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Warum lesen (und schreiben) wir Fiktion

 
 
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Jenni
Geschlecht:weiblichBücherwurm


Beiträge: 3310

Das goldene Aufbruchstück Die lange Johanne in Gold


Beitrag17.10.2023 12:33
Warum lesen (und schreiben) wir Fiktion
von Jenni
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Jemand von euch schon etwas von Jennifer Lynn Barnes gelesen? Sie schreibt sehr unterhaltsame Jugendbücher mit verstrickten Plots voller Rätsel und Falltüren. Ihr Bestseller ist „The Inheritance Games“, über ein Teenager-Mädchen, dass von einem Fremden einen Riesenhaufen Geld erbt, an einige Bedingungen geknüpft natürlich, woraus sich eine Familiengeschichte aus Lügen, Schuld und … Spieltrieb entspannt.
Außer unterhaltsam finde ich ihre Bücher aus Autorensicht lehrsam was Backstory und Plotentwicklung anbelangt.

Das Interessante an Mrs. Barnes ist, dass sie eigentlich Wissenschaftlerin ist (bzw. war, jetzt schreibt sie Vollzeit Bücher), und darüber geforscht hat, weshalb Menschen Fiktion (ebenso gern oder lieber als reale Geschichten) lesen und welche Faktoren fiktive Geschichten attraktiv für Lesys machen. All diese Theorien hat sie in „The Inheritance Games“ angewendet und quasi anekdotisch bewiesen, indem es ein Bestseller wurde.
Was sie darüber in Interwies und Podcasts erzählt, ist - ebenfalls sowohl unterhaltsam als auch lehrreich. smile
Z.B. hier: https://adamgrant.net/podcasts/rethinking/ (Folge 11, Psychology of Fiction)

Nur so als Empfehlung. Wenn ihr dazu Gedanken habt natürlich gerne auch als Diskussionsgrundlage.
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Günter Wendt
Geschlecht:männlichExposéadler


Beiträge: 2865



Beitrag17.10.2023 12:49

von Günter Wendt
Antworten mit Zitat

Erstmal, danke für den Hinweis.
Gibt’s das auch auf Deutsch?

Mein Gedanke zu deiner Frage ist aus meiner Sicht die, dass ganz allgemein Fiktionen lesen „Flucht aus der Realität“ bedeutet.
Ein Psychologe kann das sicher besser erklären. Wenn jemand sagt „Weil ich es mag in fremde Köpfe und Welten abzutauchen“, oder „Weil ich unterhalten werden möchte“, ist das nmM nichts anderes als „Die Flucht in eine andere Welt“. Warum auch immer. Die einzelnen subjektiven und individuellen Gründe sind ganz sicher genauso verschieden wie es Menschen gibt.
Das hat jetzt nichts damit zu tun welchen Autoren und welche Autorin mit welchem Text etc. ich gerne lese, oder welches Genre, Gattung.
Abtauchen, Flucht = Entspannung, Unterhaltung
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Globo85
Geschlecht:männlichKlammeraffe

Alter: 38
Beiträge: 743
Wohnort: Saarland
Das silberne Eis in der Waffel DSFo-Sponsor


Beitrag17.10.2023 13:13

von Globo85
Antworten mit Zitat

In der Tat ein sehr interessantes Interview, vielen Dank.

Zitat:
Gibt’s das auch auf Deutsch?

Es gibt auf der verlinkten Seite einen Link zum Transskript des Podcasts. Das könntest du einfach in einen Onlineübersetzer reinkopieren (z.B. DeepL), dann kannst du das Interview auf Deutsch lesen.

Eine deutsche Audioübersetzung gibt es vermutlich nicht, aber ich habe auch nicht gesucht.
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Jenni
Geschlecht:weiblichBücherwurm


Beiträge: 3310

Das goldene Aufbruchstück Die lange Johanne in Gold


Beitrag17.10.2023 16:03

von Jenni
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Günter Wendt hat Folgendes geschrieben:

Mein Gedanke zu deiner Frage ist aus meiner Sicht die, dass ganz allgemein Fiktionen lesen „Flucht aus der Realität“ bedeutet.
Ein Psychologe kann das sicher besser erklären. Wenn jemand sagt „Weil ich es mag in fremde Köpfe und Welten abzutauchen“, oder „Weil ich unterhalten werden möchte“, ist das nmM nichts anderes als „Die Flucht in eine andere Welt“. Warum auch immer. Die einzelnen subjektiven und individuellen Gründe sind ganz sicher genauso verschieden wie es Menschen gibt.
Das hat jetzt nichts damit zu tun welchen Autoren und welche Autorin mit welchem Text etc. ich gerne lese, oder welches Genre, Gattung.
Abtauchen, Flucht = Entspannung, Unterhaltung

Das mag ein Aspekt sein. Was Barnes im Hinblick darauf bemerkenswertes sagt: Kleinkinder bevorzugen, anders als man erwarten würde, reale Geschichten gegenüber fiktiven, während Erwachsene tendenziell lieber über etwas lesen, das von ihrer bekannten Realität abweiche.
Ich denke auch, das hat viel mit der Suche nach neuen Erfahrungen und dem Unbekannten zu tun und wie du sagst mit Eskapismus. Vielleicht aber auch damit, etwas außerhalb des eigenen Erfahrungshintergrunds erleben und verstehen zu wollen.

Andere Theorien und Apekte, die sie in dem Interview anspricht (ohne Anspruch auf Vollständigkeit):
- Gossip: Menschen lieben Tratsch über andere (sie geht auch kurz auf den evolutionären Hintergrund im Sinne des Lerneffekts ein), und offenbar (laut ihren Studien) unabhängig davon, ob dieser Tratsch sich um reale oder fiktive Menschen handelt. Auf diese Theorie stützt sich die Grundidee oben genannten Romans: Was müsste einem Teenager passieren, damit die ganze Welt darüber tratscht. Als weiteres Beispiel dafür nennt sie Gossip Girl (was nebenbei bemerkt ebenso wie die Netflixserie Bridgerton auf den Bridgerton-Romanen beruht, beide Serien sind sehenswert).
- Fandom: Lesys* lieben es, Geschichten selbst mit- bzw. weiter zu schreiben, im Extrem bei Fanfiction zu sehen, aber auch einfach beim Lesen im Kopf, was den Konsum weniger passiv macht. Beispiel das Mitraten beim Krimi (und wie bereits erwähnt sind ihre Romane voller Rätsel) oder auch, wenn die Handlung unterbrochen erzählt wird, also Platz für Interpretation zwischen dem Erzählten bleibt.
- Die Figuren sollten Lesy* erlauben sich zu identifizieren, aber gleichzeitig so großartig wie nur möglich sein. (À la ‚Das könnte ich sein, und das könnte ich auch erreichen.‘)
- Lesys* wollen das lesen, was sie schon kennen und lieben. Originalität sei in diesem Zusammenhang überbewertet. Darüber kann man sich natürlich streiten, aber was mir als Idee gefällt: Sie führt eine Liste mit Dingen (Orten, Personen, Tätigkeiten …), die sie persönlich liebt, und versucht so viel wie möglich davon in ihre Geschichten zu packen. Ich glaube, unterbewusst neigt man dazu eh, aber ich erwäge so eine Liste auch zu starten.

*Anmerkung: Ich schreibe jetzt hier immer von Lesy und denke an Bücher, Barnes aber spricht über Fiktion allgemeiner und schließt allen Medienkonsum ein.


Deine Frage zur deutschen Sprachversion hat Globo schon genau so beantwortet, wie ich das jetzt auch getan hätte. smile
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Günter Wendt
Geschlecht:männlichExposéadler


Beiträge: 2865



Beitrag17.10.2023 16:46

von Günter Wendt
Antworten mit Zitat

Jenni hat Folgendes geschrieben:

Deine Frage zur deutschen Sprachversion hat Globo schon genau so beantwortet, wie ich das jetzt auch getan hätte. smile


Ja danke. Über Chrome „Seite übersetzen“ ist es kinderleicht.

Alltagsenglisch ist beim mir nicht das Problem. Eher „Fachenglisch“. Man will ja alles verstehen.
Wink

Ich muss mir alles erst durch den Kopf gehen lassen, bevor ich hier ein druckreifes Statement abgebe.

Beim Querlesen ist mir der „Klatschknopf“ besonders aufgefallen. Familienserien sind ja wie Klatsch und Tratsch an der Tür mit Nachbarn. „Haben Sie das gehört? Die junge Tochter vom Dingsda und so ein alter Mann! Der ist ja 40 Jahre älter! Naja … Hauptsache er hat Geld. Blablablabla tratschen…“ Wink
Die deutsche Serie „Lindenstraße“ (und ähnliche) waren typische Klatsch und Tratschthemen. Fiktiv und nahe an der Realität.
Manche englische Krimiserien sind auch so gestrickt. Barnaby …

Wie gesagt. Ich muss mir das komplett durchlesen, reflektieren und dann gebe ich meine Meinung zu dem Podcast ab. Okay?
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Taranisa
Geschlecht:weiblichBücherwurm

Alter: 54
Beiträge: 3220
Wohnort: Frankenberg/Eder


Beitrag18.10.2023 13:26

von Taranisa
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"Barnaby" sehe ich auch sehr gerne. Warum? Entspannt mitraten, wer von den teilweise skurrilen Figuren es war, ganz ohne nervige Verfolgung per Auto, ohne erhobenen Zeigefinger oder psychisch angeknackster Ermittler.
Ich möchte als Leserin in eine andere Welt eintauchen, mit dem Wissen, dass die Hauptfiguren (meistens) die Guten sind und die Geschichte (meistens) mit dem Sieg des Guten endet. Gut recherchierte, historische Romane bringen mir den Mehrwert, dass ich in meine Lieblings-Epoche eintauchen kann und nebenbei Geschichtliches lerne - oder genervt aufseufze, wenn die Recherche nur darin besteht, was noch an Irrtümern existiert. Das geschilderte Leben ist nicht unbedingt leichter, aber einfacher gestrickt. Die Menschen leben, bezogen auf Histo und Fantasy, mehr mit der Natur, wovon sich heute Lebende etwas abschauen können.


_________________
Henkersweib, Burgenwelt Verlag, ET 12/18
Die Ehre des Henkersweibs, Burgenwelt Verlag, ET 12/20
Spielweib, Burgenwelt Verlag, ET 12/21
Das Gegengift des Henkersweibs, Burgenwelt Verlag, ET 11/22
Der Stab der Seherin, Burgenwelt Verlag, Herbst 2024
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Remington No. 1
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Beiträge: 53



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Beitrag18.10.2023 14:15

von Remington No. 1
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Hallo!

Ein sehr interessantes Thema habt ihr hier aufgetan.
Voller philosophischer (Un-)Tiefen, ...  Wink

Wobei ich allerdings dahin tendiere, dass es hierbei weniger um das Ein- und Abtauchen in fremde, fantastische Welten geht, Immersion also, sondern eher darum, die Konflikte unserer wirklichen, aktuellen Welt zu spiegeln, gespiegelt zu erleben und damit übersichtlicher oder überhaupt erst greifbar zu kriegen. Wobei, oft ist es ja ein 'zerr-spiegeln'.

Fantasten sind dabei oft die größten Realisten. Im Lesen wie im Schreiben. Und oft erleben wir ja, dass phantastische Stoffe viel mit politischen, sozialen Problemen ihrer Entstehungszeit zu tun haben, ... mal mehr, mal weniger direkt. Darin dürfte der ganz besondere Reiz bestehen.

Also nein, ich würde eher behaupten, dass wir es hier NICHT mit Immersion, wenn nicht gar Eskapismus zu tun haben, sondern mit meist gewürzter Gegenwartsanalyse, die durch die Fiktion anfänglich gemilderte Übertragung erfährt, sich dann aber bei nochmaliger Auseinandersetzung damit umso scharfkantiger herauskristallisiert.

Dass in der Fiktion die Welten oft 'simpler gestrickt sind' wurde ja schon erwähnt. Ich würde das so lesen, dass sie damit übersichtlicher gestaltet sind für das Aushandeln bestimmter Probleme, Konflikte oder Herausforderungen.
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Gast







Beitrag18.10.2023 20:19

von Gast
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Hallo,

Der Mensch hat eine Seele, einen Körper und einen Erzähler. Olga Tokarczuk

Das Zitat und überhaupt das Beste, was ich je zum Thema Psychologie des (fiktionalen) Lesens und Schreibens gelesen habe, stammt aus dem Essay- und Redenband Übungen im Fremdsein der polnischen Nobelpreisträgerin.

Wärmste Empfehlung!

LG
DLurie
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Jenni
Geschlecht:weiblichBücherwurm


Beiträge: 3310

Das goldene Aufbruchstück Die lange Johanne in Gold


Beitrag18.10.2023 20:27

von Jenni
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Taranisa hat Folgendes geschrieben:
Ich möchte als Leserin in eine andere Welt eintauchen, mit dem Wissen, dass die Hauptfiguren (meistens) die Guten sind und die Geschichte (meistens) mit dem Sieg des Guten endet. Gut recherchierte, historische Romane bringen mir den Mehrwert, dass ich in meine Lieblings-Epoche eintauchen kann und nebenbei Geschichtliches lerne - oder genervt aufseufze, wenn die Recherche nur darin besteht, was noch an Irrtümern existiert.

Mit letzterem kann ich auch mitgehen, das Eintauchen in die Geschichte (Historik). Ich hätte keine Vorstellung vom dritten Reich ohne „Als Hitler das rosa Kaninchen stahl“ - oder auch, andererseits, „Das Tagebuch der Anne Frank“. Und jetzt verstehe ich auf einmal besser, warum es gleich ist, ob reale Menschen oder Fiktion hinter der fremden Erfahrung stehen, so lange es authentisch und nachfühlbar geschrieben ist.
Ist ein Aspekt vielleicht auch, Erfahrungen (gedanklich) zu machen, und daraus zu lernen, die man nicht wirklich machen kann oder möchte?

Remington No. 1 hat Folgendes geschrieben:

Also nein, ich würde eher behaupten, dass wir es hier NICHT mit Immersion, wenn nicht gar Eskapismus zu tun haben, sondern mit meist gewürzter Gegenwartsanalyse, die durch die Fiktion anfänglich gemilderte Übertragung erfährt, sich dann aber bei nochmaliger Auseinandersetzung damit umso scharfkantiger herauskristallisiert.

Dass in der Fiktion die Welten oft 'simpler gestrickt sind' wurde ja schon erwähnt. Ich würde das so lesen, dass sie damit übersichtlicher gestaltet sind für das Aushandeln bestimmter Probleme, Konflikte oder Herausforderungen.

Also meinst du, es geht um die Abstraktion der Wirklichkeit? Das finde ich auch einen interessanten Gedanken. Zumal ich Abstraktion und Symbolik viel abgewinnen kann.
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Jenni
Geschlecht:weiblichBücherwurm


Beiträge: 3310

Das goldene Aufbruchstück Die lange Johanne in Gold


Beitrag18.10.2023 20:30

von Jenni
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Zitat:

Der Mensch hat eine Seele, einen Körper und einen Erzähler. Olga Tokarczuk

love

Überhaupt eine kluge Frau. Ich habe von ihr „Unrast“ gelesen, staunend und vergnügt - ebenfalls sehr zu empfehlen!
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Remington No. 1
Geschlecht:männlichWortedrechsler
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Alter: 43
Beiträge: 53



R
Beitrag19.10.2023 07:06

von Remington No. 1
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Jenni hat Folgendes geschrieben:
Also meinst du, es geht um die Abstraktion der Wirklichkeit? Das finde ich auch einen interessanten Gedanken. Zumal ich Abstraktion und Symbolik viel abgewinnen kann.


Eine vielversprechende Frage, die wohl am besten mit Ja UND Nein beantworten werden kann. Alles andere wäre auch langweilig.

Ja, es geht immer um Abstraktion, beispielsweise von Situationen, Figuren, Hintergrundgeschichten und Erfahrungen. Ihr wisst ja alle, was Hemingway über Eisberge gesagt hat, ... Wink Und daraus ergibt sich wohl fast schon zwangsläufig die Verwendung von Symbolen und Mythen.

Und Nein, es geht oft nicht um bewusste Abstraktion, sondern darum, dass viel von der Wirklichkeit unbewusst mit in den Text einfließt. Persönliche Erfahrungen. Kollektive gesellschaftliche Erfahrungen. Auch gedankliche Erfahrungen, "die man nicht wirklich machen kann oder möchte" sind denkbar, weil die wiederum Verweise auf bestimmte Sorgen und Ängste sein können.

Weil ihr angefangen habt, Zitate mit einzubringen, habe ich mich auch auf die Suche begeben, ... Und ich hab da was von George Friedman und Edgar Morin gefunden! Das waren zwei französische Soziologen. Die haben das Fiktionale als "eine Art Mikrokosmos" beschrieben, "durch den hindurch sich das Bild einer Zivilisation – wenn auch in deformierter, stilisierter und geordneter Form – erkennen lässt, eben jener Zivilisation, aus der es hervorgegangen ist". Ihre Überlegungen wurden zwar am Kinofilm entwickelt, aber ich denke, sie gestalten sich für unsere Diskussion passabel bis formidabel.
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Gast







Beitrag19.10.2023 10:18

von Gast
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Hallo,

das passt vielleicht auch ganz gut hierher:

Die Freud’sche Dreifaltigkeit wäre schleunigst zu korrigieren (…) damit sich dem Ich, dem Es und dem Über-Ich der Erzähler hinzugesellen kann – ein Kraft, die die Grenzen des Ich überwindet und dessen Trias in Austausch treten lässt mit der Welt. Vielleicht ist der Erzähler der kommunikative, sozial orientierte Teil unserer Psyche, ohne den es nicht möglich wäre, eine Gemeinschaft aufzubauen.
(…)
Der Erzähler ist so etwas wie ein Reptilienhirn in uns, eine alte Struktur, der Evolution unverzichtbar, denn ihr ist es zu verdanken, dass die Welt erzählbar und damit begreifbar wurde – vor allem aber: veränderbar.     


Zitiert aus Zur Psychologie des Erzählens Olga Tokarczuk (Lodzer Vorleseungen)

LG
DLurie
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V.K.B.
Geschlecht:männlich[Error C7: not in list]

Alter: 51
Beiträge: 6154
Wohnort: Nullraum
Das goldene Rampenlicht Das silberne Boot
Goldenes Licht Weltrettung in Silber


Beitrag21.10.2023 00:06

von V.K.B.
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Jenni hat Folgendes geschrieben:
Deine Frage zur deutschen Sprachversion hat Globo schon genau so beantwortet, wie ich das jetzt auch getan hätte.
Globo? Globo war mal wieder hier??? Oh ja, tatsächlich! *riesenfreu*

Und um was zum Thema beizutragen: Ich denke, "Kontrolle" ist auch ein wichtiger Aspekt. Sowohl auf Lesy- wie auch auf Schreibyseite. Die Welt ist kompliziert und Realität nie komplett greifbar, und schon gar nicht komplett zu überschauen. Da könnte man verrückt werden, wenn man das versucht. Geschichten sind dann komplementäre Welten, sie konzentrieren sich auf das wichtigste, den berühmten "single incident" in Kurzgeschichten zum Beispiel, oder auch in Romanen – da geht es um den Plot, was die Protas erleben, und man kann einem roten Faden durchgängig folgen. Da ist nicht nebenbei die Tante noch dement geworden und man muss sich um einen Pflegeheimplatz und Finanzierung kümmern, da geht nicht mal eben nebenbei sinnlos noch die Heizung kaputt oder der Hund hat Masern oder was es sonst noch so alles an "Störungen" gibt. Fiktionale Geschichten sind gefiltert, noise-frei sozusagen (oder wir befinden uns in experimenteller Literatur, aber ich rede jetzt mal von Mainstream). Eine Geschichte zeigt eine Welt, die man im Gegensatz zu seiner eigenen komplett überschauen kann. Und damit das Gefühl von Kontrolle und Ordnung, das im Chaos der Realität oft fehlt.
Auf Autorseite noch viel stärker, da bin ich nicht mehr subatomarer Partikel eines blassen blauen Punkts im realen Universum, sondern Gott einer Welt oder eines eigenen Universums, habe die absolute Kontrolle über alles.

Eskapismus also ja, aber nicht Flucht vor der Realität, sondern in eine modellhafte Phantasmagorie einer solchen, deren Tricks und Falltüren ich im Gegensatz zum Original irgendwann alle kennen und überschauen – und damit kontrollieren – kann.


_________________
Hang the cosmic muse!

Oh changelings, thou art so very wrong. T’is not banality that brings us downe. It's fantasy that kills …
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Constantine
Geschlecht:männlichBücherwurm


Beiträge: 3311

Goldener Sturmschaden Weltrettung in Bronze


Beitrag23.10.2023 22:51

von Constantine
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Liebe Jenni

vielen Dank für diesen tollen Podcast und das interessante Thema Fiktion lesen und/oder schreiben.

Ich kann mir sehr gut vorstellen, dadurch, dass wir bereits sehr früh im Kindesalter mit Geschichten in Berührung kommen, sei es mit den Gute-Nacht-Geschichten, sei es über das Fernsehen, sei es über Anekdoten, die wir hören, sei es über eigene Tagträume, oder während der Schulzeit das Lernen von Lesen, das Lesen von Geschichten, das Schreiben von Geschichten im Unterricht und der Beginn des Lesens von Büchern, dass damit bei einigen nicht nur das Lesen, sondern auch das Schreiben von Geschichten beginnt und mit dem Fragenstellen, dem "Spiel" mit Situationen und Charakteren in eigenen Geschichten, und der Suche nach Antworten einhergeht.

Ich fand den Machiavelli-Gedanken zwischen Autor und Leser interessant (Bei Laufzeit ca. 36. Min ff.): Die Autorin bzw. der der Autor versteht die Bedürfnisse der Leser an Geschichten und verfasst ein Geschenk, die Geschichte ist ein Geschenk an Lesende, die Autorin bzw. der Autor versucht eine der tollsten Leseerfahrungen für den Leser zu erschaffen, in dem sich der Leser in der Geschichte verliert oder zum Nachdenken gebracht wird.

Sehr gerne angehört. Tolles Thema. Danke.

LG Constantine
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Alacala
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Beiträge: 35
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A
Beitrag25.10.2023 07:38

von Alacala
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Das ist eine wirklich spannende Frage.

Bei mir verhält es sich so: ich kann nur über Dinge schreiben, die nicht wirklich so passiert sind. Sobald, es schon geschehen ist und nicht fiktionalisiert wurde, bin ich gehemmt.
Meine Mutter litt unter der umgekehrt Schreibhemmung: sie recherchiert, sie befragte Zeugen, bis sie sicher war, dass die lebenden Grundlage für ihre Figuren so gedacht, in der Reihenfolge gehandelt hatten.
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hobbes
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Beitrag10.12.2023 17:56
Re: Warum lesen (und schreiben) wir Fiktion
von hobbes
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Jenni hat Folgendes geschrieben:

Jemand von euch schon etwas von Jennifer Lynn Barnes gelesen?

Ja, ich. Gestern habe ich den ersten Band der Inheritance Games gelesen, tatsächlich nur deshalb, weil du hier davon geschrieben hattest (und das Buch in der Onleihe jetzt endlich frei geworden ist). Ohne die Erwähnung hier hätte ich es als "interessiert mich nicht" aussortiert.

Aber es geschehen doch noch überraschende Dinge und zwar die, dass uns endlich doch mal das gleiche Buch gefällt. Ich habe mir direkt den zweiten Band vorgemerkt smile

Vielleicht liegt das daran, dass ziemlich viel drin ist im Buch, es also vielerlei Leser anspricht. Diese Rätselsache geht völlig an mir vorbei, ich bin total motivationslos, selbst miträtseln zu wollen. Auch die Antwort auf die generelle Frage "Warum hat er ausgerechnet ihr alles vererbt" interessiert mich eigentlich gar nicht so sehr. Irgendeinen Grund wird er schon gehabt haben.
Mich interessieren ja immer die Figuren und da frage ich mich gerade, warum ich es so gern gelesen habe, denn Avery ist erstens gar nicht unbedingt jemand, mit dem ich mich identifizieren könnte oder wollte. Noch dazu finde ich, man erfährt eigentlich ziemlich wenig über sie.
Es müssen also die Jungs sein Laughing Das ist natürlich eine prima Idee, gleich vier davon aufzufahren. Quasi für jeden was dabei Laughing
Wobei, wenn ich so darüber nachdenke, finde ich den Leibwächter fast am spannendsten. Keine Ahnung, warum, über den erfährt man ja auch fast nichts.
Eigentlich spricht alles dagegen, dass ich das Buch mag. Figuren eher nebensächlich und/oder nur für die Handlung da. Ich mag es aber trotzdem.

Jetzt höre ich mir vielleicht doch mal den Podcast an Laughing


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Jenni
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Beiträge: 3310

Das goldene Aufbruchstück Die lange Johanne in Gold


Beitrag10.12.2023 21:32
Re: Warum lesen (und schreiben) wir Fiktion
von Jenni
pdf-Datei Antworten mit Zitat

hobbes hat Folgendes geschrieben:
Eigentlich spricht alles dagegen, dass ich das Buch mag. Figuren eher nebensächlich und/oder nur für die Handlung da. Ich mag es aber trotzdem.

Jetzt höre ich mir vielleicht doch mal den Podcast an Laughing

Laughing Ja, das mach mal, vielleicht geht dir ja dann auf, warum. Würde mich jetzt auch interessieren.
Jedenfalls wirst du in den Folgebänden mehr über "die Jungs" erfahren, über die Familie und die Hintergründe. Das fand ich wie erwähnt ganz lehrreich, wie viel Backstory sie der Sache mitgibt und wie sie die einwebt, dass es interessant bleibt.

Allen anderen, die sich hier noch zu Wort gemeldet haben: Danke euch, ich finde das alles sehr interessante Gedanken zum Thema.
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hobbes
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Beiträge: 4297

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Beitrag20.12.2023 19:09
Re: Warum lesen (und schreiben) wir Fiktion
von hobbes
Antworten mit Zitat

Jenni hat Folgendes geschrieben:
Laughing Ja, das mach mal, vielleicht geht dir ja dann auf, warum. Würde mich jetzt auch interessieren.
Jedenfalls wirst du in den Folgebänden mehr über "die Jungs" erfahren, über die Familie und die Hintergründe. Das fand ich wie erwähnt ganz lehrreich, wie viel Backstory sie der Sache mitgibt und wie sie die einwebt, dass es interessant bleibt.

Habe ich immer noch nicht gemacht (den Podcast gehört), dafür habe ich gerade Band II zu Ende gelesen und eine vage Idee, warum ich weiterlese. Vielleicht liegt es daran, dass sie (die Autorin) einem einfach keine Möglichkeit gibt, auszusteigen. Es gibt nie eine Pause, andauernd passiert was anderes, man kommt nie dazu, sich auszuruhen. Was jetzt vielleicht meinem "Handlung interessiert mich nicht" widerspricht, denn in dem Moment will ich natürlich doch wissen, warum X in den Geheimgang gezogen wird oder was an diesem Gartenzwerg so überaus wichtig sein soll. Handlung im kleinen, quasi.
Handlung im Großen: ich bin völlig lost und habe mittlerweile jeglichen Überblick darüber verloren, wer mit wem verwandt ist oder, ach nein, jetzt doch nicht. Ist ja aber auch egal.
Die Jungs sind mir dieses Mal anfangs dann doch ziemlich auf die Nerven gegangen, ich dachte alle zwei Seiten augenverdrehend "wie viel Superheld denn noch?" Und gab es nicht auch eine Regel, dass Figuren irgendeine klitzekleine Schwäche haben sollten?
Nach der Hälfte wurde es besser. Vielleicht habe ich mich einfach daran gewöhnt. Oder ich lese neuerdings gern Superheldengeschichten.


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