla-Gärtner meine Saat in die Äcker eurer Gedanken pflanzen.
Hallo Leute, Veith hier. Ich weiß nicht genau, was da passiert ist, anscheinend wurde mein Konto gekapert, dabei war mein Passwort so sicher! Tut mir leid, wird nicht wieder passieren, ich habe es jetzt durch ein noch sichereres ersetzt. In der Zwischenzeit hat irgendeine seltsame Entität die Kommentare und Bewertungen für mich übernommen. Kommt wohl dabei raus, wenn hier so viele im Vorfeld mit Schwarzen Löchern rumgespielt haben. Weil ich zu faul war, selbst noch was zu schreiben, habe ich die gehackten Kommentare und Bepunktungen so stehenlassen – ich bin sicher, dieses Wesen hat bestimmt nichts böse gemeint und wollte nur spielen.
_________________ Let the cosmic muse I summoned forth inspire thee …
Warning: Cthulhu may still occasionally jumpscare people … |
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hobbes Tretbootliteratin & Verkaufsgenie
Moderatorin
Beiträge: 4279
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02.04.2022 22:15
von hobbes
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Das geht nicht gut los. Du stürzt dich in eine Rückblende und erzählst und erzählst, nur wird das alles nicht sonderlich lebendig. Ich jedenfalls fühle es nicht. Dann noch ein Prise Pathos dazu, das macht die Sache in meinem Fall leider auch nicht besser. Und zum Ende hin Grausamkeiten en detail. Da muss ich passen.
_________________ Don't play what's there, play what's not there.
Miles Davis |
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Murnockerl Eselsohr
M
Beiträge: 333
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M 03.04.2022 07:51
von Murnockerl
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Ich weiß ehrlich gesagt nicht recht, was ich mit dem Text anfangen soll. Es passiert nicht viel und der Protagonist ist mir zu fern, als dass ich von Anfang an mit ihm Mitleid haben oder mitfiebern könnte. Für mich hätte es irgendeinen initialen Zünder gebraucht, der mich an die Handlung oder den Protagonisten fesselt - das hat leider nicht geklappt.
Gut geschrieben ist es aber.
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Phenolphthalein Klammeraffe
Beiträge: 838
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03.04.2022 12:49
von Phenolphthalein
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Hallo Inkognito,
trostlos, hoffnungslos, verzweifelt.
Beschreibt das die Geschichte?
Ich fand sie schwer zu lesen, denn die drei Adjektive vermittelten mir auch nicht mehr als das.
Und da hätte ich weniger Worte gebraucht. Nicht als Schreibender, aber als Lesender.
Hat bei mir nicht funktioniert.
Liebe Grüße,
Pheno
_________________ Nichts ist leichter, als so zu schreiben, dass kein Mensch es versteht; wie hingegen nichts schwerer, als bedeutende Gedanken so auszudrücken, dass jeder sie verstehen muss.
-Arthur Schopenhauer |
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Abari Alla breve
Alter: 43 Beiträge: 1838 Wohnort: ich-jetzt-hier
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03.04.2022 19:42
von Abari
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Der Einfachheit und Übersichtlichkeit halber schreibe ich zu Anfang eine Kürzestzusammenfassung, damit ich mich dann beim Bewerten besser orientieren kann:
Der Prota "Käpitän" erstrebt nach jahrhundertelanger Odyssee sein Ende, indem er blasphemiert, und bekommt es auch.
Hm. Bin zwiegespalten. Einerseits eine gute Geschichte, andererseits irgendwie zuviel des Verschiedenen. Erst die verhungernde Crew, dann die Albdrücke, immer zwischendurch als verbindendes Element die schwarze See und zum Schluss die Hunde und der Sturm, ganz zu schweigen von der Sonne. Büschen vülle für 2500 Wörter, finde ich.
_________________ Das zeigt Dir lediglich meine persönliche, höchst subjektive Meinung.
Ich mache (mir) bewusst, damit ich bewusst machen kann.
LG
Abari |
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John McCrea Leseratte
Alter: 50 Beiträge: 152 Wohnort: OWL
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04.04.2022 10:50
von John McCrea
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Ein ganz interessantes schemenhaftes Szenario, welches der Autor hier aufbaut und durchaus seinen Reiz im Lesen und Nachdenken im lösenden Schluss findet.
Ein wenig habe ich die Sprache zu kritisieren, welche mir manchmal zu mächtig und überladen erscheint.
_________________ Italian Leather Sofa |
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Taranisa Bücherwurm
Alter: 54 Beiträge: 3180 Wohnort: Frankenberg/Eder
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04.04.2022 13:25
von Taranisa
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Das Nagen an den Knochen und das Herausreißen der Eingeweide finde ich etwas übertrieben, da die Person bis dahin tot sein müsste und nicht mehr schreien kann, aber bei Fantasy leben die Perspektivfiguren länger.
Auch die Folternarben passen für mich nicht, weil die Seeleute verhungert sind und nicht zu Tode gefoltert wurden. Die Verzweiflung des Kapitäns kann ich dafür nachempfinden.
_________________ Henkersweib, Burgenwelt Verlag, ET 12/18
Die Ehre des Henkersweibs, Burgenwelt Verlag, ET 12/20
Spielweib, Burgenwelt Verlag, ET 12/21
Das Gegengift des Henkersweibs, Burgenwelt Verlag, ET 11/22 |
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Globo85 Klammeraffe
Alter: 38 Beiträge: 733 Wohnort: Südwesten
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04.04.2022 15:02
von Globo85
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Eine Bestie von Text im "falschen" Wettbewerb.
Vorgaben:
Ist das "Fern der letzten Ufer"? Ja. "Auf dem Wasser"? Ja. Ist das Phantastik? Ja. Ist das E? Ja.
Eindrücke:
Ein eindringlicher Text mit einer unglaublichen Wirkung auf mich. Beklemmend, tief. Vielschichtig. Grausam. Ein Text den ich früh im Wettbewerb gelesen habe, ich glaube es war mein zweiter Text und der sich bis am Ende ganz oben gehalten hat, wo die meisten doch nach und nach weiter nach hinten gerutscht sind. Warum nicht ganz nach oben? Das hab ich mich lange gefragt. Denn er hat mich genauso tief berührt wie mein Siegertext. Ist genauso gut geschrieben (für mich). Er macht in sich alles richtig, ist perfekt austariert in seinem Tempo, steuert unentwegt auf sein einziges mögliches Ende zu. Schaut nicht weg, als das Grauen eintrifft, sondern ganz genau hin. Einfach stark. Das Zünglein an der Waage zwischen diesem und meinem Siegertext war dann die positivere Message des andern Textes, die mich in meiner aktuellen Gemütsverfassung noch ein ganz kleines bisschen mehr berührt hat. Aber entscheiden musste ich mich am Ende dann eben doch … Aber das hier ist ganz großes Kino, nimmt mich gefangen, überwältigt mich und hätte auch in einem Zehntausender (für mich) ganz oben stehen können.
Lieblingsstelle:
Zitat: | Und in diesem Augenblick eines Funken Hoffnung, da kamen sie zu ihm. Er hörte das Scharren und Getrappel ihrer Füße in der Dunkelheit. Ausgemergelte Kreaturen, groß wie Hunde, die mit schlangenhaften Bewegungen aus den Schatten glitten. Ihre entstellten Körper waren von Folternarben übersät, aus denen schwarzer Rauch aufstieg. Sie umkreisten ihn, zischten und fauchten und strichen um seine Beine, doch erst, als er ihre Gesichter gewahrte, wich er vor ihnen zurück. |
Fazit:
Mein zweiter Platz. 10 Punkte.
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Globo85 Klammeraffe
Alter: 38 Beiträge: 733 Wohnort: Südwesten
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04.04.2022 15:03
von Globo85
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Doppelpost.
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Jenni Bücherwurm
Beiträge: 3310
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04.04.2022 19:12
von Jenni
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Ein Kapitän segelt seit langer Zeit über ein Meer ohne Ufer und versucht nicht den Verstand zu verlieren. Das ist aber offenbar längst passiert, auf Kosten seiner Mannschaft, und er wartet nur noch auf den Tod. Und endlich holt der ihn ein, der gemächliche Ruderer.
Das ist gut erzählt und haut mich doch in keiner Hinsicht um. Zu keinem Zeitpunkt wird mir ganz klar, wofür der Bauch der Bestie steht, ein dunkler Ort ohne Licht und dennoch mit Schatten. Das Thema ist jedenfalls erfüllt.
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Gast
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05.04.2022 18:11
von Gast
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Liebe/r Inko,
du schreibst in einer sehr schönen, bildhaften Sprache und schaffst es, wunderbare Bilder entstehen zu lassen. Ein wenig erinnert mich der Kapitän an den untoten Davy Jones von der Flying Dutchman, der so abgefahren auf seiner Orgel spielt. Du erzählst die Geschichte in einem so mondänen Schreibstil, dass es schon wieder Spaß macht, so etwas mal wieder zu lesen.
Wie ich den Text inhaltlich im Vergleich zu den anderen einordne, muss ich noch sehen. Jedenfalls habe ich dich gerne gelesen!
Liebe Grüße,
Katinka
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tronde Klammeraffe
T
Beiträge: 524
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T 05.04.2022 21:11
von tronde
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Hallo!
Es waren durchweg gute Texte und aufgrund ihrer Verschiedenheit ist es mir sehr schwergefallen, sie gegeneinander abzustufen. Verschiedene Genres, verschiedene Ansätze von „Phantastik“, je nachdem, wo ich den Schwerpunkt hingelegt habe, war die Reihenfolge dann wieder eine andere.
2 Punkte
Gut und packend geschrieben. Die Ideen vom letzten Kapitän ist allerdings nicht ganz so ausgefallen.
Danke für den Text!
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Constantine Bücherwurm
Beiträge: 3308
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07.04.2022 12:08
von Constantine
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Bonjour Inko
Es tut mir leid. Die Zeit hat nicht gereicht, um ein ausführliches Feedback zu verfassen.
Constantine
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silke-k-weiler Klammeraffe
Alter: 49 Beiträge: 748
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07.04.2022 15:08
von silke-k-weiler
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Ein sehr eindringlicher Text, erinnert mich teilweise an meine Recherchen zu Magellan und seinen Bemühungen, den Westweg zu den Gewürzinseln zu finden und wie viele Männer bei dieser Expedition ihr Leben verloren. Das fand ich damals schon krass, vor allem die Vorstellung, wie den Teilnehmern auf offener See Wasser und Nahrung ausgehen und die Überlebenden sich irgendwann über in Salzwasser zerkochte Riemen oder Sägespäne hermachen. Der Entdeckerdrang, die Verantwortung für die Mannschaft, das Scheitern ... es sind spannende Themen, die hier durchblitzen.
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Michel Bücherwurm
Alter: 52 Beiträge: 3376 Wohnort: bei Freiburg
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08.04.2022 09:32
von Michel
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Der Mann, der sich Kapitän nennt, fährt auf seinem Kahn seit Jahren oder Jahrzehnten. Die Mannschaft längst verhungert, die mythischen Opfer, mit denen sie Wind zu bekommen hofften, vergeblich. Schließlich holen die Erinnerungen ihn ein – nur der Tod rudert zu langsam. Die Fahrt geht weiter.
Auch einer dieser hoffnungslosen, dystopischen Texte, die irgendwie zuhauf in diesem Wettbewerb zu finden sind. In sich stimmig, gekonnte Erzählstimme – aber so viel Dystopie hält mich davon ab, mich auf den Text einzulassen.
_________________ Seit 27. April im Handel: "Rond", der dritte Band der Flüchtlings-Chroniken |
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