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Améliechen


 
 
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Hera Klit
Geschlecht:männlichEselsohr

Alter: 61
Beiträge: 446



Beitrag12.01.2022 18:51
Améliechen
von Hera Klit
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Améliechen

Klaus stand fassungslos vor seinem aufgebrochenen Spind. Wie hatte sie das nur geschafft?
Normalerweise war sie nicht zu den geringsten handwerklichen Tätigkeiten fähig.
Und jetzt das hier. Mit seinem Brecheisen hatte sie seinen Spind in seinem Hobbyzimmer aufgebrochen.
Das Vorhängeschloss war zu schwach gewesen. Hatte ihrer Neugier und ihrem Erkundungstrieb nicht standgehalten.
Einige seiner Sachen waren herausgerissen und lagen verstreut auf dem Boden herum.
Hoffentlich war nichts beschädigt. Klaus sammelte die Sachen ein und legte sie sorgfältig in seinen Koffer.

„Wieso tust du mir das an?“, hörte er sie drüben im Wohnzimmer brüllen.

Sie hatte ihn schon morgens auf der Arbeit angerufen und unter Drohungen aufgefordert auf der Stelle nach Hause zu kommen.
Wenn nicht, würde sie die ganze Nachbarschaft zusammentrommeln, damit die alle sähen, mit was für einem Perversen sie verheiratet war.

„Du bist doch krank, das ist doch offensichtlich.“, bellte sie weiter.
Ihre Stimme überschlug sich fast.
 „Schaff‘ nur alles fort, die Kinder sollen das nicht sehen.“

Der Laptop, mit dem Klaus so viele aufregende Begegnungen vor der Cam, in langen Nächten in seinem Hobbyzimmer gehabt hatte,
war Gott sei Dank vollkommen unversehrt. Klaus gab ihn zwischen die Sachen in den Koffer.

 „Da glaubt man, man kennt einen Menschen und dann stellt man fest, er ist nicht der, für den er sich ausgibt.
Ich werde die Scheidung einreichen und ich werde das Haus und die Kinder bekommen
und du wirst gar nichts mehr haben, dafür sorge ich du perverses, krankes Schwein.“

An ihrer Tonlage erkannte Klaus, dass sie bald wieder ihre Tabletten brauchen würde. Er fühlte sich jetzt etwas schuldig,
weil er sie in diesen Zustand versetzt hatte. Obwohl er sie ja nicht darum gebeten hatte, seinen Spind aufzubrechen
und in seinen Sachen zu schnüffeln. Das hatte sie sich jetzt schon selbst zuzuschreiben.
Immer wollte sie genau wissen, wen sie neben sich hätte, ständig fragte sie ihn,
was er denke und ob er sie noch liebe. All diese Frauenfragen. Ihm ging das schon lange auf den Geist.
Hatte sie sich jemals gefragt, ob er sich noch von ihr geliebt fühlte? Ob das für ihn noch das Leben war, das er sich wünschte?
Die Kinder, das Haus, die Hypotheken, der Hund der ständig Gassi gehen wollte und der beschissene Job, den er machte,
um die ganze Chose am Laufen zu halten. Ihr war doch egal, ob er auf seine Kosten kam. Funktionieren musste er,
wie ein aufgezogener Spielzeugroboter ohne Hirn und ohne seelisches Innenleben.

Klaus begann sich zurechtzumachen und seine tollsten Sachen anzuziehen.
Er prüfte sein Aussehen im Spiegel in der Spindinnentür genauestens.

„Wenn du rauskommst, haue ich dir die Pfanne über den Schädel.“, drohte sie.

Klaus wusste aus Erfahrung, dass sie zu hysterischen Gewaltausbrüchen neigte.
Das war ein Grund, warum er niemals den geringsten Versuch unternommen hatte mit ihr zu reden.

„Meine Mutter hatte mich ja gewarnt. So ein verweichlichter Kerl taugt nichts, hatte sie gesagt. Und jetzt behält sie verdammt noch mal wieder recht.“
Ihre Stimme wurde etwas nachdenklicher.

Aber das hatte nichts zu sagen, Stimmungsschwankungen waren bei ihr an der Tagesordnung.
Klaus musste sich fertigmachen, er wollte optimal, schön und wohlgefällig aussehen.

„Denk nicht, dass ich deiner Mutter nicht alles sagen werde.
Sie soll ruhig wissen, welches Subjekt sie gezeugt und aufgezogen hat.“, tönte sie vom Wohnzimmer aus, noch lauter werdend.
„Ich werde das nicht geheim halten, darauf kannst du Gift nehmen, nein alle werden es erfahren, das sage ich dir, du Scheusal.
Dein Chef schmeißt dich sofort raus, wenn ich ihm das stecke.
So einen Monteur braucht der sicher nicht. Eine Blamage. Was werden die Leute denken, ich begreif das nicht.“

Jetzt klingelte es an der Tür. Seine Frau verstummte abrupt und lief hin, um aufzumachen.

„Ist Améliechen da, ich möchte sie abholen.“, hörte Klaus jetzt eine sonore Männerstimme fragen.

Klaus trat hinaus aus seinem Hobbyzimmer in den Wohnungsflur und rief mit der femininsten Stimme die ihm im Augenblick zur Verfügung stand,
zu dem etwas antiquiert wirkenden älteren Herrn im Zweireiheranzug in der Wohnungstür,

 „Ja lieber Paul, ich komme schon.“

Seine Frau fuhr herum und sah Améliechens großen Auftritt.
Sie musste mit ansehen, wie Améliechen in ihrem tollsten Zofenoutfit und herrlich mondäner blonder Lockenperücke,
dem schwarzen Minikleidchen mit dem adretten weißen Kittelschürzchen, durch den Flur auf hohen Heels mit aufreizenden Schritten
herantrippelte und dem wartenden Herrn an der Tür direkt in die Arme fiel.
Die beiden küssten sich recht intensiv und dann hielt der Herr Améliechen den Arm hin, in den diese sich gekonnt einhakte.

„Ich bin überglücklich, dich endlich mit zu mir nehmen zu dürfen, mein liebes Amélieche.“ sagte der Alte
mit ehrlich bewegter Stimme und Améliechen antwortete, nicht weniger gerührt und aufgekratzt und mit neckischem Augenaufschlag,

„Liebster Paul, die Freude ist ganz auf meiner Seite, glaube es mir“.

Dann beobachtet die Ehefrau von Klaus noch fassungslos und ziemlich konsterniert,
wie das ungleiche Paar Arm in Arm durch den Hausflur schritt und durch die schwere Haustür ins Freie trat.

Der Hund wollte eigentlich Gassi gehen, aber er wurde in sein Körbchen geschickt
und musste noch Stunden darin ausharren, bis sich jemand erbarmte, mit ihm rauszugehen.

Hera Klit, Januar 2022

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percaperca
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Beiträge: 12
Wohnort: Weilheim


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Beitrag13.01.2022 12:17

von percaperca
Antworten mit Zitat

Liebe Hera,

dass ein Schwuler, Bisexueller oder Indifferenter seine von der Norm abweichenden Neigungen einem significant other vor und vor allem während der "Ehe" so verschleiern könnte, dass der bis zuletzt "ahnungslos" bliebe, ist ein zwar immer wieder gern gebrauchtes Sujet in allerlei Dramoletten, in der (heutigen) Wirklichkeit aber nur sehr schwer vorstellbar.

Texte wie dieser, die überhaupt nicht auf die Ausnahmesituation eingehen, in der sich "Andersgeartete" befinden, sondern deren Befindlichkeit als Vorlage für ein literarisches Lustspiel verbraucht, sind nicht mehr zeitgemäß, jedenfalls aber nicht mehr "lustig". Geschichten wie diese stehen auf dem gleichen Niveau wie die "Krüppelwitze", wo man sich ob der vermuteten Bresthaftigkeit der Protagonisten schadenfreudig auf die Schenkel klatscht.

Ich empfehle Dir, Dich ernsthafter damit zu befassen, was eine von der Norm abweichende, angeborene Neigung für Betroffene wirklich bedeuten kann -  darüber witzelt man besser nicht mehr.

lg

perca
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Hera Klit
Geschlecht:männlichEselsohr

Alter: 61
Beiträge: 446



Beitrag13.01.2022 13:24

von Hera Klit
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Lieber Percaperca,


ich habe aus eigener Betroffenheit geschrieben,
gerade deswegen weiß ich wovon ich schreibe.
Es ist auch nicht als Lustspiel gemeint,
eher als Trauerspiel.

Glaube mir, man kann es geheim halten, wenn
es sein muss ein Leben lang.


Liebe Grüße
Hera
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percaperca
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Beiträge: 12
Wohnort: Weilheim


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Beitrag14.01.2022 00:27

von percaperca
Antworten mit Zitat

Es zählt in der Literatur nicht, was die Autorin für ein Schicksal gehabt haben mag, sondern nur das, was sie dem Leser vorsetzt, liebe Hera.

Ich habe mich nicht über Dein persönliches Schicksal aufgehalten, sondern über den Text, den Du hier eingestellt hast. Und der liest sich nun mal nicht betroffenheitsliterarisch, sondern eher wie eine recht ausgeleierte Plotte aus dem vergangenen Jahrhundert.

Am besten gefällt mir das Wort "Spindinnentür". Ein herrliches Kompositum!

lg

perca
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Hera Klit
Geschlecht:männlichEselsohr

Alter: 61
Beiträge: 446



Beitrag14.01.2022 00:55

von Hera Klit
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Lieber Percaperca,

auch in diesem Jahrhundert werden Transsexuelle,
noch auf offener Straße verprügelt
und Ehefrauen sehen die Sache auch nicht
besonders locker. Das wollte ich rüberbringen.
Nur weil irgendwo Freigeister einen CSD abhalten,
hat sich in der breiten Bevölkerung auf dem
flachen Land noch gar nichts geändert.
Ich setze dem Leser Tatsachen aus dem Jahre 2022 vor.

Außerdem schöpfe ich natürlich aus meinem eigenen Schicksal,
wie gewöhnlich die meisten Schriftsteller.
Zu deiner Info: Ich lebe heute.

LG Hera
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percaperca
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Beiträge: 12
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Beitrag14.01.2022 01:30

von percaperca
Antworten mit Zitat

Wenn Du die Probleme, die Transsexuelle im "normalen" Leben haben, liebe Hera, literarisch verarbeiten möchtest, solltest Du einen anderen Ansatz wählen als den eines plumpen Kalauers.

Vor allem solltest Du auf dem Schirm behalten, dass in unseren Gesellschaften nicht nur transgeschlechtliche Menschen selbst, sondern auch ihre Partner leiden (falls sie denn welche haben sollten). Auch Du zeigst uns, dass Du für die Partnerin der Transe in Deiner Geschichte nicht das allergeringste Verständnis aufbringst. Sie ist offenbar weniger wert als der Hund, der am Ende Erbarmen findet.

Freundlich grüßend

percaperca
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percaperca
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Beiträge: 12
Wohnort: Weilheim


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Beitrag14.01.2022 01:30

von percaperca
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Hera Klit
Geschlecht:männlichEselsohr

Alter: 61
Beiträge: 446



Beitrag14.01.2022 01:36

von Hera Klit
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Ich denke das Leiden der Partnerin wird aus ihren
Aussagen mehr als deutlich.
Das ist doch nicht spaßig gemeint.
Natürlich ist die Frau keine aufgeklärte
Intellektuelle und die gibt es noch.

Wenn ich die Szene für das Theater
inszenieren dürfte, wünschte
ich mir, die Frau solle wie Medea
die ganze Bude zusammenschreien.

LG Hera
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Levo
Klammeraffe
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Beiträge: 870



L
Beitrag14.01.2022 09:13

von Levo
Antworten mit Zitat

Ich hatte nicht den Eindruck, dass dieser Text lustig sein sollte, ganz im Gegenteil. Er zeigt schreckliche Gefühle in einer geradezu nackten, grellen Art (wie in einem ungesunden Scheinwerferlicht, das Theaterschminke in all der Unechtigkeit entlarvt); da ist der Wandel von Klaus zu Amelie oder auch die rohe Reaktion der Frau von mir nicht parodistisch aufgefasst worden. Ich denke, so eine schmerzhafte Situation ist für die Hauptbeteiligten nichts, wo nuanciert reagiert werden muss. Auch in der Darstellung nicht.
Vielleicht ist die - ich nenne es mal so - "Rettung" aus der akuten und chronischen Situation durch Paul etwas, das von Klaus im Wandel zu Amelie schon etwas früher durchschimmern könnte. Angedeutet wird ja, dass Klaus ein Netzwerk hatte, in dem er nicht als Klaus unterwegs war. Nur dass er so schnell (?) eine Flucht aus dem alten Leben organisiert hat, das hat mich etwas irritiert.
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Hera Klit
Geschlecht:männlichEselsohr

Alter: 61
Beiträge: 446



Beitrag14.01.2022 09:22

von Hera Klit
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Hallo lieber Levo,


vielen Dank für deinen Kommentar.

Ich hoffte es würde klar werden, dass Klaus sich regelmäßig
und schon länger, mit Paul vor der Cam traf und
zwar als Ameliechen.

So fand ich es jetzt nur natürlich,
dass Amelieche Paul anrief, um ihn um Hilfe zu bitten.

Liebe Grüße
Hera
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