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Deutsches Schriftstellerforum Foren-Übersicht -> Antiquariat -> Zehntausend 05/2021
Ein-Blicke

 
 
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DLurie
Geschlecht:männlichKlammeraffe


Beiträge: 880
Wohnort: Zwischen den Stühlen
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Beitrag29.04.2021 19:00
Ein-Blicke
von DLurie
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Ein-Blicke
Den Haag, Holland, Ende der sechziger Jahre.

»Wir sitzen hier wie auf dem Präsentierteller«, sagt Jean. Seine Verlobte Marianne neigt den Kopf leicht nach vorne und sieht ihn über den Rand ihrer Hornbrille an.
»Fühlst du dich beobachtet?«
»Ich fange an, mich daran zu gewöhnen. Man traut sich nicht mal, in der Nase zu bohren.«
»Na, dann hat unsere Architektur doch einen zivilisierenden Effekt. Zumindest bei Ausländern wie dir, meine Landsleute popeln ganz ungeniert in ihren Wohnzimmern.«
»Ja, für euch ist es normal, praktisch auf der Straße zu wohnen. Bei mir hast du den zivilisierenden Effekt. Oder habe ich jemals in deiner Anwesenheit in der Nase gebohrt?«
Sie lächelt verschmitzt.
»Hast du nicht. Du kratzt dich auch nie im Schritt, wenn ich dabei bin. Das rechne ich dir hoch an, mein geliebter Schwarzfuß.«
Schwarzfuß. So nennt sie ihn manchmal, meist wenn sie ihn aufziehen will. In Anspielung auf seine Herkunft aus Algerien, wo er als Sohn französischer Siedler, der Pieds-Noirs, aufwuchs. Glücklich ist er nicht über diesen Spitznamen. Denn neben harmloseren Erklärungen für dessen Ursprung, wie den schmutzigen und sonnenverbrannten Füßen der Dorfbewohner, die barfuß umherliefen, existiert eine andere und wenig schmeichelhafte Assoziation: Die schwarzen Stiefel der französischen Besatzertruppen.
»Ich werde mich auch weiterhin nicht im Schritt kratzen, wenn du dabei bist. Zumindest bis wir verheiratet sind.« Sie bricht in schallendes Gelächter aus. Dieses unverschämt offene Lachen ist einer der Gründe, warum er sie liebt.
»Ich weiß: Wenn wir erst mal verheiratet sind, sperrst du mich in deinen südfranzösischen Bunker ein. Als deine Haussklavin.« Er nickt.
»Genau. So ist das Sitte bei uns in Marseille. Du weißt also, worauf du dich einlässt. Was halten deine Eltern denn von mir?«
»Sie finden dich charmant. Sie haben dich halt noch nicht durchschaut, sonst würden sie mich sicher vor dir warnen.«
»Wann kommen sie vom Einkaufen zurück?«
»Spätestens zum Abendessen. Da kannst du noch ein letztes Mal den Charmeur geben und die Kochkunst meiner Mutter loben.«
»Ich werde mich bemühen. Ich gehe jetzt noch eine Runde spazieren. Kommst du mit?« Sie schüttelt den Kopf.
»Ich lege mich ein wenig aufs Ohr. Vorschlafen. Unser Flug geht sehr früh morgen.«

Er flaniert ziellos durch die engen Straßen des Vororts von Den Haag und lässt die vergangene Woche in Gedanken Revue passieren. Der Antrittsbesuch bei seinen zukünftigen Schwiegereltern ist gut gelaufen. Sie haben ihn überall herumgereicht, bei Verwandten, Freunden, Nachbarn. Zu seiner Überraschung empfand er das nicht als unangenehm. Im Gegenteil: Er hat die Holländer und ihre freundliche, unkomplizierte und direkte Art in dieser Woche schätzen gelernt.

Wieder ist er fasziniert beim Gang durch die Straßen. Die riesigen Fenster, fast in Reichweite, viele stehen offen, die Sonne scheint hinein. Kaum Vorhänge oder Rollläden. Und direkt hinter den Fenstern, sichtbar für jeden Passanten: ungeschminkter Alltag, krabbelnde Kinder, Männer, die sich mit der Zeitung auf dem Sofa fläzen, Familien beim Essen am Tisch, manchmal kann er sogar erkennen, was sie gerade zu sich nehmen.
Auch staunt er stets aufs Neue über die dekorative Vielfalt in diesen Fenstern. Skulpturen, Vasen, Kakteen-Arrangements, nicht immer geschmackssicher, allerlei Nippes, Porzellankatzen, Gänse aus Holz. Es kommt ihm vor, als sei hier ein Dauerwettbewerb um die originellste Fenstergestaltung im Gange. Seht her: Habe ich mich nicht schön eingerichtet? Alle machen mit, es gibt keine Ausschlusskriterien, sie haben keine Angst vor Kitsch.
Und wie ungezwungen sie sich hinter ihren Fenstern bewegen!
In den ersten Tagen kam er sich vor wie ein Voyeur, wagte im Vorübergehen nur verstohlene Blicke aus den Augenwinkeln, begleitet von dem Gefühl, jeden Moment unfreiwillig Zeuge
einer Intimität werden zu können. Dieses Sich-zur-Schau-Stellen hat etwas Exhibitionistisches, dachte er. Aber das trifft es nicht, dazu geschieht alles zu zwanglos. Es scheint ihm, als wollten die Holländer dem Vorübergehenden sagen: Schau nur her, wir haben nichts zu verbergen! Inzwischen bewegt er sich ganz unbefangen in diesem Freilichtmuseum des Privaten, ertappt sich gar dabei, wie er stehenbleibt und genauer hinsieht, wenn ein Detail sein Interesse geweckt hat.

Was für ein Kontrast zu meiner Welt, denkt er. Der kleine Flachbungalow, den er in einem Außenbezirk von Marseille gemietet hat, wirkt von der Straße aus wie eine Festung. Die Rollläden sind geschlossen. Das Leben spielt sich komplett im Innenhof ab, von außen könnte man meinen, die Bewohner seien verreist.
Natürlich gibt es handfeste Gründe für diese Architektur des Sich-Einmauerns. Im Sommer brennt die Sonne gnadenlos vom Himmel, er muss dichtmachen, damit es drinnen kühl bleibt. Und offenstehende Fenster werden in der Gegend von Marseille umgehend von Dieben als Einladung verstanden. Aber das Klima und die Einbruchsstatistik allein erklären nicht die Unterschiede.
Was ihm in der letzten Woche bewusst geworden ist: Er hat immer in Kulturen der Abschottung gelebt, der strikten Trennung von privatem und öffentlichem Raum. In Algerien, wo er in ärmlichen Verhältnissen aufwuchs, wurden die Frauen vor begehrlichen Blicken versteckt. Die eigenen vier Wände als unangefochtenes Herrschaftsgebiet des Mannes. Als die Unruhen begannen, verbarrikadierten sie sich aus nackter Angst vor den Aufständischen. Fenster als Schießscharten. Nach dem Rausschmiss der Franzosen aus Algerien siedelte seine Familie nach Marseille über. Da war er siebzehn Jahre alt.
Auch in der französischen Hafenmetropole ist das Haus vor allem ein Ort der Zuflucht und des Rückzugs, ein sicherer Hort, Schutz gegen eine potentiell feindliche Außenwelt. Die gutbürgerliche Mittelschicht, in die er sich hochgearbeitet hat, legt größten Wert auf Diskretion. Doch kommt darin weniger Feingefühl oder Rücksichtnahme zum Ausdruck als Misstrauen und Argwohn. Seine Landsleute deuten den zu langen Blick des Passanten durch ein geöffnetes Fenster meist als vorweggenommenes Eindringen mit finsteren Absichten.

In Holland empfindet er die allgemeine Stimmung als ungleich entspannter. Sind die offenstehenden, großen Fenster zur Straße nicht das augenfälligste Zeichen für den Vorschuss an Vertrauen, den hier jeder, auch der Besucher aus der Fremde, genießt?
Was sind sie naiv, diese Holländer!, dachte er bei seiner Ankunft. Doch das sind sie nicht. Irgendwann im Laufe ihrer Geschichte scheinen sie kollektiv beschlossen zu haben, erst mal das Gute im Menschen zu sehen. Und die holländischen Frauen lassen sich schon lange nicht mehr einsperren.

Er erinnert sich, wie er Marianne kennengelernt hat. Sie war Dolmetscherin bei Verhandlungen seiner Firma mit einem holländischen Unternehmen. Er konnte sich nicht richtig konzentrieren, starrte sie dauernd heimlich an. Wenn sie ihn dabei ertappte, wich sie seinem Blick nicht aus, sondern lächelte und sah ihn an mit dieser einzigartigen Mischung aus Neugierde und Zugewandtheit.
Ob sie in Südfrankreich auf Dauer glücklich sein wird?
Früher oder später werden Sonne, Strand und Meer zur Selbstverständlichkeit, spätestens dann wird sie die Schattenseiten mit aller Deutlichkeit wahrnehmen. Es ist eine geschlossene Gesellschaft, in die sie ihm folgt, eine Welt voller Hierarchien, Machos und Patriarchen.
Dennoch scheint sie es eilig zu haben, ihre Heimat endgültig zu verlassen. Sie muss ihn sehr liebhaben.

Ohne Eile kehrt er zurück in das Haus seiner zukünftigen Schwiegereltern, geht nach oben in das kleine Gästezimmer und setzt sich auf den Bettrand. Sie hat ihn kommen hören und dreht sich zu ihm.
»Na, Schwarzfuß, hast du den Leuten wieder durchs offene Fenster ins Wohnzimmer geschaut?«
»Ja. Ich sammle Ideen für das Haus, das wir uns später bauen werden.«
»Erzähl mir nichts! Du hoffst doch nur darauf, dass sich ein knackiger Hintern durch die Szenerie schiebt. Oder?«
»Du hast mich mal wieder durchschaut, Schatz! Ich profitiere von eurem eklatanten Mangel an Schamgefühl. Ein Paradies für Voyeure wie mich.« Sie nimmt seine Hand und streichelt sie.
»Ihr armen Franzosen! Ihr müsst ja zu Spannern werden, wo ihr außerhalb euer vier Wände nie etwas zu sehen kriegt.«
Er hebt die Bettdecke an und wirft einen Blick auf ihren Körper. Wie erhofft trägt sie kein Nachthemd. Sie klatscht ihm auf die Hand und deckt sich wieder zu.
«Lass das! Meine Eltern können jeden Moment zurückkommen.«
«Gut. Ich verstehe, dass du es leid bist, deine Lustschreie im Kissen ersticken zu müssen. Bei euren hellhörigen Wänden.«
»Du bist auch nicht gerade leise! Wusstest du übrigens, dass in Amsterdam die Huren hinter großen Fenstern stehen oder sitzen.«
»Ich habe davon gehört.«
»Und Touristen aus der ganzen Welt, oft in Gruppen angereist, flanieren vorbei, begaffen und vergleichen das Angebot. Eine richtige Fleischbeschau. Das Fenster als Vulva. Abstoßend.«
»Wäre es besser, wenn diese Frauen ihrem Gewerbe im Verborgenen nachgingen?« Sie schüttelt den Kopf.
»Nein, das macht die Sache an sich nicht besser. Aber wir müssen aufpassen, dass unsere viel gerühmte Toleranz und Offenheit nicht zum Geschäftsmodell verkommt.«
»Ich mag euch trotzdem! Und wenn wir später ein Haus bauen, dann eines mit ganz großen Fenstern!«
»Aber nach hinten raus, Schwarzfuß, oder mit einer hohen Hecke als Sichtschutz.«
»Nenn mich bitte nicht mehr Schwarzfuß, Marianne.«
Sie blickt ihn einen kurzen Moment erstaunt an und nickt.
»D‘accord, Jean.«

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Stefanie
Reißwolf


Beiträge: 1740



Beitrag09.05.2021 21:46

von Stefanie
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Ein interessanter Vergleich der Kulturen.
Ein bisschen mehr Entwicklung wäre schön gewesen. Immerhin öffnet er sich soweit, dass er seiner Verlobten sagt, dass ihr Spitzname für ihn ihn stört.
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hobbes
Geschlecht:weiblichTretbootliteratin

Moderatorin

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Das goldene Aufbruchstück Das goldene Gleis
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Beitrag10.05.2021 09:20

von hobbes
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Laughing Da musste ich doch spontan lachen, als mir auf einmal die Niederlande gereicht wurden. Das hat wenig mit dem Text zu tun, sonden mehr damit, dass mein Vater mir das bestimmt schon zwei Millionen Mal erzählt hat. Dass die Niederländer keine Vorhänge haben.
Wir haben übrigens auch keine. Und wir haben ziemlich große Fenster. Jeden Abend wundern wir uns, wenn überall um uns herum das "rrrrrrrraaattsch" der herunterfahrenden Rollläden einsetzt. Ich würde mir ziemlich eingesperrt vorkommen mit heruntergelassenen Rollläden.

Aber hey, es geht ja gar nicht um mich, sondern um den Text.

Der Text ist mir zu sehr Geschichtsstunde. Wissensvermittlung. Zu sehr Thema an die Leserin bringen. Und leider ist dann doch nicht mal etwas Neues für mich dabei in dieser Lehrstunde. Mir fehlt das Gefühl, die Emotion, mir fehlt das eine, das bleibt. Denn was will mir der Text eigentlich sagen? Um was geht es hier? Um die Liebe zwischen den beiden sicher nicht, die ist ja nur Mittel zum Zweck. Um seine Herkunft? Darüber, wie man (wo) lebt?


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Don't play what's there, play what's not there.
Miles Davis
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d.frank
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D

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D
Beitrag10.05.2021 19:08

von d.frank
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Finde ich gut!
Beim ersten Lesen bin ich relativ schnell ausgestiegen, wegen unbeabsichtigter Voreingenommenheit.
Beim zweiten Lesen jetzt passt das, auch wenn das vielleicht etwas zu routiniert ist für einen experimentellen Wettbewerb. Aber ich mag diesen kurzen Einblick in Kulturen und Beziehungen und wie das in sich abgeschlossen ist, ohne wirklich abgeschlossen zu sein.

Punkte: 5


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Die Wahrheit ist keine Hure, die sich denen an den Hals wirft, welche ihrer nicht begehren: Vielmehr ist sie eine so spröde Schöne, daß selbst wer ihr alles opfert noch nicht ihrer Gunst gewiß sein darf.
*Arthur Schopenhauer
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marinaheartsnyc
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Beiträge: 145



Beitrag11.05.2021 18:07

von marinaheartsnyc
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Ich mag den Text richtig gerne und finde das interkulturelle Thema ganz toll. Leider gibt es Punktabzug für den Aufbau: Die Absätze nach der wörtlichen Rede sind oft falsch gesetzt und zur Mitte hin ist es ein bisschen viel Infodump, das erschwert das Lesen. Trotzdem sehr gerne gelesen und wirklich interessante Gedanken dabei mitgenommen smile

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Yesterday I was clever, so I wanted to change the world. Today I am wise, so I am changing myself.

- Rumi
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Nihil
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Moderator
Alter: 33
Beiträge: 6041



Beitrag12.05.2021 23:57

von Nihil
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Ich wollte meine Wertung eigentlich mit einem in jeder Lebenslage brüllend komischen Holländerwitz einleiten wie „Ob Gold, Silber oder Brongsch, dein Text ist jedenfalls Orongsch, ho ho ho“ und wollte mich diesem Drang fast schon hingeben, als ich schließlich bemerkte, auch wenn ich das nicht täte, täte ich das ja irgendwie trotzdem, möchte nun aber die brennende Scham empfundene Natürlichkeit, diesen unoriginellen Schritt dennoch zu wagen, aber mitgelesen wissen, sofern das überhaupt jemandem ohne das ganze Brimborium darum herum, dreimal um, ach, da schau her, überhaupt aufgefallen wäre.

Deshalb bleib ich jetzt auch bei dem, was ich kenne, und konzentriere mich auf das, was mir nicht gefallen hat, damit ich das Gute noch etwas hinauszögern kann. Mir gefällt der Charme, mit dem du den Dialog zwischen den beiden gezeichnet hast, die kleinen Sticheleien, die Schlagfertigkeit, die die Liebe zwischen den beiden so unaufgeregt, aber trotzdem offensichtlich zeigt, die – ach, jetzt hab ich ja doch beim Positiven angefangen, tschuldigung. Den Spitznamen Schwarzfuß als Spitznamen finde ich leider etwas unglaubwürdig, weshalb er nicht nur Jean, sondern auch mir nicht gefällt. Der sticht so unangenehm aus den eigentlich sehr natürlich und flüssig geschriebenen Dialogen hervor. Darüber kann ich aber hinwegsehen, weil ich noch nicht gewusst habe, dass man sich als (wahrscheinlich weißer) Franzose noch dessen schämen muss(te), nicht im großen Vaterland, sondern nur in einem ausgeraubten Dritte-Welt-Land das Dritte-Welt-Licht erblickt zu haben. Offen bleibt wenigstens, ob er sich für die Vergangenheit der Kolonisation schämt oder für die Geburt außerhalb (was ich trotz allem wahrscheinlicher finde).

Mit Scham kann Marianne aber so gar nicht um (was die Scham, Algerier zu sein, in jedem Fall sympathisch entkräftigt) und so wird ein durchaus witziger und sehr entspannter Text entsponnen, der kulturelle Unterschiede austariert, aber manchmal etwas zu schwarz-weiß darstellt, bsplw. wenn Jean sich fragt, ob Frankreich (!) seiner Marianne nicht zu abgeschlossen sein wird. Hier denke ich mir dann auch, dass der Text in heutiger Zeit (denn die 60er merkt man außer durch den Satz in der Einleitung gar nicht) mit einem hollländisch-deutschen Paar nicht nur immer noch, sondern vielleicht sogar besser funktioniert hätte. Das damalige Frankreich kenne ich zwar persönlich nicht, würde mich aber mal zu der Aussage versteigen, dass das 60er Jahre Deutschland doch noch verklemmter war. Ein bisschen klemmts auch im Dialog, da sind ein paar etwas gewollte Sprünge und Info-Bumps, ach nee, Dumps heißt das, drin, die für eine höhere Wertung leider zu langsam durch die Spielstraße fahren.

Vielleicht ist Orongsch ja das neue Brongsch?

Edit: Kurz vor Ende musste ich leider meine Punkte nochmal neu verteilen. Im direkten Vergleich zu zwei anderen Texten, die ich vorher nicht auf dem Schirm hatte, ist deiner leider der schwächere, weshalb leider keine Punkte für dich übrig bleiben.
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MauerseglerIn
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M

Alter: 21
Beiträge: 30



M
Beitrag13.05.2021 10:56

von MauerseglerIn
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Hallo Text,

Du hast mir gut gefallen, besonders der Gedanke mit den offenen und geschlossenen Gesellschaften/Fenstern, der mich zum nachdenken gebracht hat. Ansonsten bist du auch noch gut zu lesen und teilweise sogar unterhaltsam, was dir allerdings in Bezug auf die Ernsthaftigkeit vorgeworfen werden könnte.

Mit freundlichen Grüßen,
die Mauerseglerin
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Kojote
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Beiträge: 1798
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Beitrag13.05.2021 16:25

von Kojote
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Guten Abend,

irgendwie packt mich dieser Text nicht so richtig.

Zuerst irritiert mich die Verwirrung. Wenn eine Handlung wie "Er nickt" am Ende eines Dialogs kommt, ohne Zeilenschaltung davor, so gehe ich davon aus, dass sich das "Er" auf den Dialog davor bezieht – was es aber in diesem Text nicht tut, sondern auf den Dialog der nächsten Zeile. Das zieht sich so durch den gesamten Text und erschwert das Verständnis und den Lesefluss ungemein.

Nun zum Inhaltlichen. Die Vorgabe wurde erfüllt, das ist schon mal eine gute Nachricht. Allerdings – ich weiß wirklich nicht viel mit diesem Text anzufangen. Was ist der tiefere Sinn? Gesellschaftskritik? Vielleicht. Dazu hätte der Text aber den Mantel des Humoristischen abnehmen müssen, denn sonst verwässert das ernsthafte Thema der Gesellschaftskritik inmitten von Nasenbohrern, Schwarzfüßen und öffentlich ausgestellten Vulven.

Sprich, mir fehlt der Rote Faden. Das finde ich schade.

Liebe Grüße
Der Kojote


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nebenfluss
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Beitrag13.05.2021 16:40

von nebenfluss
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Ein Paar, ein Algerier und eine Holländerin, diskutiert offene Fenster als Merkmal einer offenen Gesellschaft. Schauplatz ist Den Haag, wo Jean sich über die unverhüllten Einblicke in die Wohnungen freut und sie mit der Realität in Marseille vergleicht, wo sich für ihn die abschottende Mentalität Algeriens in der Architektur des von ihm gemieteten Bungalows fortsetzt.
Bald wird er Marianne heiraten, was auch der Hauptgrund für seinen Aufenthalt in den Niederlanden ist, denn er hat sich seinen zukünftigen Schwiereltern vorgestellt. Marianne ist offenbar bereit, zu Jean nach Frankreich zu ziehen, und man erwartet fast, dass diese Entscheidung wegen Jeans Sympathie für ihr Heimatland noch einmal überdacht wird. Dazu kommt es allerdings nicht.
Unklar ist mir, warum die Zeit der Erzählung in die späten sechziger Jahre gelegt wurde. Immerhin sind beide berufstätig, und Jeans Emanzipation, sich - wenn auch sehr liebevoll - die Bezeichnung Schwarzfuß zu verbitten, würde durchaus in die heutige Zeit passen (die Entschiedenheit, mit der er Holländer und Franzosen auseinanderdividiert, jedoch eher nicht).
Eine ausgeruhte, aufgeräumte Erzählung ohne Schnickschack oder künstliche E-Attitüde (außer vielleicht der Titel, warum Ein-Blicke statt Einblicke?), die mich zwar nicht vom Hocker reißt, sich aber flüssig lesen und verstehen ließ.

(ist leider der verdammte Platz 11 geworden - der, der gerade keine Punkte mehr bekommt. Hat mir aber trotzdem gefallen!)


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holg
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Beitrag13.05.2021 17:44

von holg
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Eigentlich ist das keine große Sache. Eigentlich ist das Thema sehr wortwörtlich umgesetzt, die offenen Fenster als freier Blick auf die Bewohner  und ihr Leben. Sprachlich ist das nicht originell, aber so geschliffen und scharf erzählt, dass es eine Freude ist, das zu lesen. Die Geschichte ein Historienstück, das ein wenig, aber mMn nicht zuviel herumerzählt und erklärt.
Das ist einfach schön.
Der Titel, der hätte es allerdings beinahe verdorben; der hätte ruhig etwas origineller sein können.


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Constantine
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Beitrag14.05.2021 19:25

von Constantine
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Den Haag, deine Fenster, deine Menschen oder warum der Niederländische Imperialismus der bessere im Vergleich zum Französischen ist

Bonjour Inko,

es ist schon kurios, dass der Niederländische Imperialismus kein Thema dieser Geschichte ist, klar, würde nicht passen, da hier Marseille, Schwarzfüße und Rassismus dem freien, freundlichen und offenen Den Haag und den Niederlanden gegenübergestellt wird. Dennoch muss ich eine kurze Lanze brechen, dass die Niederlande selbst genug Dreck am Stecken haben, was Rassismus, Sklaverei und Sklavenhandel angeht, dass Jean mir da doch zu blauäugig ist, was die niederländische Historie und Kultur angeht. Schwamm drüber.
Der Leser erfährt hier einen Ausschnitt bezüglich Frankreich und Algerien und den Vergleich der beiden Städte Marseille und Den Haag aus den Augen eines Algerienfranzosen.
Der Text ist ordentlich geschrieben, Themen wie Rassismus, Kolonialismus und Gewalt der 60er Jahre werden den offenen, freundlichen und vertrauenswürdigen Niederlanden stellvertretend durch Den Haag gegenübergestellt und regen zumindest an, sich mit der Historie der Thematik zu beschäftigen, auch wenn es mir doch (sorry für den Vergleich) zu sehr Schwarz-Weiß-Darstellung ist, zu blauäugig, zu sehr Michael Moore, zu eindimensional und verklärt. Es werden hier unterschiedliche soziale Schichten, unterschiedliche Infrastrukturen, unterschiedliche Stadtteile miteinander verglichen, anstelle in Vergleichbarem zu bleiben.
Dennoch: Das Setting und die Themen gefallen mir und dies soll kein Sachtext sein, auch wenn er sich sachtextlichen Aussagen bedient, sondern fiktionale Prosa mit historisch_real_en Bezügen, die zum Nachdenken anregt und wer mag kann im www freiwillig und bei Interesse über die Themen des Textes weiter recherchieren.

Der Text hat es in meine Top Ten geschafft: cinq points.

Merci beaucoup
Constantine
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Raven1303
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Beitrag14.05.2021 22:32

von Raven1303
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Liebe/r Unbekannte/r,

du schreibst flüssig und hast einen schönen Stil, dem ich gut folgen kann.
Bei deiner Geschichte wird es mir aber besonders im letzten Teil, als du noch von den Huren im Fenster schreibst, zu belehrend.
Dann fehlt mir aber eigentlich noch die angebliche Gardinensteuer, die auch ein Grund für die offenen Fenster gewesen sein könnte.
Du hast da sicher viel recherchiert? Schrammt aber auch arg am Klischeehaften vorbei.

Da ich deinen Schreibstil mag und es da nichts zu meckern gibt und auch alle Anforderungen erfüllt sind, bekommst du Punkte von mir. Ich muss mich hier aber noch sortieren. Bis später also.

LG Raven

Edit: leider habe ich nun keine Punte mehr übrig, da mir andere Geschichten besser gefallen haben.

LG Raven


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Ich lebe mein Leben in wachsenden Ringen, die sich über die Dinge ziehn.
Ich werde den Nächsten vielleicht nicht vollbringen, aber versuchen will ich ihn.
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V.K.B.
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Beitrag14.05.2021 23:32

von V.K.B.
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Hallo unbekanntes Wesen, das das geschrieben hat,

Erst einmal, interessanter Text. Lässt sich gut lesen, routiniert geschrieben. Die E-Umsetzung finde ich allerdings eher dürftig. Da sind so einige Sätze, die schreien irgendwie so plakativ danach, hey, kuckt mal, das soll E sein, ohne jede Spur von Selbstironie. "Aber wir müssen aufpassen, dass unsere viel gerühmte Toleranz und Offenheit nicht zum Geschäftsmodell verkommt." mal als Paradebeispiel. Würde das wirklich jemand so in dieser Diskussion in diesem Dialog sagen? Wenn ich mir das als Filmszene vorstelle, wirkt es geradezu absurd. Und hier sind wir beim nächsten Problem, weil man sich den Text so einfach als Filmszene vorstellen kann. Er ist nämlich genauso straightforward geschrieben und damit kein Text, wie ich ihn für diesen besonderen Wettbewerb erwarte. Hier geht es um Texte, die mehrschichtig sind, sich nicht sofort komplett erschließen, ungewöhnlich sind, sich sträuben, und all sowas eben, was die meisten normalerweise nicht schreiben. Dieser Text ist zwar gut geschrieben und ich habe ihn auch gerne gelesen, aber ich muss jenen Texten den Vorrang lassen, die die fundamentale Grundanforderung dieses Wettbewerbs auch tatsächlich erfüllen – nur so kann der Zehntausender ein besonderer Wettbewerb für besondere Texte bleiben.

Edit: Zur Endwertung: Ich habe die Texte in die Kategorien grün (genau wie ein Zehntausendertext mMn sein sollte, also definitiv E-Lit, aber auch besonders geschrieben und neue Wege beschreitend, oder das zumindest versuchend), gelb (ernsthafte Themen, aber realtiv traditionell geschrieben) und rot (Text, der mMn nicht in diesen Wettbewerb passt, auch nicht teilweise) eingeteilt. Die Rangfolge für die Punkte erfolgt dann nicht größtenteils nach persönlichem Gefallen, sondern erstmal innerhalb der Gruppen.

Diesen Text habe ich in den gelben Bereich eingeteilt, er erfüllt die Vorgaben dieses Wettbewerbs teilweise, schafft es aber nicht in meine Top Ten und erhält daher leider auch keine Punkte.


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Gast







Beitrag15.05.2021 13:18

von Gast
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Ein interkulturelles Pärchen (sie, Marianne, Holländerin, er, Jean, Franzose algerischer Herkunft) Ende der Sechziger Jahre an der Schwelle zu einer gemeinsamen Zukunft.

Vorgabentreue: Es geht um die kulturellen Unterschiede zwischen den Beiden, für die der Umgang der jeweiligen Kulturen mit Fenstern als Metapher dient - als Jean bei einem Spaziergang an den offenen Fenstern Den Haags vorbeiläuft, sinniert er darüber, dass sowohl in Algerien, wo er aufgewachsen ist als auch in Marseille, wo er zuletzt gelebt hat und die beiden hinziehen werden, eher eine Kultur der verriegelten Fenster vorherrscht.

Vorgaben erfüllt.

Ausgestaltung: Ein interessantes sujet mit einer passend gewählten vorgabentreuen Metapher. Im Großen und Ganzen handwerklich gut gemacht, mit natürlich und unaufdringlich eingewobenen Fragmenten der Geschichten der Protas.

Die Schwäche liegt in den Dialogen. Die beiden unterhalten sich miteinander in einer ständigen leicht überheblichen Ironisierung ihres Kulturkonfliktes, als ob ihre Beziehung längst alle Probleme erlebt und zu Ende diskutiert hat, beide sich von den Fesseln ihrer Kulturen komplett befreit haben  und sie sich sicher sind, einen Lebensstil frei von Jedem Druck von Außen führen zu können. Das liest sich eher unglaubwürdig, macht das E zum e und lässt völlig außer Acht, dass das größte Problem ihrer Beziehung sehr wahrscheinlich nicht die Gefangenheit ihrer Umwelt in deren kulturellen Traditionen sein wird, sondern ihre eigenen Gefangenheiten darin.

Trotzdem einer der besseren Texte des Wettbewerbs. Durch die sehr starke Konkurrenz bleiben am Ende des Tages aber nicht so viel Punkte übrig.
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Ribanna
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Beitrag15.05.2021 18:55

von Ribanna
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Ich lasse ein paar Punkte da. Ist zwar m.M.n. nicht so E, lässt nicht viel Spielraum zum weiter denken, aber gefällt mir ganz gut.

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silke-k-weiler
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Beiträge: 742

Das goldene Schiff Der goldene Eisbecher mit Sahne


Beitrag16.05.2021 19:35

von silke-k-weiler
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Lieber Text,

ein kultureller Exkurs, gut geschrieben, wenn bisweilen auch der ein oder andere Satz in den nächsten Absatz gehört hätte, was an ein paar Stellen für Verwirrung gesorgt hat, zu wem welche Geste gehört. Eine solide Sache, aber ... im Moment bin ich mir nicht sicher, ob ich Dich die nächste Runde mitnehme, weil Du mich dafür nämlich nicht allzu sehr migenommen hast.

Herzlichst
Silke
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Katinka2.0
Geschlecht:weiblichEselsohr


Beiträge: 377



Beitrag17.05.2021 17:45

von Katinka2.0
Antworten mit Zitat

Liebe/r Autor/in,

ein Algerienfranzose, der bei einem Spaziergang durch eine Gegend Hollands über kulturelle Unterschiede sinniert, sich über die Freizügigkeit der Einwohner wundert, über deren Mangel an einem Bedürfnis nach Privatsphäre, er zieht Vergleiche zu seinem jetzigen Lebensmittelpunkt in Marseille und seinem Leben, das er in Algerien geführt hat.

Der erste Abschnitt ist als Einleitung für meinen Geschmack etwas zu lang geraten, das Geplänkel des Pärchens ist eben Geplänkel und kann mein Interesse nicht wecken. Interessanter sind da schon seine Gedanken, die er sich während des Spaziergangs macht.
Zitat:
Schwarzfuß. So nennt sie ihn manchmal, meist wenn sie ihn aufziehen will. In Anspielung auf seine Herkunft aus Algerien, wo er als Sohn französischer Siedler, der Pieds-Noirs, aufwuchs

Ich meine, Schwarzfüße oder Pieds-Noirs sind eben keine französischstämmigen Siedler, sondern jene, die aus anderen europäischen Ländern kamen, um sich eine Existenz in der Kolonie aufzubauen. Oder?

Zitat:
Was für ein Kontrast zu meiner Welt, denkt er.

Ja, kein Wunder. Wenn man aus einem kriegsgebeutelten Land kommt, wo es an der Tagesordnung stand, sich vor lauter Angst in den eigenen vier Wänden zu verbarrikadieren, Fenster und Türen geschlossen zu halten, weil man um sein nacktes Leben fürchtete und dann nach Marseille umzieht, eine Stadt, die für ihre hohe Kriminalitätsrate - auch in Zusammenhang mit zahlreichen Einwanderern, die aus Algerien geflüchtet sind - bekannt ist. Dass Jean traumatische Erinnerungen mit sich schleppt, ist mehr als verständlich und da kann man sich über die Freizügigkeit der Holländer schon mal wundern.

Zitat:
Nach dem Rausschmiss der Franzosen aus Algerien siedelte seine Familie nach Marseille über. Da war er siebzehn Jahre alt.
Auch in der französischen Hafenmetropole ist das Haus vor allem ein Ort der Zuflucht und des Rückzugs, ein sicherer Hort, Schutz gegen eine potentiell feindliche Außenwelt. Die gutbürgerliche Mittelschicht, in die er sich hochgearbeitet hat, legt größten Wert auf Diskretion.

Der Algerienkrieg dauerte bis 1962 an, zu diesem Zeitpunkt ist er als Siebzehnjähriger mit seinen Eltern nach Marseille übergesiedelt. Die Geschichte spielt Ende der 1960er-Jahre, das bedeutet, Jean kann höchstens 24 Jahre alt sein, oder? Es wundert mich nur ein wenig, wie er es geschafft hat, sich innerhalb dieser Zeit in die gutbürgerliche Mittelschicht hochzuarbeiten, mit Flachbungalow und einem offensichtlich profitablen Job in einer Firma, die mit holländischen Unternehmen kooperiert. Aber vielleicht war das damals auch möglich, kann gut sein.

Das ist ein interessanter, kurzweiliger Text, den ich in einem Rutsch und gern gelesen habe. Du hast die kulturellen Unterschiede ansprechend herausgearbeitet und das Thema stimmig umgesetzt. Das Gesamtpaket gefällt mir gut.

Liebe Grüße,
Katinka
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Jenni
Geschlecht:weiblichBücherwurm


Beiträge: 3230

Das goldene Aufbruchstück Die lange Johanne in Gold


Beitrag17.05.2021 22:22

von Jenni
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Ein Südfranzose in Holland, wo die Menschen ihr Privatleben in der Öffentlichkeit leben, macht sich Gedanken über kulturelle Unterschiede, die mich interessieren. Das hat viel mit Fenstern zu tun, das ist auch soweit authentisch, das könnte heute sein. Aber es war „Ende der sechziger Jahre“, wieso. Der Name des Mannes, Jean, wird mir am Schluss präsentiert wie eine Pointe, weshalb ich nun grübele, wer mit Jean und Marianne gemeint sein könnte, Ende der sechziger Jahre, also ob die Geschichte eine Art biographische Hommage sein soll - aber ich komme nicht drauf. Vielleicht hat das auch einen anderen Grund mit den sechziger Jahren. Oder keinen.
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Kiara
Geschlecht:männlichReißwolf

Alter: 43
Beiträge: 1418
Wohnort: bayerisch-Schwaben


Beitrag18.05.2021 13:55

von Kiara
Antworten mit Zitat

Hallo,
ich mag deine Geschichte, auch wenn die Dialoge teils recht gestelzt klingen. Ansonsten solide geschrieben. Doch das Niveau ist hoch und für Punkte reicht es dieses Mal leider nicht.
Trotzdem liebe Grüße und danke für deine Geschichte.


_________________
Zum Schweigen fehlen mir die Worte.

- Düstere Lande: Das Mahnmal (2018)
- Düstere Lande: Schatten des Zorns (2020)
- Düstere Lande: "Band 3" in Arbeit (2023)
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Selanna
Geschlecht:weiblichReißwolf


Beiträge: 1193
Wohnort: Süddeutschland


Beitrag18.05.2021 19:38

von Selanna
Antworten mit Zitat

Ein charmanter, unterhaltsamer Text, gut und flüssig lesbar, unkomplizierte Sprache, trotz durchaus längerer Satzkonstruktionen. Würde ich in jedem anderen Kontext loben, nur hier erfüllt er meines Erachtens nicht so ganz das Kriterium der E-Literatur. Wo ist die Sprache oder Erzählstruktur hier verquer, sperrig etc.?
Das Thema ist umgesetzt, Jean geht an vielen offenen Fenstern vorbei.
Der Text hat auch etwas zu sagen, vom Aufeinandertreffen unterschiedlicher Kulturen (wobei Jean gleich zwei Kulturen mitbringt) angefangen über Toleranz und Freundlichkeit hin zum Umgang miteinander in einer Beziehung. Letzteres finde ich übrigens ausgesprochen gelungen, die beiden gehen sehr schön miteinander um, die Dialoge sind natürlich und humorvoll. Dass er am Schluss gegen seinen ungeliebten Kosenamen protestiert, spricht für den offenen Austausch in der Beziehung, dass sie es trotz Erstaunen kommentarlos akzeptiert für ihren liebevollen Umgang miteinander, ihre Empathie, sie akzeptiert es in Französisch, also seiner Sprache.
Es gefiel mir auch, wie die beiden Kulturen voneinander profitieren können, wie er die Vorteile der holländischen Architektur und Lebenseinstellung für sich entdeckt.
Wirklich, ein schöner, charmanter Text. Nur die Sprache ist mir zu eingängig, zu unkompliziert und auch die Struktur des Textes (mit Ausnahme der einen Rückblende) zu stringent.
Hat mir trotzdem sehr gefallen.

Ich weiß noch nicht, ob ich genügend Texte schaffe, um bepunkten zu können. Wenn ja, komm ich noch einmal hierher Wink

Liebe Grüße
Selanna


_________________
Nur ein mittelmäßiger Mensch ist immer in Hochform. - William Somerset Maugham
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MoL
Geschlecht:weiblichQuelle


Beiträge: 1850
Wohnort: NRW
Das bronzene Stundenglas


Beitrag19.05.2021 10:05

von MoL
Antworten mit Zitat

Lieber Inko!

Leider hat Dein Text von mir keine Punkte bekommen.

Woran liegt das? Hm, schwer zu sagen. Du hast die Vorgaben sauber umgesetzt, sprachlich gibt es auch nichts zu meckern. Ich glaube, er ist mir im Vergleich einfach nicht tiefgründig genug. Deine Geschichte ist gut geschrieben und plätschert so vor sich hin. Ich kann aber für mich keine Spannung ergründen, da kommt einfach nichts auf bei mir. Außer, dass ich etwas genervt bin, weil die ganze Zeit von "Holland" die Rede ist, obwohl das Land "die Niederlande" heißt und die Provinz, in der sich Den Haag befindet, SÜDHOLLAND ist. Sicher ist nicht jeder Leser so spitzfindig bei der Geographie, aber sorry, mich nervt so etwas ungemein. :-/

Zurück zum Text: Ja, nett geschrieben. Du kannst gut schreiben, keine Frage, es fehlt mir nur ein Mehrwert, verstehst Du? Einen Gewinn, den ich aus der Geschichte ziehen kann, irgendwas. Du reißt interessante Themen an, bleibst aber so oberflächlich, streifst sie nur, dass da fast nichts bei mir haften bleibt.

Das Ende finde ich besonders gelungen, dieses plötzlich-ernste "Sie blickt ihn einen kurzen Moment erstaunt an und nickt. »D‘accord, Jean.«", sehr schön.

Hier war halt die Konkurrenz für meinen Geschmack einfach "mehrwertiger". Außerhalb des Wettbewerbs hätte ich die Geschichte gelesen und mir gedacht: "Schöne Geschichte!", also alles gut. Smile


_________________
NEU - NEU - NEU
gemeinsam mit Leveret Pale:
"Menschen und andere seltsame Wesen"
----------------------------------
Hexenherz-Trilogie: "Eisiger Zorn", "Glühender Hass" & "Goldener Tod", Acabus Verlag 2017, 2019, 2020.
"Die Tote in der Tränenburg", Alea Libris 2019.
"Der Zorn des Schattenkönigs", Legionarion Verlag 2021.
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Globo85
Geschlecht:männlichKlammeraffe

Alter: 38
Beiträge: 660
Wohnort: Südwesten
Das silberne Eis in der Waffel DSFo-Sponsor


Beitrag20.05.2021 13:43

von Globo85
Antworten mit Zitat

Die Fenster sind offen, einfach mit der Maus vorübergehen.


Disclaimer

Die folgende Bewertung stellt nur meine persönlichen Leseeindrücke dar. Wertende Aussagen beziehen sich lediglich auf den gelesenen Text, nie auf die Verfasser:innen. Die Punktevergabe und meine persönliche Rangliste ist natürlich vollkommen subjektiv, insbesondere die Bewertung unter dem Gesichtspunkt E-Literatur.


Ersteindruck

Kampf der Kulturen voller Schubladen und Klischees.


E-Lit-Zugehörigkeit

Inhaltlicher Anspruch/etwas zu sagen/tiefer gründender Inhalt

Da kann ich leider nicht allzu viel finden. Oberflächlich geht es vielleicht um die Kulturunterschiede, aber die sind dann doch zu plakativ und mit dem Vorschlaghammer rübergebracht.

Stilistischer Anspruch

Einfache Sprache mit gefälligen Dialogen.

Ungefügigkeit und Mehrschichtigkeit

Weder noch.

Für mich: Eher keine E-Literatur.


Umsetzung des Themas

Fenster

Fenster der holländischen Häuser und damit ins Leben der Bewohner.

offen

Zumindest keine Vorhänge.

Vorübergehen

Check.

Für mich: Thema umgesetzt.


Was mir gefällt

Die klare saubere Sprache und die Ungezwungenheit der Dialoge.

Was mir nicht gefällt

Das Plakative. Südfrankreich, durch afrikanische Einflüsse die Machos, der Norden aufgeschlossen und liberal, die Frauen selbstbestimmt. Auch wenn ein wenig relativiert wird.


Lieblingsstelle/Lieblingssatz

„Skulpturen, Vasen, Kakteen-Arrangements, nicht immer geschmackssicher, allerlei Nippes, Porzellankatzen, Gänse aus Holz.“


Fazit und Punkte

Für mein persönliches Empfinden scheitert der Text an der E-Lit-Zugehörigkeit. Es wird zu viel erklärt und auch inhaltlich überzeugt mich das Plakative leider nicht.

Keine Punkte.
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