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Schwarze Löcher mit Sahne,Sardinen und das Nichts


 
 
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Anka
Gänsefüßchen
A


Beiträge: 15
Wohnort: 74081 Heilbronn


A
Beitrag12.02.2024 19:39
Schwarze Löcher mit Sahne,Sardinen und das Nichts
von Anka
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Schwarze Löcher mit Sahne, Sardinen und das Nichts.

 

Machen Sie sich beim Lesen dieser Geschichte keine falschen Hoffnungen. Die Worte, die Sie jetzt lesen, existieren nicht. Es sind schwarze Löcher im Universum ihrer Gedanken. Zauberei und Hirngespinste in einer nicht existierenden, unbeweisbaren, surrealen Welt. Nur Blitze. Elektrische Ladungen im Zwischenraum ihrer Synapsen und sonst nichts.

So jedenfalls wäre es mir an jenem Tag am liebsten gewesen. Doch dieser schwarze Freitag war real und nicht so unwirklich wie meine Sardinen, die weiß der Teufel, warum auch immer, an diesem Tag nicht geliefert wurden. Vielleicht vergaß ich, sie auch zu bestellen. So genau wusste ich das nicht mehr.

»Wie? Sie haben die Sardinen nicht?«, fragte mich mein Kunde und buschige Augenbraue zogen sich über seiner Nasenwurzel zusammen, wie dunkle Wolken eines bevorstehenden Gewitters.

Mist, dachte ich. Wenn der Kerl sich bei meinem Marktleiter beschwert, bekomme ich meinen Arbeitsvertrag nicht und bin den Job als Fischverkäufer wieder los, den ich unbedingt brauchte. Und das, ausgerechnet mickrige drei Tage vor dem Ende meiner regulären Probezeit.

»Die Sardinen wurden nicht geliefert. Da kann ich leider auch nichts machen«, sagte ich kleinlaut und senkte schuldbewusst meinen Blick.

»Aber ich habe die Sardinen doch bei Ihnen bestellt. Wissen Sie das nicht mehr?«

»Doch schon, aber es wurden keine geliefert. Da bin ich völlig machtlos«, versuchte ich mich schüchtern zu verteidigen.

»Ist Ihnen schon aufgefallen, dass immer nichts da ist, wenn ich komme!«

Mein Blick wanderte in der Dreimeter langen Theke entlang, die überquoll mit Meerestieren und Delikatessen aus allen Weltmeeren. Nur diese dämlichen Sardinen fehlten.

»Wollen Sie nicht etwas anderes haben? Sardellen vielleicht, oder Alice? Aquarell habe ich auch. Dies wäre immerhin doch besser als nichts und ich könnte Ihnen am Preis etwas nachlassen.«

»Ich glaube, Sie verstehen mich nicht, junger Mann! Ich will nur meine Sardinen, die ich bei Ihnen bestellt habe und sonst nichts anderes!«

»Vielleicht ist Sturm auf der Nordsee. Da kann kein Fischkutter auf das Meer hinausfahren und es kann nichts gefangen werden«, versuchte ich zu beruhigen und bemerkte, dass die Luft für mich immer dünner wurde.

»Reden Sie keinen Blödsinn!«, bellte er. »Demnächst wollen Sie mir weiß machen, dass es überhaupt keine Sardinen mehr gibt.«

»Das kann schon sein, bei der Überfischung, der Meere, wird's auch bald keine mehr geben.«

»Oder, womöglich waren noch nie welche da!«, geiferte er kopfschüttelnd über die Theke.

»Schon möglich«, flüsterte ich ihm zu, so, dass er es gerade noch hören konnte.

»Sie! Verarschen Sie mich nicht!«, wetterte er los und drohte mir mit seinem Zeigefinger.

»Jetzt bleiben Sie bitte ruhig. Ich veralbere Sie nicht. Aber betrachten Sie das Problem doch einmal rein philosophisch.«

»Was haben meine Sardinen mit Ihrer Philosophie zu tun?«

»Na ja, wenn Sie die Sardinen nicht sehen können, woher wissen Sie eigentlich, dass es diese Tiergattung überhaupt gibt?«, fragte ich ihn und wischte mit meinem feuchten Tuch, in vorgetäuschter Geschäftigkeit, über die Metallablage meiner Theke.

»Ich habe sie doch bei Ihnen bestellt. Oder etwa nicht?« Und auf seiner dunkelroten Stirn formte sich eine gefährlich aussehende dicke Ader.

»Ja, das haben Sie«, bestätigte ich ihm rasch, um ihn zu beschwichtigend.

»Na also. Was soll dann der Blödsinn mit der Philosophie?«

»Sehen Sie. Bestellen können Sie bei mir alles“, erklärte ich breitspurig und fügte hinzu: „Auch Dinge, die es überhaupt nicht gibt. Oder Dinge, die Sie nicht denken können. Schwarze Löcher oder so etwas Ähnliches.«

Er kratzte sich hinter dem Ohr und atmete dabei schwer aus. Seine Denkmaschine bekam ungewohnte Nahrung und nahm Fahrt auf. Schob sich aber noch schwerfällig über die Gleise.

»Sie wollen mir damit sagen, dass meine Sardinen nicht existent sind, nur weil ich diese nicht sehen kann?«

»Genau. Die Leere beweist das nicht Seiende, sonst wären die Sardinen in der Theke anwesend und real.«

»Sehen Sie diesen Ring, junger Mann?« Und dabei hob er seine rechte Hand. »Dieser Ring beweist, dass ich verheiratet bin. Oder etwa nicht?«

»Im Volksglauben und im ersten Augenblick des Gewahrens schon«, konterte ich geschickt, »aber weil Ihre Frau oder Ihr männlicher Ehepartner nicht anwesend ist, ist Ihr goldener Ring nichts weiter als ein unbedeutender Ring an Ihrem Finger und kein Beweis für die Existenz eines Ehepartners.«

Er lächelte. Endlich. Gott sei Dank, dachte ich. Ein Kunde, der lächelt, beschwert sich wenigstens nicht über mich. Ich hatte endlich einen Draht zu diesem Grizzly gefunden, der vor meiner Theke stand und schöpfte wieder etwas Hoffnung.

»Sieh mal einer an«, sagte er und seine Körperhaltung verlor diese aggressive Spannung. Er fixierte mich einige Atemzüge lang neugierig. Dann legte er seinen Kopf etwas schräg auf seine Schulter und meinte: »Sie wollen mir also das Nichts erklären? Das Gegenteil des Seienden anhand eines Kilogramms Sardinen? Oder beabsichtigen Sie nicht doch noch zuzugeben, dass, das Nichts auf einer gewissen Weißen existiert oder dem nicht Seienden doch irgendwie ein Seiendes zukommt?«

Mit diesen Worten schleuderte er mich auf ein, sich schnell drehendes Gedankenkarussell und mir wurde schwindelig.

 Was sage ich jetzt nur? Wenn ich nichts sage, stehe ich da, wie ein Idiot und wenn ich etwas Falsches von mir gebe, würde mein Gegenüber mir mit größtem Vergnügen eine geistige Ohrfeige verpassen.

»Also gut, ich bleibe dabei, dass das Nichts nicht existiert«, behauptete ich trotzig, wie ein Panzer.

»Nun, junger Mann, wenn das Nichts nicht existent ist, ist es unmöglich, irgendetwas zu verneinen. Nicht einmal ein abwesendes Kilogramm Sardinen. Finden Sie nicht auch?«

Seine Denkmaschine war jetzt voll in Fahrt. Sie ignorierte meine falsch gestellte Weiche und mit voller Wucht durchbrach seine Intelligenz meine notdürftig aufgestellte Schranke.

»Nun ... also … äh«, stotterte ich verlegen und mein Selbstwertgefühl schlich sich leise in meine Theke zu den toten ausgenommenen Fischen und vergrub sich dort unter eine dicke Eisschicht.

»Lassen Sie mal gut sein, junger Mann«, sagte er ruhig lächelnd und überging mit einer lässig wedelnden Handbewegung meinen Erklärungsnotstand.

»Ich finde es bemerkenswert, wie Sie versucht haben, sich aus der Affäre zu ziehen. Bestellen Sie mir auf nächste Woche noch einmal ein Kilogramm von den nicht existierenden Sardinen und dazu für zehn Euro ein Stückchen schwarzes Loch mit etwas Sahne. Rufen Sie mich bitte an, falls die Ware nicht lieferbar sein sollte«, und dabei legte er mir seine Visitenkarte auf die Glasscheibe meiner Theke und verabschiedete sich freundlich Kopf nickend, mit einem breiten Grinsen.

Ich linste verstohlen auf die Karte und lass, Peter Forster. Prof … Dr. der Philosophie.

Zuerst wurde mir heiß. Dann bekam ich eine Gänsehaut und mit offenem Mund starrte ich in den Rücken des Mannes, der im Begriff war unseren Fischmarkt zu verlassen.

Und als ob er meinen Blick im Nacken gespürt hätte, drehte er sich noch einmal zu mir um und rief lächelnd: »Sie hatten recht, junger Mann. Der Ring beweist nichts. Ich bin nicht verheiratet. Er ist lediglich ein Erbstück.«

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Bananenfischin
Geschlecht:weiblichShow-don't-Tellefant

Moderatorin

Beiträge: 5339
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Silberne Harfe



Beitrag12.02.2024 20:52

von Bananenfischin
Antworten mit Zitat

Vom roten Teppich in den Einstand verschoben.
Herzlich willkommen, Anka. Deine ersten beiden Werke musst du im "Einstand" posten (es sei denn, du postest Fortsetzungen aus einem Werk, die dann bitte alle in einen Thread), danach stehen dir die "Werkstatt" und das "Feedback" offen.


_________________
Schriftstellerin, Lektorin, Hundebespaßerin – gern auch in umgekehrter Reihenfolge

Aktuelles Buch: Geliebte Orlando. Virginia Woolf und Vita Sackville-West: Eine Leidenschaft

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HansGlogger
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H
Beitrag12.02.2024 21:08

von HansGlogger
Antworten mit Zitat

Flott erzählt. Gelegentlich kommt der Eindruck auf, die Handlung sei nur Transportmittel für die Philosophie und keinen eigenen Wert hätte.

BTW:
Das Nicht entsteht nicht durch die Verneinung, sondern die Verneinung gründet sich auf das Nicht, das dem Nichten des Nichts entspringt. Das Nichts selber nichtet.
(Nicht von mir)


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Wenn keiner nein sagt, sagt doch nein.
Wenn alle zweifeln, wagt zu glauben.
Wenn alle mittun, steht allein.
Lothar Zenetti, Was keiner wagt
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Arminius
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Beiträge: 1226
Wohnort: An der Elbe


Beitrag12.02.2024 22:05

von Arminius
Antworten mit Zitat

Welch ein kurzweiliger Einstand - trotz philosophischen Tiefganges!
Hier und da wäre noch ein Tipp- oder Zeichensetzungsfehler auszubessern, aber sonst: Daumen hoch
Auch die optische Präsentation trägt zu meinem Urteil bei: gern gelesen!
Gruß
Arminius


_________________
A mind is like a parachute. It doesn´t work if it is not open (Frank Zappa)
There is more stupidity than hydrogen in the universe, and it has a longer shelf life (Frank Zappa)
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Anka
Gänsefüßchen
A


Beiträge: 15
Wohnort: 74081 Heilbronn


A
Beitrag12.02.2024 23:30

von Anka
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Hallo Arminius Danke. Ich dachte, hau raus. Das Leben ist zu kurz, um zu warten.
Danke Hans. Ich habe gelesen, dass jede Geschichte eine Botschaft enthalten sollte. Im Schreibkurs haben sie mich gefragt, warum schreibst du das eigentlich? Das hat gesessen. Findest du, den Konflikt zu lasch?
Hallo Bananenfischin. Dich hätte ich gerne in der Fischtheke auf Eis gehabt. Nein, aber im Ernst, ich muss mich noch akklimatisieren.

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