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Schattenmännchen Schneckenpost
S Alter: 35 Beiträge: 6 Wohnort: Regensburg
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S 12.08.2021 04:55 Wieso nur passiert ihm das immer wieder? von Schattenmännchen
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Mein erster Beitrag hier, hurra.
Generell entstehen meine Texte - wie auch der nachfolgende - in Alltagssituationen. Während der Arbeit, beim Autofahren, im Fitnessstudio... erst tauchen einzelne Schlagwörter auf, nach und nach kristallisiert sich ein Thema heraus, und dann ist der Text an und für sich schon fertig im Kopf, und muss nur noch "abgetippt" werden.
Kritik aller Art nehme ich gerne entgegen - dafür bin ich ja hier.
Wieso nur passiert ihm das immer wieder? Warum lernt er nichts dazu?
Es war wieder soweit. Völlig ausgetrocknet und am Verdursten kam er an diesen kleinen Bach.
Rund um diesen Bach wuchsen und blühten alle Arten von Pflanzen in den wunderbarsten Farben. Vögel zwitscherten, Insekten brummten und surrten zwischen den Blüten umher, und einfach alles war voller Leben. An einem der Bäume hingen große, süß aussehende rote Früchte. Und eben dieser Bach, der ihn vorm Verdursten retten konnte. Ein wahres Paradies also!
Könnte man zumindest meinen. Denn es kam, wie es immer kam. Sein gesamtes Leben schon. Kaum hatte er am Bach seinen Durst gestillt, versiegte dieser urplötzlich im Nichts, und lies nichts als vertrocknete, aufgeplatzte Erde zurück. Die Pflanzen ringsum verdorrten im selben Augenblick, wurden braun und spröde. Die Vögel und Insekten verstummten, und begannen in einem elenden Todeskampf zu zucken und starben kurz darauf. Die roten Früchte am Baum fingen an zu faulen und gar erbärmlich zu stinken. Alles verwandelte sich in die trostlose, tote und lebensfeindliche Einöde, in der er schon sein gesamtes Leben verbrachte.
Warum das passierte? Konnte er bislang nicht herausfinden. Aber es war so. So lange er sich erinnern kann, passierte genau das. Und dann zog er weiter, durch dieses traurige Nichts. Also wirklich absolut gar nichts. Eine schier endlose Weite an graubraunem Boden, ohne jedes Zeichen von Leben. Tagelang ging das so. Und es gab nirgends Wasser. Deswegen verbrachte er einen Großteil seines Lebens mit zermürbendem, unerträglichem Durst.
Unterwegs begegnete er immer ein paar anderen Menschen, die aber auch scheinbar in einer ganz anderen Welt zu leben schienen. Denn wenn er sie auf dieses unendliche Nichts ansprach, wusste nie jemand von was er eigentlich sprach. Diese anderen Menschen hatten auch immer etwas zu trinken dabei. Und wenn er genug bettelte, bekam er auch immer ein kleines Bisschen ab, das auf jeden Fall reichte um die nächste Oase zu erreichen.
Die nächste Oase, die dann verdorrte und starb, sobald er anfing dort zu trinken.
Die ersten Jahre seiner Reise hielt er es immer noch für einen unglücklichen Zufall, und war voller Hoffnung, eines Tages einen Ort zu finden, an dem er Wasser hatte, und er sich mit Leben umgeben konnte. Aber inzwischen wusste er, dass diese Hoffnung dumm war. Wie viele Oasen hatte er inzwischen eigentlich sterben sehen? Egal wie sehr er sich auch anstrengte, er konnte sich nicht mehr an die genaue Zahl erinnern. Viele hundert, da war er sich sicher. Viele hundert Male zerstörte Hoffnungen. Inzwischen hatte er sich fest vorgenommen, sich nicht mehr darauf einzulassen. Selbst wenn er wieder eine Wasserquelle finden sollte, er wollte nicht mehr davon trinken. Lieber wollte er verdursten. Einfach schon aus Trotz. Es lohnt sich doch sowieso nicht? Dieses Weiterwandern in dieser endlosen Höllenschleife, die er sein Leben nannte. Aber beim Anblick des frisch sprudelnden Wassers wurde er doch immer wieder schwach, auch wenn er schon genau wusste, in welchem Trauerspiel es enden würde.
Aber dieses Mal war es anders. Da war er sich sicher. Das war jetzt das letzte Mal. Er wollte nicht mehr dabei zusehen, wie Pflanzen, Vögel, Insekten, Bäume und einfach alles um ihn herum starben. Wahrscheinlich sogar seinetwegen? Es wurde auch Zeit endlich die Reise zu beenden. Diese Reise, die ohnehin kein Ziel hat. Niemals hatte. Wahrscheinlich niemals haben wird. Und wo er jetzt so darüber nachdachte, konnte er doch auch einfach hier an diesem toten Ort bleiben? Wozu weiterwandern, und sich der Gefahr aussetzen, doch wieder schwach zu werden? Hier gab es nichts mehr zu holen. Kein Wasser, kein Leben, nur Ödnis, Fäulnis, Tod. Tod. Das klang jetzt tatsächlich wie ein Ziel. Und er ertappte sich dabei, wie er bei dem Gedanken daran lächelte. Ja, er war sich sicher. Er allein bestimmt das Ziel der Reise. Und das Ziel war hier, wo alles starb. Wo er sterben wird. Und mit diesem Entschluss, dieser Gewissheit, legte er sich in die tote Blumenwiese, und begann nun ebenfalls langsam vor sich hinzusterben. Es würde dauern, aber das Warten machte ihm nichts aus. Das erste Mal in seinem Leben fühlte er sich wirklich glücklich und angekommen, und er genoss jeden einzelnen Moment bis zu seinem Ableben. Und kaum war er tot, erwachte rund um ihn herum alles wieder zum Leben. Der Bach sprudelte, die Blumen erblühten, es wuchsen neue Früchte, und die Vögel und Insekten kamen zurück. Nur er blieb tot,
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wohe Klammeraffe
W Alter: 71 Beiträge: 632 Wohnort: Berlin
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W 12.08.2021 12:14
von wohe
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Hallo Schattenmännchen,
Zitat: | ist der Text an und für sich schon fertig im Kopf, und muss nur noch "abgetippt" werden | Ehrlich? Ist der Text selbst bereits fertig oder reihen sich Bilder in Deinem Kopf aneinander (wg. der bildhaften Sprache)?
Ich frage, weil ich Textpassagen, die mir irgendwo einfallen, selten heil bis an die Tastatur bringe (tja, die Vergesslichkeit halt).
Zu Deinem Text:
Er ist eindrucksvoll, vermittelt Stimmung und Bilder (s.o.) und liest sich lebendig.
Ich halte ihn für einen gelungenen Einstand.
Was mir jedoch nicht klar ist: handelt es sich um eine Metapher für ein subjektiv misslungenes Leben oder sollte die Handlung tatsächlich wie beschrieben ablaufen? In diesem Fall hätte ich noch ein Erläuterung eingebaut, um den Leser nicht mit der Frage nach dem "Wieso" allein zu lassen.
Wie auch immer: weiter so.
MfG Wohe
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Schattenmännchen Schneckenpost
S Alter: 35 Beiträge: 6 Wohnort: Regensburg
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Hirata Schneckenpost
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Beiträge: 12 Wohnort: Bayern
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Schattenmännchen Schneckenpost
S Alter: 35 Beiträge: 6 Wohnort: Regensburg
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Roman Ramon Gänsefüßchen
R Alter: 39 Beiträge: 18 Wohnort: Berlin
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R 21.09.2021 14:14
von Roman Ramon
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Für mich wäre keine Erläuterung des Hintergrunds nötig.
Der Text präsentiert sich mir ziemlich offensiv als bildliche Darstellung eines bestimmten Lebensgefühls in einer speziellen Lebenslage.
Für mich ist es eine Art Prosa-Gedicht. Wie beim Gedicht wird ein Gefühl, ein Zustand in Bilder gegossen, nicht so sehr eine Handlung verfolgt oder eine Figur gezeichnet.
Vielleicht liegt dir Lyrik ja auch, könnte einen Versuch wert sein.
(Damit meine ich nicht unbedingt gereimt. Wenn man aus dem Text hier Stellen heraussampelt und zusammensetzt, hat man schon ein modernes Gedicht)
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Schattenmännchen Schneckenpost
S Alter: 35 Beiträge: 6 Wohnort: Regensburg
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