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Küchengeflüster


 
 
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Heribert
Geschlecht:männlichEselsohr

Alter: 51
Beiträge: 229
Wohnort: Landshut


Beitrag21.09.2021 20:24
Küchengeflüster
von Heribert
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Bei Börmel kochen ist interessant. Einmal die Woche bei Börmel und  mit Börmel kochen tut gut, weil Börmel gut kocht, weil Börmel gut findet wie ich koche und weil wir immer ein Thema finden, über das wir reden können und wenn uns, Börmel und mir, mal nix einfällt, keine Sache, über die wir sprechen können, dann sprechen wir einfach über das Gericht, das wir gerade zubereiten, aber weil wir meistens einen Punkt finden, über den wir labern können – meistens finden wir das Thema schon, bevor wir die Küche überhaupt aufgesperrt haben –  müssen wir, Börmel und ich, uns überhaupt keine Sorgen machen, einmal kein Thema zu finden; im Gegenteil: oft haben wir derartig viel Gesprächsstoff, wie das unter alten Freunden ebenso ist, dass wir aufpassen müssen, nicht zu sehr von Themen abzuweichen oder das Essen zu überwürzen.

Letztes Mal machten wir Linsen süßsauer und unterhalten haben wir uns über die Sache, ob deutsches Essen nicht völlig unterbewertet sei und kamen zu dem Schluss: ja, die deutsche Küche ist völlig unterbewertet, die italienische völlig überbewertet und die griechische Küche ist einfach scheiße … Das Mal davor schmorten wir Sauerbraten und unterhielten uns darüber, ob Börmel ein Nazi wäre oder ob er kein Nazi wäre und Börmel sagte, er wäre kein Nazi, weil es keine Nazis mehr gäbe, denn der Nationalsozialismus war ein Kind seiner Zeit und wäre ohne die Rahmenbedingungen,  das heißt den Versailler Vertrag und den Antisemitismus des neunzehnten Jahrhunderts,  sowie dem Totalversagen der Weimarer Republik,  überhaupt nicht mehr möglich. Ich, sagte Börmel über sich, bin lediglich ein Verfechter einer neuen Rechten, aber das würde ich, damit meinte er mich, nicht verstehen, weil ich auf dem Gebiet der Historie eine Null sei und ich die falschen Sender einschalten würde, um mich zu informieren; die falschen Radio-, aber auch die verkehrten Fernsehsender …

Ein anderes Mal machten wir gekochten Schafskopf und unterhielten uns darüber, ob die Frau heute, insbesondere die deutsche Frau heute, noch mit den Frauen unserer Kindheit zu vergleichen sei, oder ob den Frauen die Weiblichkeit nicht irgendwie abhandengekommen …

— Gut, ich gebe es zu. Das Ganze war keine Diskussion, keine Meinungsverschiedenheit … Nein, wir waren uns in jedem Punkt verdammt nochmal einig!
„Sieh sie dir an!“, sagte Börmel und zeigte mit dem Kochlöffel aus dem Fenster.
„Ich sehe sie täglich!“, plärrte er und dann ist ihm der elektrische Pfefferstreuer mit Licht in die Soße gefallen …
„Scheiße, die Taschenlampe!“, hat er gerufen - und wirklich – bei einem Stromausfall neulich, für den für ihn natürlich nur die Grünen, die verfluchten Kommunisten und die verdammten Nazis (die von früher) verantwortlich waren, musste er, weil nix anderes zur Hand, mit der krümelnden Pfeffermühle durch die Wohnung laufen, um mit jenem schwachen Licht, das so eine elektrische Pfeffermühle macht, die Kerzen im Schrank zu finden. Sein Hund übrigens, Kurt, soll daraufhin eine völlige Meise bekommen haben …

Na jedenfalls fischten wir die Pfefferlampe aus der Tunke und Börmel, der ja beruflich Fremdenführer ist,  sagte, dass er nur noch überall diese verkorksten Alternativ-Tanten sehe …

Ich sagte ihm daraufhin, dass er ein scheiß Rechter wäre, leider aber recht hätte; ich stimmte ihm zu, dass es mittlerweile unerträglich wäre, Frauen mit graubraunen Wanderschuhen, roter Windjacke, heruntergekommenen Jeans mit ausgebeulten Knien, liederlichen Haaren, verkehrten Brillengestellen und scheiß bunten Rucksäcken auf ihren haltungsgeschädigten Rücken begegnen zu müssen.

Börmel, der gerne historische Sendungen, also Dokumentationen, im Fernseher anschaut, berichtete von einer deutsch/französischen Koproduktion über eine ägyptische Grabkammer oder so, und diese Sendung sei unter anderem von zwei Historikerinnen präsentiert oder moderiert worden …

Auf der einen Seite soll die französische Historikerin zum Interview gesessen haben, ein zartes Persönchen mit insektenhafter Durchsichtigkeit, schimmernd, in einem feinen Kleid aus Seide oder sowas, und unter ihren kleinen, leicht spitzen Ohren schwebten tropfenförmige Perlenohrringe und so weiter, und auf der anderen Seite war da die Deutsche …

Da war ein ohnehin schon schlampiger Haarschnitt, irgendwie so halblang, Eisenherz, und von der Optik her, als hätte sie einen Kübel Bratfett (Raps) über ihren unförmigen Schädel bekommen.
Da saß also diese Wurst auf ihrem Teigarsch in einem ziemlich schlanken Stuhl, natürlich mit der falschen Brille in ihrem feisten Gesicht, während auf der gegenüberliegenden Seite jene französische Frau saß, die sogar auf ihre Haltung achtete. Alles an dieser französischen Dame soll auf Haltung ausgerichtet gewesen sein, will man Börmel Glauben schenken. Wie eine Bodenturnerin sei sie in ihrem Stuhl gesessen, kerzengerade, Nase und Brustbereich genau aufeinander abgestimmt, während drüben auf der anderen Seite jene Butterbemme im Stuhl klebte, deren  schwerer Schlag-Busen müde auf ihrem rücksichtslos präsentierten Wanst lag.

„… und da“, berichtete Börmel weiter, „wo vermutlich ein Hals sein sollte, befand sich ein ausgeleierter, bunter Schal; sicher um gleich offenzulegen und zu signalisieren, welcher politischen Klientel dieser Pfannkuchen angehört …“

Jetzt ist aber gut, du Faschist!“, habe ich zu ihm gesagt und das Fleischthermometer in den Braten gejagt.
Darauf Börmel: „Sag mal, Haberlandt; kennst du eigentlich noch die Personenwaagen mit Münzeinwurf, die früher immer in den Bahnhofshallen standen?“

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