Erotische/Sexszenen

[Lona21]

Hey,

mich würde mal interessieren, wie ihr zu erotischen bzw. Sexszenen in Romanen steht, die nicht explizit dem Erotikgenre zuzuordenen sind?

Findet ihr das eher gut/abstoßend? Schreibt ihr selbst welche in euren Texten?

[Gerling]

Na ja, in meinen Romanen kommen halt Menschen vor. Und die essen, trinken, müssen mal aufs Klo. Und ab und zu haben sie auch Sex. Im besten Fall zu zweit. Dann schreibe ich eine erotische Szene. Oder versuche es zumindest. Weil es dazu gehört. Wie gesagt, es sind Menschen, keine Maschinen.

[Auguste_Fuchs]

Hallo Lona,

die erste Frage, die ich mir stelle, ist: Braucht es die Szene? Ich habe bisher, ob Buch oder Film, noch keine (!) Sexszene gefunden, die die Handlung wirklich vorangebracht hätte bzw. die unverzichtbar für den weiteren Handlungsverlauf gewesen wäre. (Zur Erläuterung: ich meine damit auserzählte Sexszenen. Andeutungen bzw. rechtzeitige Abblenden tun es plottechnisch auch - sobald der Leser/Zuschauer live dabei sein muss, ist es für mich reiner Voyeurismus.)

Ich verzichte daher darauf. Wobei ich zugleich die (durchaus sehr wahrscheinliche) Verlegenheit vermeide, solch eine Szene täppisch zu verreißen. Win win.

[BrianG]

Romane und Filme mit unverzichtbaren Sexszenen gibt's ja durchaus. In jüngeren Jahren wäre da "50 Shades of Grey (oder Gray?)" zu nennen (lass die Sex-Szenen weg, bleibt eine öde Interview-Geschichte übrig).

Etwas älteren Datums ist beispielsweise "Basic Instinct" (ja, das ist der mit der Zwischen-die-Beine-Szene). Im Prinzip ein Thriller, in dem der modus operandi der Täterin zumindest aus einem Teil der Sex-Szenen unverzichtbare Komponenten macht.

Die Nennung dieser Beispiele soll übrigens keine Wertung meinerseits über die Qualität der zugehörigen Werke sein - das waren nur die ersten Beispiele, die mir in den Sinn kamen

Würde ich selbst Sexszenen schreiben wollen? Da halte ich es ähnlich wie Auguste_Fuchs im Beitrag über meinem: Die Gefahr entweder lächerlich oder derb zu wirken, wäre mir zu groß. Das ist eine Gratwanderung, die ich mir nicht antun will.

(Noch ein Schmankerl, das mir zu dem Thema einfällt, diesmal aus "Die nackte Kanone 2 1/2": Da gibt es am Ende die Szene, bei der aus einer Sexgeschichte vorgelesen wird, um die Aufmerksamkeit des Publikums zu gewinnen. Die Metapher des "purpur behelmten Liebeskriegers" hat sich auf ewig in meine Erinnerung gebrannt)

[Levo]

Braucht es die Szene(n) einer epischen Schlacht in aller Ausführlichkeit oder reicht ein 1:0?
Geschmackssache.
Für eine gelungene erwachsene Romanze erwarte ich eine gut geschriebene Erotik/Sexszene. Ausblenden empfinde ich als peinlich.Wir sind Schriftsteller und meinen, ein Handwerk zu beherrschen. Warum nicht bei einer Sexszene?
Es gibt Wörter für die Körperteile, wenn man denn jedes Detail erwähnen muss. Ich persönlich konzentriere mich eher auf das, was der Sex für die Figuren bedeutet. Dann ist diese Szene sofort gehaltvoller, und man kommt auch nicht in die Nähe einer Bedienungsanleitung. Also ja, ich lese und schreibe erotische oder Sexszenen auch in Nicht-Erotik-Romanen.

[Lona21]

Ich würde fast sagen, in meinem Fall braucht es die Sexszene, zumindest die erste. Es wird eine "Beziehung" dargestellt, die mehr oder weniger eben nur auf gutem Sex beruht, daneben aber ziemlich kalt ist.

Ich denke auch, Sex gehört ja zum Leben für die meisten Leute dazu, deshalb ist es komisch, wenn es so kategorisch ausgeblendet wird, wobei es natürlich auch auf die Geschichte ankommt.

[BrianG]

Dass Sex etwas ist, das für die meisten zum Leben dazugehört, stimmt ja. Aber trotzdem ist er etwas, das (für die meisten) privat ist. Ob im Schlafzimmer, im Wohnzimmer oder meinetwegen auch im Fahrstuhl - die Türen sind dabei meist geschlossen. Einige wenige Menschen mit exhibitionistischer Neigung mal ausgenommen, wollen sich die wenigsten dabei beobachten lassen.

Und eben weil Sex etwas Privates, Intimes ist, fällt es vermutlich vielen Menschen so schwer, darüber zu schreiben.

(Eine gewisse erziehungsbedingte Prüderie ist natürlich ein weiterer Grund, der uns davon abhält, darüber zu schreiben )

[V.K.B.]

Mal eine analoge Frage: Wie viele explizite Zahnputz-Szenen kennt ihr aus Romanen? Zähneputzen gehört zu menschlichen Existenz ja auch dazu. Und ich bin sicher, man könnte auch eine Zahnputz-Szene schreiben, die eine Person charakterisiert oder die Story sonstwie voranbringt. Warum macht das keiner? Wenn das Thema überhaupt mal vorkommt, steht da höchstens "Er/Sie putzte sich die Zähne."

Würde bei Sexszenen, wenn sie etwas über eine Beziehung aussagen sollen, nicht ebenso ein simples "Sie fickten." ausreichen? Trotzdem gibt es Sexszenen zuhauf und Zahnputzszenen so gut wie keine. Wenn man mal drüber nachdenkt, woran das liegen könnte, kommt man auch auf die Antwort.

Zu mir: Nein, ich schreibe nie explizite Zahnputzszenen. Was Sex anbelangt, explizite Sexszenen schreibe ich eigentlich auch nicht. Jedenfalls nicht als in sich abgeschlossene Sexszene mit Sinn, dass jetzt eine obligatorische Sexszene kommt. Pornographisch kann es trotzdem mal werden.

[Levo]

Es gibt eine ganz große Zahnputzszene in Better Call Saul, anstelle der Sexszene. Ist halt schwieriger, aus einer Mundgeruchsbeseitigungsszene etwas zu machen, aber das war großes Kino! Beste Sexstellvertreterszene ever

[Pickman]

[Maunzilla]

Lese ich nicht - schreibe ich nicht.

[Levo]

@Pickman Argh, lass mich doch nicht über Better Call Saul schwadronieren

Jein. Das ist die Follow-up-Szene, die zeigt, wie die beiden im Alltag erst einmal mit ihrem "eigenen Dreck" beschäftigt sind.
Ich meine die, die hier  https://www.youtube.com/watch?v=-dy4Lpi5uoI bei 00:21 ganz kurz aufblitzt (die Szene ist natürlich länger incl Kims Erklärung, dass Zähneputzen zum Entfernen unschöner Dinge da ist – und dann putzt sich Jimmy die Zähne mit Kims Finger, was ihr egal ist, solange er nicht ihre Zahnbürste benutzt). Diese Zahnputzszene illustriert, extrem kurz gefasst, dass die beiden (zwar Sex haben, aber) ihre Anziehung eher darauf beruht, dass sie beide eine "schmutzige", kriminelle Seite haben. (Man sieht die zwei eigentlich oft im Bett, aber sie machen immer etwas anderes; die eine Sexszene, die ich erinnere, endet damit, dass sie über das Drogenkartell sprechen).
Das beantwortet vielleicht auch, warum eher auf Sex- als auf Zahnputzszenen zurückgegriffen wird. Sex ist gemeinhin ein positiver zwischenmenschlicher Austausch, Zähneputzen und Klogang dagegen Dinge, die man allein erledigt, um negativ konnotierte Stoffwechselzwischen- und -endprodukte loszuwerden. Was man erzähltechnisch halt besser brauchen kann ...

[Seraiya]

Huhu

[Auguste_Fuchs]

Wer Sexszenen, nach meinem Geschmack und Dafürhalten, sehr elegant gemeistert hat, war Peter Härtling. Weder schlüpfrig noch prüde, sehr emotional, niemals störend. Und vor allen Dingen nicht zu lang. In seinem Schumann-Roman etwa oder dem über Hoffmann.

[Taranisa]

Für mich muss eine solche Szene einen Sinn und Zweck erfüllen, den ich nicht anders darstellen kann. Dabei konzentriere ich mich auf die Empfindungen oder anderes, was wichtig oder außergewöhnlich ist.

[Pickman]

[Selanna]

Nur mal zur Ergänzung, so einen Faden hatten wir schon mal:
https://www.dsfo.de/fo/viewtopic.php?t=67783&postdays=0&postorder=asc&highlight=sexszene&start=0

[Pickman]

[Lona21]

Danke für den Hinweis!

[Pickman]

Oje, jetzt gibt es zwei Sexszenen-Fäden, und ich kann mich nicht entscheiden, ob ich hier https://www.dsfo.de/fo/viewtopic.php?p=1358773#1358773 oder da https://www.dsfo.de/fo/viewtopic.php?t=67783&postdays=0&postorder=asc&start=0 kommentieren soll.

Ich warte einfach ab, bis jemand einen dritten Faden öffnet.

[Natalie2210]

Eine Sexszene ist wie jede andere Szene auch. Braucht es sie für die Handlung oder die Charakterentwicklung? Dann bleibt sie drinnen. Wenn nicht - dann raus damit. Ich sehe da nicht soviel Unterschied.

lg,
Natalie

[Ralphie]

Man muss auch auf den Leser schielen.