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Oternity


 
 
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Minerva
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Beitrag31.03.2022 20:00
Oternity
von Minerva
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ternity

✦100✦

»Oceanlife Oberdeck. Bitte wählen Sie: Öffnungsvorgang, Strahlungswerte, Wetterdaten.«
»Öffnungsvorgang.«
Das Okular mit der Kamerapupille auf neongrünem Untergrund scannte mich.
»Zugriff verweigert«, sagte die künstliche Stimme. »Außenstrahlung minimal erhöht, Ausgang ab Sicherheitsstufe zwei. Mia, Ihre Sicherheitsstufe lautet: drei.«
»Jaja.«
Seit Wochen war ich nicht mehr aufs Deck gekommen. Ich drückte meine Nase gegen die dicke Glastür. Ein Elektroblitz darin waberte hellblau auf und ab, der Strahlenschutz. Die Sonne war wie immer diesig, ein weißer Ball, der die Wellen beschimmerte.
»Oceanlife, in welche Himmelsrichtung blicke ich?«
»Nordosten.«
Ich brauchte das. Hier gab es doch nur noch Himmel oder Meer. Wenn ich nicht wusste, wo Osten oder Westen war, Amerika oder Asien, wurde mir schwindlig. Diese Orientierungslosigkeit machte mich fertig. Einmal war ich zitternd zusammengebrochen und in ein Nichts gefallen, ein Mutterseelenallein; Lost in Space, in meinem Fall: Lost im Pazifik.
»Mia, nutzen Sie zur Entspannung die VR-Einheit, das Fitnessstudio …«
Ich blendete die mich überallhin verfolgende Stimme aus, spürte die Blicke des HumAI-Systems, während ich durch die Gänge schlenderte. Auf den Bildschirmen strahlten alte Werbefilme von Oceanlife.
»Haben Sie genug von den Vorschriften des Staats, den Verboten, den hohen Steuern, die von Ihrem hart erarbeiteten Geld gestohlen werden? Investieren Sie in Oceanlife! Die Esmond-Oats-Company entwickelt für Sie autarke Systeme, die Sie mit Energie, Wasser …«
Spätestens in zwei Jahren war meine Zeit hier vorüber, und ich würde eine Oceanlifeplattform bewohnen, vielleicht so etwas wie ein normales Leben führen. Ob die früheren Käufer noch lebten, war fraglich. Reichtum half nur bedingt gegen Nuklearkatastrophen. Inzwischen war ich selbst so reich, dass mein Guthaben an TrueCoins beinahe für eine Plattform reichte. Nach meinem Rundgang würde ich mir einen virtuellen Besuch auf meiner zukünftigen Insel gönnen, die mit den Sonnenblumen.
Zurück im Lift drückte ich den Knopf und glitt in der Röhre Richtung Unterdeck. Auf der gegenüberliegenden Schiffsseite spazierten zwei andere Spenderinnen.
In meinem Bauch krampfte es. Ich beugte mich vornüber und presste die Hand dagegen.
»Mia, brauchen Sie Hilfe?«, fragte Oceanlife.
»Nur ein kleiner Krampf.«
Ich richtete mich auf.
Bestimmt kam das von der gestrigen Eizellenentnahme. Zum Glück hatte ich jetzt drei Monate Pause. Der Lift hielt sanft, eine harmonische Gongabfolge signalisierte die Ankunft im Maternity-Bereich.
Wie in einem Zoo beobachtete ich die Maternity-Einheiten hinter dem Sicherheitsglas. Die neue Generation wirkte gespenstisch. Die alten Androiden hatten wie Menschen ausgesehen, waren sogar mit einer elastischen Membran am Bauch ausgestattet worden, die sich wie bei einer Humanschwangerschaft dehnte. Doch in der Testphase hatten sie versagt, hatte man mir erzählt. Ursprünglich waren sie entwickelt worden, um die emotionalen Probleme von Leihmutterschaften zu umgehen. Vermutlich hätten einige Frauen sie auch genutzt, um sich Schwangerschaftsstreifen und Bäuchlein zu ersparen. Ich lachte bitter. Was für sinnlose Eitelkeiten wir doch gepflegt hatten.
Die stählernen Maternity-Mütter wanderten durch den Raum, manche saßen an Tischen und schienen sich zu unterhalten, andere streichelten die durchsichtigen Kugeln mit den Föten in ihrem Bauch, kleine Schätze, die in milchgoldenem Fruchtwasser schwebten.
Tatsächlich hatte ich wenig Bezug zu »meinen« Föten, aber ihre Laufnummern kannte ich. Ich drückte den Sprechknopf.
»Maternity Nummer 89, Status!«
Die Einheit kam an die Scheibe. Sie war zwei Meter hoch, die Fötenkugel hing mir unter der Nase.
»Baby 89 ist gesund, Herztöne normal, Zeit bis zur Geburt: Drei Wochen.«
Maternity-Einheit 89 schien mir eine der hölzernen Sorte zu sein, obwohl es unsinnig erschien, denn alle waren baugleich. Warum der Designer ihnen Stahlbrüste in der Größe von Honigmelonen samt hervorstehenden Brustwarzen verpasst hatte, war mir schleierhaft. Gesäugt wurden die Neugeborenen damit nicht, sondern nach der Geburt auf die Oceanlife-Plattformen zu ihren neuen Eltern gebracht.
Einheit 89 öffnete den Mund, während ihr Blick mich fixierte. Aus dem schwarzen Loch strömte klassische Musik. Ich ging einen Schritt zur Seite, aber Nr. 89 wandte den Kopf nach mir.
Das Baby strampelte, dann schwamm sein Ärmchen nach oben und es steckte zielsicher den Daumen in den Mund. Hätte Nr. 89 mich nicht so unheimlich angestarrt, wäre ich länger geblieben, um das magische Fruchtwasserwesen anzusehen.
Ich wanderte den Gang bis ans Ende zum Labor, wo die säuberlichen Befruchtungen in den Petrischalen stattfanden. Tatsächlich war es nicht aufregend, zu beobachten, wie die Weißkittel in ihren tausend alchemischen Behältnissen fummelten. Doch ich kam nicht deswegen, sondern wegen einem von ihnen hierher. Er war erst letztes Jahr aufgetaucht und etwa in meinem Alter.
Ich hatte ihn ausführlich studiert und bin zu dem Schluss gekommen, dass er ein »Aiden« sein musste. Ich fragte mich, ob wir uns begegnet wären, wäre uns das schöne Leben nicht abhandengekommen. Am Abend zusammen auf die Twin Peaks wandern, die bitzelnde Luft San Franciscos inhalieren, einen Joint rauchen und über banale Dinge wie Praktika reden. Am Boden im Dreck. Ich vermisste Dreck.
Kontakt zum Forschungspersonal war untersagt. Eizellen waren zu wichtig, um sie Abenteuern mit Schwangerschaftsgefahr zu opfern. Meine Eizellen waren verschont, rein und ohne Strahlung und deswegen das wertvollste Gut. Daran sollte ich bei den nächsten Regelschmerzen unbedingt denken!
Aiden lächelte. Ich grinste zurück und stellte mir vor, wie er heimlich seinen eigenen Samen in meine üppigen Eizellen injizierte und wir jedes Jahr zwanzig Babys machten. Wow … Aber Aiden war nur ein Fragment, Hall, ein Körnchen aus Glitzer, Schemen und Geist, so flüchtig wie hartnäckig.
Wieder zog es in meinem Bauch, Sekunden darauf stand mir der Schweiß auf der Stirn. Ich atmete heftig ein und aus. Irgendetwas stimmte nicht. Ich schleppte mich in meine Kabine und bugsierte mich umständlich aufs Bett. Nach zehn Minuten wies ich Oceanlife an, ARAS zu mir zu schicken.

»Ich habe gehört, dir geht es nicht gut«, sagte der Android.
 Seine Gesichtsmembranen ließen ihn besorgt aussehen. Unmerklich entnahm er einen Blutstropfen aus meinem Finger.
»Erhöhte Entzündungswerte, Östrogen- zu Gestagenverhältnis unausgeglichen.«
»Und was bedeutet …«
Der Schmerz ließ mich zusammenfahren, mein Puls hämmerte. Fast hätte ich mich übergeben.
»Gynäkologin wird angefordert«, sagte ARAS. »Voraussichtlicher Termin in zwei Tagen.«
Eine Minute darauf war der Schmerz versickert. Ich plauderte mit ARAS, und schließlich schlang ich meine Arme um ihn. Dazu war er geschaffen worden, und so fühlte sich sein Körper fast menschlich an. Früher hatte man die ARAS für die Seniorenbetreuung eingesetzt. ARAS hieß irgendwas mit Androiden … Regeneration … Den Rest hatte ich vergessen. Vielleicht Stimulation, aber dazu fehlte ihm eine Funktion. Ich unterdrückte ein Grinsen. Die Vorstellung, er müsste alle Spenderinnen hier befriedigen, war bizarr. Ein Androidensultan mit seinem Menschenharem. Hysterisch kicherte ich los.
»Dir scheint es besser zu gehen«, stellte ARAS fest.


✦101✦

Dr. Weiskopf hätte vor zwanzig Minuten da sein sollen, und ich war unleidlich, da mich die letzten Tage die Krämpfe gequält hatten. Die Gleittüre schob sich auf.
»Hallo, Hallo«, rief die Frau. »Ich bin Dr. Tanner, wo brennt es?«
»Was ist mit Dr. Weiskopf?«
»Verhindert«, sagte Dr. Tanner und knallte ihre Tasche auf den Tisch. »Ich bin die Vertretung.«
Ich berichtete ihr von meinen Schmerzen, während sie den Ausdruck der Werte von ARAS las.
»Gut«, sagte sie. »Gehen wir in den Untersuchungsraum. Der ist doch privat, oder?«
Ich nickte.
Das war so ausgehandelt worden, damals. Um künstliche Intelligenz ebenso beherrschbar wie nutzbar zu machen, war sie an menschliches Erleben und Wesen gekoppelt und zur sogenannten HumAI geformt worden. Und nach den HumAI-Richtlinien musste es private Orte geben, HumAI-freie Zonen. Trotzdem fühlte ich mich immer beobachtet, und letztlich trug ich wie alle diesen Chip im Arm. Wer wusste schon, was der so machte? Ich war Studentin der Meeresbiologie gewesen, keine Professorin für KI- und Androidenforschung, falls es das gab. Ich wusste nicht mehr viel.
Die Jahre auf dem Meer, die immergleiche Wiederholung desselben, hatten meine Erinnerungen getrübt, verblassen lassen; die virtuelle Realität neue, unechte Erfahrungen darüber gemalt, quietschbunt und dominant. Ich war verschmolzen in die Virtualität, in Räume von Imaginationen, Welten voller Geschichten; und die Frage war nicht, was davon real war, denn am Ende spielte sich die Wirklichkeit im Prozessor ab, in den Platinen oder dem Cholesterinball in unseren Schädeln.
»Komm, Schätzchen, Schlüpfer aus«, knarrte Dr. Tanner. »Jetzt guck nicht so, wir sind doch unter uns.«
Nach einer schmerzvollen Tastuntersuchung stellte Dr. Tanner das Ultraschallgerät an und fuhr damit über meinen Bauch.
»Tja, sieht so aus, als hättest du jede Menge Zysten gebildet. Zum Glück sind die fast immer harmlos. Zur Sicherheit nehme ich aber eine Probe.«
»Gut« murmelte ich, während ich die verwachsenen Gebilde meines Bauchs auf dem Schirm betrachtete.

Als ich mich wieder angezogen hatte, blickte Dr. Tanner mir in die Augen.
»Du musst mit den Hormonbehandlungen aufhören.«
»Ich habe sowieso drei Monate frei.«
»Nein. Ich meine ganz und sofort. Wie ich sehe, bist du schon sechs Jahre hier, also von Anfang an.«
»Ja, damit wir nicht aussterben.«
Eigentlich hatte ich nicht das Gefühl, damals eine Wahl gehabt zu haben, als unser Forschungsschiff evakuiert worden war.
»Das wird noch schlimmer, dein Körper muss sich regenerieren. Außerdem ist dein Blutdruck zu hoch. Du musst deine Entlassung beantragen.«
»Aber mir fehlen nicht mehr viele Coins, bis ich mir die Oceanlifeplattform kaufen kann. Nur noch ein paar Monate. Ich hab alle Module eigens zusammengestellt, sogar mit Sonnenblumen. Das geb ich jetzt bestimmt nicht auf!«
Dr. Tanner seufzte. Dann trat sie an mich heran und neigte den Kopf nach vorn.
Sie flüsterte: »Es gibt keine Inselplattformen mehr, das ist alles gelogen.«
Ich versuchte zu erfassen, was sie mir sagte, aber es war zu absurd. So, wie wenn einem die Nachricht überbracht wurde, dass ein geliebter Mensch verstorben war und man es nicht wahrhaben wollte.
»Ich verstehe nicht.«
»Die Babys werden an Marslife überstellt. Das Projekt mit den künstlichen Inseln wurde abgeblasen, Oceanlife ist Geschichte. Die Erde aufgegeben. Schluss, Ende und Finito.«
Ich verschränkte die Arme.
»Wenn das wahr ist – und ehrlich gesagt, glaube ich Ihnen kein Wort – , wohin soll ich bitteschön nach dem Projektende gehen?«
»Da kommen wir zum nächsten Punkt.« Ihr Blick flog durch den Raum, dann wandte sie sich mir wieder zu. »Sie werden dich beseitigen. Verpuffen.«
»Von wem reden Sie?«
»Von der Company. Esmond Oats. Da draußen ist immer noch Krieg. Du weißt zu viel, der Feind könnte deine Erinnerungen anzapfen, dich sabotieren und zu seinem Zweck nutzen. Deswegen werden alle verpufft, die von den Maternity-Schiffen kommen. So hat Oats es beschlossen.«
Ungläubig schüttelte ich den Kopf.
»Du ahnst nicht, was ich gesehen habe. Strahlenkranke wurden …« Dr. Tanner schloss die Augen und atmete einige Male ein und aus. »Ein Schiff … sie haben es einfach abgeschossen. Die Welt hat sich gewandelt. Knallhart: du oder ich.«
»Und was jetzt?«.
»Wir haben schon einige wie dich retten können. Der Trick besteht darin, dass wir deinen Chip tauschen, bevor sie es tun. Sie werden dir erzählen, dass du eine Updateeinheit erhältst und dir dann einen neuen mit Verpuffungsbefehl einbauen. Sobald du den Neuen hast, entferne ich ihn und setze den Alten mit den aktualisierten Daten ein. Nachdem du an der Verteilungsstation gescannt wurdest, wirst du nach Hawaii gebracht.«
»Wirklich? Hawaii? Ufer, festen Boden, Palmen, Sommer und all das? Ich dachte, es ist nicht mehr bewohnbar, das Wasser stand doch schon in den Straßen.«
»Ha! Von wegen. Vermutlich hat der nukleare Winter die Erderwärmung aufgehalten. Hawaii ist der einzig bewohnbare Ort, sehr niedrige Strahlung.«
»Wie weit weg ist es?«
»So 200 Kilometer.«
»200 Kilometer«, wiederholte ich und lächelte.
»Freu dich nicht zu früh. Wir haben kaum Zeit, und ich brauche Skinglue, damit der Schnitt unsichtbar wird, aber der ist schwer zu beschaffen. Das muss bis nächste Woche zum Kontrolltermin klappen, bevor Dr. Weiskopf zurückkommt. Ich kann dir also nichts versprechen. Tut mir leid, Schätzchen.«


✦110✦

»Mia, eingehender Oceanzoom-Videoanruf: Esmond Oats.«
Ich fuhr zusammen. Wieso sollte Oats mit mir sprechen wollen? Ich war doch nur eine Dienerin in seinem Bienenstock, völlig unbedeutend.
»Hallo Mia, bist du überrascht, von mir zu hören? Ich lasse es mir nicht nehmen, dir persönlich für deinen jahrelangen Einsatz bei Oceanlifes Maternity-Projekt zu danken. Ohne eure, nein deine Aufopferung … ach ich will nicht pathetisch sein. Wie geht es dir?«
»Ganz gut.«
»Sollte es auch. Denn du erlebst nicht das Ende der Menschheit, sondern den Anfang einer neuen und besseren Zukunft. Mit besseren Menschen. Erinnerst du dich noch an die Kryoniker, die Leute, die sich nach ihrem Tod haben einfrieren lassen?«
»Möglich …«
»Nach dem Vorfall hat niemand mehr den Flüssigstickstoff getauscht und das war’s dann. Falscher Ansatz, das habe ich immer gesagt. In jeder Talkshow hab ich es gepredigt! Aber sie wollten es besser wissen. Erinnerst du dich an die Diskussionen?«
»Ja«, log ich.
Ich hatte Oats stets für einen aufgeblasenen Fatzke gehalten und so gut es ging ignoriert.
»Aber das spielt keine Rolle mehr. HumAI ist die Zukunft, das Prinzip der gegenseitigen Kontrolle. Menschen und Maschinen ineinander verkeilt, potenzieren sich zu einer grenzenlosen Leistungsfähigkeit, ganz ohne Risiko. Mit seiner Hilfe haben wir den Mars in einem Tempo besiedeln können, das du dir nicht vorstellen kannst. Endlose Bodenschätze liegen uns zu Füßen. Der blaue Planet ist eine vertrocknete Pflaume dagegen. Aber das Beste kommt noch: Wenn alles optimiert ist, beginnen wir mit dem Aufspüren des Exoplaneten mit der perfekten Spektralklasse. Wir besorgen uns Planet B, die neue Erde.«
»Ja, in 100.000 Jahren.«
Esmond lachte.
»Du amüsierst mich. Ach, ich merke schon, ich rede wieder zu viel. Du hast dazu beigetragen, die Menschheit zu erhalten, dafür sollst du deine Belohnung bekommen.«
»Meine Oceanlifeplattform habe ich schon erstellt«, sagte ich kühl.
»Ah, sehr gut, ja, ja. Mach dir nur keine Sorgen um die Kosten, ok?«

Dr. Tanner hatte also Recht gehabt. Oats hatte nicht die Absicht, die Erde zu retten. Ich schlief nicht, die Gedanken rasten. Wut. Die ganze Zeit hatte er uns vorgegaukelt, mit Oceanlife gäbe es einen Weg, so etwas wie den Hauch einer Normalität zurückzuerlangen. Die Solaranlage, der Osmo 3.0, sogar die Sonnenblumen … alles gelogen.


✦111✦

Triumphierend hielt Dr. Tanner eine Tube in die Luft, die mich an die Holzleimtübchen zum Aufbau von Schubkästen erinnerte.
»Ich habe den Skinglue.«
 


Ich versuchte, entspannt und zuversichtlich zu wirken, aber innerlich tobte das Meer. An meine Reisetasche geklammert, betrachtete die Köpfe der vor mir stehenden Menschen. Alle neigten sich nach oben, als der Bildschirm aufleuchtete. Esmond Oats’ vier Meter großes Gesicht erschien.
»Willkommen in der Zukunft und gute Reise. Marslife erwartet sie.«
Was?
Soldaten stampften durch die Reihen und scannten die Oberarme. Bevor ich darüber nachdenken konnte, piepte das Kontrollsignal an meinem Arm.
»Inkompatibler Chipsatz!«
Rote Lichter leuchteten im Raum auf. Verdammte Scheiße! Die Anwesenden wichen zurück, die Soldaten drängten sich vor sie, als würden sie einen Sichtschutz bilden.
»Nein, wartet!«
Ich tappte zurück, blickte mich hilfesuchend um. Mein Blick blieb an einer Frau hängen. Die veränderte Frisur konnte mich nicht täuschen: Dr. Tanner.
»Sie, sie hat mir den Chip geklaut!«
»Sabotage. Risikostufe fünf. Verpuffen einleiten.«
Das letzte, was ich sah, war ein Zucken in Dr. Tanners Mundwinkeln. Dann wurde ich in ein Wurmloch gezogen, spürte nichts mehr, war nur noch Gedanken, reiner Geist.
Ein Lichtblitz.
»Baby 89 ist gesund, Herztöne normal, Zeit bis zur Geburt: Ein Tag«, hörte ich mich sagen. Die Stahlhand strich über die Fruchtwasserblase in meinem Bauch. Hinter der Scheibe stand Aiden, gebeugt über seine Petrischälchen.

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V.K.B.
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Das goldene Rampenlicht Das silberne Boot
Goldenes Licht Weltrettung in Silber


Beitrag01.04.2022 21:05

von V.K.B.
Antworten mit Zitat

Mein lieber unbekannter (???) Autor,

Kraft meines Amtes als Literaturgegenpapst aus dem Paralleluniversum jenseits des Schwarzen Lochs muss ich Ihnen mitteilen, dass die Einhaltung der Vorgaben in Ihrer Geschichte leider zu wünschen übrig lässt, was zu Punktabzug in meiner internen Wertung führt. Es gibt keinen wirklichen Grund, WARUM Ihre Geschichte auf dem Meer spielt, sie könnte genausogut auf einer Raumstation oder in einer Bunkeranlage in der Antarktis spielen und würde genauso funktionieren. Das Setting wurde also nur gewählt, weil es in den Vorgaben stand, aber nicht in die Geschichte eingeflochten. Von daher ist es für mich keine "auf dem Meer"-Geschichte.

Dies beiseite, kommen wir zur Geschichte selbst. Ich mochte sie. Am Anfang waren die Zahlen über den Kapiteln verwirrend, ich dachte zuerst, es ginge um verschiedene Erzähler mit unterschiedlichen Nummern. Diese sind aber aufsteigend (binär von 4 bis 7, dann unendlich) und erschließen sich mir immer noch nicht. Warum mit Kapitel 4 anfangen? Soll das lediglich andeuten, dass es eine Vorgeschichte gibt, also wir mitten in eine Handlung einsteigen?  Ich habe den Eindruck, da soll noch mehr dahinterstecken, was ich leider nicht entschlüsseln konnte. Wie auch das Unicode-Symbol im Titel. Ein Firmenlogo von Esmond Oats?

Ansonsten ist die Handlung gut verständlich. Mia nimmt als Eizellenspenderin an dem Projekt teil, um sich eine eigene Insel in einer postapokalyptischen Welt zu verdienen. Als sie medizinisch nicht mehr kann, erzählt Tanner ihr, sie würde als nutzlos beseitigt werden und gibt vor, sie retten zu können. Tatsächlich war aber ein Neuanfang auf dem Mars als Lohn für sie vorgesehen, was Tanner ihr mit dem Chip stiehlt, um ihre Identität anzunehmen und an ihrer Stelle den Ausweg zum Mars zu bekommen. Bitter.

Etwas unklar ist das Ende. Anscheinend wird Mia nach ihrer Ermordung ins KI-System aufgenommen, da sie sich im Körper des Androiden wahrnimmt, der ihr Baby austrägt. Vorher ist schon die Rede davon, die KI sei durch "Humanzugabe" erstellt worden. Unklar bleibt aber, warum man jemanden, den man als hohes Sicherheitsrisiko eingestuft und liquidiert hat, dann in seine System-KI aufnimmt. Wäre das nicht auch ein Sicherheitsrisiko? Oder wird die "Seele" von Erinnerungen und eigenen Antrieben befreit, wenn sie als Systemressource in den Hive ("Ich war doch nur eine Dienerin in seinem Bienenstock" als Foreshadowing / dramatic irony?) integriert wird, und eigentlich verbindet gar nichts mehr die KI mit der Person "Mia", wir bleiben nur in der Perspektive, um noch zu erfahren, dass Aiden tatsächlich der Vater zu sein scheint (wie Mia vorher angenommen hatte) und sich nach seinem Kind erkundigt?

Irgendwie habe ich den Eindruck, da ist noch mehr, was mir leider verborgen blieb. Auf jeden Fall aber eine gut geschriebene Geschichte, die ich gerne gelesen habe. Auf Grund des Einschubs mit der Kryostase vermute ich auch eine Autor dahinter (mir kam das wie eine absichtliche Cross-Referenz zu einer anderen Geschichte (noch unveröffentlichter Text für eine Ausschreibung) mit verwandtem Thema vor, wie es Stephen King in seinen Büchern auch gerne macht), aber das ist für die Wertung hier irrelevant. Falls ich recht habe, hat mir die Geschichte im letzten phantastisch-Wettbewerb aber ein bisschen besser gefallen. Ein Punktekandidat ist sie aber auf jeden Fall trotzdem.

Noch sind die Punkte allerdings in Superposition und werden erst verteilt worden sein, wenn ein Beobachter in diesen Spoiler schaut: 4 Punkte

Mit verdammenden Blicken,
Ihr unfreundlicher Literaturgegenpapst aus dem Paralleluniversum

Ein Geistfragment, ein inneres Bild. »Von wem?«, fragt der Richter. »Der Gewinner«, antworte ich. »Wer immer diesen Wettbeweb gewinnt, wird mich zur Goldmedaille dazubekommen.« Einen Moment sieht er mich zweifelnd an, dann nickt er. »Solange die Person nicht von Aphantasie betroffen ist, wird das klargehen.«

Hallo Leute, Veith hier. Ich weiß nicht genau, was da passiert ist, anscheinend wurde mein Konto gekapert, dabei war mein Passwort so sicher! Tut mir leid, wird nicht wieder passieren, ich habe es jetzt durch ein noch sichereres ersetzt. In der Zwischenzeit hat irgendeine seltsame Entität die Kommentare und Bewertungen für mich übernommen. Kommt wohl dabei raus, wenn hier so viele im Vorfeld mit Schwarzen Löchern rumgespielt haben. Weil ich zu faul war, selbst noch was zu schreiben, habe ich die gehackten Kommentare und Bepunktungen so stehenlassen – ich bin sicher, dieses Wesen hat bestimmt nichts böse gemeint und wollte nur spielen.


_________________
Hang the cosmic muse!

Oh changelings, thou art so very wrong. T’is not banality that brings us downe. It's fantasy that kills …
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Minerva
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Beitrag01.04.2022 22:45

von Minerva
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Ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll.

_________________
... will alles ganz genau wissen ...
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Gast







Beitrag02.04.2022 14:46

von Gast
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Eine klassische Dystopie. Nachdem die Erdoberfläche durch Nuklearverstrahlung unbewohnbar geworden ist, werden gebärfähige Frauen in "goldenen Käfigen" (abgeschlossenen komfortablen Schiffen) als Produzenten von Babies für eine "neue Welt" gehalten. Ihr Anreiz dazu, dabei mitzumachen, besteht in der Verlockung, nach Dienstableistung ein privilegiertes Leben in einer strahlenverschonten Plattform führen zu können. Eine dieser Frauen - Mia, die Protagonistin - erfährt, dass dieses Versprechen gelogen ist und die Frauen stattdessen eliminiert werden, sobald ihre Gebärfähigkeit hinreichend ausgenutzt ist.

Vorgabentreue: Grenzwertig, da dieses keine "phantastische" Geschichte im Sinne der Vorgaben ist. Ich zitiere von sleepless: "Unter "Phantastik" verstehen wir in diesem Wettbewerb das Schreiben über nur in der Vorstellung existierende Welten, über Nicht-Erklärbares in unserer realen Welt oder über mögliche zukünftige Entwicklungen, die (noch) nicht naturwissenschaftlich erklärt werden können."

Der Teil mit den "zukünftigen Entwicklungen" könnte hier herangezogen werden, aber damit wäre Science Fiction in jeder Form generell mit einbezogen.

Ausgestaltung: Eine Dystopie "von der Stange," oder, wie ich es immer gerne ausdrücke, eine Ausgabe aus dem Dystopierungsgenerierungsalgorithmus. Der entmenschlichte Mensch, der von einer anonymen Übermacht seiner Individualität beraubt, geknechtet und belogen wird. Ein paar Parameter hier und da ändern, und damit sind 98% aller Dystopien bereits geschrieben.

In diesen Dystopien gibt es genau zwei mögliche Enden: 1. Prota entkommt und weckt die Hoffnung auf einen kleinen Sieg gegen den Terror in irgendeiner Form, oder 2. das System gewinnt, und Prota verpufft. Eingabe in den Plotgenerator hier: 2.

Das Ganze ist aber wenigstens ganz ordentlich gemacht. Handwerklich ist nichts anzumäkeln, ein paar halbwegs originelle Ideen und Tupferle.

Wertung: Ganz knapp keine Punkte. Schade. Aber in Anbetracht der recht starken Konkurrenz zu erwarten...
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Beitrag02.04.2022 18:57

von Phenolphthalein
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Hallo Inkognito,

übel, das Ganze.
Eine fesselnde Geschichte, das muss ich zugeben.
Mir ging allerdings durch den Kopf, warum Mia der neuen Ärztin bedenkenlos glaubt (und woher sie das Wissen haben will bzw. hat).
Hier kann ich sagen: Schade, dass es ein Wortlimit gab. Smile

Sehr gerne gelesen. Vielen Dank.

Liebe Grüße,
Pheno

PS: Ich muss mit mir hadern, denn zwei Mal dieselbe Punktvergabe ist nicht erlaubt.
Edit: Ich habe mich gerade (19:32 uhr; 10.04.2022) noch einmal umentschieden, denn deine Geschichte halt länger in mir nach, sogar jetzt noch und das kann mein Bauch nicht unbeachtet lassen.


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Nichts ist leichter, als so zu schreiben, dass kein Mensch es versteht; wie hingegen nichts schwerer, als bedeutende Gedanken so auszudrücken, dass jeder sie verstehen muss.

-Arthur Schopenhauer
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Heidi
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Der goldene Durchblick


Beitrag02.04.2022 19:46

von Heidi
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Mia hat ihr Ziel fast erreicht, nur noch zwei Jahre muss sie als Spenderin ihre Eizellen abgeben, dann hat sie genug Coins beisammen und kann sich eine Oceanlife-Plattform kaufen, die sie eigens vorweg mit Sonnenblumen geplant hat. Da die Welt durch den Menschen zerstört wurde, ist das die einzige Möglichkeit, um irgendwann halbwegs normal zu leben.
Doch Mia hat Schmerzen im Unterleib und wird deshalb auch untersucht. Anstatt des Arztes, der normalerweise für sie zuständig ist, taucht aber eine mysteriöse Frau namens Dr. Tanner auf. Sie erzählt Mia, dass alles gelogen ist, es keine Oceanlife-Plattformen gibt und Mia kurz vor der Verpuffung - also Ermordung - steht, weil sie keinen Nutzen mehr für das Projekt bringt. Die einzige Rettung: Sie muss ihren Chip entfernen lassen, damit sie nicht zugeordnet werden kann. Sie vertraut Dr. Tanner und tut dies ohne Widerrede.
Als sie dann aber durch die Kontrolle geht, gibt es Alarm. Dr. Tanner ist auch zugegen und lächelt triumphierend. Mia wurde von ihr betrogen, ihres Chips beraubt und wird verpufft.

Das ist alles solide geschrieben und die Geschichte konnte mich bis zum Schluss fesseln. Der Spannungsbogen ist gut ausgearbeitet, damit meine ich etwa auch, dass ich weder den Oceanlife-Leuten noch Dr. Tanner getraut habe. Letztere ist eine zwielichtige Figur. Es ist ein innerer Kampf in mir entstanden: meint sie es gut? Meint sie es böse? Irgendwann überwog in mir das Gefühl, dass sie es doch gut meinen muss. Da hat der/die Autor:in mich ganz schön hinters Licht geführt.
Denn am Ende zeigt sich, dass Dr. Tanner etwas im Schilde führt und ich dachte nur: Oh, nein!

Allerdings kann ich mir nicht recht zusammenreimen, was genau nun mit Mia passiert ist, nachdem sie verpufft wurde, den ich dachte, dass das die Auslöschung bedeutet. Sie hat aber offensichtlich einen Babybauch, eine Stahlhand streicht darüber. Sollte es ihre sein, ist sie womöglich zu einer Androidin geworden? Das ist mir alles etwas schleierhaft am Ende.

Was mir an der Geschichte gut gefällt, ist die Komplexität des Zukunftszenarios. Es ist alles detailliert und stimmig ausgarbeitet. Zwar dachte ich zwischenzeitlich manchmal: Hm … das ist ja so was wie „Schöne Neue Welt 2.0“, aber das hat der Lesefreude nichts ausgemacht, weil doch Neues aufgegriffen wurde und die Diktatur andere Dimensionen angenommen hat. Ich konnte auch bis zum Ende hin gut mit der Hauptfigur mitfühlen.

Zu bemängeln habe ich, dass die Geschichte komprimiert wirkt, so als hätte sie weitaus mehr gewollt, als das, was möglich war. Es gibt all diese Details und Richtungen, die ich gerne näher betrachtet hätte. So wird die Komplexität, die mir im Grunde gefällt, zu einer Hürde. Ich denke, dass das Format Kurzgeschichte dazu nicht passt. Die Geschichte will zu viel, ich fühle mich erschlagen, als wäre das ein Roman, zusammengepresst auf zwei, drei Seiten. Dazu kommt noch das Ende, das ich mir nicht ganz zusammenreimen kann und die Tatsache, dass es eine Geschichte ist, die nicht wirklich neu ist. Davon abgesehen habe ich zu keiner Zeit das offene Meer und die fehlenden Ufer empfunden. Weder real noch metaphorisch.

Trotz allem ist dein Text unter meine zehn Favoriten gelandet und bekommt volle drei Punkte.

Zusätzlich möchte ich diesen tollen Satz hier würdigen:

Zitat:
Aus dem schwarzen Loch strömte klassische Musik.
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d.frank
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D
Beitrag02.04.2022 20:27

von d.frank
Antworten mit Zitat

Das hat Verve. Eine unterhaltsame Abrechnung mit dem Transhumanismus. Aber auch mehr? Das weiß ich noch nicht, Wird schwer, das zu bewerten

Gut geschrieben = gepunktet/5

Es ist jetzt nicht so, dass mich das inhaltlich oder literarisch vom Hocker reißt, aber ich habe es gern und einfach so weggelesen und das möchte ich gern honorieren, Punkt.


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Die Wahrheit ist keine Hure, die sich denen an den Hals wirft, welche ihrer nicht begehren: Vielmehr ist sie eine so spröde Schöne, daß selbst wer ihr alles opfert noch nicht ihrer Gunst gewiß sein darf.
*Arthur Schopenhauer
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hobbes
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Das goldene Aufbruchstück Das goldene Gleis
Der silberne Scheinwerfer Ei 4
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Beitrag02.04.2022 23:31

von hobbes
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Oh, wow. Das finde ich jetzt beeindruckend. Weil, das ist eine richtige Geschichte. Was sich jetzt blöd anhört, und da fällt mir ein, gab es nicht kürzlich die Frage, was überhaupt eine Geschichte ist und ausmacht? Ich weiß ja noch nicht mal genau, was ich damit meine. Irgendwas mit Hand und Fuß und ordentlichen Figuren oder so.
( Rolling Eyes ja, jetzt ist alles klar, nicht wahr?)

Was mich vielleicht besonders beeindruckt: mich interessiert das ja nie, dieses neueWelt/andereWelt/etc-Zeug, von daher muss schon einiges passieren, damit ich das trotzdem lese oder vielleicht eher: lesen will und das ist hier der Fall. Irgendwann am Anfang dachte ich zwar: Ach ja, Report der Magd, *gähn*, aber wenig später konnte ich mich schon selbst nicht mehr leiden ob meiner Überheblichkeit.

Das Ende verstehe ich übrigens nicht. Ist sie jetzt eine Maternity-Einheit geworden? Na ja, vielleicht verstehe ich es ja beim nächsten Lesen. Und wenn nicht, finde ich es auch nicht störend, es nicht zu verstehen.

***

Sieben Punkte für dich.


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Don't play what's there, play what's not there.
Miles Davis
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Reimeschreiberin
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Beitrag03.04.2022 16:47

von Reimeschreiberin
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Eine flüssig und spannend geschriebene Geschichte über eine Zukunft, die so hoffentlich nie eintreten wird. Durch die Ich-Perspektive wird man direkt hinein gesogen und am Ende mit einer düsteren Wendung überrascht. Tolle Geschichte, die auch noch sehr schön präsentiert wird.
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Abari
Geschlecht:männlichAlla breve

Alter: 43
Beiträge: 1838
Wohnort: ich-jetzt-hier
Der bronzene Durchblick


Beitrag04.04.2022 10:28

von Abari
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Der Einfachheit und Übersichtlichkeit halber schreibe ich zu Anfang eine Kürzestzusammenfassung, damit ich mich dann beim Bewerten besser orientieren kann:

Die Prota Mia wird erst als Eizellenspender auf einem "Rettungsschiff" ausgenutzt und dann, nachdem sie als "Material" unbrauchbar geworden ist, als Geistseele "verpufft" und in eine Gebärmaschine gesperrt.

Puh, ist das düster. Die dauerhafte Langeweile ist gut ins Wort genommen, trübe die Aussichten auf eine postnukleare Zukunft. Herrenrassengedanken kommen auf, Selektion usw., die ganze Klaviatur menschlicher Untiefen.


_________________
Das zeigt Dir lediglich meine persönliche, höchst subjektive Meinung.
Ich mache (mir) bewusst, damit ich bewusst machen kann.

LG
Abari
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Taranisa
Geschlecht:weiblichBücherwurm

Alter: 54
Beiträge: 3210
Wohnort: Frankenberg/Eder


Beitrag04.04.2022 13:47

von Taranisa
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Science Fiction ist weniger meins, auch wenn hier die bedrohte / zerstörte Natur durch den Menschen kurz thematisiert wird (Strahlung erhöht).

_________________
Henkersweib, Burgenwelt Verlag, ET 12/18
Die Ehre des Henkersweibs, Burgenwelt Verlag, ET 12/20
Spielweib, Burgenwelt Verlag, ET 12/21
Das Gegengift des Henkersweibs, Burgenwelt Verlag, ET 11/22
Der Stab der Seherin, Burgenwelt Verlag, Herbst 2024
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Globo85
Geschlecht:männlichKlammeraffe

Alter: 38
Beiträge: 742
Wohnort: Saarland
Das silberne Eis in der Waffel DSFo-Sponsor


Beitrag04.04.2022 16:05

von Globo85
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Sciencefiction Thriller mit Twistende.

Vorgaben:
Phantastik: Check. "Fern der letzten Ufer": Check. "Auf dem Meer": Check

Eindrücke:
Wow. Das gefällt mir richtig gut. Lässt sich hervorragend lesen, beim Lesen entstehen tolle Bilder, Kopfkino funktioniert also. Dazu diese Welt, die in so wenigen Wörter so ausgearbeitet wirkt, so plastisch. So als gäb es zu der Story auch nen ganzen Roman und weißt du was? Ich würde in den Roman sofort reinlesen wollen und wenn der ähnlich geschrieben wäre, würde ich den auch ganz lesen wollen. Wo es mir ein Tick zu "offen" interpretierbar ist: am Ende. Aber vielleicht tue ich dem Text auch unrecht und es sind alle Hinweise da und ich bin nur zu "blind" (nach den ganzen Texten im Wettbewerb verzeihe man es mir) ihn zu finden. Aber was ist die Auflösung? Die Protagonistin führt ein tristes eintöniges Leben an Bord eines Schiffs, gibt alle paar Wochen/Monate ihre Eizellen ab (die nicht strahlenbelastet sind), bekommt dafür Geld und will sich ne Plattform kaufen. Sie beobachtet, wie "Mutterroboter" die Eizellen, die von einem "Aiden" künstlich befruchtet wurden, austragen. Eine Doktorin will sie vor dem drohenden "Verpuffen" retten, indem sie ihren Chip austauscht und sie so für eine Reise auf den Mars registriert, denn die Erde soll aufgegeben werden. Aber die Doktorin hintergeht sie, nimmt "ihren" Platz ein? Bzw. gibt ihr halt den falschen Chip, der tatsächlich einen "Verpuffungsbefehl" enthält. Dann wird sie "verpufft" und damit zu einem Roboter, der Babys austragen muss. Aber wie das vonstatten geht, verstehe ich nicht? Wird nur ihr Bewusstsein übertragen? Sind die "Roboter" nur Hüllen und da stecken echt Mamis drin? Bin gespannt, ob/was du noch zum Text zu sagen hast, mir gefällt er jedenfalls super gut. Wegen der sehr starken Konkurrenz hat es leider nicht ganz nach oben gereicht, aber locker flockig in meine Top Ten.

Lieblingsstelle:
Zitat:
Ich grinste zurück und stellte mir vor, wie er heimlich seinen eigenen Samen in meine üppigen Eizellen injizierte und wir jedes Jahr zwanzig Babys machten.


Fazit:
Mein fünfter Platz. 6 Punkte.
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Jenni
Geschlecht:weiblichBücherwurm


Beiträge: 3310

Das goldene Aufbruchstück Die lange Johanne in Gold


Beitrag04.04.2022 20:09

von Jenni
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Eine schöne, runde und bis zum Schluss spannende Science Fiction Geschichte ist dir da gelungen. Ich weiß nicht ob plausibel, aber in sich stimmig ist diese Zukunftsvision. Und die Menschen bleiben eben die Menschen.

Was das Thema des Wettbewerbs anbelangt, so finde ich es dieser Geschichte ein bisschen willkürlich drauf gepackt. Klar, sie befinden sich auf dem Pazifik, aber die Maternity-Station könnte ebenso gut irgendwo anders sein, das macht für die Geschichte keinen wirklichen Unterschied.

Jedenfalls gerne gelesen, Punkte vergebe ich dann am Ende im Vergleich.

Und dann gibt es leider zu wenige Punkte für zu viele schöne Texte.
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Gast







Beitrag04.04.2022 21:46

von Gast
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Liebe/r Inko,

befremdend fällt mir ein, wenn ich deine tragische Geschichte mit einem Wort beschreiben müsste. Missbrauch, Täuschung, Manipulation, Verrat sind Themen in deinem Text, die eher meinen Unwillen auslösen, als dass sie mich für die Handlung begeistern. Dass du es schaffst, Emotionen hervorzurufen, bedeutet ein ganz klares Plus für deine Schreibskills, dass du dennoch nicht in meiner Top Ten landest, liegt lediglich an meinem persönlichen Lesegeschmack.

Liebe Grüße,
Katinka
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John McCrea
Geschlecht:männlichLeseratte

Alter: 50
Beiträge: 152
Wohnort: OWL


Beitrag05.04.2022 18:59

von John McCrea
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Das ist wirklich eine gute Phantastik-Kurzgeschichte und ein wirkungsvoller Text.
Es stimmt so vieles, die Handlung, die Idee zum Plot, die Sprache, die Auskleidung, das Timing.

Ohne zu viel verraten zu wollen, einer meiner Favoriten. Sehr stark.
Meine 12 Punkte gehen an Oternity.


_________________
Italian Leather Sofa
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Murnockerl
Geschlecht:weiblichEselsohr
M


Beiträge: 340



M
Beitrag05.04.2022 21:23

von Murnockerl
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Auch nach dem zweiten Lesen verstehe ich das Ende nicht. Ist sie irgendwie zu einer künstlichen Intelligenz geworden? Aber wie? Oder wurde sie getötet und fantasiert das in ihren letzten Momenten?

Abgesehen davon hat mir die Geschichte richtig gut gefallen. Ich weiß nicht genau, was es ist, aber ich mag die Atmosphäre und die Idee. Auch der Twist am Ende war für mich überraschend (den bösen Konzern, der Leute als Eizellenspenderinnen benutzt und danach eliminiert, hätte ich dir sofort geglaubt). Somit ist der Text unter meinen Favoriten.

Edit: 8 Punkte. Platz drei, da mir die Geschichte sehr zusagt. Das Thema ist erfüllt, ein kleiner Punkteabzug jedoch dafür, dass die Verortung auf dem Meer für die Handlung keine substanzielle Rolle spielt.
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tronde
Klammeraffe
T


Beiträge: 522

Das goldene Aufbruchstück Das silberne Niemandsland


T
Beitrag05.04.2022 21:27

von tronde
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Hallo!

Es waren durchweg gute Texte und aufgrund ihrer Verschiedenheit ist es mir sehr schwergefallen, sie gegeneinander abzustufen. Verschiedene Genres, verschiedene Ansätze von „Phantastik“, je nachdem, wo ich den Schwerpunkt hingelegt habe, war die Reihenfolge dann wieder eine andere.

Deiner hat es knapp nicht in die Punkte geschafft.

Gut und packend geschrieben, Idee gut. Die maschinelle Leihmutterschaft und Marsresien war mit nicht phantastisch genug, der Wurmlochsprung in eine der Leihmütter war zu aufgesetzt, nachdem es vorher sehr wissenschaftlich zuging. Zur Zeugenbeseitigung hätte es eine einfache Kugel ja auch getan.

Danke für den Text!
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holg
Geschlecht:männlichExposéadler

Moderator

Beiträge: 2396
Wohnort: knapp rechts von links
Bronzenes Licht Der bronzene Roboter


Beitrag06.04.2022 22:08

von holg
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Gute AI/Weltende S/F
Falsches Spiel im Zuchtprogramm. Arme Eizellspenderin wird mehrfach ausgenutzt.
Lässt an diesen bei guter Prämisse leider völlig misslungenen Film mit Obi Wan Kenobi und Bölack Widow denken, bietet aber ein feineres Ende. Oder  sind Elon Judy JEff doch die Guten?
Egal. Fühlte mich gut unterhalten.


_________________
Why so testerical?
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Constantine
Geschlecht:männlichBücherwurm


Beiträge: 3311

Goldener Sturmschaden Weltrettung in Bronze


Beitrag07.04.2022 13:08

von Constantine
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Bonjour OternInko

Die Ich-Perspektive überzeugt mich leider nicht. Die Story wird mir viel zu extern (z. B. zu viele externe Bescheibungen), viel zu distanziert erzählt und was das erzählende Ich erzählt, ist leider sehr viel Exposition. Ich fühle mich zugelabert und frage mich, wem das Ich das alles erzählt. Sorry.

Im Vergleich haben mich andere Beiträge mehr überzeugt. Es tut mir leid: zéro points.


Merci beaucoup
Constantine
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silke-k-weiler
Geschlecht:weiblichKlammeraffe

Alter: 49
Beiträge: 750

Das goldene Schiff Der goldene Eisbecher mit Sahne


Beitrag07.04.2022 15:50

von silke-k-weiler
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Autsch, gruselige Zukunftsvision, dass Frauen, die einer atomaren Katastrophe entgangen sind, als Eizellendauerspenderinnen auf einem Schiff "dienen". Die Anzucht und das "Ausbrüten" nehmen wiederum Androiden, die Maternity-Einheiten, wahr. Lohn für die Spenderinnen: eine nette künstliche Insel mit Sonnenblumen. Tatsächlich ist alles gelogen, die Erde im Arsch, der Mars das neue Ziel und die Spenderinnen werden am Schluss entsorgt. Die Rettung für unsere Heldin: neuer Chip, neues Glück, im Endeffekt führt das Ding sie aber wieder nur auf das Schiff zurück, in eine der Maternity-Einheiten. So habe ich es zumindest verstanden. Wie meinte Oats? "HumAI ist die Zukunft, ... Menschen und Maschinen ineinander verkeilt".

Das Setting hat mich nachhaltig beeindruckt, war spannend zu lesen, schöne Sache, die mir Punkte wert ist.
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anderswolf
Geschlecht:männlichReißwolf


Beiträge: 1069



Beitrag07.04.2022 16:59

von anderswolf
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Oh, postapokalyptisches Schiff, das ebenso gut auch kein Schiff sein könnte, weil es für die Geschichte letztlich auch keine Rolle spielt. Auch grundsätzlich in der Geschichte, denn das Inselprojekt wurde aufgegeben, die Erde sowieso, jetzt gibt es nur noch den Mars.

Das Schiff jedenfalls ist eine Kinderfabrik, was an sich logisch ist, weniger logisch ist die Art der Eizellen-Gewinnung (glaube ich), weil ja theoretisch auch eingefrorene Stammzellen zu Eizellen ... naja. Details, die ich auch nicht kenne.  Warum aber werden die Spenderinnen der Eizellen bei den Austragungsmaschinen gehalten? Warum werden die frisch geborenen Babys transportiert und nicht schon die tiefgefrorenen Eizellen? Vielleicht kenne ich mich zu wenig aus. Wahrscheinlich. Eigentlich wäre es wahrscheinlich am schlauesten, wenn die Befruchtung auf der Erde vornimmt und dann in einer Maternity-Einheit zum Mars fliegt. Die brauchen ja bestimmt ewig.

Andererseits, und da kommt zum SciFi noch das Phantastische dazu, werden überflüssige Menschen verpufft, ihre Bewusstseine lagern sich aber in den Kindern ab, die durch sie erzeugt wurden. Erinnert sich dann Mia als Baby 89 an ihre vorige Zeit? Wäre sinnvoll, weil sie dann nur noch lernen muss, wie sie den neuen Körper bedient, den ganzen anderen Rest wie lesen und schreiben etc. könnte sie ja dann aus ihrem Langzeitgedächtnisbewusstsein ... aber wie überträgt sich das wiederum?

Naja. Mia wird eh von ihrer erdüberdrüssigen Ersatzärztin übers Ohr gehauen und bekommt keine wundervolle Inselverrentung (auch nicht auf dem Mars), sondern muss nochmal durch die gesamte Kindheit, inklusive Pubertät. Und das auch noch auf dem Mars. Oder auch nicht.

Und welche Rolle spielt Aiden? Fragen über Fragen. Ist das ein Kommentar zur Ausnutzung von ukrainischen Leihmüttern, die jetzt im Krieg einfach vergessen werden?
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Michel
Geschlecht:männlichBücherwurm

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Beiträge: 3379
Wohnort: bei Freiburg
Das bronzene Bühnenlicht Das goldene Niemandsland
Der silberne Durchblick Der silberne Spiegel - Prosa
Silberne Neonzeit


Beitrag08.04.2022 10:34

von Michel
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Gebärschiff brütet Embryos für Reiche aus. Den Eispenderinnen wird vorgegaukelt, dass sie eine eigene schwimmende Insel bekämen, sobald sie genügend Credits erworben hätten. Dabei ist die reiche Menschheit längst extraterrestial ausgewandert. Oder hat die Gynäkologin, die sei befreien will, das alles erfunden, nur um selbst ein Ticket zum Mars zu bekommen? Die Ich-Erzählerin wird, so lese ich das, am Ende zum Austrage-Roboter. Oder so.
Gruselig. Aber rund und sicher erzählt. Eine der gelungenen Dystopien im Wettbewerb.


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