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Olga Kurylenko (geschrieben 2014)


 
 
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Tammuz
Geschlecht:männlichErklärbär
T


Beiträge: 1



T
Beitrag19.03.2022 21:27
Olga Kurylenko (geschrieben 2014)
von Tammuz
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Ich fahre zur Bank. Der Camaro summt so unternehmungslustig wie meine letzte Nutte, als sie ihre Gage zählte. Vorgestern war das. Ich guck nach ´ner Mieze auf dem Gehsteig: arschenges Leder, blasser Teint, Kirschmund. Neunzehn oder so. Vermutlich willig bis zum Anschlag. Auf einen Kaffee anquatschen? Nicht jetzt.
Ich betrete die Bank. Drinnen sehe ich dreizehn Männer und Frauen vor den Schaltern Schlange stehen. Gezählt habe ich sie nicht - sowas erkenne ich mit einem Lidschlag.
Ich stelle mich an. Vorne am Schalter gestikuliert ein japanischer Tourist. Ich seufze. Hoffentlich dauert das nicht ewig.
Denn so viel Zeit habe nicht einmal ich.
Dann kommt eine Frau herein: blonde Locken und griffige Formen unter Bluse und Jeans. Hübsches weiches Gesicht. Sympathisch. IQ um die 130. Sie stellt sich an die Nachbarreihe. 
Also vertreibe ich mir die Zeit damit, Blicke mit Blondlocke zu tauschen.
Gerade ist es wieder soweit, da klingelt mein Sonar. Ich spüre immer, wenn Trouble im Anmarsch ist. Drei Sekunden vorher - das ist die Norm. Ich drehe mich um. Drei Freaks poltern herein, grotesk maskiert, und fuchteln mit Knarren. Einer schreit:
"Alle auf den Boden legen! Nein, ihr Ärsche hinterm Schalter nicht, ihr bleibt stehen!"
Während er belfert, checke ich die IQs der Freaks. Ich sehe das an der Art ihrer Bewegungen. Ihr Boss liegt bei 98, die beiden anderen bei 94.
Simple Zeitgenossen.
Aber gefährlich.
Ich beschließe, erst einmal nichts zu tun. Einfach nur gucken, was abgeht. Zusammen mit den anderen Kunden lege ich mich auf den Bauch. Blondie neben mir sieht mich an. Sie wirkt erstaunlich gefasst.
Dann geht mein Sonar wieder los. Sekunden später beugt sich der Anführer über die Frau, packt sie an den Haaren und zieht sie unsanft hoch.
Aber sie schreit nicht. Fühlt sie keinen Schmerz?
Ich wundere mich auch über mein Sonar. Normalerweise schlägt es nur an, wenn ich selbst betroffen bin. Jetzt war die Frau der Auslöser.
"Wen haben wir denn da?", säuselt der Typ. "Charlize Therons kleine Schwester?"
Er wischt ihr das Haar aus dem Nacken, schiebt seine Maske bis zur Nase hinauf und schleimt mit der Zunge über das blasse Fleisch. Dann reißt er sie herum und stößt ihr die Faust in den Bauch.
Wieder seltsam: Sie bleibt aufrecht, röchelt nicht und schnappt nicht nach Luft.
Respekt.
Dann legt sie sich hin. 
Hannibal Lecter steht für einen Moment verdattert da.
"Mach endlich", ruft einer seiner Kollegen.
"Erst das Vergnügen, dann die Arbeit", bellt Hannibal zurück. "Meine Regel Nummer Eins."
Er stapft zu einem der Schalter. Die anderen Komiker haben sich verteilt - der eine richtet seine Puste auf die Liegenden, der andere baut sich an der Eingangstür auf.
"Warum schlagen Sie diese Frau?", ruft ein Mann, gut über sechzig, vom Boden aus. "Haben Sie kein Gewissen?"
Der Freak geht zu ihm rüber.
"Klar habe ich ein Gewissen. Und weißt du, was ich damit mache, wenn es mich nervt?"
Drei Herzschläge lang ist es still.
"Ich ficke es in den Arsch!"
Er hämmert dem Alten seinen Stiefel gegen den Kopf. Stöhnend hält der Mann seine Hände vors Gesicht. Durch die Finger rinnt Blut.
Am Schalter angekommen schreit der Schläger:
"Her mit den Scheinen! Und nicht zu knapp. Für jeden Tausender weniger als dreißigtausend knipse ich einen Kunden aus."
Er richtet die Knarre demonstrativ auf...
... mich.
Ich bleibe ruhig.
"Wir haben... eine Zeitsperre für so... hohe Beträge", stottert der Mann hinter dem Schalter. "Wenn Sie etwas Geduld hätten... "
Hannibal schlägt wütend gegen das Fenster.
"Wie du Kackstiefel dir denken kannst, habe ich die nicht! Nochmal das Märchen von der Zeitsperre, und der Kerl da geht in Rente."
Die Stahlmündung guckt mich an.
Ich gucke zurück - in die Augen des Freaks.
Ich sage:
"Hey du. Weißt du, was an dir das Beste ist?"
Langsam richte ich mich auf.
"Es ist das Braune, das als Soße an deiner Mutter herunterlief."
Hannibals Kanone zittert.
"Bleib liegen, du Wichsfleck!"
Ich stehe aufrecht und grinse.
"So hat mich seit zweitausend Jahren keiner mehr genannt. Wer war das damals noch mal? Ja, Publius Marcellus von der Achten Legion, der an meine Nutte wollte..."
"Jetzt mach schon mit der Kohle", ruft der Clown von der Tür. "Was soll das Gegackere?"
"Halt´s Maul, Dumpfbacke! Ich rede mit einem weltgewandten Herrn."
Hannibal fuchtelt mit der Knarre.
"Und was hast du mit ihm gemacht?"
"Das zeige ich dir später. Aber kennst du den? Kriegt ´ne Frau, die gerade mit ihrem Lover fickt, einen Anruf vom Ehemann. Weißt du, was sie sagt?"
"Nee, Dr. Strangelove. Was denn?"
"Sie sagt: Schatz, ich komme gleich."
"Ha ha." Er räuspert sich. "Jetzt leg dich wieder hin, sonst blase ich dir deine Klugscheißerfresse weg."
Bevor ich reagieren kann, gibt´s Geräusche an der Tür. Ein Kunde war eingetreten und hatte vom Türsteher eins auf den Schädell bekommen. Clown Zwo schleift sein Opfer zur Seite.
"Wann wächst der Schotter rüber?", schreit er. "Soll ich die Hereinkommenden vielleicht stapeln?"
"Ist ja gut."
Mein Sonar meldet sich wieder. El jefe funkelt mich aus Augenschlitzen an.
"Bei zwei liegst du, sonst ist Schluss mit blond und lustig."
Jetzt zeigt die Kanone auf die Blonde.
Einmal mehr war sie der Auslöser.
"Eins... "
"Mann, du kannst ja zählen."
Das Sonar schweigt. Die nächsten drei Sekunden bleiben also cool.
Für mich.
"Zw... "
Ich wechsele in den Kampfmodus.
Kinetische Akzeleration.
Faktor Zehn.
Wie im Anfängertraining.
Mit der Rechten ziehe ich so durch, dass Hannibals Kopf wie von einem Dampfhammer getroffen zurückklappt. Ich reiße die Waffe aus seiner Faust und schleudere sie in Richtung des Tür-Clowns. Freak Drei bei den Kunden hat gerade mit der Wimper gezuckt, da stehe ich schon vor ihm, packe seine Kanone und nagele sie mit dem Lauf voran in seinen halb geöffneten Mund.
Dann schalte ich runter.
Und sehe mich um.
Hannibal kippt wie ein nasser Sack nach hinten.
Genick gebrochen.
Der Türsteher sinkt zu Boden.
In einem Auge steckt der Pistolenlauf.
Clown Drei zuckt ein bisschen, dann fällt auch er.
Das letzte Mahl war ihm hart reingegangen.
Die Kunden regen sich ungläubig. Schnell beuge ich mich zu Blondie herab. Ich streichele ihre wunderschönen Locken.
"Heute Abend um sieben im Lincoln Park am See, da wo die Ruderboote liegen."
Dann bin ich auch schon weg.
Kein Bock auf Bullen.
Draußen atme ich tief durch. Verdammt, gerade hatte ich mich an meine Erscheinung gewöhnt. Jetzt würde ich mein Gesicht wieder modifizieren müssen. Wegen der Kameras in der Bank.
Aber egal.
Am Abend wartet Blondie auf einer der Bänke am Rudersee. Ich setze mich neben sie. Es ist windig. Auf dem See tanzen die Lichter der tiefstehenden Sonne.
"Ich freue mich, Sie wiederzusehen", sage ich.
"Kennen wir uns?"
"Ich bin der aus der Bank. Bitte entschuldigen Sie mein verändertes Aussehen."
Sie lächelt.
"Das sind Sie?"
"Aber klar. Alles echtes Fleisch, keine Maske, keine Tricks. Was halten Sie von dem neuen Modell?"
"Nun... es ist noch besser als das alte."
"Danke."
Ihre grünen Augen funkeln im Sonnenlicht. Was auch immer der Grund dafür sein mag, dass mein Sonar auf sie anschlug - ich habe Feuer gefangen.
"Wie haben Sie das in der Bank geschafft?", fragt sie. "Sind Sie ein Superagent, so wie Jason Bourne?"
Ich grinse.
"Als ich kürzlich auf ´ner Party zu Matt Damon sagte, dass sein Bourne gegen mich ´ne senile Tucke ist, war er richtig sauer."
"Matt Damon?"
"Na ja, er quatschte gerade mit Olga Kurylenko, Sie wissen schon. Er zog dann ab, so dass ich bei Olga freie Bahn hatte."
"Freie Bahn...?"
"Nur für eine Nacht. Dann musste sie wieder drehen, irgendwo in Mexiko."
"Irgendwo in...? Wer in Gottes Namen sind Sie?"
"Wo Sie gerade davon sprechen..." Ich hebe meinen Blick zum Himmel, dann lache ich.
"Nein, denken Sie nicht, dass ich an Gott glaube. Wie könnte ich auch? Als die Römer mich in Judäa kreuzigten, wo war er? Wo - bitte - war - er?"
Ich muss grinsen, als ich an die Show denke. All die Soldaten, das grölende Volk, die weinenden Frauen zu meinen Füßen... Schmerzen hatte ich natürlich nicht gefühlt.
"Es war nur ein Test, wissen Sie. Ein Rollenspiel. Ich machte einen auf jüdischer Wanderprediger, der seine Religion reformieren will, sammelte Anhänger um mich und klopfte am Fließband Sprüche wie..."
Ich springe auf und breite die Arme aus:
"Wer mein Fleisch isset und trinket mein Blut, der hat das ewige Leben, und ich werde ihn am Jüngsten Tage auferwecken."
"Oha... ", murmelt sie, aber ihre Augen funkeln.
"Der Mist steht heute im Johannes-Evangelium", sage ich. "Und was Maria Magdalena betrifft... "
Ich lasse den Satz im Wind hängen.
"Sprechen Sie unbefangen weiter."
"Sie fand als erste das offene Grab, nachdem ich auferstanden war. Weiblicher Instinkt, würde ich sagen. Immerhin hatten wir monatelang das Lager geteilt."
"Also doch... " Sie nickt warmherzig.
"Ja... " Ich sehe sie offen an. "Maria Magdalena war meine erste große Liebe. Olga die zweite. Leider allzu kurz. Nun sind Sie in mein Leben getreten, schöne Frau."
Blondie hat plötzlich einen merkwürdigen Blick.
"Wie heißen Sie eigentlich?", frage ich.
Da trifft mich ihre Kanonenkugel von Faust, dass ich über den Strand bis ins flache Wasser hinein segele...
Ich schüttele mein nasses Haar und richte mich auf. Warum hat das Sonar nicht funktioniert? Einige Spaziergänger starren erschreckt. Blondie auf der Bank sieht jetzt gar nicht mehr harmlos aus.
Sie hat die Haltung einer...
Ja, sie ist eine von denen.
Warum habe ich das so spät erkannt?
"Du hast es erst nach zweitausend Jahren erkannt, du Bastard", ruft sie. "Ich war Maria Magdalena. Du hattest mir ewige Treue geschworen. Dann warst du plötzlich weg... " Sie hebt ironisch die Stimme. "Auferstehung! Abflug ins Himmelreich! An die Seite des Vaters! Ha! Die anderen haben´s geglaubt und daraus eine Religion gemacht, ich aber wusste, dass dein Abflug nur im nächsten Puff endet!"
Ich stapfe aus dem Wasser und hebe einen Zeigefinger.
"Das ist nicht ganz korrekt. Ich reiste zu den Britanniern, um ihnen gegen die Römer beizustehen. Natürlich gab´s auch dort Bordelle, aber das war nicht... "
"Halt die Klappe!"
Ich setze mich wieder neben sie.
Sie ist also eine von denen. Sie hat mich täuschen können. Vor zweitausend Jahren als Maria Magdalena und jetzt als...
"Verdammt, wie ist dein Name heute?", frage ich.
Sie zuckt die Schultern. Dann deutet sie zum Himmel hinauf. Ich gucke hin und entdecke nichts Auffälliges. Als ich sie wieder ansehe, fällt mir fast die Kinnlade ab.
Neben mir sitzt Olga Kurylenko.
Ich schweige sie fassungslos an.
"Hi Darling", sagt sie endlich. "Ich bin zurück aus Mexiko."

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John McCrea
Geschlecht:männlichLeseratte

Alter: 50
Beiträge: 152
Wohnort: OWL


Beitrag20.03.2022 10:49

von John McCrea
Antworten mit Zitat

Hi Tammuz,

ich habe den Text komplett gelesen und sehe ihn als abgeschlossen in Form einer Kurzgeschichte an. Eine Fortsetzung würde mich eher enttäuschen.

Eigentlich ist das nicht mein Genre. Allerdings muss ich sagen, dass ich diese Geschichte sehr flüssig lesen konnte.
Ich erkenne die Abstraktions Fähigkeit an, welche Du als Autor hier zeigst, die Sprache, welche funktioniert. Auch die offenen Beschreibungen in der inhärenten Logik sind sehr gut dosiert, so dass das Lesen Spaß macht.

Was mich ein wenig stört, ist die Verbindung zu Schauspielern, Film und Boulevard Prominenten.
Die Frage stellt sich: "Würde sich ein zeitreisendes Super-Bewusstsein an Filmen orientieren?"

Danke für das Einstellen.


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